Titel: | POLYTECHNISCHE RUNDSCHAU. |
Fundstelle: | Band 327, Jahrgang 1912, S. 253 |
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POLYTECHNISCHE RUNDSCHAU.
Polytechnische Rundschau.
Der heutige Stand der drahtlosen Telegraphie. (Nach
einem Vortrag von Graf Georg von Arco.) Die bedeutendsten
technischen Fortschritte, welche die drahtlose Telegraphie in ihrem vierzehnjährigen
Entwicklungsgang gemacht hat, stammen zum überwiegenden Teile aus den
Laboratoriumsarbeiten der größten dieses Spezialgebiet betreibenden
Gesellschaften.
Die beiden Unternehmungen, welche die Entwicklung fast ausschließlich beherrschen,
sind die Marconi-Gesellschaft in England und die Gesellschaft für drahtlose Telegraphie in Deutschland.
Jene hatte in den ersten zehn Entwicklungsjahren, diese hat in den letzten Jahren
die Führung übernommen.
Professor Slaby wurde durch die ersten Versuche Marconis im Jahre 1897, denen er als Gast beiwohnte, zu
eigenen neuen Gedanken angeregt. Er schuf ein unabhängiges drahtloses System, dessen
Ausnutzung die A. E. G. übernahm und im Kabelwerk Oberschöneweide ausarbeitete. Fast
gleichzeitig meldete Professor Braun in Straßburg mehrere
grundlegende deutsche Patente an, deren Ausnutzung er der Firma Siemens & Halske übertrug. Im Jahre 1903 gründeten
die beiden Großfirmen die Gesellschaft für drahtlose
Telegraphie m. b. H. zur gemeinschaftlichen Ausnutzung dieser Patente. Als
Systemnamen wurde Telefunken gewählt. Das Arbeitsgebiet der neuen Gesellschaft war
zunächst Lieferung und Installation drahtloser Stationen, und zwar hauptsächlich für
militärische Zwecke.
Marconis Erfindungen wurden durch eine englische
Gesellschaft ausgebeutet, und zwar sowohl auf dem Lieferungs- und
Installationsgebiet, als auch für die Einrichtung drahtloser Betriebsstationen zum
Zwecke der gewerblichen Nachrichtenbeförderung. Die günstige geographische und
politische Lage Englands war hierfür von großem Vorteil. Die Organisation der
englischen Gesellschaft für die Nachrichtenbeförderung war bereits recht umfangreich
und gut durchgebildet und ein englisches Marconi-Weltmonopol für die drahtlose Nachrichtenbeförderung halb fertig, als
die deutsche Gesellschaft sich entschloß, auch auf dieses Gebiet ihre Tätigkeit
auszudehnen.
Als Telefunken auf einigen Schiffen der deutschen
Handelsmarine Betriebsstationen eingebaut hatte, verweigerte die Marconi-Gesellschaft beim Anruf den deutschen Schiffen
den gegenseitigen Verkehr. Hierdurch war die deutsche Handelsmarine gezwungen, ihre
sämtlichen Schiffe mit Marconi-Stationen auszurüsten und
die Telegraphisten dieser ausländischen Organisation als Bordpersonal zu
führen. Mit Rücksicht auf das große Interesse, das die deutschen Staatsbehörden und
Schiffahrtskreise an dem Aufhören dieses Zustandes hatten, entschlossen sich die A.
E. G. und Siemens & Halske, mit der Marconi-Gesellschaft ein
finanziell opferreiches Abkommen zu schließen, wonach der drahtlose Betrieb an Bord
der deutschen Handelsschiffe an eine neu gegründete Deutsche
Betriebsgesellschaft für drahtlose Telegraphie m. b. H., „Debeg“ genannt, überging. Diese hat das
Verfügungsrecht über die deutschen Telefunken- und Marconi-Patente, und die von ihr heute betriebenen 160 Schiffsstationen
genießen die gleichen Rechte wie die übrigen Marconi-Stationen. So gehört heute in das Arbeitsgebiet der deutschen
Gesellschaft sowohl das Lieferungsais auch das Betriebsgeschäft.
Die Zahl der gelieferten Stationen ist ein Maßstab für die Bedeutung der
verschiedenen Firmen auf dem Weltmarkt. Das Bureau in Bern nennt in seiner
offiziellen Liste im Jahre 1910 etwa 1300 drahtlose Stationen, die über alle
Erdteile zerstreut sind. 80 bis 85 v. H. hiervon werden als Marconi- und
Telefunken-System angeführt, und zwar entfällt auf jedes der beiden Systeme etwa die
Hälfte.
Allein im Jahre 1911 wurden von Telefunken 390 Stationen in Arbeit genommen, und zwar
für folgende 30 Länder: Deutschland, Ost-Afrika und West-Afrika, Australien,
Argentinien, Bulgarien, Brasilien, Chile, China. Belgisch Congo, Columbien, Cuba,
Dänemark, England, Holland, Japan, Mexiko, Norwegen, Neu-Seeland, Niederl. Indien,
Oesterreich-Ungarn, Portugal, Peru, Philippinen, Rußland, Schweden, Sibirien,
Spanien, Türkei, Vereinigte Staaten.
Das neue Telefunken-System ist der Niederschlag der
kostspieligen jahrelangen Versuche, von denen eingangs gesprochen wurde. Jede
drahtlose Unternehmung bemüht sich heute, ihre Einrichtungen möglichst diesem System
ähnlich zu gestalten. Das tönende Löschfunkensystem ist aber durch gute Patente
geschützt.
Folgende Hauptapparate gehören zu jeder drahtlosen Anlage: Senderapparate zur
Erzeugung von Wechselströmen hoher Frequenz, eine Antenne zur Ausstrahlung dieser
Energie, eine zweite Antenne am fernen Ort zur Aufsammlung der ankommenden Wirkungen
und ein Empfangsapparat, der sie wahrnehmbar macht.
Wie erzeugt man Wechselströme hoher Frequenz für die drahtlose Telegraphie?
Die Wechselströme können zwei verschiedene Energieformen haben, nämlich die Form von
ungedämpften oder gedämpften Wellenzügen; erstere werden entweder nach Poulsen durch einen Lichtbogen in einer Wasserstoff-Atmosphäre oder direkt
durch eine speziell hierfür gebaute Wechselstromdynamo, eine sogen.
Hochfrequenzmaschine, die gedämpften Wellenzüge durch Funkenentladung erzeugt. Die
Lichtbogenmethode hat die auf sie gesetzten enthusiastischen Hoffnungen nicht
erfüllt, ihre Anwendungen in der Praxis sind sehr gering geblieben, man kann sogar
sagen verschwindend klein, nämlich beschränkt auf bestimmte Spezialzwecke.
Die kontinuierlichen Schwingungen haben nur eine einzige Periodizität, die
Schwingungszahl in der Sekunde, die diskontinuierlichen Schwingungen dagegen zwei,
nämlich neben der Schwingungszahl eine Periodizität der Gruppen. Da jede Gruppe aus
der Energie einer Funkenentladung hervorgegangen ist, so ist die Periode der Gruppe
gleich der Anzahl der Funken, gleich der Funkenfolge in der Sekunde. Ein Sender mit
diskontinuierlichen Schwingungen kann also eine Individualität mehr besitzen. Einige
Worte über die Hochfrequenzmaschinen: Wie schon erwähnt, werden für
Hochfrequenzströme bis zu 1000000 Perioden in unserer Technik angewendet. Solche
Frequenzen kann man weder heute noch in absehbarer Zeit durch Hochfrequenzdynamo
erzeugen. Aber auch Wechselströme von 50000 Perioden haben seit den letzten Jahren
einen gewissen Wert erhalten, nämlich für die Telegraphie auf sehr große
Entfernungen. Solche Frequenzen kann man direkt nach dem Dynamoprinzip aus
mechanischer Energie mittels gewisser Spezialdynamos herstellen. Eine solche
unterscheidet sich von einer gewöhnlichen Wechselstromdynamo zunächst dadurch, daß
bei der Rotation nicht 100 Magnetpole i. d. Sek. vorbeibewegt werden, sondern
100000. Die Konstruktion führt zu sehr hohen Umfangsgeschwindigkeiten und sehr
schmalen Magnetpolen bezw. kleiner Polteilung.
Das Eisen der Maschine ist eine große Verlustquelle bei Wechselströmen so hoher
Frequenz. Es muß durch feinste Unterteilung möglichst unschädlich gemacht werden.
Die Maschinen werden aus Eisenblechen von 0,03 mm, d.h. von Papierdicke,
zusammengesetzt und Blech gegen Blech durch Papierzwischenlagen isoliert. So enthält
die Dynamo 50 v. H. Papier. Dieses mechanisch komplizierte Gefüge enthält eine
Umfangsgeschwindigkeit von 200 bis 250 m i. d. Sek., d.h. etwa die
Geschoßgeschwindigkeit eines älteren Militärgewehres.
Die mechanischen Schwierigkeiten steigern natürlich die Kosten der Fabrikation
wesentlich und bringen eine gewisse Betriebsunsicherheit mit sich; aber das mag noch
angehen. Schlimmer ist, daß alle Hochfrequenzmaschinen gewisse prinzipielle Fehler
haben, für deren Beseitigung heute noch die Mittel fehlen.
Die Periode ist von der Umdrehungszahl der Maschine abhängig. Gefordert wird eine
Genauigkeit der Periode von mindestens ¼ v. H. auch während der schnell schwankenden
Belastung beim Telegraphieren. Gibt es einen so regulierten oder so regulierenden
Antriebsmotor?
Auch die Isolation der Maschine ist äußerst schwierig. Sollen beispielsweise 50
KW ausgestrahlt werden, so pulsiert in der Maschine eine leer schwingende Energie
von mehr als 500 KW mit entsprechend hoher Spannung und Stromstärke.
Schließlich kann eine aus Metall bestehende Maschine Hochfrequenzströme von etwa
200000 Perioden oder mehr überhaupt nicht liefern, weil bei diesen höheren
Periodenzahlen infolge der Kapazität der Wicklung gegenüber dem Gestell ein
Hochfrequenzkurzschluß eintritt und keine Energie mehr nach außen geliefert
wird.
Von Professor Goldschmidt rührt eine Vervollkommnung einer
solchen Maschine her, die in Deutschland ein gewisses Aufsehen erregt hat. Bei
seiner Anordnung wird in der Maschine eine niedrigere Periodenzahl erzeugt und diese
in der Maschine durch elektrische Mittel gesteigert.
Eine nach diesem Patent hergestellte Maschine hat eine Polteilung und
Umfangsgeschwindigkeit, die einer niedrigeren Periode entspricht, so daß die
mechanischen Schwierigkeiten verringert werden.
Von der Hochfrequenzmaschine wird erwartet, daß sie eine vermehrte Schwingungsenergie
erzeugt.
Bisher ist aber eine Aufgabe der drahtlosen Telegraphie noch nie daran gescheitert,
daß für den Sender nicht genügende Energiemengen in Hochfrequenzform erzeugbar
waren, sondern daran, daß man sie nicht ausstrahlen konnte. Die
Antennenschwierigkeiten begrenzen die Leistungen. Sind erst einmal Antennen
gefunden, mit denen man 500 oder 1000 KW ausstrahlen kann, dann versagt vielleicht
die Funkenmethode, dann kann die Maschine größere Bedeutung erhalten.
Mit Rücksicht auf diese Entwicklungsmöglichkeit hat die A. E. G. in der
Maschinenfabrik Brunnenstraße im Auftrage von Telefunken
jetzt schon mehrere Hochfrequenzmaschinen verschiedener Typen in Arbeit genommen und
zwei solche nähern sich der Fertigstellung.
Jetzt einiges über die Erzeugung der Schwingungen durch Funken.
Man erzeugt mit Funkenentladungen Hochfrequenzströme bis zu mehr als 100 KW Energie
und Frequenzen hinauf bis zu Millionen i. d. Sek. und herunter bis zu wenigen
Tausend. Eine angeschlagene Stimmgabel demonstriert gut die modernste Funkenmethode.
Die Energie wird der Stimmgabel durch einen kurzen Schlag zugeführt und diese
Energie in einen abklingenden akustischen Wellenzug umgesetzt und ausgestrahlt. Ist
der Ton ganz oder fast ganz verklungen, dann erfolgt ein neuer Schlag. Den
Hammerschlägen entsprechen elektrisch die Funken. Das Energiequantum eines Funkens
wird in einen abklingenden Wechselstromzug umgesetzt. Bei den Telefunkenstationen
ist die Funkenfolge meist 1000 i. d. Sek. Nehmen wir an, daß die erzeugte
Wechselstromperiode 100000 sei und daß jeder Wellenzug nach 100 Schwingungen
aufhöre, so sind die Pausen zwischen den Wellenzügen gerade verschwunden, und der
neue Funke setzt immer in dem Moment ein, wo der vorhergehende Wellenzug gerade
aufgehört hat. Die Funkenmethode hat manche Vorzüge vor der Maschine. Von diesen
seien nur die absolute Konstanz der Periodenzahl erwähnt, die hier von festen elektrischen Größen
abhängig ist, und die doppelte Charakteristik der Sender nach Hoch- und Tonfrequenz
sowie die variable Akkumulierung der sekundlichen Energie zur Erzielung größerer
Momenteffekte am Empfänger.
Die vollkommenste Form der Funkenmethode ist heute das System der „tönenden
Löschfunken“. Drei elektrische Eigenschaften sind hervorzuheben. Die Pausen
zwischen den Wellenzügen sind verschwindend klein. Die Gruppenabstände sind gleich
lang und die Wellenzüge folgen mit absoluter Regelmäßigkeit, wodurch im
Empfangstelephon ein Ton erzeugt wird. Der Löschfunke, d.h. der schnell erlöschende
Funke hat schließlich noch den Vorteil, daß er nur während der allerersten
Schwingungen besteht, dann erlöscht und ein langer Wellenzug nach seinem Absterben
ausschwingt. Der Energieverlust ist auf einen winzigen Bruchteil der Zeit
beschränkt, oder praktisch gesprochen: er ist überwunden. Das Löschprinzip, von
Prof. Max Wien angegeben, ist nach langer
Laboratoriumsarbeit von Telefunken bis zur absoluten
Betriebssicherheit durchgebildet, selbst bis zu Anordnungen für 100 KW
Schwingungsenergie.
Was die Antennen angeht, so wird beim Sender die verfügbare Hochfrequenzenergie
zugeführt und ein Teil von ihr als Fernwirkung von ihnen ausgestrahlt. Es ist dies
die Nutzleistung der Antenne.
In die Vorgänge in der Antenne und die Fernwirkungen ist erst in neuester Zeit etwas
mehr Licht gekommen.
Jede fortschreitende Erkenntnis hat zur Folge, daß eine Reihe von
Einzelerscheinungen, die anfangs zusammenhanglos erschienen, plötzlich in einer
gemeinschaftlichen Erklärung zusammenfließen.
So kommt es, daß bei der Erklärung der Antennenwirkungen auf Versuche zurückzugreifen
ist, die lange vor dem Geburtstage der modernen drahtlosen Telegraphie liegen und
bisher scheinbar nichts mit ihr zu tun hatten.
In diesem Zusammenhang sei hier auf die Versuchsergebnisse hingewiesen, die der
leider so früh verstorbene Erich Rathenau im Jahre 1894
in der Elektrotechnischen Zeitschrift veröffentlicht hat.
Rathenau benutzte zwei in das Ufer des Wannsees
eingegrabene Erdplatten und schickte aus einer Akkumulatorenbatterie einen
unterbrochenen Gleichstrom von 3 Amp., der mit einem Taster im Tempo der Morsezeichen geöffnet und geschlossen wurde. Der
Empfänger bestand aus ebenfalls zwei Platten, die in das Wasser des Sees tauchten
und zwischen die ein Telephonhörer geschaltet war. Bis auf 4½ km Entfernung konnten
die Zeichen im Empfänger gehört werden.
Seine Veröffentlichung gipfelte in folgenden Vorschlägen: Ein Ton von guter
Hörbarkeit am Sender, ein mechanisch oder akustisch hierauf abgestimmter Empfänger
und schließlich in Verbindung hiermit ein Mikrophon als Anruf- oder
Schreibapparat.
In den nächsten Jahren ruhten die Erdversuche fast vollkommen, und erst in den
letzten zwei Jahren hat Dr. Kiebitz, Ingenieur des
Telegraphen-Versuchsamtes, neue Versuche mit verbesserten Erdanordnungen
gemacht, deren teilweise recht günstige Ergebnisse er veröffentlicht hat. Unter
anderem teilt er mit, daß er mit einer von 5 Arbeitern an einem Vormittage
ausgelegten Antenne die Signale einer 6000 km entfernten, in Kanada gelegenen
Station gehört hat.
Hierdurch angeregt, hat auch Telefunken systematische
Versuche angestellt und auf gewisse Verbesserungen mehrere Patente angemeldet.
Besonders für Empfangsstationen, vielleicht auch für sehr große Senderanlagen
scheinen diese Anordnungen recht aussichtsvoll zu sein.
Die bisherigen Antennen waren im allgemeinen senkrecht heraufgeführte, durch hohe
Mäste getragene Drähte mit einer oberen leitenden Endfläche; die Dimensionen richten
sich nach den Entfernungen und Energiebeträgen. Je größer die Entfernung ist, die
überbrückt werden soll, um so größere Energie muß aufgewendet, in die Antenne
geschickt und von ihr ausgestrahlt werden. Je größer die Energie ist, um so größer
muß auch die Antenne werden, und zwar sowohl die Ausdehnung der oberen Drahtfläche
als auch deren Höhe. Die Kosten der Türme steigen fast mit dem Kubus ihrer Höhe.
Hier liegt also die praktische Begrenzung der Reichweiten drahtloser Sendestationen.
Man kann wohl 100 KW, vielleicht auch mehr KW in Form hochfrequenter Wechselströme
herstellen, man kann aber nicht ohne phantastischen Kostenaufwand eine genügend
strahlende Antenne bauen. Hält die Erdantenne das, was viele Fachleute sich hiervon
versprechen, dann beginnt vielleicht eine neue Epoche des Baues drahtloser
Großstationen für die größten Entfernungen, die unser Erdball überhaupt aufweist,
und dann erhält vielleicht die Hochfrequenzmaschine den Vorzug vor den Funken. Aber
bis jetzt ist es noch nicht sicher, ob die Erdantennen dieselbe Oekonomie der
Strahlung ergeben wie die alten Antennen, und darum muß vor zu großem Optimismus
gewarnt werden.
Für den Empfang wird die gleiche Antenne benutzt wie für den Sender.
Durch Abstimmung des Empfängers erreicht man einerseits größere Entfernungen und
andererseits die Möglichkeit, die Signale des einen oder anderen Senders aufzunehmen
oder nicht zu hören, je nach der Einstellung.
Die elektrische Abstimmung wird nicht nur bei den Antennen angewendet, sondern an
sehr vielen anderen einzelnen Apparaten, die sämtlich zu einer modernen drahtlosen
Station gehören. Auf Abstimmung beruhen viele Meßapparate, z.B. der zur Bestimmung
der Periodenzahl des Hochfrequenzstromes des Wellenmessers.
Wie macht man nun die schwachen Ströme der Empfangsantenne wahrnehmbar? Das Telephon
kann hiermit nicht betätigt werden, denn seine Schallplatte ist viel zu träge, um
den 100000 oder mehr Perioden des Empfangsstromes zu folgen. Auch der Hörapparat im
menschlichen Ohr ist zu träge und würde diese Telephontöne nicht hören. Es ist also
noch eine Umformung der Energie nötig. Der Hochfrequenzwechselstrom wird in
Gleichstrom verwandelt. Dies geschieht durch einen Gleichrichter, den „Detektor“, der
heute meistens aus einer Metallspitze besteht, die ein besonderes Mineral berührt,
z.B. Platin oder Bleiglanz.
Aus einem gedämpften Hochfrequenzwellenzug wird durch Gleichrichtung ein
Gleichstromstoß erzeugt, und dieser endlich bewegt die Membran des Hörers. Für jeden
fernen Funken erfolgt eine Membranbewegung. Bei 1000 Funken i. d. Sek. hört man den
Ton mit der Schwingungszahl 1000 am Empfänger.
Textabbildung Bd. 327, S. 255
Fig. 1. Normalstation, System „Telefunken“, für große Schiffe mit
Notstation.
1. Sicherung für Gleichstrom, 40
Amp.; 2. Schalter für Gleichstrom; 3. Voltmeter-Umschalter; 4. Voltmeter, 250
Volt; 5. Anlasser; 6. Tourenregulator; 7. Gleichstrommotor, 4 PS, 110 Volt, 1500
Touren; 8.–10. Hochfrequenzsicherungen; 11. Hochfrequenzgenerator, 2 KW, 220
Volt, 500 Perioden; 12. Schiebewiderstände für Erregung und
Hochfrequenzgenerator; 13. Sicherungen für Wechselstrom, 30 Amp.; 14. Schalter
für Wechselstrom; 15. Amperemeter für Wechselstrom, 50 Amp.; 16. Taster; 17.
Primärdrossel; 18. Transformator, 220/8000 Volt; 19. Löschfunkenstrecke,
8-teilig; 20. Erregerkapazität, etwa 24000 cm; 21. Erregerselbstinduktion; 22.
Antennenamperemeter, 20 Amp.; 23. Antennenvariometer; 24.
Antennenverkürzungskapazität; 25. Empfangsapparat; 25. Primäre
Transformatorspule des Empfängers; 27. Telephon
An der Vergrößerung des Anwendungsgebietes erkennt man am deutlichsten die
technischen Fortschritte der letzten Jahre. Die Reichweiten der Stationen sind
relativ gestiegen, denn man kann jetzt 50 bis 75 v. H. der Maschinenenergie in
Antennenenergie umsetzen. Man kommt daher mit kleineren Primäranlagen aus. Durch
den Fortfall der Pausen zwischen den Wellenzügen kann ein und derselben Antenne
mehr Energie zugeführt werden, und wegen der kurzen Zeitdauer der Löschfunken kann
man ohne Zerstörung der Funkenelektroden sehr große Energiebeträge in Schwingungen
umwandeln. Auch die Freiheit gegen Störungen durch andere Stationen und die
atmosphärischen Entladungen sind ganz außerordentlich gestiegen. Der hohe singende
oder pfeifende Ton der Sender dringt durch das Brodeln der Tropengewitter durch,
selbst dann noch, wenn die störenden Geräusche 10, ja 100 mal stärker sind als er.
Die Apparate für die normalen Anwendungen sind vereinfacht, Regulierungen sind fast
vollkommen in Fortfall gekommen, so daß an das Bedienungspersonal nur noch eine
Forderung gestellt wird: Die Kunst, zu telegraphieren, und zwar sowohl zu senden als
auch nach dem Gehör die Telegramme aufzunehmen.
Zahlreiche Meß- und Kontrollapparate sind in den letzten Jahren entstanden. Fast alle
Schwingungsvorgänge werden am Sender durch Spezialinstrumente gemessen. Selbst einen
Rechenschieber für die Hochfrequenztechnik hat Telefunken
jetzt hergestellt. Die Anzahl der Modelle, die Telefunken
für die Sende- und Empfangsapparatur baut, ist überaus groß. Die Sendermodelle sind
nach den geforderten Reichweiten und den hierzu erforderlichen Energien abgestuft.
Die kleinsten sind für etwa 50 km Entfernung bestimmt und arbeiten mit 100 Watt in
der Antenne. Die größten Sender sollen 4000 km überbrücken, und zwar mit 35 KW im
Luftdraht. Die ebenfalls recht zahlreichen Empfängermodelle unterscheiden sich in
der Ausführung nach dem Grade der geforderten Störungsfreiheit und nach den
Antennengrößen. Grundsätzlich verschieden sind die Konstruktionen aller Apparate, je
nachdem sie für militärische Zwecke oder für gewerbliche Nachrichtenbeförderung
gebaut werden. Für Kriegszwecke kommt es darauf an, bei absichtlichen Störungen
durch den Feind die eigenen Telegramme durchzubekommen. Es wird eine große Selektion
und eine große
Tonskala gefordert, und alle Veränderungen der elektrischen Einstellung müssen
möglichst rasch vor sich gehen. Komplikationen und hoher Preis der Apparate sind
eine selbstverständliche Folge.
Die Apparate der Handelsflotte fallen wesentlich einfacher und kleiner aus, weil
meistens geringere Entfernungen verlangt werden. Telefunken baut hierfür drei Typen, eine große für große Passagier- und
Frachtdampfer, eine mittlere für kleinere Passagierdampfer und eine kleinste für
Fischereifahrzeuge, Feuerschiffe, Motorboote usw Einzelne dieser kleinen Fahrzeuge
wünschen und erhalten nur den Empfangsapparat, aber keinen Sender.
Die deutschen Staatsbehörden haben in den letzten Jahren ein großes und immer
wachsendes Interesse für die drahtlose Technik gezeigt, besonders das Reichspostamt,
das Reichsmarineamt- und die Generalinspektion der Verkehrstruppen. Die
Einrichtungen, welche die Behörden von Telefunken beziehen, sind die technisch
vollkommensten, die von der Gesellschaft gebaut werden. Technisch besonders
schwierige und mannigfaltige Aufgaben stellt die Marine. Hieraus fließen aber viele
neue Anregungen und technische Fortschritte.
Textabbildung Bd. 327, S. 256
Fig. 2.
Die bei weitem verbreitetste Schiffsstationstype ist in Fig. 1, der dabei verwendete A. E. G.-Umformer in Fig. 2 V dargestellt.
Wenn man hört, daß mit dieser kleinen Station, die 1,5 KW in die Antenne liefert,
Entfernungen von vielen Tausend Kilometer überbrückt werden, so müßte man glauben,
mit 35 KW Antennenenergie auf phantastische Zahlen kommen zu können. Das ist indes
nicht der Fall. Diese großen Schiffsleistungen werden bei Nacht erzielt, bei Tage
dagegen nur 600 bis 700 km. Marconi war der erste, der die Ursache erkannte. Das
Licht ist der Feind der elektrischen Wellen, und ein um so größerer Feind und
Energiezerstörer, je höher die Periode der Wechselströme ist. Es ist zwar leicht,
niedrige Perioden zu machen, aber sehr schwer, sie ökonomisch auszustrahlen. Die
Antennen schreiben die maximale Periodenzahl vor, und zwar durch ihre Höhe. Je
höher eine Antenne, um so besser für niedrige Perioden. Wir stehen also hier vor
einer erheblichen Schwierigkeit. Will man eine Dauerverbindung auf große Entfernung,
eine Verbindung, die auch bei stärkstem Sonnenlicht, z.B. mittags in den Tropen,
arbeitet, so braucht man eine niedrige Frequenz. Dazu sind sehr hohe Antennen
notwendig.
Marconi war wieder der erste, der eine Dauerverbindung auf
3100 km zwischen England und Kanada schuf, heute noch die einzige derartige Anlage.
Seine beiden Stationen sind gleichgroß und beide mit enormen Antennen versehen. Telefunken besitzt nur eine Versuchsstation: Nauen. Die
Antennenenergie ist die gleiche wie bei den Marconi-Stationen, aber es fehlt die zugehörige große Gegenstation. Versuche
wurden nur nach einem Schiff und daher mit mittlerer Frequenz gemacht, und so wurden
bis auf 5000 km noch Telegramme übermittelt.
Nunmehr aber wird Nauen umgebaut für ganz lange Wellen und für eine viermal größere
Antennenenergie als die Marconi-Stationen. Das neue
Antennennetz bedeckt die Fläche von 140000 qm in der senkrechten Projektion. Die von
der Turmspitze abgehenden Drähte werden von 18 Außenmasten abgefangen, die auf dem
Umfange eines zum Turmfuß konzentrischen Kreises von 800 m ∅ aufgestellt sind. Das
neue Maschinen- und Apparatehaus enthält eine Sendereinrichtung für 100 KW
Hochfrequenzenergie, die einerseits nach der Methode der tönenden Löschfunken,
andererseits durch eine Hochfrequenzmaschine erzeugt wird.
Es ist anzunehmen, daß Nauen mit einer annähernd gleichgroßen Gegenstation selbst im
Dauerbetrieb eine Verständigung auf Entfernungen von 6000 bis 7000 km ergeben
wird.
(Inzwischen ist der 200 m hohe Antennenmast der Station Nauen infolge eines heftigen
Orkans leider eingestürzt, so daß wohl noch einige Zeit vergehen dürfte, bis die
erwähnten großen Entfernungen tatsächlich überbrückt werden können. Anm. d.
Red.)