Titel: | ELEKTRISCHER ANTRIEB VON RINGSPINNMASCHINEN. |
Fundstelle: | Band 327, Jahrgang 1912, S. 266 |
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ELEKTRISCHER ANTRIEB VON
RINGSPINNMASCHINEN.
Elektrischer Antrieb von Ringspinnmaschinen.
Inhaltsübersicht.
Neuere Ausführungen des elektrischen Einzelantriebs für
Ringspinnmaschinen.
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Unter den mannigfachen Anwendungen, die der Elektromotor dank seiner unerreichten
Vorzüge in der Industrie findet, erweckt der elektrische Antrieb von
Ringspinnmaschinen deshalb besonderes Interesse, weil gerade er deutlich erkennen
läßt, in wie hohem Grade sich durch die Anspassung des Elektromotors an die
Arbeitsweise der angetriebenen Maschinen deren Ausnutzung steigern läßt, durch den
elektrischen Antrieb die Produktion gleichzeitig verbessert und verbilligt wird.
Für die Anpassung des Motors an die Arbeitsweise der angetriebenen Maschine ist
naturgemäß der durch die Elektrizität ermöglichte Einzelantrieb Vorbedingung. Seine
Vorzüge vor dem Antrieb sämtlicher Maschinen eines Fabriksaales von einem einzigen
Wellenstrang aus sind bekannt. Außer dieser Möglichkeit, jeder Maschine denjenigen
Motor zu geben, der ihrer Eigenart entspricht, gewährt der elektrische Einzelantrieb
eine größere Wirtschaftlichkeit durch Fortfall der dauernden Verluste in der
Transmission, die einen nicht unerheblichen Prozentsatz der angeschlossenen
Leistung betragen. Ferner gewinnen beim Einzelantrieb die Arbeitsräume bedeutend an
Uebersichtlichkeit und Helligkeit, und gleichzeitig wird die mit umlaufenden Riemen
verbundene Gefährdung des Personals vermieden. Die Betriebssicherheit wird erhöht,
da etwaige Störungen auf eine Maschine beschränkt bleiben. Besonders wertvoll ist
auch die durch den elektrischen Einzelantrieb erreichte Unabhängigkeit in der
Aufstellung der Maschinen, die auch die Ausnutzung ungünstig geschnittener
Grundstücke gestattet, sowie die Zulässigkeit einer leichteren Bauart infolge des
Fortfalls der Beanspruchung durch die Transmission.
Für den Antrieb einer Ringspinnmaschine sind im wesentlichen folgende Faktoren zu
berücksichtigen: Das Garn wird durch eine Oese geführt, die sich an der auf- und
abbewegten Ringbank kontinuierlich verschiebt, und wird dann auf eine Hülse
aufgewickelt. Durch alle diese Bewegungen entstehen in dem zu fertigem Garn zu
verarbeitenden Gespinst variable Spannungen. Diese Spannungen sind nach den
Durchmessern, auf die das Garn gewickelt wird, sehr verschieden; sie sind am größten
beim Winden auf den kleinsten, am kleinsten beim Winden auf den größten Durchmesser.
Um einerseits ein gutes Garn zu erhalten, andererseits aber die Maschinen so
weitgehend wie möglich auszunutzen, muß man den elektrischen Antrieb einer
Ringspinnmaschine derartig ausbilden, daß die Fadenspannung in jeder Lage der
Ringbank annähernd konstant gehalten wird.
Textabbildung Bd. 327, S. 266
Fig. 1.
Von den verschiedenen Antrieben der Ringspinnmaschine wurde zuerst der
Transmissionsantrieb ausgeführt, der sich aber bald nicht nur aus den oben
angeführten allgemeinen Gründen, sondern auch im Hinblick auf die besonderen
Bedürfnisse des Ringspinnmaschinen-Antriebs als ungeeignet herausstellte. Der
Spinnprozeß macht es nämlich erforderlich, daß die Transmissionstourenzahl nicht
höher gewählt wird, als es die Fadenspannung beim Aufwickeln auf den kleinsten
Durchmesser zuläßt; da außerdem darauf Rücksicht genommen werden mußte, daß in den
Transmissionen selbst Tourenvariationen bestehen, die durch das An- und Abschalten
der Maschinen sowie durch lange Seilantriebe hervorgerufen werden, konnte nicht
einmal diejenige Tourenzahl verwendet werden, die mit Rücksicht auf die maximale
Fadenspannung beim Aufwinden auf den kleinsten Durchmesser noch zulässig gewesen
wäre. Eine wirtschaftliche Ausnutzung der Ringspinnmaschine war bei
Transmissionsantrieb nicht möglich.
Mit der Einführung des elektrischen Einzelantriebes konnte man die Antriebstourenzahl
bis zu der Grenze steigern, die das Aufspinnen auf den kleinsten Durchmesser und
insbesondere das An- und Abspinnen gestattete. Als Motoren wurden, da in Anbetracht
der großen Vorzüge des Drehstroms für Erzeugung, Fortleitung und Motorenbetrieb
wie in anderen Anlagen auch in Textilanlagen durchweg Drehstrom zur Verfügung stand,
Kurzschlußankermotoren verwandt, die durch ihren kräftigen Bau und die geringe
benötigte Wartung für die in einem Saal arbeitenden zahlreichen Antriebe besonders
geeignet erschienen.
Ein weiterer Fortschritt war es, als die A. E. G. zur Anwendung von polumschaltbaren
Kurzschlußmotoren überging. Diese gewährten durch die Polumschaltung zwei
verschiedene Tourenzahlen. Der Betrieb gestaltete sich derart, daß zunächst der
Ansatz mit niedriger Tourenzahl gesponnen und alsdann auf die höhere Tourenzahl
umgeschaltet wurde, mit der die Spinnerin bis zum Ende der Spinnperiode arbeitete,
um dann den Motor wieder auf die niedrige Tourenzahl zu schalten. Auf diese Art
wurden erhebliche Fadenbrüche, die sich bei dem Antrieb durch Motoren mit einer
Tourenzahl zeigten, vermieden. Hatte der gewöhnliche Kurzschlußmotor, der mittels
Zahnrades die Spinnmaschine antrieb, schon eine gewisse Produktionssteigerung
bewirkt, so wurde diese durch die polumschaltbaren Motoren noch weiter gesteigert.
Die Steigerung betrug nach den auf diesem Gebiete vorgenommenen Versuchen bis zu 10
v. H.
Textabbildung Bd. 327, S. 266
Fig. 2.
Nicht zufrieden hiermit, unternahm man es, den Motor der Arbeitsweise der
Ringspinnmaschine noch weiter anzupassen, um in den verschiedenen Stadien des
Spinnprozesses stets die höchste, nur von der Rücksicht auf den Faden begrenzte
Geschwindigkeit und damit die größte Ausnutzung der Maschine zu erzielen. Der Motor
muß seine Geschwindigkeit selbsttätig so einstellen, daß die Fadenspannung dauernd
konstant bleibt. Eine derartige weitgehende Regulierung ist aber ökonomisch nur mit
einem Kollektormotor zu erreichen, dessen Geschwindigkeit von der Stellung der
Ringbank selbsttätig beeinflußt wird.
Der Gleichstrommotor kam für die Textilindustrie aus dem schon angegebenen Grunde
kaum in Frage. Dagegen legten die Fortschritte auf dem Gebiete der
Einphasenkollektormotoren, die durch die Elektrifizierung der Bahnen in
Erscheinung traten, den Gedanken nahe, solche Motoren einphasig an Drehstromnetze
anzuschließen und die einzelnen Antriebe auf die verschiedenen Phasen zu verteilen.
Der Antrieb an sich konnte so in einer allen Anforderungen des Spinnprozesses
gerecht werdenden Weise durchgeführt werden. Die Regulierung geschah zur Vermeidung
von Stößen durch Verschiebung der Bürsten, die über einen Automaten von der Ringbank
vorgenommen wurde. Es stellte sich jedoch heraus, daß die Zu- und Abschaltung
einiger einphasig angeschlossener Motoren die übrigen auf die drei Phasen verteilten
Antriebe nicht unbeeinflußt ließ. Stöße und Fadenbrüche waren nicht ganz zu
vermeiden, so daß die Tourenzahl der Einphasenkollektormotoren ein wenig niedriger
gehalten werden mußte, als erwünscht war.
Die A. E. Q. ging deshalb dazu über, einen Drehstromkollektormotor zu verwenden, der
auch die Schwächen des Einphasenmotors nicht mehr hat und sich, wie der praktische
Betrieb ergeben hat, in jeder Beziehung den Anforderungen gewachsen erweist, so daß
jetzt eine vollständige Ausnutzung der Leistungsfähigkeit der Ringspinnmaschine
möglich ist.
Dieser Drehstromkollektormotor hat Hauptstromcharakteristik. Seine Regulierung
erfolgt durch Bürstenverschiebung in Verbindung mit einem Automaten in den Grenzen
von 600 bis 1200 Umdr. i. d. Min. Die Bürstenverschiebung wird durch Drehung der
ganzen Bürstenbrücke auf dem Kollektor vorgenommen, womit konstruktive Vorteile
gegenüber dem Einphasenmotor verbunden sind. Die Leistung der Drehstrommotoren
nimmt mit der höheren Tourenzahl annähernd proportional zu, so daß die Drehmomente –
im Gegensatz zum Einphasenmotor – fast konstant sind. Zur Erzielung eines guten
Leistungsfaktors werden die Motoren mit Kompensationstransformatoren ausgerüstet,
durch die ein hoher cos φ (annähernd 1) erreicht wird.
Der Wirkungsgrad ist bei diesen Motoren höher als bei den Einphasenkollektormotoren.
Eine Folge dieser beiden letzten Vorzüge ist die bessere Ausnutzung der
Primäranlage.
Fig. 1 und 2 gewähren
einen Blick in Spinnereien, die von der A. E. G. mit Drehstromkollektormotoren
ausgerüstet sind. Fig. 1 zeigt eine Anlage mit
wassergekühlten, Fig. 2 eine solche mit
luftgekühlten Motoren. Man sieht, mit welcher Raumökonomie der ganze Antrieb
ausgeführt ist.
Eine Folge der Vorzüge der A. E. G.-Antriebe ist, daß die Ringspinnmaschine nunmehr
auch für Zwecke nutzbar gemacht werden kann, die ihr vordem verschlossen waren. So
können z.B. auch feinere Kettengarne und weichgedrehte Schußgarne, die bisher mit
Rücksicht auf die in der Ringspinnmaschine auftretenden, stark variablen
Beanspruchungen des Fadens auf Selfaktoren gesponnen werden mußten, unter Verwendung
leichterer Läufer auf der Ringspinnmaschine hergestellt werden.
Nach alledem stellen diese Antriebe von Ringspinnmaschinen durch
Drehstromkollektormotoren einen erfreulichen Erfolg in dem Streben nach Steigerung
der Wirtschaftlichkeit der Arbeitsmaschine dar.