Titel: | POLYTECHNISCHE RUNDSCHAU. |
Fundstelle: | Band 327, Jahrgang 1912, S. 270 |
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POLYTECHNISCHE RUNDSCHAU.
Polytechnische Rundschau.
Ueber die Ausnutzung der ausgedehnten bayerischen
Torflager wird von H. Croissant im
„Bayerischen Industrie- und Gewerbeblatt“ ein ausführliches Projekt
veröffentlicht.
Das südliche Bayern besitzt an der Donau und südlich davon insgesamt 383 Torfmoore,
welche eine Gesamtfläche von 1245 qkm bedecken. Diese Lager repräsentieren
naturgemäß einen ungeheuren Vorrat an Energie, der bei richtiger Ausnutzung die
Anlage zahlreicher Kraftwerke von riesiger Größe gestatten würde. Der Verfasser
schätzt die durchschnittliche Mächtigkeit der Torfmoore auf 1 m, was im allgemeinen
wohl zu niedrig gegriffen sein dürfte. Gerade die größten bayerischen Moore haben
durchschnittlich Mächtigkeiten von 3 bis 4 m aufzuweisen. Unter der weiteren
Annahme, daß von den vorhandenen 1245 qkm Torfmoor nur etwa 1000 qkm wirklich
ausgebeutet werden sollen, würden also 1 Milliarde cbm Torfstich der industriellen
Verwendung harren. Schätzt man den Kohlenstoffgehalt von 1 cbm Torfstich auf
etwa 50 kg (5 v. H.), so würde sich ein Gesamtkohlenstoffgehalt der auszubeutenden
Torfflächen von 50 Milliarden kg ergeben. Damit ließen sich bei jährlich 300
zehnstündigen Arbeitstagen während 50 Jahren 650000 bis 750000 PS erzeugen. Würde
man den Torf nebenbei auf Wassergas verarbeiten, so würden sich während 50 Jahren
325000 bis 350000 PS erzeugen und nebenbei jährlich 1000 Millionen Wassergas
gewinnen lassen, wenn man annimmt, daß 1 kg Torfkohlenstoff bei seiner Verarbeitung
auf Generator- und Wassergas 2 Std. PS oder auch 1 Std. PS und 1 cbm Wassergas von
2500 WE liefert.
Da das Wassergas sich leicht komprimieren läßt, und dabei nicht wie Leuchtgas
teilweise kondensiert, so kann man es hoch verdichten und auf große Entfernungen
weiterleiten, so daß weite Gebiete mit Energie versorgt werden können.
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Der seltene Fall, daß ein Kriegsschiff zum zehnten Male
ergebnislos versucht, seine Probefahrten zu erledigen, ist am 14. Februar
d. J. in Frankreich vorgekommen.
Der Zerstörer „Yatagan“, welcher schon über acht Jahre alt ist und noch immer
der endgültigen Indienststellung harrt, versuchte nun schon zum zehnten Male seine
Probefahrten zu absolvieren. Dabei traten aber wieder bedeutende Maschinenhavarien
auf, so daß das Schiff in den Hafen zurückkehren mußte. Der Boden des
Niederdruckzylinders war derart havariert, daß die Beseitigung des Schadens sechs
Wochen in Anspruch nehmen dürfte. [Schiffbau 1912, Nr. 11.]
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Neuheiten der Lackbranche. Von den zur Zeit im Handel
vorkommenden neuen Lackprodukten verdienen die gesetzlich geschützten „Temperol“-Lacke und
-Emaillen, welche man nach einem eigenartigen
Verfahren in der ehem. Fabrik von Gustav Ruth in
Wandsbek-Hamburg erzeugt, anerkennend hervorgehoben zu werden. Wie von Prof.
Bottler, Würzburg,Kunststoffe, München 1912, Heft 1.
dem Königl. Preuß. Materialprüfungsamt Groß-Lichterfelde und dem Untersuchungsamt
für Mal- und Anstrichmaterialien in Kiel konstatiert wurde, zeichnen sich die mit
Temperolpräparaten hergestellten Anstriche durch eine
ganz besondere Widerstandsfähigkeit gegen alkalische
Einwirkung (kochende 30 prozentige Sodalauge), verdünnte Säuren, Mineralöl, Sprit
und Salzwasser aus. Die neuen Lackprodukte können auf Holz, Stein, Metall, trocknem
Kalk- und Zementputz verwendet werden. Die Anstriche stehen sehr schön im Glanz,
sind hart und dabei doch elastisch. Prof. Bottler
(Würzburg) konnte durch Vergleich (mit echten Japanarbeiten) nachweisen, daß die mit
den Temperolpräparaten erzielte Lackierung – in bezug auf chemische Einwirkung – der mit echtem japanischen Rußlack erzeugten ebenbürtig war.
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Die Nichtigkeitserklärung der Colosseuspatente. Unsere
Leser dürften sich erinnern, daß in einem früheren Bericht an dieser Stelle (Heft
10, S. 158, Bd. 327 vom 9. März d. J.) neben dem Passowschen das Colosseusverfahren für Schlackenzementfabrikation besprochen
wurde, welches auf dem D. R. P. 185534 und 189144 beruht. Nach diesen Verfahren
sollte angeblich durch die Einspritzung von Salzlösungen in die feuerflüssige
Schlacke ein abbindungsfähiges Schlackengranulat erzielt werden, das ohne
nennenswerte Zuschläge zu einem guten, abbindungsfähigen Zement vermählen werden
könnte.
Nachdem vor der Nichtigkeitsabteilung des Kaiserl. Patentamts in Gegenwart vieler
Interessenten eingehende Zerstäubungs- und Granulationsversuche angestellt worden
waren, ergab sich, daß die in der Patentschrift behauptete Wirkung nicht eintritt,
weshalb die Patente durch Urteil vom 4. März d. J. für nichtig erklärt wurden.
[Stahl und Eisen 14. III. 12.]