Titel: | DIE KNICKSICHERHEIT VON KOLBENSTANGEN. |
Autor: | Otto Mies |
Fundstelle: | Band 327, Jahrgang 1912, S. 291 |
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DIE KNICKSICHERHEIT VON
KOLBENSTANGEN.
Von Otto Mies,
Charlottenburg.
(Fortsetzung von S. 275 d Bd.)
MIES: Die Knicksicherheit von Kolbenstangen.
3. Die einfachste der in dem Schema (S. 275) zusammengestellten Konstruktionen
ist die einer beiderseits geführten Kolbenstange einer Einzylindermaschine (Schema
Nr. 1 u. 2). Dieselbe ist bereits früher bei den Beispielen des Artikels 63) und zwar unter e behandelt. Fig. 9 daselbst veranschaulicht die Art der
Belastung, die mit den im vorigen Artikel aufgestellten Voraussetzungen über die
Kräftewirkungen an Kolbenstangen übereinstimmt. Die Knickbedingung ist in
diesem Falle durch Gleichung 11 des erwähnten Artikels dargestellt. Setzt man mit
Rücksicht auf Gleichung 8 und 8a dieses Artikels
\frakfamily{m}=\frakfamily{s}\,.\,m . . . . . .
. 2)
wo \frakfamily{s} den Sicherheitsgrad gegen
Knicken bedeutet, so findet sich als Knickbedingung
\left|\begin{matrix}\mbox{sin}\,\sqrt{\frakfamily{s}\,m}\,a\ \ \
\ \ \
&b\,\left(1+\frac{l}{a}+\frac{\frakfamily{s}\,P}{E\,J_b}\,\frac{b^2}{3}\right)\\\sqrt{\frakfamily{s}\,m}\,\mbox{cos}\,\sqrt{s\,m}\,a&-1\
\ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \end{matrix}\right|=0 3)
d.h. eine Gleichung, aus der sich g durch graphische Auflösung
in jedem speziellen Falle leicht finden läßt.
Zur allgemeinen Untersuchung der durch Gleichung 3 dargestellten Beziehung der
Knickkraft zu den Konstruktionsdaten sei zur Abkürzung gesetzt
\frac{J_a}{J_b}=\epsilon und
\frac{b}{a}=x . . . . 4)
Textabbildung Bd. 327, S. 292
Fig. 8. Abhängigkeit von ϕ und κ
und diese Abkürzungen nebst der Beziehung
\varphi=\frakfamily{m}\,a in Gleichung 3 eingeführt, so daß
sich ergibt
\left|\begin{matrix}\mbox{sin}\,\varphi\ \
&2\,x+x^2+\frac{1}{3}\,\epsilon\,x^3\,\varphi^2\\\varphi\,\mbox{cos}\,\varphi&-1\
\ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \end{matrix}\right|=0 .
3a)
Hierin erscheint ϕ als Funktion
von x und ε. Man erkennt
leicht, daß der Einfluß von ε nur gering sein kann,
denn das Glied \frac{\frakfamily{s}\,P}{E\,J_b}\,\frac{b^3}{3} in
Gleichung 3 hat ja gegenüber b\,\left(1+\frac{l}{a}\right) nicht
einmal die Größe der Durchbiegung eines einseitig eingespannten, am Ende belasteten
Stabes gegenüber seiner Länge.
Für x = 0 wird sin ϕ = 0
und ϕ = π, d.h. der Belastungsfall geht in den Eulerschen Fall mit Endbelastung und freier Lagerung der
Stabenden über. Für x = ∞, d.h. b = ∞ wird cos ϕ = 0 und \varphi=\frac{\pi}{2},
d.h. der Belastungsfall geht in den Eulerschen Fall mit
einseitiger Einspannung des Stabes über; die Einspannung erscheint durch den sich
nicht verbiegenden unendlich langen Stabteil b
hervorgerufen. Für Werte von x zwischen 0 und ∞ liegt
ϕ zwischen π und
\frac{\pi}{2}. Die Abhängigkeit zwischen ϕ und x ist in Fig. 8 durch die Kurve a
für den Wert ε = 1 dargestellt, indem als
Ordinaten die Winkel ϕ, als Abszissen die Verhältnisse
\frac{b}{a}=x aufgetragen wurden. Die Kurve beginnt beim Wert
π auf der ϕ-Achse und
verläuft asymptotisch an die Gerade \varphi=\frac{\pi}{2}. Mit
Hilfe dieser Kurve läßt sich bei gegebenem x, indem man
den Einfluß von ε vernachlässigt, die Lösung der
Gleichung 3a sofort ablesen, so daß sich aus dem gefundenen Wert von ϕ mit Hilfe der Beziehung
P_k=\varphi^2\,\frac{E\,J_2}{a^2} die Knickkraft und hieraus
die Knicksicherheit bestimmen läßt.
Um den Einfluß der zur Stangenachse senkrechten Kraft P tg ϕ zu erkennen, sei die Knickbedingung unter Vernachlässigung dieser Kraft
ermittelt. Dabei ergibt sich der früher im Artikel 6 unter a3) behandelte Belastungsfall dessen Knickbedingung
daselbst durch Gleichung 10 dargestellt wird. Mit den bekannten Bezeichnungen folgt
daraus
\left|\begin{matrix}\mbox{sin}\,\varphi\ \
&x\\\varphi\,\mbox{cos}\,\varphi&-1\end{matrix}\right|=0 . . .
4)
Auch hier wird ϕ = π für
x = 0 und \varphi=\frac{\pi}{2}
für x = ∞. Die Abhängigkeit zwischen ϕ und x ist in Fig. 8 durch die Kurve b
dargestellt, die ebenfalls beim Wert π auf der ϕ-Achse beginnt und asymptotisch an die Gerade
\varphi=\frac{\pi}{2} verläuft, jedoch oberhalb der Kurve a. Daher ist dieser Belastungsfall weniger gefährlich
als der frühere. Z.B. findet sich aus Fig. 8, daß
man bei einer Kolbenstange, bei der \frac{b}{a}=0,7 ist, bei
Vernachlässigung der Kraft P tg ϕ eine Knickkraft
erhält, die um mehr als 40 v. H. zu groß ist.
Textabbildung Bd. 327, S. 292
Fig. 9.
4. Es werde jetzt die Knickbedingung für die Stangenkonstruktion Nr. 3 des Schemas
ermittelt. Die Art der Belastung ist aus Fig. 9 ohne
weiteres zu entnehmen, aus der auch die Bedeutung der Bezeichnungen hervorgeht. Für die beiden zur
Stangenachse senkrechten Auflagerkräfte findet sich aus den
Gleichgewichtsbedingungen
A=P_1\,\mbox{tg}\,\varphi_1\,\frac{b}{l}-P_2\,\mbox{tg}\,\varphi_2\,\frac{c}{l}
B=P_1\,\mbox{tg}\,\varphi_1\,\frac{a}{l}-P_2\,\mbox{tg}\,\varphi_2\,\frac{c+l}{l},
so daß die Differentialgleichungen der drei Aeste der
elastischen Linie sind
E\,J_a\,\frac{d^2\,y_a}{d\,{x_a}^2}=-P\,y_a+P_1\,\mbox{tg}\,\varphi_1\,\frac{b}{l}\,x_a-P_2\,\mbox{tg}\,\varphi_2\,\frac{c}{l}\,x_a
E\,J_b\,\frac{d^2\,y_b}{d\,{x_b}^2}=-P_2\,y_b+P_1\,\mbox{tg}\,\varphi_1\,\frac{a}{l}\,x_b-P_2\,\mbox{tg}\,\varphi_2\,\frac{c}{l}\,(l-x_b)
E\,J_b\,\frac{d^2\,y_c}{d\,{y_c}^2}=-P_2\,y_c+P_2\,\mbox{tg}\,\varphi_2\,x_c,
aus denen nach Integration folgt
y_a=\frakfamily{A}_a\,\mbox{sin}\,\sqrt{m}\,x_a+\frakfamily{B}_a\,\mbox{cos}\,\sqrt{m}\,x_a +\frac{P_1}{P}\,\mbox{tg}\,\varphi_1\,\frac{b}{l}\,x_a-\frac{P_2}{P}\,\mbox{tg}\,\varphi_2\,\frac{c}{l}\,x_ay_b=\frakfamily{A}_b\,\mbox{sin}\,\sqrt{n}\,x_b+\frakfamily{B}_b\,\mbox{cos}\,\sqrt{n}\,x_b +\frac{P_1}{P_2}\,\mbox{tg}\,\varphi_1\,\frac{a}{l}\,x_b-\mbox{tg}\,\varphi_2\,\frac{c}{l}\,(l-x_b)y_c=\frakfamily{A}_c\,\mbox{sin}\,\sqrt{n}\,x_c+\frakfamily{B}_c\,\mbox{cos}\,\sqrt{n}\,x_c+\mbox{tg}\,\varphi_2\,x_c
5)
wo
\left{{m=\frac{P}{E\,J_a}}\atop{n=\frac{P_2}{E\,J_b}}}\right\}\ .\ .\
.\ .\ 5\mbox{a})
Textabbildung Bd. 327, S. 293
Die Gleichungen 5 haben folgende
Grenzbedingungen zu erfüllen
ya = 0 bzw. yc = 0 bzw. yc = 0
für
xa = 0 bzw. xb = 0 bzw. xc = c
ya = yb
„
xa = a und xb = b
\mbox{tg}\,\varphi_1=\frac{d\,y_a}{d\,x_a} bzw.
=-\frac{d\,y_b}{d\,x_b}
„
xa = a bzw. xb = b
\frac{d\,y_b}{d\,x_b}=-\frac{d\,y_c}{d\,x_c}
„
xb = 0 und xc = 0
\mbox{tg}\,\varphi_2=-\frac{d\,y_c}{d\,x_c}
„
xc = 0.
so daß folgt
\frakfamily{B}_b+\mbox{tg}\,\varphi_2\,.\,c=0
\frakfamily{B}_c\,\mbox{cos}\,\sqrt{n}\,c+\mbox{tg}\,\varphi_2\,.\,c=0
\frakfamily{A}_a\,\mbox{sin}\,\sqrt{\frakfamily{m}}\,a-\frakfamily{A}_b\,\mbox{sin}\,\sqrt{n}\,b-\frakfamily{B}_b\,\mbox{cos}\,\sqrt{n}\,b
-\frac{{P_1}^2}{P\,P_2}\,\mbox{tg}\,\varphi_1\,\frac{a\,b}{l}-\frac{P_1}{P}\,\mbox{tg}\,\varphi_2\,\frac{a\,c}{l}=0
\frakfamily{A}_a\,\sqrt{m}\,\mbox{cos}\,\sqrt{m}\,a-\mbox{tg}\,\varphi_1\,\left(1-\frac{P_1\,b}{P\,l}\right)+\mbox{tg}\,\varphi_2\,\frac{P_2\,c}{P\,l}=0
\frakfamily{A}_b\,\sqrt{n}\,\mbox{cos}\,\sqrt{n}\,b-\frakfamily{B}_b\,\sqrt{n}\,\mbox{sin}\,\sqrt{n}\,b
+\mbox{tg}\,\varphi_1\,\left(1+\frac{P_1}{P_2}\,\frac{a}{l}\right)-\mbox{tg}\,\varphi_2\,\frac{c}{l}=0
\frakfamily{A}_b\,\sqrt{n}-\frakfamily{B}_c\,\sqrt{n}\,\mbox{sin}\,\sqrt{n}\,c+\mbox{tg}\,\varphi_1\,\frac{P_1}{P_2}\,\frac{a}{l}-\mbox{tg}\,\varphi_2\,\frac{l+c}{l}=0
\frakfamily{B}_a=0
\frakfamily{A}_c=0,
woraus durch Elimination von
\frakfamily{B}_b und tg ϕ2
sich die Gleichungen ergeben
\frakfamily{A}_a\,\mbox{sin}\,\sqrt{m}\,a-\frakfamily{A}_b\,\mbox{sin}\,\sqrt{n}\,b+B_c\,\left(\mbox{cos}\,\sqrt{n}\,b-\frac{P_1\,a}{P\,l}\right)\,\mbox{cos}\,\sqrt{n}\,c-\mbox{tg}\,\varphi_1\,\frac{{P_1}^2}{P\,P_2}\,\frac{a\,b}{l}=0
\frakfamily{A}_a\,\sqrt{m}\,\mbox{cos}\,\sqrt{m}a+B_c\,\frac{P_2}{P}\,\frac{1}{l}\,\mbox{cos}\,\sqrt{n}\,c-\mbox{tg}\,\varphi_1\,\left(1-\frac{P_1\,b}{P\,l}\right)=0
\frakfamily{A}_b\,\sqrt{n}\,\mbox{cos}\,\sqrt{n}b+B_c\,\left(\sqrt{n}\,\mbox{sin}\,\sqrt{n}\,b-\frac{1}{l}\right)\mbox{cos}\,\sqrt{n}\,c+\mbox{tg}\,\varphi_1\,\left(1+\frac{P_1\,a}{P\,2\,l}\right)=0
\frakfamily{A}_b\,\sqrt{n}-B_c\,\left(\sqrt{n}\,\mbox{sin}\,\sqrt{n}\,c+\mbox{cos}\,\sqrt{n}\,c\,\frac{l+c}{l\,c}\right)+\mbox{tg}\,\varphi_1\,\frac{P_1\,a}{P_2\,l}=0.
Dieses System homogener linearer Gleichungen dient in
bekannter Weise zur Aufstellung der Knickbedingung. Kennzeichnet man die die
Knickung herbeiführenden Kräfte durch den Index k und
setzt man den Gleichungen 5a entsprechend
\left{{m=\frac{P_k}{E\,J_a}}\atop{n=\frac{P_{2\,k}}{E\,J_b}}}\right\}\
.\ .\ .\ .\ .\ .\ 5\mbox{b})
so ergibt sich als Knickbedingung die Gleichung
Sind P, P1 und P2 die im normalen
Betrieb wirkenden Kräfte, so ist nach Artikel 8 der erwähnten Arbeit das
gefährlichste System von Knickkräften dasjenige, welches außer Gleichung 6 noch die
Bedingungen
P_{1k}=\frakfamily{s}\,_1 und
P_{2k}=\frakfamily{s}\,P_2 . . . 7)
erfüllt, wo \frakfamily{s} als
Sicherheitsgrad gegen Knicken bezeichnet wurde. Setzt man hiernach mit Rücksicht auf
die Gleichungen 5a und 5b
\frakfamily{m}=\frakfamily{s}\,m und
\frakfamily{n}=\frakfamily{s}\,n . . . . 7a)
und führt diese Beziehungen in die Gleichung 6 ein, so erhält
man die Gleichung 8 (S. 294) aus der man durch graphische Auflösung, indem man für
einige Werte für \frakfamily{s} die Determinante berechnet, deren
Werte in Abhängigkeit von \frakfamily{s} aufzeichnet und die
Nullstelle der so entstehenden Kurve sucht, \frakfamily{s}
unschwer bestimmen kann.
\left|\begin{matrix}\sqrt{s\,m}\,\mbox{cos}\,\sqrt{s\,m}\,a&0\
\ \ \ \ \ \ \ \ &\frac{P_2}{P}\,\frac{1}{l}\,\mbox{cos}\sqrt{s\,n}\,c\ \ \ \
\ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ &-\left(1-\frac{P_1\,}{P\,l}\right)\\0\ \ \
\ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ &\sqrt{s\,n}\,b\ \
&\left(\sqrt{s\,n}\,\mbox{sin}\sqrt{s\,n}\,b-\frac{1}{l}\right)\,\mbox{cos}\,\sqrt{s\,n}\,c&1+\frac{P_1\,a}{P_2\,l}\\\mbox{sin}\,\sqrt{s\,m}\,a\
\ \ \ \
&-\mbox{sin}\,\sqrt{s\,n}\,b&\left(\mbox{cos}\,\sqrt{s\,n}\,b\,-\frac{P_1\,a}{P\,l}\right)\,\mbox{cos}\,\sqrt{s\,n}\,c\
\ &-\frac{{P_1}^2}{P\,P_2}\,\frac{a\,b}{l}\\0\ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \
\ &\sqrt{s\,n}\ \ \ \
&-\left(\sqrt{s\,n}\,\mbox{sin}\sqrt{s\,n}\,c+\frac{l+c}{l\,c}\,\mbox{cos}\,\sqrt{s\,n}\,c\right)&\frac{P_1\,a}{P_2\,l}\
\ \ \ \end{matrix}\right|=0 . . . . . . . 8)
5. Um auch in diesem Falle den Einfluß der zur Stabachse senkrechten Kräfte P tg ϕ zu erkennen, sei unter Vernachlässigung derselben die
Knickbedingung aufgestellt. Es ergibt sich der früher unter f im Artikel 63) behandelte Belastungsfall, dessen
Knickbedingung durch Gleichung 15 daselbst dargestellt ist, aus der mit den
Beziehungen 15 und 15a sowie mit der Abkürzung
\frac{a}{b}=\mu . . . . . . . 9)
folgt
\left|\begin{matrix}\mbox{sin}\,\varphi\ \
&-\mbox{sin}\,\psi\\\varphi\,\mbox{cos}\,\varphi&\mu\,\psi\,\mbox{cos}\,\psi\end{matrix}\right|=0
. . . . 10)
Textabbildung Bd. 327, S. 294
Fig. 10. ϕ = ψ = Kurven (Näherungskurven).
Die durch diese Gleichung bestimmte Abhängigkeit zwischen ϕ und ψ ist in Fig.
10 für eine Anzahl von Werten des Verhältnisses
\mu=\frac{a}{b} veranschaulicht. Jeder Punkt einer solcher
Kurve gibt zwei zusammengehörige Werte von ϕ und
ψ, d.h. von Pk und P2k an, welche die Knickbedingung erfüllen. Für μ = 0, d.h. b = ∞ ergibt sich als Spezialfall die
Gerade \varphi=\frac{\pi}{2}, entsprechend einer Einspannung des
Stabteiles b. Für μ = ∞,
d.h. b = 0, findet sich die Gerade ϕ = π, entsprechend dem an den Enden drehbar gelagerten
Stab. Entsprechendes gilt für den Winkel ψ, so daß ϕ und ψ zwischen
\frac{\pi}{2} und π liegen.
Das gefährlichste System von Knickkräften ist durch die Gleichungen 7 bestimmt. Für
dieselben nimmt das Verhältnis \frac{\varphi}{\vartheta} den
Wert
\frac{\varphi}{\psi}=\frac{a}{b}\,\sqrt{\frac{P}{P_2}\,\frac{J_b}{J_a}}
. 11)
an. Dieses Verhältnis ist aber stets bekannt, so daß man durch
einen Strahl, den man unter der durch Gleichung 11 gegebenen Neigung
\frac{\varphi}{\psi} durch den Nullpunkt des
Koordinatensystems zieht, auf der ϕ – ψ-Kurve
denjenigen Punkt schneidet, der die gefährlichsten Knickkräfte bestimmt. Einige
solcher Strahlen sind in Fig. 10 eingezeichnet.
Um die Gleichung 8 auf eine der Gleichung 10 entsprechende Form zu bringen, seien
noch außer der durch Gleichung 9 bestimmten die Abkürzungen
\frac{b}{c}=\nu und
\frac{J_a}{J_b}=\epsilon . 12)
eingeführt, so daß sich aus Gleichung 8 nach einigen
Umrechnungen Gleichung 13 (S. 295) ergibt.
Diese Gleichung stellt gegenüber der angenäherten Gleichung 10 die genaue Beziehung
zwischen ϕ und ψ bei
gegebenen Werten von μ, v und ε dar. Man kann dieselbe ebenfalls durch Kurven darstellen, deren
Vergleich mit den Kurven der Fig. 10 den Einfluß der
Kräfte P tg ϕ zeigt.
\left|\begin{matrix}\varphi\,\mbox{cos}\,\varphi&0\ \ \ \ \ \
\
&\frac{1}{\epsilon}\,\left(\frac{\psi}{\varphi}\right)^2\,\frac{\mu^2}{1+\mu}\,\mbox{cos}\,\frac{\psi}{v}\
\ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \
&-\frac{1}{\epsilon}\,\left(\frac{\psi}{\varphi}\right)^2\,\mu^4-\mu^3\ \ \
\ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \\0\ \ \ \ \ \ \
&\psi\,\mbox{cos}\,\psi&\left(\psi\,\mbox{sin}\,\psi-\frac{1}{1-\mu}\right)\,\mbox{cos}\,\frac{\psi}{v}\
\ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \
&\epsilon\,\left(\frac{\varphi}{\psi}\right)^2+^\mu\ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \
\ \ \ \ \ \ \ \\\mbox{sin}\,\varphi\ \
&-\mbox{sin}\,\psi&\left(\mbox{cos}\,\psi-\frac{\mu}{1+\mu}+\frac{1}{\epsilon}\,\left(\frac{\psi}{\varphi}\right)^1\,\frac{\mu^2}{1+\mu}\right)\,\mbox{cos}\,\frac{\psi}{v}&-\epsilon\,\left(\frac{\varphi}{\psi}\right)^2-\frac{1}{\epsilon}\,\left(\frac{\psi}{\varphi}\right)^2\,\mu^4+2\,\mu^2\\0\
\ \ \ \ \ \ &\psi\ \ \ \ \ \ \
&-\left(\psi\,\mbox{sin}\,\frac{\psi}{v}+\left(\frac{1}{1+\mu}+v\right)\,\mbox{cos}\,\frac{\psi}{v}\right)\
\ \ \ \ \ \ &\epsilon\,\left(\frac{\varphi}{\psi}\right)^2-\mu^2\ \ \ \ \ \
\ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \end{matrix}\right|=0 . . . . . 13)
In den Fig. 11 bis 13
sind einige solcher Kurven gezeichnet und zum Vergleich die Näherungskurven nach
Fig. 10 eingestrichelt. Die Kurven sind nur bis
zu dem kleinstmöglichen Wert von ϕ, der sich für P1k = 0 ergibt, gezeichnet, indem berücksichtigt
wurde, daß das kleinste vorkommende Verhältnis
\frac{\varphi}{\psi} nach Gleichung 11 mit den Bezeichnungen
der Gleichungen 12 ist
\left(\frac{\varphi}{\psi}\right)_{min}=\frac{\mu}{\sqrt{\epsilon}}
. . . . . 14)
Textabbildung Bd. 327, S. 295
Fig. 11. ϕ = ψ = Kurven für μ = 1 und ν = 1.
Die genaueren Kurven verlaufen teilweise oberhalb, teilweise
unterhalb der Näherungskurven, ergeben also je nach der Größe des Verhältnisses
\frac{\varphi}{\psi} größere oder kleinere Knicksicherheit
als die Näherungskurven. Das kommt daher, daß die durch die Kräfte P tg ϕ hervorgerufenen Biegungen je nach den Abmessungen der
Stange die Knickung einmal unterstützen, einmal ihr entgegenwirken.
Unter der Voraussetzung, daß die vorliegende Belastungsart zu denjenigen gehört,
auf welche die in Artikel 8 der erwähnten Arbeit aufgestellte Definition der
Knicksicherheit beschränkt ist, gelten auch hier die Gleichungen 7 und 7a, so daß
man die Knickkräfte auf der ϕ = ψ-Kurve durch einen Strahl unter der Neigung
\frac{\varphi}{\psi}=\frac{a}{b}\,\sqrt{\frac{P}{P_2}\,\frac{J_b}{J_a}}
Textabbildung Bd. 327, S. 295
Fig. 12. ϕ = ψ = Kurven für ε = 1 und ν = 1.
bestimmen kann. Es muß jedoch zunächst festgestellt werden, ob
die Belastungsart den Voraussetzungen entspricht. Dazu ist nach früheren
Erörterungen 3) nötig, daß
\frac{d\,P_{1k}}{d\,P_{2k}}\,<\,0 . . . .
. . 15)
Nach den bekannten Beziehungen ist
\varphi^2=\frac{P_{1k}+P_{2k}}{E\,J_a}\,a^2
\psi^2=\frac{P_{2k}}{E\,J_b}\,b^2.
woraus folgt
2\,\varphi\,\frac{d\,\varphi}{d\,P_{1\,k}}=\frac{1+\frac{d\,P_{2k}}{d\,P_{1k}}}{E\,J_a}\,a^2
2\,\psi\,\frac{d\,\psi}{d\,P_{1k}}=\frac{\frac{d\,P_{2k}}{d\,P_{1k}}{E\,J_b}\,b^2
und mit den früher eingeführten Abkürzungen
\frac{d\,\varphi}{d\,\psi}=\frac{\psi}{\varphi}\,\frac{\mu^2}{\epsilon}\,\left(\frac{d\,P_{1k}}{d\,P_{2k}}+1\right),
so daß sich mit Rücksicht auf Gleichung 15 ergibt
\frac{d\,\varphi}{d\,\psi}\,<\,\frac{\psi}{\varphi}\,\frac{\mu^2}{\epsilon}
. . . . . . 16)
Diese Forderung ist bei den Kurven der Fig. 11 bis 13
durchweg erfüllt, wie man sich leicht durch Untersuchung der Neigungswinkel der
Tangenten an die Kurven überzeugen kann.
Der Einfluß der Stangenabmessungen auf die Knicksicherheit, der in den Koeffizienten
μ, v und ε enthalten
ist, läßt sich ebenfalls an den Kurven der Fig. 11
bis 13 erkennen. Wie bei dem einfacheren im Artikel
3 behandelten Belastungsfalle ist auch hier der Einfluß des Verhältnisses der
Trägheitsmomente \frac{J_a}{J_b}=z gering (Fig. 11). Am stärksten macht sich die Wirkung von
\frac{a}{b}=\mu geltend (Fig.
12). Je größer a im Verhältnis zu b wird, desto größere Knicksicherheit ergibt sich. Im
selben Sinne macht sich das Verhältnis \frac{b}{c}=\nu geltend
(Fig. 13), vorausgesetzt, daß sein Wert nicht
sehr verschieden von 1 ist.
Schließlich sei noch darauf hingewiesen, daß man die Kurven der Fig. 10 bis 13 mit
Hilfe der Strahlen \frac{\varphi}{\psi} in praktischen Fällen zur
angenäherten Bestimmung der Knicksicherheit verwenden kann, indem man zwischen den
Kurven und Strahlen die Lage der gesuchten Punkte abschätzt.
Textabbildung Bd. 327, S. 296
Fig. 13. ϕ = ψ = Kurve für μ = 1 und ε = 1.
(Fortsetzung folgt.)