Titel: | AUSLÄNDISCHE LOKOMOTIVEN AUF DER AUSSTELLUNG IN TURIN 1911. |
Autor: | Schwickart |
Fundstelle: | Band 327, Jahrgang 1912, S. 296 |
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AUSLÄNDISCHE LOKOMOTIVEN AUF DER AUSSTELLUNG IN
TURIN 1911.
Von Schwickart, Ingenieur in
Köln-Kalk.
(Fortsetzung von S. 280 d. Bd.)
SCHWICKART: Ausländische Lokomotiven auf der Ausstellung in Turin
1911.
Abweichend von den bisher besprochenen Pacific-Lokomotiven stellte die
Paris-Orleans-Bahn eine 2–C–1-Vierzylinder-Verbund-Heißdampfmaschine aus (Nr. 3 der
Tab. 2). Diese Gesellschaft besitzt vier Serien der Pacific-Gattung, die in Tab. 8
zusammengestellt sind.
Auf eine weitere Beschreibung kann verzichtet werden, da diese Maschine von der in
Brüssel ausgestellten nur durch den Triebraddurchmesser abweicht.
Die Schweizerischen Bundesbahnen sind leider nur durch eine
2–C–0-Vierzylinder-Verbund-Heißdampflokomotive (A 3/5) vertreten, (Nr. 5 der Tab.
2), die in Fig. 4 wiedergegeben ist. Außer dieser
besitzen die Bahnen noch fünf Bauarten der Klasse A 3/5, die in Tab. 9
zusammengestellt sind.
Tabelle 8.
Serie
1
2
3
4
Gattung
2–C–1
2–C–1
2–C–1
2–C–1
Zylinder
4 Z.-Verb.
4 Z.-Verb.
4 Z.-Verb.
4 Z.-Verb.
Heiß- oder Naßdampf
Naßd.
Naßd.
Heißd.
Heißd.
Zylinderdurchm mm
390/640
390/640
420/640
420/640
Kolbenhub „
650
650
650
650
Triebraddurchm. „
1850
1950
1850
1950
Heizfläche qm
258,25
258,25
210,97
210,97
Ueberhitzer-Heizfl. „
–
–
63,5
63,5
Rostfläche „
4,27
4,27
4,27
4,27
Dienstgewicht t
91
91,85
92,2
92,8
Fester Radstand m
3,9
4,1
3,9
4,1
Totaler „ „
10,5
10,7
10,5
10,7
Tabelle 9.
Gattung
2-C-0
2-C-0
2-C-0
2-C-0
2-C-0
Klasse
A 3/5
A 3/5
A 3/5
A 3/5
A 3/5
Zylinderdurchm. d.H.-Z mm
2,360
2,360
2,360
4,470
2,425
„ d.N.-Z. „
2,570
2,570
2,570
–
2,630
Kolbenhub „
660
660
660
660
660
Triebraddurchmesser „
1780
1780
1780
1780
1780
Heizfläche qm
166,5
158,6
177
135,1
135,1
Ueberhitzerfläche „
–
–
–
37,6
37,6
Rostfläche „
2,6
2,6
2,5
2,6
2,6
Fester Radstand m
4,15
4,15
4,15
4,15
4,15
Ganzer „ „
8,35
8,35
8,35
8,45
8,45
Dienstgewicht t
64,5
64,5
65,1
66,8
68,9
Leergewicht „
58,6
58,6
58,6
60,5
62,7
Adhäsionsgewicht „
46
46
48,7
45,4
45,7
Die Ausstellungslokomotive ist demnach wiederum verstärkt worden, entsprechend der
Verkehrssteigerung auf den Schweizer Bahnen. Da die Streckenverhältnisse durch die
anhaltenden Steigungen bis 26 v. T. sehr ungünstige sind, mußte eine Maschine
geschaffen werden, die den Anforderungen an sie gerecht wurde. Dieses soll im
Folgenden rechnerisch untersucht werden.
Textabbildung Bd. 327, S. 297
Fig. 4. Vierzylinder-Verbund-Heißdampflokomotive der Schweizerischen
Bundesbahnen.
Es sei folgendes Betriebsprogramm zu Grunde gelegt: Die Züge sollen auf Steigungen
von 26, 10 und 0 v. T. mit 40, 60 und 90 km/Std. Geschwindigkeit befördert werden.
Das Lokomotivgewicht beträgt 115 t. Gerechnet wird nach der Frankschen Formel.
w = (2,5 + 0,00067 v2 + s) für
Lokomotive,
w = (2,5 + 0,0003 v2 + s) für
Wagen.
Die Kesselleistung auf den qm Heizfläche, am Triebradumfang bemessen, soll bei den
angeführten Geschwindigkeiten 7,5, 9,1 und 11 PS/qm sein. Es ist
N=\frac{Z\,.\,v}{270} und
Z=\frac{N\,.\,270}{v}; ferner N = n . H (H = 161,6 qm) und
damit Z=\frac{H\,.\,n\,.\,270}{v}. Es ergibt sich für
40
km
eine
Zugkraft
von
8200
kg,
60
„
„
„
„
6600
„
90
„
„
„
„
5330
„
Die Zugkraft von 8200 kg ist ungünstig, da in den Tunnels
die Schienen naß sind und leicht ein Schleudern bei dem Reibungskoeffizienten
von \frac{8200}{48000}=\frac{1}{5,85} eintreten wird. Wird dieser
wenigstens zu 1 : 6,0 angenommen, so ergibt sich eine Zugkraft von 8000 kg. Es
werden, ausgerechnet, Züge (ohne Lokomotive) von 159, 360 und 900 t (letztere Last
ist nur theoretisch von Wert) befördert, während bisher 140 und 320 t Schlepplast
war. Es wäre noch zu untersuchen, ob eine Zugkraft von 8000 kg von den Zylindern
geleistet werden kann.
Bei einer Vierzylindermaschine beträgt die aus den Zylindern errechnete Zugkraft
Z=a\,.\,p\,\frac{{d_n}^2\,.\,h}{D}; daraus
a=\frac{Z\,.\,D}{p\,.\,{d_n}^2\,.\,h}=\frac{8000\,.\,178}{14\,.\,3970\,.\,66}=0,39.
Bei einem Zylinderinhalt von 2,2 kann a = 0,425 betragen, die
Maschine könnte also eine höhere Leistung sowohl aus den Zylindern wie aus dem
Kessel erzielen. Wie die Erbauerin mitteilt, hat die Maschine auf 10 v. T. 450 t
dauernd hinter dem Zughaken mit 60 km/Std. befördert und dabei 1450 PSe geleistet, oder auf das qm Heizfläche bezogen ∾ 9
PS. Meine Leistungsannahme würde damit übereinstimmen, dagegen beträgt der
Widerstand nur 11,6 kg/t (bezogen auf Maschine und Wagen) oder 1,6 t in der Ebene.
Diese Angaben sind mit Recht anzuzweifeln. Da Fig. 4
alles Wissenswerte erkennen läßt, kann auf eine weitere Beschreibung verzichtet
werden. Es seien nur die Achsbelastungen von vorn nach hinten angegeben: 12,6, 12,5,
15,9, 16,1, 16 t.
Die 2–C–0-Vierzylinder-Verbundmaschine der Französischen Ostbahn (Nr. 6 der Tab. 2)
ist eine Naßdampfmaschine. Wenn diese Maschine mit 1750 mm Raddurchmesser mehr den
Charakter einer Personenzugmaschine trägt, so kann die in Mailand ausgestellte
2–C–0-Lokomotive mit 2090 mm Raddurchmesser als Schnellzuglokomotive gelten. Die
Feuerbüchse ist nach Belpaire mit gerader Rückwand und
Vorderwand. Bei 1000 mm Rostbreite und 2570 mm Länge konnte die Feuerbüchse zwischen
die Rahmen gebracht werden. Infolge der niedrigen Kessellage von etwa 2530 mm und
der reichlichen Feuerbüchstiefe von 1870 mm im vorderen Teil liegt die unterste
Kante dieser nur 660 mm über S. O., während die höchste Kante 1305 mm entfernt
ist. Die Feuerbüchsdecke hat einen lichten Abstand von 312 mm von Kesselmitte. Die
Kupferbleche sind 16 mm, in der Rohrwand 30 mm dick. Außer 8 glatten Rohren liegen
im Langkessel 122 Rippenrohre, mit einer freien Länge von 4200 mm. Erwähnt sei noch
das Maß 215 mm, um welches die Feuerbüchsvorderwand hinter Mitte der zweiten
Kuppelachse liegt. Der Kessel hat einen mittleren Durchmesser von 1516 mm und faßt
5,59 cbm Wasser und 2,76 cbm Dampf. Die Zylinderanordnung ist wie bei der Mailänder
Maschine nach De Glehn, die Hochdruckzylinder außen und
auf die zweite Kuppelachse, die Niederdruckzylinder innen und auf die erste
Kuppelachse wirkend. Letztere liegen um 75 v. T. geneigt. Die Kolbenschieber der
Hochdruckzylinder haben 220 mm ∅, die der Niederdruckzylinder 300 mm ∅.
Textabbildung Bd. 327, S. 298
Fig. 5. 1–C–1-Vierzylinder-Verbund-Naßdampflokomotive Gruppe 680 der
Italienischen Staatsbahnen.
Die Achsstände sind von vorn nach hinten 1950, 2100, 1900, 2200 mm, die Achslasten
19,595 (Drehgestell), 16,735, 16,765, 16,605 t.
Eine in Europa weniger eingeführte Bauart zeigt die
1–C–1-Vierzylinder-Naßdampflokomotive der Italienischen Staatsbahnen, Gruppe 680
(Nr. 7 der Tab. 2). Dieser sogen. Prärie-Typ ist meines Wissens nur bei den
Oesterreichischen Staatsbahnen in Europa zu finden. Zum Vergleich sind deren
Abmessungen der ausgestellten Lokomotive in Tab. 10 gegenübergestellt.
Tabelle 10.
Bahnverwaltung
ItalienischeStaatsbahnen
OesterreichischeStaatsbahnen
Gattung
1–C–1
1–C–1
1–C–1
Durchmesser der H.-Z. mm
2,360
2,370
2,390
„ „ N.-Z. „
2,590
2,630
2,630
Kolbenhub „
650
720
720
Triebraddurchmesser „
1850
1820
1820
Heizfläche qm
220,3
258
191
Ueberhitzerflache „
–
–
51,4
Rostfläche „
3,5
4
4
Leergewicht t
62
61,8
65
Dienstgewicht „
70
69,1
71,7
Diese 1–C–1-Naßdampflokomotive wird ebenfalls mit Schmidtschem Ueberhitzer
(ausgestellt in Buenos Aires), wie auch als Vierlingmaschine gebaut. Nach Fig. 5 sind die vordere Laufachse und erste
Kuppelachse zu einem Zara-Drehgestell vereinigt, dessen Aufhängung und Rückstellung
nach Art des zweiachsigen Drehgestells der vorher beschriebenen 2–C–1-Lokomotive
erfolgt. Die hintere Laufachse hat 5 mm seitliches Spiel, und ist mit den beiden
hinteren Kuppelachsen durch Balanciers verbunden. Die Präriebauart gestattet zwar
das Unterbringen einer großen Rostfläche, die hier über der Laufachse, bei den
österreichischen Maschinen zwischen den beiden letzten Achsen untergebracht ist,
läßt aber eine nur sehr geringe Feuerbüchstiefe zu. In diesem Falle liegt deren
Unterkante etwa 200 mm der tiefsten Siederohrreihe näher als bei dem Pacific-Typ.
Der Kessel liegt 2800 mm über S. O. Es wäre eine um 100 mm höhere Kessellage
empfehlenswert, um günstigere Abmessungen der Feuerbüchse zu erreichen,
Hervorzuheben ist die Zylinderanordnung. Die Hochdruckzylinder liegen rechts, die
Niederdruckzylinder links, jede Maschinenseite wird durch einen gemeinsamen
Kolbenschieber (285 mm ∅ rechts, 265 mm ∅ links) angetrieben. Die Kurbeln einer
Maschinenseite sind um 180° versetzt; der Dampfzutritt erfolgt durch gekreuzte
Kanäle. Die Steuerung ist im Prinzip nach Fig. 3 (S.
279).
Unter Benutzung der Widerstandsformel w=2,5+\frac{v^2}{1300} und
einer Leistung von 7 PS/qm Heizfläche errechnet sich bei 60 km/Std. auf Steigung 10
v. T. die Leistung zu 1540 PSe und die hinter dem
Zughaken geförderte Zuglast zu 460 – 110 = 350 t. Das tatsächliche geförderte
Zuggewicht betrug 315 bis 354 t. Indiziert wurden bis 1400 PSi. Der Kohlenverbrauch stellte sich bei dieser
Leistung auf 1,92 kg, der Dampfverbrauch auf 13,6 kg.
Die 1–C–0-Lokomotiven mit 1850 und 1510 mm Triebraddurchmesser der Italienischen
Staatsbahnen können übergangen werden, da erstere in Brüssel ausgestellt war. Die
Angaben unter Nr. 8 und 9 der Tab. 2 geben die Unterschiede in den Abmessungen genügend an.
Konstruktiv sind die Maschinen einander gleich.
Unter die Gruppe der Personenzuglokomotiven ist noch die
0–C–0-Zweizylinder-Naßdampflokomotive, Gruppe 290, der Italienischen Staatsbahnen zu
rechnen (Nr. 10 der Tab. 2). In Mailand war diese Maschine mit Verbundanordnung
ausgestellt und sind die beiden Bauarten zum Vergleich in Tab. 11
gegenübergestellt.
Tabelle 11.
Gruppe
290
–
Gattung
0–C–0
0–C–0
Anzahl der Zylinder
2
2
Anordnung der Zylinder
Zwilling
Verbund
Zylinderdurchmesser der H.-Z. mm
455
460
„ „ N.-Z. „
–
700
Kolbenhub „
650
640
Triebraddurchmesser „
1510
1500
Heizfläche qm
120,9
112,9
Rostfläche „
1,95
1,9
Leergewicht t
40
41
Dienstgewicht „
44,4
45
Kesseldruck kg
12
14
Die Verbundmaschine zog auf 10 v. T. ein Zuggewicht von 320 t mit 30 km
Geschwindigkeit. Umgerechnet ergibt sich eine Zugkraft von Z = (320 + 75) . 13
= 5120 kg und dementsprechend eine Leistung von 575 PS oder 5,05 PS/qm Heizfläche.
Die Zwillingslokomotive würde bei 30 km/Std. 4,5 PS/qm erreichen und damit eine
Gesamtleistung von 545 PS, der ein gefördertes Zuggewicht von 380 – 75 = 305 t
entspricht. Der Unterschied ist nicht von Bedeutung. Zieht man noch die höheren
Baukosten der Verbundmaschine u.a. in Betracht, so ist es erklärlich, wenn sich die
Zweizylinder-Verbundmaschinen nicht recht eingeführt haben.
Die außenliegenden Zylinder treiben die mittlere Achse an. Die Schieberkästen liegen
innerhalb der Rahmen, ebenso die Stephenson-Steuerung.
Bei 1510 mm Raddurchmesser ist eine Höchstgeschwindigkeit von 80 km zugelassen. Die
Achsstände betragen 2000 und 1910 mm, die Achsbelastung je 14,8 t. Der Kessel von
1516 mm mittlerem Durchmesser liegt 2115 mm über Schienenoberkante. Die Feuerbüchse
ist über der letzten Achse angeordnet und bei 1917 1018 mm Rost zwischen die Rahmen
gebracht. Ausgerüstet ist die Maschine mit zwei Friedmann-Injekteuren, Klasse A. S. Z. Nr. 9, Westinghouse-Bremse, Sandstreuer, System Leach,
Dampfheizung, System Haag und Nathan-Oeler.
(Schluß folgt.)