Titel: | POLYTECHNISCHE RUNDSCHAU. |
Fundstelle: | Band 327, Jahrgang 1912, S. 366 |
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POLYTECHNISCHE RUNDSCHAU.
Polytechnische Rundschau.
Die höchste Hängebrücke der Welt dürfte die kürzlich
im Auftrage der französischen Regierung gebaute Hängebrücke bei Constantine in
Algier sein.
Dieselbe führt in einer Höhe von 174 m von der Stadt Constantine, die auf einem auf
drei Seiten steil abfallenden Plateau erbaut ist, über eine tiefe und breite
Schlucht, welche vom Fluß Rummel durchflössen wird. Diese Brücke, welche nach dem
System des französischen Ingenieurs Arnodin ausgeführt
wurde, überspannt in einem einzigen Bogen die 164,3 m breite Schlucht und wird durch
zwei mächtige Drahtseilbündel getragen, deren jedes aus sechs Stahlseilen von 62 mm
∅ besteht. An beiden Ufern laufen diese Seilbündel über zwei mächtige Pylonen,
hinter denen sie im Felsboden verankert sind. Die Fahrbahn besteht aus einem
mittleren größeren Teil, der an den Drahtseilbündeln aufgehängt ist, und aus zwei
kürzeren Teilen, welche ihre Widerlager an den Fußenden der beiden Pylonen haben und
durch besondere Haltetaue von 32 bis 40 mm ∅ getragen werden, welche ebenfalls über
die Pylonen geführt und rückwärts verankert sind. Die Breite der Fahrbahn beträgt
insgesamt etwa 6 m, wobei auf jeder Seite etwa 0,6 m auf die Bürgersteige entfallen.
Die letzteren werden durch Riffelblechplatten gebildet, während die 4,50 m breite
Fahrstraße aus 105 mm dicken Eisenbetonplatten besteht. Als Pflasterung dient eine
45 mm starke Makadamschicht.
Die Baukosten der Brücke betragen 312500 Francs, wovon 266000 Francs auf die Brücke
selbst, 19500 Francs auf die gemauerten Pylonen und 27000 Francs auf die
Verankerungen entfallen. [Prometheus 11. 5. 1912.]
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Eine wichtige Verbesserung der Maschinengewehre gelangt
gegenwärtig, wie die Zeitschrift für praktischen Maschinenbau berichtet, zur
Einführung. Die Feuerwirkung eines Maschinengewehres hängt bekanntlich in bedeutend
höherem Grade wie diejenige einer Anzahl von Infanteriegewehren von genauer
Entfernungsschätzung und hauptsächlich von der Genauigkeit im Zielen ab, da die
Geschoßgarbe des Maschinengewehrs eine viel engere ist. So vernichtend dieselbe dem
Gegner werden kann, wenn das Visier richtig gewählt und gut gezielt wurde, so
unschädlich ist sie für denselben, wenn in dieser Richtung Fehler begangen wurden.
Man hat daher neuerdings, um wenigstens ein genaues Zielen zu ermöglichen, die
Maschinengewehre mit besonderen Zielfernrohren ausgestattet. Dieselben besitzen
etwa zweieinhalbfache Vergrößerung und werden vor jedesmaligem Gebrauch auf
einen an die Gehäusewand des Maschinengewehrs angenieteten Schlitten aufgeschoben.
Infolge der verhältnismäßig geringen Vergrößerung wird das Gesichtsfeld der
Zielvorrichtung nicht sehr beschränkt. Es besitzt auf etwa 1000 m Entfernung noch
eine Breite von 200 m.
Das Visier befindet sich im Innern des Fernrohres. Man bemerkt beim Durchsehen ein
aus einem senkrechten und einem wagerechten Strich bestehendes sogenanntes
Fadenkreuz. Zu beiden Seiten des senkrechten Striches ist eine Skala angebracht,
welche die Visierentfernung angibt. Beim Richten des Gewehrs muß der wagerechte
Strich mittels einer Schraube solange in senkrechter Richtung verstellt werden, bis
er auf der senkrechten Skala auf das befohlene Visier einspielt. Hierauf muß dem
Gewehr durch Zielen die nötige Höhenrichtung gegeben werden. Das Gewehr wird durch
Heben und Senken in eine solche Lage gebracht, daß der Schnittpunkt des Fadenkreuzes
im Fernrohr sich genau mit dem Ziel deckt. Die Zielgenauigkeit wird durch diese
Vorrichtung bedeutend verbessert, da die meisten Zielfehler, wie Klemmen des Korns,
Flimmern des Korns, schiefe Visierstellung, Vollkorn und Feinkorn vermieden
werden.
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Zu dem kürzlich erfolgten Todessturz des Wright-Fliegers
Witte gibt die Flugmaschinen-Wright-Gesellschaft
folgende aufklärende Darstellung über die vermutlichen Ursachen des Unfalls.
Auf dem Flugfelde Teltow bei Berlin ist am 15. März d. J. der Wrightflieger Gustav Witte mittags 12 Uhr aus etwa 40 rn Höhe
abgestürzt. Der Tod trat auf der Stelle durch innere Verletzungen ein. Um womöglich
die Ursachen des Unfalls aufzuklären, begab sich Herr Fröbs, der augenblickliche Leiter der Verkaufsabteilung der Deutschen Wright-Gesellschaft mit dem Chefingenieur
dieser Firma, Herrn Abramowitsch nach Teltow und vernahm
eine Reihe von Augenzeugen, die zum Teil selbst Flieger sind. Es wurde folgendes
festgestellt: Witte war bei stark böigem Winde mit seinem
Doppeldecker ohne Fluggast aufgestiegen und hatte das Flugfeld in einer Höhe von
etwa 100 m zweimal umkreist. Bei Beginn der dritten Runde passierte er den Flugplatz
mit dem Winde fliegend mit außerordentlicher Geschwindigkeit und steuerte
gleichzeitig abwärts. Etwa 40 m über dem Boden ging der Apparat plötzlich mit laufenden
Propellern in einen steilen Sturzflug über und schoß gleich darauf senkrecht nach
unten. Beim Aufprall auf den Boden gruben sich die Kufen etwa ½ m tief ein, der
Apparat überschlug sich und Witte fiel zwischen den
Tragflächen rücklinks zu Boden, wobei sich sein Körper etwa 80 mm tief einwühlte.
Durch den harten Aufschlag wurden ihm vermutlich alle Gliedmaßen zerbrochen und
innere Verletzungen herbeigeführt. Aeußerlich war der Flieger vollständig
unverletzt. Die Trümmer des Flugzeuges wurden sehr sorgfältig untersucht und
festgestellt, daß sämtliche Drähte sowie Betätigung von Höhen- und Seitensteuer und
der Verwindung vollständig in Ordnung waren. Die beiden Propeller, ebenso die
Antriebsketten erwiesen sich als gänzlich unbeschädigt. Eigenartigerweise hatte
Witte den Motor nicht abgestellt. Dieser Umstand läßt
die Möglichkeit zu, daß er in der Luft von einem Unwohlsein befallen wurde, das ihn
in der freien Willensäußerung behinderte. Andernfalls bleibt nur die Erklärung
übrig, daß Witte, den man wegen seiner Neigung zu waghalsig steilen Gleitflügen
häufig gewarnt hatte, auch in diesem Falle in zu kleinem Winkel nach unten gesteuert
hat, so daß – zumal er mit starkem Wind flog – eine Bö sehr leicht ein vollständiges
Aufbäumen des Schwanzes herbeiführen konnte. Der Vorfall lehrt, daß beim Abstieg mit
dem Winde besondere Vorsicht geübt werden muß, und daß das von den meisten Fliegern
geübte Verfahren gegen den Wind zu landen den Vorzug verdient.