Titel: EIN „DAMPFFRESSER“.
Autor: L. Schneider
Fundstelle: Band 327, Jahrgang 1912, S. 375
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EIN „DAMPFFRESSER“. Von Dr.-Ing. L. Schneider. SCHNEIDER: Ein Dampffresser. Inhaltsübersicht. Falsche Maßnahmen bei der Aenderung des Drehsinnes einer mit Collmann-Steuerung versehenen Dampfmaschine. Indikatordiagramme. Abhilfe. –––––––––– In einer kleineren Fabrik der Textilbranche arbeiten eine 80 PS-Turbine und eine 70 PS-Einzylinderdampfmaschine auf eine gemeinsame Transmissionswelle. Die Maschine hat 350 mm Zylinderdurchmesser, 700 mm Hub und läuft bei einem Anfangsdruck von 7 at mit etwa 80 Umdrehungen. Sie wurde vor einigen Jahren in benutztem Zustande angeschafft und trieb längere Zeit mittels eines 300 mm breiten geschränkten Riemens vom Schwungrad auf die Transmission. Der geschränkte Riementrieb erwies sich als wenig zweckmäßig, da insbesondere die Riemenabnutzung eine hohe war, und so beschloß der Besitzer der Maschine dieselbe „umsteuern“ zu lassen, d.h. sie linksum statt rechtsum laufen zu lassen. Ein Monteur, der gerade an der Turbine zu tun hatte, erklärte sich bereit, dies zu besorgen. Die Maschine, welche aus einer renommierten Fabrik stammt, ist mit zwangläufiger Collmann-Steuerung ausgerüstet und der Monteur erreichte durch Drehen des Kegelrades zum Antrieb der Steuerwelle um einen gewissen Winkel und durch Beschweren des Regulators mit etwa 15 kg Bleischrot, daß die Maschine tatsächlich linksum lief. Er hatte seine Sache anscheinend gut gemacht, obwohl er dem Sprichwort zum Trotz nicht bei seinem Leisten, in diesem Falle der Turbine, geblieben war. Ein betrübtes Gesicht machte nur der Maschinist und Heizer der Anlage, denn er mußte, seit seine Maschine umgesteuert war, täglich 30 Zentner Kohlen mehr auf den Rost werfen als vordem. Nach 4½ Monaten kamen auch dem Besitzer des Werkes seine Kohlenrechnungen nicht mehr recht geheuer vor, und er wandte sich auf Betreiben des Maschinisten an eine Maschinenfabrik in seiner Nachbarschaft, die sich mit dem Bau von Dampfmaschinen befaßt, mit dem Ersuchen, ihm einen tüchtigen Fachmann zu entsenden, da seine Maschine ein wahrer Dampffresser sei. Kein Wunder! Die Steuerwelle lief ja verkehrt um, nämlich von oben gesehen vom Zylinder weg anstatt zu ihm hin. (Man beachte, daß die Maschine linksum laufen mußte.) Daß die Maschine überhaupt umging, mochte erstaunen. Trotz der seinerzeit geäußerten Ansicht des Monteurs, daß nämlich das „Intensieren“ keinen Wert habe, wurde der Indikator zu Rate gezogen und er lieferte Diagramme nach Fig. 1 und 2. Der Dampfeintritt erfolgte (in den Diagrammen auf Seite der Schleife) um 20 bis 30 v. H. zu spät, die Füllung betrug 80 v. H., der Gegendruck war infolge der zu engen Auspuffleitung fast ½ kg, Ausströmung und Kompression ziemlich normal. Der Dampfeintritt erfolgte nach Regeln, wie sie im Maschinenbau nicht für vorbildlich gehalten werden, nämlich nichts weniger als konstant. Die Diagramme (Fig. 3 und 4) sind bei gedrosselter Frischdampfzuleitung während des Anlaufens der Maschine abgenommen. Jene mit dem ansehnlichen Voreintritt entsprechen gesenkter, die mit ebenso großem Nacheintritt gehobener Regulatormuffe. Dazwischen gibt es eine Regulatorstellung für richtigen Dampfeintritt. Die Expansion beginnt unabhängig von der Stellung der Regulatormuffe erst bei 80 v. H. des Kolbenweges. Dies hatte zur Folge, daß die Dampfmaschine den größeren Teil der Leistung übernahm, während die Turbine trotz reichlichen Wassers nur halb beaufschlagt war. Abzuhelfen war dem Uebel verhältnismäßig einfach. Es kostete ein Paar neuer Steuerungsantriebsräder, von welchen das auf der Maschinenwelle auf die Kurbellagerseite statt auf die Schwungradseite gesetzt wurde, so daß die Steuerwelle zum Zylinder hin umlief. Nach erfolgter Einregulierung wurden die in Fig. 5 und 6 dargestellten Diagramme erhalten und seitdem erfreut sich der Heizer auch wieder besserer Tage. Textabbildung Bd. 327, S. 376 Nutzanwendung. Wenn jemand eine alte Maschine kauft, so hole er sich bei einem tüchtigen Fachmann Rat und lasse sie nur unter sachverständiger Leitung aufstellen. Niemand vertraue einer untergeordneten technischen Hilfskraft Arbeiten an, die außerhalb ihres engeren Wirkungskreises liegen. Es kann einer als Turbinenmonteur recht tüchtig sein, ohne Dampfmaschinen umsteuern zu können. Im vorstehend geschilderten Fall hat der Fabrikant um mindestens 3000 M Kohlen vergeudet und das „Intensieren“ zum Schluß doch bezahlen müssen.