Titel: DIE DAMPFMASCHINEN DER BALL ENGINE CO. IN ERIE (PA).
Autor: Ernst Becker
Fundstelle: Band 327, Jahrgang 1912, S. 407
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DIE DAMPFMASCHINEN DER BALL ENGINE CO. IN ERIE (PA). (Aus dem Bericht der Friedrich Siemens-Stiftung.) Von Dr.-Ing. Ernst Becker, Dresden. BECKER: Die Dampfmaschinen der Ball Engine Co. in Erie (Pa.). Inhaltsübersicht. Allgemeiner Aufbau. Beschreibung des Kreuzkopfes, der Stirnkurbel und des Achsreglers. Sweet-Schiebersteuerung, Corliß-Hahnsteuerung mit Armstrong- Getriebe. –––––––––– Die Dampfmaschinen der Ball Engine Co. zeichnen sich durch gedrungene Bauart, durch besonders kräftige Ausführung aller der Abnutzung unterworfenen Teile und durch gefälligen Zusammenbau aus, Eigenschaften, wie man sie amerikanischen Dampfmaschinen sonst nicht so leicht nachsagen kann (Fig. 1). Textabbildung Bd. 327, S. 406 Fig. 1. Dampfdynamo mit Armstrong-Hahnsteuerung. Die Maschinen werden ausschließlich mit Stirnkurbeln ausgeführt, sogar die Maschinen stehender Bauart, und zwar so, daß immer nur zwei Hauptlager vorhanden sind, auch bei direkter Kupplung mit Dynamos. Die Aufstellung des zweiten Lagers winkelrecht zur Zylindermitte wird durch sauber bearbeitete Richtflächen an den Maschinenrahmen wesentlich erleichtert. Durch die Anbringung dieser Richtflächen wird es unnötig, den Kolben auszubauen und die Zylindermitte zum Ausrichten durch eine Schnur festzulegen. Das Hauptlager ist zweiteilig unter 45° geteilt, während des Betriebes nachstellbar und mit Druckölschmierung versehen. Der gabelförmige Kreuzkopf hat abnehmbare, nachstellbare Schuhe, von denen nur der untere mit Weißmetall ausgegossen ist. Der Kreuzkopfbolzen besteht aus einem Kern von geschmiedetem Stahl und aus einer Hülse von einer besonderen Stahlmischung mit günstigen Abnutzungsverhältnissen. Die Zusammensetzung der Mischung ist Fabrikgeheimnis. Der Bolzen ist konisch in den Kreuzkopf eingesetzt und durch einen kleinen Keil gegen Drehung gesichert. Am Bolzen sind Keilnuten vorgesehen in der Weise, daß der Bolzen nach eingetretener Abnutzung um 90° gedreht werden kann. An der Treibstange ist nichts besonderes erwähnenswert, außer daß Wert darauf gelegt wird, daß die Lagerschalen der Kreuzkopfseite aus einer Spezial-Antifriktionsbronze bestehen die praktisch denselben Ausdehnungskoeffizienten hat wie, Stahl und Eisen, um ein Kneifen der Schalen auf dem Zapfen zu verhüten. Textabbildung Bd. 327, S. 407 Fig. 2. Schwungrad mit Achsregler. Die Kurbel mit dem Kurbelzapfen ist in einem Stück aus Gußeisen mit 35 v. H. Stahl gegossen und die Kurbelzapfenscheibe ist durch einen durchgesteckten Stahlbolzen befestigt. Der Vorteil dieser Bauart gegenüber dem eingesetzten Kurbelzapfen besteht darin, daß man den Durchmesser des Kurbelzapfens und des Wellenzapfens reichlich wählen kann, ohne daß zwischen den Bohrungen zu wenig Material stehen bleibt. Textabbildung Bd. 327, S. 407 Fig. 3. Hahngehäuse im Zylinderdeckel. Alle Maschinen sind mit einem Schwungradachsregler von äußerst übersichtlicher und einfacher Bauart ausgerüstet (s. Fig. 2). Ein besonderer Vorzug des Reglers liegt darin, daß das Schwunggewicht unmittelbar am freien Ende der geschichteten Rechteckfeder sitzt, so daß die Zentrifugalkräfte nicht erst durch Hebel und Gelenke übertragen zu werden brauchen. Die Einstellung des Reglers für verschiedene Tourenzahlen und für verschiedene Empfindlichkeit läßt sich von jedem Maschinisten nach einer einfachen Anweisung ausführen. Die Einstellung für höhere Tourenzahl erfolgt durch Anspannen des in der Figur rechts sichtbaren Schraubenpaares, die Erhöhung der Empfindlichkeit geschieht dadurch, daß der untere Angriffspunkt der Zugstange nach dem Exzenterhebel nach der Welle zu verlegt wird. Diese Regler haben sich auch im Parallelbetrieb von Wechselstrommaschinen ausgezeichnet bewährt. Die Exzenter und die Schwungräder werden zweiteilig ausgeführt, die Schwungräder erhalten außerdem immer alle nötigen Augen und Angüsse zur Verwendung für beide Drehrichtungen. Textabbildung Bd. 327, S. 407 Fig. 4. Hahngehäuse am Zylindermantel. Steuerungsarten. Textabbildung Bd. 327, S. 407 Fig. 5. Steuerungs-Hebelgetriebe. Die ältere und für kleinere Maschinen (50 bis 700 PS) angewendete Steuerung besteht aus einem offenen oder Rahmenschieber (vergl. Hütte, 20. Aufl., II, 199 Fig. 157), der unter dem Namen Sweet-Schieber geht, mit einer Entlastungsplatte, deren Abstand vom Schieberspiegel durch zwei Abstandsstücke erhalten wird, deren Dicke genau gleich der Stärke des Schiebers sein muß. Da die Schieberspiegelebene senkrecht steht, so nutzt sich der Schieber merklich nur an der unteren schmalen Seite ab, die für die Dampfdichtheit nicht in Frage kommt. Auf die Anbringung von Sicherheitsventilen an beiden Zylinderenden hat man verzichtet in der Erwägung, daß geringe Mengen Dampfwasser durch den Auspuff mit abgeführt werden, während beim Eintreten von großen Wassermengen in den Zylinder Sicherheitsventile sowieso nicht ausreichen; als Sicherheitsventil wirkt dann der Schieber, entweder dadurch, daß er gewaltsam abgehoben wird (eine Feder hinter der Entlastungsplatte ist nicht angebracht, vielmehr wird die Platte durch Stellschrauben in ihrer Lage festgehalten), oder daß der Schieber bricht. Jedenfalls ist der Ersatz eines gebrochenen Schiebers weit billiger als der eines gebrochenen Zylinders. Größere Maschinen von 125 bis 1200 PS, besonders solche mit höheren Tourenzahlen, werden mit Corliß-Hähnen ausgeführt, und zwar sind die Hahngehäuse bei größeren Maschinen, von t)00 mm jzf an aufwärts, in die Zylinderdeckel gelegt, um den schädlichen Raum möglichst klein zu halten (Fig. 3). Bei kleineren Maschinen sind die Hahngehäuse in der gewöhnlichen Weise mit dem Zylinder zusammengegossen (Fig. 4). Das Interessante an dieser Steuerung sind aber nicht die Corliß-Hähne selbst, obwohl sie, wie aus den Fig. 3 und 4 hervorgeht, zum Teil doppelte oder gar dreifache Einströmung haben, sondern das Steuergetriebe (Fig. 5), das den Hahn fast stillstehen läßt in der Zeit, während er vom Dampf einseitig angedrückt wird, rasch öffnet und schließt und dabei doch, im Gegensatz zu den Abschnapp-Steuerungsgetrieben, zwangläufig und obendrein geräuschlos arbeitet. Textabbildung Bd. 327, S. 408 Fig. 6. Steuerungsschema. Das Wesen und die Wirkungsweise dieser sogen. Armstrong-Steuerung geht aus der beigefügten Zeichnung (Fig. 6) hervor. Die Steuerung wird ohne weiteres auch für mäßig überhitzten Dampf verwandt. Leider ist es mir trotz wiederholter Anfragen nicht gelungen, von der Ball Engine Co. Dampfverbrauchszahlen zu erhalten. Vermutlich besitzt die Gesellschaft selbst keine genauen Unterlagen, denn in Amerika kommt es bei Kraftmaschinen in erster Linie neben der Betriebssicherheit auf Einfachheit der Bedienung und Billigkeit an; die Oekonomie des Treibmittels spielt eine ziemlich untergeordnete Rolle. Die Dampfmaschinen der Ball Engine Co. erfreuen sich wegen ihres geringen Raumbedarfes und besonders wegen ihres sanften und vollkommen geräuschlosen Ganges großer Beliebtheit bei Kraftanlagen von Hotels und großen Geschäftshäusern.