Titel: | NEUERE EISENBAHNWAGENKIPPER. |
Autor: | Hubert Hermanns |
Fundstelle: | Band 327, Jahrgang 1912, S. 440 |
Download: | XML |
NEUERE EISENBAHNWAGENKIPPER.
Von Ingenieur Hubert Hermanns,
Duisburg.
HERMANNS: Neuere Eisenbahnwagenkipper.
Inhaltsübersicht.
Es werden verschiedene neue Bauformen von Eisenbahnwagenkippern
der Deutschen Maschinenfabrik Akt.-Ges. in Duisburg
behandelt, und zwar:
1. Ein Plattformkipper mit eingebauter Drehscheibe, die durch
einen besonderen Motor angetrieben wird. Das Ablaufen der leeren Wagen erfolgt
selbsttätig durch eine neuartige Buffereinrichtung, die ein Schiefstellen der
Plattform bewirkt.
2. Ein Kipper mit schwingender Kipperbühne und einem
Schütttrichter in Teleskopform. Der Kipper dient in erster Linie zur Beladung von
Schiffen und erreicht eine weitgehende Schonung des Kippgutes durch Verringerung der
Sturzhöhe.
3. Ein fahr- und drehbarer Kipper, der in Eisenbahnwagen
eingestellt und so leicht und schnell von einem Ort nach einem anderen gebracht
werden kann.
––––––––––
Mit dem ungeheuren Anwachsen der Erzeugungsmengen in den verschiedensten
Industriezweigen hat der Umschlag der zu ihrer Darstellung erforderlichen Rohstoffe
eine entsprechende Steigerung erfahren. Es macht sich daher heute dringender denn je
das Bedürfnis geltend, von der gebräuchlichen Art der Entladung der Eisenbahnwagen
loszukommen. Insbesondere übt in Zeiten der Hochkonjunktur der Wagenmangel recht
ungünstige Wirkungen auf die Industrien aus, die auf einen regelmäßigen Bezug ihrer
Rohstoffe angewiesen sind. Diesem Uebelstande könnte in einfachster Weise dadurch
abgeholfen werden, daß für den Transport der schüttbaren Massengüter
Selbstentladewagen in umfangreichstem Maße zur Einführung gelangten, deren Benutzung
heute nur auf bestimmte industrielle Bezirke beschränkt ist. Ein Hindernis für die
allgemeinere Verwendung der Selbstentladewagen bildet bekanntlich die für
diesen Zweck ungeeignete Anlage der Gleise, deren Umänderung die Aufwendung
ungezählter Millionen erfordern würde. Nähere Angaben über den Massengüterverkehr
auf den preußischen Staatsbahnen, den Wagenmangel und die mit der Verwendung von
Selbstentladewagen verbundenen wirtschaftlichen Vorteile macht Macco in „Stahl und Eisen“ 1912 Nr. 10. Es sei hier lediglich auf
diese Arbeit hingewiesen.
Mit Rücksicht hauptsächlich auf die hohen Küsten ist nun wohl auf absehbare Zeit
nicht mit der Einführung von Selbstentladewagen auf den Eisenbahnen zu rechnen. Man
ist daher auf eine andere Art der Entladung von Massengütern aus Eisenbahnwagen
gekommen, die sich auch bei der heutigen Betriebsart der Eisenbahnen ohne weiteres
anwenden läßt und gegenüber der Entladung mit der Hand eine ganz bedeutende
Verbilligung der Ausgaben für den Umschlag von Massengütern gewährleistet. Es ist
dies die Entladung der Eisenbahnwagen mittels Wagenkipper, deren Verwendung in den
letzten Jahren eine ganz wesentliche Zunahme erfahren hat, hauptsächlich aus dem
Grunde, weil dieselben in dieser Zeit sowohl hinsichtlich ihrer Wirtschaftlichkeit
als auch ihrer Konstruktion bedeutend verbessert worden sind. Von der Deutschen Maschinenfabrik A.-G. in Duisburg sind in
letzter Zeit einige neuartige Kipperbauformen ausgeführt worden, die das Interesse
weiterer technischer Kreise beanspruchen. Diese Kipper sollen nachstehend in bezug
auf ihre Konstruktion, ihre Arbeitsweise und ihre Verwendungsmöglichkeit behandelt
werden.
Ein Plattformkipper, durch Aufzugswinde betrieben, lieferte die genannte Firma
kürzlich in Verbindung mit einer Anlage zum Umschlag von Kohlen, zur Bekohlung von
Schiffen und zur Verladung von Massengütern an die Holland-Amerika-Linie in
Rotterdamm. Der Kipper wurde für eine Tragfähigkeit von 30 t und eine stündliche
Leistung von 150 t bemessen und besteht aus einer Kippbühne von 15,2 m Länge, die an
ihrem vorderen Ende in einem Zapfen drehbar gelagert ist und mittels eines
hochliegenden Windwerks gehoben und gesenkt wird. Fig.
1 zeigt den Kipper in wagerechter Lage, Fig.
2 in Kippstellung. Die Kipperplattform, die aus Profileisen und Blechen
zusammengesetzt ist, ist mit einer Drehscheibe ausgerüstet, die mittels eines auf
ein Schneckengetriebe arbeitenden Flanschmotors von 5 PS und 725 Umdrehung-Min.
angetrieben wird. Der Motor wird durch einen umsteuerbaren Kontroller mit Handrad
gesteuert. Die Drehscheibe gestattet das Kippen auch solcher Eisenbahnwagen, die mit
dem Bremshäuschen nach vorn zum Kipper gelangen. Am vorderen Ende der Bühne ist ein
kräftiger Prellbock vorgesehen, gegen den sich die Puffer des zu kippenden Wagens
während des Kippvorganges legen. Der Eisenbahnwagen entladet seinen Inhalt in eine
Schüttgrube mit zwei Ausläufen, an welche je ein Becherwerk angeschlossen ist. Die
Leistung der beiden Becherwerke ist mit je 75 t bemessen, so daß sie die ganze
Kipperleistung zu bewältigen vermögen.
Das hochliegende Windwerk greift mittels Drahtseile an das Hinterende der Kippbühne
an und wird durch einen Nebenschlußmotor von 45 PS und 700 Umdr./Min. unter
Vermittlung zweier Stirnrädervorgelege angetrieben. Um die Steuerung des Windwerks
von der Aufmerksamkeit und Zuverlässigkeit des Maschinisten möglichst unabhängig zu
machen und so die Betriebssicherheit zu erhöhen, ist das Windwerk mit einer
selbsttätig wirkenden elektrischen Bremsausschaltvorrichtung und einer durch einen
Elektromagneten betätigten Bandbremse ausgerüstet. Somit liegt dem Steuermann in der
Hauptsache außer der Beaufsichtigung der maschinellen Einrichtungen nur die
Einleitung der Kippvorgänge ob. Von dem hochgelegenen Schutzhause aus, das das
Windwerk enthält und das mit Fenstern reichlich versehen ist, kann der Steuermann
die Arbeitsvorgänge auf der Kipperbühne, insbesondere das An- und Abfahren der
Wagen, leicht beobachten.
Das Verholen der gefüllten und entleerten Kohlenwagen erfolgt durch eine
Seilrangieranlage, die aus zwei elektrisch betriebenen Spills und einer Anzahl an
geeigneten Stellen vorgesehenen Seilumführungsrollen besteht. Die Getriebe für die
Spills sind mit den Antriebsmotoren von 6,5 PS wasserdicht in einem Gehäuse
eingekapselt. Die Geschwindigkeit des Rangierseiles ist mit 50 m/Min, bemessen.
Textabbildung Bd. 327, S. 441
Fig. 1. Plattformkipper mit Drehscheibe.
Um ein selbsttätiges Ablaufen der geleerten Wagen von der Kipperbühne zu erzielen,
ist eine bemerkenswerte Einrichtung zur Anwendung gekommen, die aus einem unter dem
vorderen Ende der Kipperbühne vorgesehenen hydraulischen Puffer besteht. Dieser
Puffer ist als Zylinder mit Kolben ausgebildet, in den aus einem im Steuerhause des
Kippers aufgestellten Behälter eine Flüssigkeit fließt. Der Zylinder ist zwischen
den Auflagepunkten des Kippers angeordnet und wird nach der Füllung durch ein
Rückschlagventil geschlossen. Beim Niedergehen des Kippers stützt sich die Plattform
auf dem verlängerten Kolben ab und bildet, sich von der Drehachse abhebend, eine
nach hinten geneigte Ebene, auf der dann der leere Eisenbahnwagen selbsttätig
abfahren kann. Sodann wird die Verbindungsleitung zwischen dem Preßzylinder und dem
oberen Behälter geöffnet und die Flüssigkeit durch das Gewicht der Kipperbühne nach
dem Behälter zurückgedrängt, so daß die Plattform wieder die wagerechte Lage
einnimmt. Wenn es auch natürlich ohne weiteres angängig ist, als Flüssigkeit für den
Puffer Wasser zu benutzen, so wird doch mit Rücksicht auf die Gefahr des Einfrierens
und eine bessere Dichthaltung des Preßzylinders Glyzerin verwendet. Diese
Einrichtung hat sich als sehr betriebssicher und zuverlässig erwiesen.
Textabbildung Bd. 327, S. 442
Fig. 2. Plattformkipper in Arbeitsstellung.
Kommt der hier beschriebene Kipper ausschließlich als Landkipper in Frage, so möge in
der Folge ein Kipper beschrieben werden, der hauptsächlich für die Beladung von
Schiffen Verwendung findet, wenngleich auch dieser die Benutzung als Landkipper
ohne weiteres zuläßt. Bei den bisher gebräuchlichen Eisenbahnwagenkippern zur
Beladung von Schiffen machte sich insbesondere der Uebelstand unangenehm bemerkbar,
daß man mit einer großen Sturzhöhe für das Material zu rechnen hatte. Dieses mußte
daher eine nicht unwesentliche Wertverminderung erfahren. Das Bestreben bei der
Konstruktion dieses Kippers ging daher nach der Richtung, diese Sturzhöhe nach
Möglichkeit zu vermindern und auf ein erträgliches Maß zurückzuführen. Dies wurde
einerseits dadurch erreicht, daß man den zu entladenden Wagen eine schwingende
Bewegung ausführen läßt, anderseits durch die Verwendung eines aus einschiebbaren
Röhren bestehenden Schütttrichters. Die Anwendung einer Schwingbewegung für den zu
kippenden Eisenbahnwagen hatte auch noch den Vorteil im Gefolge, daß sich der
Kraftverbrauch wie noch des näheren zu zeigen sein wird, auf etwa die Hälfte des
sonst bei Kippern aufzuwendenden Kraftverbrauches verringern ließ.
(Fortsetzung folgt.)