Titel: | ZUSCHRIFTEN AN DIE REDAKTION. |
Fundstelle: | Band 327, Jahrgang 1912, S. 479 |
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ZUSCHRIFTEN AN DIE REDAKTION.
(Ohne Verantwortlichkeit der
Redaktion.)
Zuschriften an die Redaktion.
Zu dem Aufsatz „Energieerzeugung und -Verwertung“ (Heft 22 und 23, Jahrg.
1912) gestatte ich mir folgendes zu bemerken:
Die dargestellten Diagramme ergeben ohne weiteres die Unwirtschaftlichkeit des
elektromotorischen Antriebes gegenüber anderen Antrieben. Eine nähere Untersuchung
ergibt aber, daß das Fiasko des Elektromotors nur ein scheinbares ist. Herr Laudien rechnet nämlich mit dem abnorm hohen Preise der
KW/Std. von 30 Pf. Dieser Preis kommt nur für Kleinkonsumenten in Frage.
Großabnehmer erhalten je nach Größe des Stromkonsums und der Benutzungsdauer
entsprechend billigere Preise. Hier kann man z.B. mit 4 bis 20 Pf. für die KW/Std.
rechnen. Der Konsument fährt dann in manchen Fällen wesentlich besser, sich an das
Netz der Ueberlandzentrale anzuschließen, statt sich ein eigenes Kraftwerk
einzurichten.
Ich kenne einen Fall, in welchem sich eine große Spinnerei zum Anschluß von 800 PS an
das Netz einer Ueberlandzentrale entschloß. Um sich nun den Preis von 4 Pf. für die
an den sekundären Klemmen des Transformators gemessene KW/Std. (bei Abnahme einer
bestimmten Zahl von KW/Std im Jahr) zu sichern, entschloß sich diese Spinnerei zur
Errichtung einer Sauerstoffabrik. Da der Betrieb derselben nur während der Zeit von
6 Uhr abends bis 6 Uhr früh dauert (also nicht gleichzeitig mit der Spinnerei), so
trägt die Sauerstoffabrik nicht zur Vergrößerung des Belastungsmaximums wohl aber
zur Vergrößerung der Benutzungsdauer bei – ein Moment, welches für die
Ueberlandzentrale für die Bewilligung des billigen Strompreises maßgebend war. Die
Kosten der Hochspannungsanlage der erforderlichen besonderen Unterstation wurden
außerdem vom Elektrizitätswerk übernommen. Als Betriebskraft der elektrischen
Generatoren kam hier Dampf in Frage. Daß unter Umständen die elektrische Energie
noch billiger abgegeben werden kann, beweisen die in letzter Zeit hinlänglich
bekannt gewordenen Stromtarife größerer elektrischer KraftanlagenWas sich hier auf Grund einer gesunden
Tarifpolitik noch erreichen läßt, zeigen zur Genüge die Erfolge der Oberschlesischen Elektrizitätswerke, der Sächsischen Elektrizitäts-Lieferungs-Gesellschaft
und der Kraftwerke in Rheinfelden. Von den bei elektrochemischen Werken und dergl. zur
Anwendung kommenden Strompreisen soll hier, da außerhalb des Gegenstandes
liegend, ganz abgesehen werden..
Daß auf Grund dieser Darlegungen die Folgerungen aus obiger Arbeit nur
beschränkte Geltung haben müssen, daß vielmehr der elektrische Antrieb in.
praktischen Fällen meistens wesentlich günstiger als wie in obiger Arbeit angegeben
abschneiden wird, ergibt sich hiermit von selbst.
Zwickau (Sa.), den 20. VI. 1912.
Gustav W. Meyer.
––––––––––
Auf die Zuschrift des Herrn G. W. Meyer, Zwickau, habe ich
das Folgende zu erwidern.
Ich gebe zu, daß die Diagramme mit einem verhältnismäßig hohen KW/Std.-Preis
gezeichnet sind. Aber ich glaube, daß man aus meinen Ausführungen ersehen kann, daß
ich diesen Preis nicht für unverrückbar halte, sondern nur für die Folge der an
vielen Stellen noch bestehenden schlechten Ausnutzung der Elektrizitätswerke. Ich
habe ausdrücklich darauf hingewiesen, daß ein großes Werk mit einem
durchschnittlichen Preis von 0,06 M f. d. KW/Std. hochliegende Dividende erzielt hat
und dasselbe in Gegensatz gestellt zu einem anderen, das, um einen Verdienst zu
erzielen, im Mittel 0,26 M f. d. KW/Std. nehmen mußte.
Da mein ganzer Aufsatz darauf hinausläuft, die voraussichtliche Verdrängung der
anderen Energiewerte durch die Elektrizität zu beweisen, mußte ich den
augenblicklichen Zustand in krasser Form besonders hervorheben. Immerhin hätte ich
vielleicht nachdrücklicher auf den Unterschied zwischen dem Diagramm und der
wahrscheinlichen allgemeinen Verschiebung hinweisen können.
Bezüglich der Preise, die zurzeit von den O. E. W. bewilligt werden, möchte ich auf
den wiederholt in meinem Aufsatz enthaltenen Hinweis auf die Bedeutung der
Benutzungsdauer, der die Grundlage dieses Tarifs ist, verweisen.
Meiner Ansicht nach gehen wir einer Zeit entgegen, in der die größeren Werke, die mit
einem Satz von 0,025 M laufende Kosten f. d. KW/Std. auskommen und an Kapital nicht
mehr als 1200 M f. d. ausgebaute KW investiert haben, im Mittel mit 0,09 M die
KW/Std. verkaufen werden, ein Preis, der selbst größere Anlagen denen, wie Herr
Meyer besonders hervorhebt, Preise von 0,045 M bewilligt werden können, zum Anschluß
an ein öffentliches Werk unter Verzicht auf die eigene Zentrale veranlassen
werden.
Breslau, 27. Juni 1912.
K. Laudien.