Titel: | ÜBER DAS ERDÖL. |
Autor: | F. Romberg |
Fundstelle: | Band 327, Jahrgang 1912, S. 513 |
Download: | XML |
ÜBER DAS ERDÖL.
Im Zusammenhang mit seiner maschinentechnischen
Verwendung.
Von F. Romberg,
Charlottenburg.
ROMBERG: Ueber das Erdöl.
Inhaltsübersicht.
Uebersichtliche Darstellung der wichtigsten, das Erdöl
betreffenden Fragen: Namen, Geschichte und Entstehung – Vorkommen – Erdölindustrie –
Lagerung und Transport – Verwendung und Eigenschaften – Preise.
––––––––––
Die „flüssige Kohle“, als welche das Erdöl nach Entstehung, Zusammensetzung,
technischer und wirtschaftlicher Bedeutung bezeichnet werden kann, steht heute mehr
denn je im Vordergrunde des Interesses.
Vorwiegend resultiert diese Tatsache aus der modernen Entwicklung der Oelmaschine,
die begonnen hat, die Dampfmaschine vielfach zu verdrängen und die Krafterzeugung zu
einem wesentlichen Teile zu beherrschen. Sie folgt auch daraus, daß neue Gebiete,
neue Bahnen technischen Fortschritts durch die Verwertung dieser Kraftquelle
erschlossen wurden, deren kulturelle und wirtschaftliche Folgen gegenwärtig
unabsehbar sind. Um dies oberflächlich zu würdigen, ist nur erforderlich, an die
Ergebnisse zu denken, die der Motor auf den Gebieten des Transportwesens, des
Schiffsbetriebs, des Flugwesens, des Kleingewerbes usw. bereits gebracht hat.
Staunend und bewundernd steht man vor diesen Erfolgen weniger Jahre, die im
wesentlichen erst seit dem Beginn dieses Jahrhunderts zählen. Wie dem vergangenen
Jahrhundert die Dampfmaschine, so verleiht dem beginnenden der Motor in der
Maschinentechnik ein wesentliches Gepräge. Denn er gestattet, bekannte Betriebe
einfacher, wirtschaftlicher und unabhängiger zu gestalten, neue Gebiete ihrer
technischen Durchdringung zuzuführen; im ganzen leistet er auf solche Weise der
Ausbreitung und Ausgestaltung der Technik gewaltigen Vorschub.
Maschinen- und Oelindustrie gelangen wechselseitig in immer engere Beziehungen
zueinander, indem die Entwicklung der einen durch diejenige der anderen stetig
gefördert wurde und noch weiter gefördert wird. Jeder Fortschritt auf dem einen
Gebiet nützt dem anderen, und sei dies auch nur vom rein wirtschaftlichen Standpunkt
genommen. Beide Industrien haben sich seit 50 Jahren etwa parallel
nebeneinander entwickelt, wobei ihr gegenseitiger Einfluß dauernd gestiegen ist, bis
zu der Höhe, die er gegenwärtig erlangt hat, nach dem gewaltigen Aufschwung der
Motorenindustrie in den letzten zehn Jahren. Es tritt noch hinzu, daß der
Leuchtölkonsum in allmählicher, relativer Abnahme begriffen ist: ein Umstand, der
die Bedeutung anderweitigen Absatzes für die Oelindustrie wesentlich erhöht. Alles
das legt heute diesen Industrien nah, gegenseitig dichteste Fühlung zu halten und
innig zusammenzuarbeiten.
Die Beschaffung, Verarbeitung und Verwendung des Erdöls berührt jetzt zahlreiche
Kreise der Technik und damit zusammenhängender Berufe, namentlich auch diejenigen
des Schiff- und Schiffsmaschinenbaues, sowie der Schiffahrt. Daher sind gewisse
grundlegende Kenntnisse auf ersteren Gebieten für viele Techniker, Reeder usw. ein
unbedingtes Bedürfnis; allerdings nicht in dem Umfange, wie sie der in der
Oelindustrie selbst Stehende braucht, sondern nur insoweit, als das betreffende
Arbeitsgebiet verlangt. In bezug hierauf lassen sich die Bedürfnisse vieler durch
relativ Weniges befriedigen; die vorhandene Literatur aber, die an sich sehr
reichhaltig ist, bietet dies kaum in geeigneter Form.
Hieraus ergab sich die Veranlassung zu den folgenden Ausführungen, die, dem besagten
Zweck entsprechend, nur das Wesentliche enthalten und vor allem den Standpunkt des
Maschinentechnikers zu dieser Frage beachten.
I. Namen, Geschichte und Entstehung des
Erdöls.
Die Nomenklatur im ganzen Gebiete des Erdöls ist äußerst verworren. Sie wirkt dadurch
vielfach irreführend. Aber dieses betrifft mehr noch die Fabrikate des Erdöls, wie
später sich zeigen wird, als das Naturprodukt selbst. Dieses heißt im Deutschen
meistens Erdöl, seltener heute Steinöl, Rohpetroleum oder Bergöl; englisch heißt es
crude oil oder auch petroleum, russisch Nafta (von dem medischen Wort nafata =
ausschwitzen), französisch huile de nafte oder petrole. Das Wort Petroleum (von πετρος,
= Fels und oleum = Oel) wird in mehreren Sprachen bisweilen synonym mit Erdöl
gebraucht; bei uns und im allgemeinen auch sonst bezeichnet es jedoch allein das
Leuchtöl oder Kerosin (russisch), also ein Destillat, das aus dem Rohöl gewonnen
wird. In Amerika und zum Teil auch in Europa benennt man nicht selten mit Nafta
sogar die leichtflüchtigen Destillate des Erdöls, was gleichfalls den Wirrwarr der
Namen deutlich zum Ausdruck bringt.
Die Geschichtevergl.
Höfer, Das Erdöl und seine
Verwandte. des Erdöls ist uralt, obwohl, wie erwähnt, seine
industrielle Ausbeutung und Verbreitung kaum 50 Jahre zählt. Trotz des Bekanntseins
vieler Fundstellen war in ältesten Zeiten die Verwendung des Oels nur untergeordnet,
und die Ausbeute hielt sich in den bescheidensten Grenzen. Immerhin war aber die
Benutzung recht vielseitig, wie zahlreiche Aufzeichnungen und Funde beweisen. Nach
der Bibel (Genesis XI, 3) wurde beim Turmbau zu Babel Asphalt, d. i. ein festes
Bitumen, wie das Erdöl ein flüssiges ist, als Mörtel verwendet, und tatsächliche
Spuren der gleichen Verwendung findet man noch heute in den alten Städten Aegyptens
und Mesopotamiens, sowie in den Ruinen von Babylon, wo bei den Bauten des
Nebukadnezar und der Semiramis usw. der Asphalt den Zement ersetzte. In Babylon
diente Erdteer, d. s. die zähflüssigen Teile des Erdöls, zum Anstrich der Türen und
Wände zwecks Schutzes gegen die Witterung, was Xenophon
aber der Feuergefährlichkeit wegen verurteilt. Ebendort war Asphalt auch als
Brennmaterial, die dunkle Nafta der babylonischen Quellen als Leuchtstoff für die
Lampen bekannt. Mitchell fand in Nordostägypten über 3000
Jahre alte Tonlampen mit festem Bitumen gefüllt, das jedenfalls den Ueberrest
vertrockneten Erdöls darstellt. So haben das Erdöl und verwandte Naturprodukte im
Altertum noch mancherlei anderen Zwecken gedient, z.B. zum Einbalsmieren der
Leichen, als Heil- und Desinfektionsmittel, zur Herstellung von Brandpfeilen und
Feuerkugeln im Kriege. Bemerkenswert ist namentlich auch, daß die Verwendbarkeit des
Erdöls als Schmiermittel schon zu Plinius Zeiten bekannt
war.
Die Bezeichnung Asphalt findet sich bereits bei Herodot,
sie wird von ασφαλιος = sicher, fest abgeleitet im
Zusammenhang mit der erwähnten Verwendung als Mörtel bei den Bauten von Babylon.
Seit den Tagen der Parsen leuchten die heiligen, nie verlöschenden Feuer von
Surakhani, einem alten in der Nähe von Baku gelegenen Dorfe (auf der Halbinsel
Apscheron westlich vom Kaspischen See). Diese von flüssigen und gasförmigen Bitumen
gespeisten Feuer, die schon Jahrtausende bekannt sind, dienten nach EnglersD. p. J. Bd.
260. S. 61. Annahme zur Feueranbetung und veranlaßten vielleicht
Zoroaster, der wohl am Südostabhang des Kaukasus
beheimatet war, zur Aufstellung seines bezüglichen Kults. Erst im Jahre 1881 endete
dieser Kult durch Verbot der russischen Regierung.
Ueber zahlreiche andere Fundstellen des Erdöls findet man ebenfalls Aufzeichnungen in
der alten Literatur, z.B. bei Herodot, Plinius,
Plutarch usw. Diese berichten über das Vorkommen bei Babylon, in Syrien,
Kleinasien, Persien, Cilicien, Aethiopien, Baktrien, Medien, Arabien,. Indien, auf
der Insel Zante usw. Sehr eingehend bespricht namentlich Strabo das Vorkommen des Asphalts im Toten Meer, das der Sage nach aus
heißen Asphalt- und Schwefelquellen entstanden ist, nachdem ein Erdbeben 13 dort
gelegene Städte mit der großen Hauptstadt Sodom vollkommen zerstört hatte.
Mit der Zeit nahm die Kenntnis der Oellager nach Zahl und Verteilung auf der Erde
stetig zu. Die heutigen Fundstellen von Bedeutung sollen gleich hinterher erwähnt
werden, wobei dann auch Gelegenheit ist, auf bemerkenswerte historische Daten, die
das jeweilige Lager betreffen, kurz zurückzukommen.
Es entsteht nunmehr die Frage: Was ist Erdöl und wie ist es
entstanden? Daß es geologisch gesprochen, ein sogen. Bitumen sei, wurde
bereits gesagt. Die bituminösen Körper in der Natur sind gasförmig, flüssig oder
fest, womit sich folgendes Schema ergibt.
Bituminöse Körper.
I. Gase
II. Flüssigkeiten
III. Feste Körper
Erdgas od. Naturgas
a) Erdöl (flüssig, klar od. gefärbt)
a) Erdwachs (knet- bar, gelb bis braun)
b) Erdteer (Bergteer od. Maltha, zähflüssig od. schwarz)
b) Erdpech (knetbar, schwarz)c) Asphalt
(spröde, schwarz)
Außer dem reinen Vorkommen der Bitumina gibt es in der Natur auch Mengungen mit
anderen festen Körpern, z.B. mit Braun- und Schwarzkohle, mit Oelgesteinen wie
Oelschiefer, Oelsandstein oder endlich mit Asphaltgesteinen, wie Asphaltkalk,
Asphaltsand usw.
Chemisch definieren sich die Erdöle als Gemische
verschiedener Kohlenwasserstoffe, die darin in mehreren Reihen auftreten, von denen
jede in überaus zahlreichen Gliedern, eine aber vorherrschend vorhanden ist.
Letztere ist entweder die Methan- oder Paraffinreihe (CnH2n + 2) oder aber die Naphtenreihe (CnH2n).
Außer den Kohlenwasserstoffen enthalten die meisten Erdöle noch geringe Mengen von
Sauerstoff-, Stickstoff- und Schwefelverbindungen, die eine gewisse, aus dem
weiteren ersichtliche Bedeutung haben können. Was sonst noch an anorganischen,
sogen. accessorischen Beimengungen (Asche) mitunter gefunden wird, kommt hier kaum
in Betracht.
Die Oele verschiedener Herkunft sind häufig, wie in der Zusammensetzung, auch in den
chemischen und physikalischen Eigenschaften stark verschieden voneinander. Selbst
nachbarliche Brunnen liefern unter Umständen ganz unterschiedliches Oel, welche
Tatsache allerdings dadurch leicht erklärlich wird, daß die Brunnen trotz ihrer
Nachbarschaft zu verschiedenen Lagerstätten führen können.
Was die Entstehung der Erdöle, überhaupt der Bitumen
betrifft, so herrschen hierüber noch stark widersprechende Ansichten, indem die
einen meinen, sie seien pflanzlichen Ursprungs, etwa das Produkt der Entzündung
verschütteter Wälder, wobei das Erdöl gedeutet wird als Terpentinöl vorweltlicher
Pinien oder als ein Nebenprodukt der Steinkohlenbildung oder als das Ergebnis
trokkener Destillation von Steinkohlen, während andere wieder eine anorganische
Entstehung durch Einwirkung von Wasserdämpfen auf die Metallcarbide des Erdinnern
annehmen und endlich neuere Forscher einen animalischen Ursprung behaupten. Letztere
unter anderen von Höfer vertretene Theorie, wonach das
Erdöl aus einer besonderen Zersetzung ungeheurer Massen animalischer Stoffe wie von
Fischen, Sauriern, Tintenfischen, Muscheln Korallentieren usw. hervorging, wurde von
Engler durch grundlegende Versuche begründet, indem
es ihm gelang, Fischtran durch Druckdestillation in ein erdölähnliches Produkt zu
verwandeln.
Nach dieser Engler-Höferschen Theorie, welche viel
Wahrscheinlichkeit hat, ist somit das Erdöl als das Ergebnis der Zersetzung
tierischer Fettstoffe zu betrachten, bei welchem Vorgang das wesentliche in der
Fäulnis und Verwesung der Nichtfettstoffe, sowie in der Umwandlung der restlichen
Fette in Erdöle beruht. Geologisch wird dieser Prozeß dadurch erklärlich daß,
infolge Hebens und Senkens der Ufer, Buchten und Seen vom Meere abgeschnitten
wurden, in denen durch verschiedene Ursachen Massengräber mariner Fauna sich
bildeten, welche allmählich, unter dem Druck der sich darüber lagernden und
luftdicht abschließenden Erdschichten, bei mäßiger Temperatur zersetzt und
umgewandelt wurden.
II. Vorkommen des Erdöls.
Daß die vorerwähnte Hypothese über die Entstehung des Erdöls wahrscheinlich ist,
bestätigt auch das geologische Vorkommen vorwiegend in den Schichten der Erde, deren
Bildung in der sogen. Tertiärzeit erfolgt ist. Damals
fand auf weiten Gebieten ein Rückzug des Meeres statt; es bildeten sich Buchten und
Meeresarme, die plötzlich geschlossen und wieder überflutet wurden, so daß auf diese
Weise günstige Bedingungen entstanden für die Anhäufung faunistischer Massengräber,
für die Ausbildung weiter Strandzonen, wie sie z.B. die langgestreckte Bucht
darstellt, die sich von Südfrankreich, den Nordrand der Alpen entlang, durch
Galizien, Rumänien bis ins westliche Asien erstreckt. Aus dieser Bucht trat als
einsame Insel der Kaukasus hervor. Eigentliche Tiefseegewässer kennt die Tertiärzeit
nicht, wohl aber schuf sie einen großen reichgegliederten Gürtel von Strandzonen.
Hieraus erkennt man sogleich die günstigen Bedingungen für die Entstehung so
gewaltiger Erdölmengen, wie sie z.B. der Bezirk von Baku aufweist, wenn man noch das
gleichzeitige Vorhandensein einer sehr reich entwickelten höheren und niederen
Meeresfauna in Betracht zieht.
Aus vorstehenden Darlegungen folgt bereits a priori, daß Erdöl an vielen Punkten der
Erde vorhanden sein muß, weil die Grundbedingungen seiner Entstehung vielerorts
erfüllt sind. Daß dieser Schluß richtig ist, bestätigen die zahlreichen Erdölfunde,
die bereits gemacht sind, und wird durch neue Funde andauernd weiter erwiesen
werden.
Ueber die bedeutendsten und wertvollsten Erdölgebiete verfügt Amerika in den Vereinigten Staaten, wo vom
Jahre 1859 ab stetig neue Quellen erschlossen wurden, Feld auf Feld eröffnet wurde
und der Reihe nach in die wichtigsten Staaten die Oelindustrie ihren Einzug hielt.
Im genannten Jahre machte Pennsylvanien mit der Erbohrung des Drakebrunnens zu
Titusville den Anfang. 1860 wurde der erste Brunnen in Westvirginien erschlossen,
1874 das berühmte Bradford-Feld eröffnet, das Schritt vor Schritt in den Staat New
York erweitert worden ist. Nun folgten die Funde in Pennsylvanien rasch aufeinander.
Das reiche Feld von Mac Donald in den Alleghany- und Washington-Counties kam 1891 in
Betrieb und mit ihm das ergiebigste Oellager, das je in jener Gegend erbohrt worden
ist; hier wurden wochenlang mehr als 40000 barrels1 barrel = 42 Gallonen à 4,543 l. =
rund 7640000 l pro Tag gefördert. Auch in Ohio, Kalifornien, Kansas und Texas wurden
bald bedeutende Oelgebiete gefunden; 1901 erschloß man bei Beaumont in Texas, wenige
Meilen von der Küste des mexikanischen Golfs, mächtige Sprudler, bald darauf die
Felder von Bakersfield in Kalifornien, ferner solche im südöstlichen Kansas und in
Lousiana. Der Wert der hier überall erbeuteten Oele korrespondiert nicht mit der
gewonnenen Menge. Im Jahre 1905 betrug der Anteil der Staaten westlich vom
Mississippi rund 52 v. H. von der Gesamtförderung Amerikas, wenn man die Menge in
Betracht zieht. Dem Werte nach aber ergeben sich nur 23 v. H., weil das Oel der
Nord- und Oststaaten dasjenige der West- und Südstaaten an Güte entsprechend
übertrifft. Wertvoll ist der besondere Gehalt an Leicht- und Leuchtölen, Paraffin,
sowie an Schmierstoffen, nachteilig der Mangel daran und daneben ein höherer Gehalt
an Schwefel, Asphalt und Asche, welche die Verarbeitung schwieriger und
kostspieliger machen. Pennsylvanien, Kansas, Oklahoma und das Indianergebiet liefern
die besten Oele, Texas und Kalifornien die geringwertigsten. Heute verteilt sich die
amerikanische Produktion auf sechs voneinander getrennte Felder: 1. Das
Appulachische Feld (in den Staaten: New York, Pennsylvanien, West-Virginien,
Südost-Ohio, Kentucky und Tennessee); 2. das Lima-Indianafeld (in Nordwest-Ohio und
Mittel-Indiana); 3. das Illinoisfeld (im Osten von Illinois); 4. das
Midcontinentfeld (in Südost-Kansas, Oklahoma, Indianerterritorium und Nord-Texas);
5. das Goldfeld (in Texas und Louisiana); 6. das Kalifornische Feld (in
Kalifornien). Weitere Oelfelder liegen noch in Wyoming, Kolorado, Missouri, Utah
usw. Die Ergebnisse dieser sämtlichen Felder von 1905 bis 1910 und ihren Anteil an
der amerikanischen Gesamtproduktion zeigen die Tab. 1 und 2 S. 516.
Sehr beachtenswert erscheint auch die aus diesen Zahlen ersichtliche Bewegung der
Produktion im ganzen und im einzelnen, welch letztere zum Teil schon abwärts
gerichtet ist. Entsprechend hat sich die Lage der Oelzentren Amerikas in kurzer Zeit
beträchtlich verschoben. Nur durch stetige Neuaufschlüsse von Feldern, nicht aber
durch Steigerung der Bohrtätigkeit, wurde die amerikanische Produktion bisher noch
gehoben. Roosevelt
hat also wohl Recht, zu verlangen, daß für sachgemäße Ausbeutung der
Oelreichtümer des Landes, unter Vermeidung von Raubbau, ernstlich gesorgt werde.
Tabelle 1.
Rohölproduktion in Millionen Barrels.
Felder
1904
1905
1906
1907
1908
1909
1910
AppalachischesLima-IndianaIllinoisMidcontinentGolfKalifornischesAndere
31,41 24,69– 6,19 24,63 29,65 0,51
29,37 22,29 0,18 12,53 36,53 33,43 0,38
27,74 17,55 4,40 22,84 20,53 33,09 0,34
25,34 13,12 24,28 46,85 16,41 39,75 0,34
24,94 10,03 33,69 48,32 16,27 44,85 0,41
26,53 8,21 30,89 49,80 11,91 54,43 0,39
26,55 6,60 33,00 33,50 15,90 77,70 0,35
Summa
117,08
134,72
166,09
178,53
178,53
182,13
213,60
Tabelle 2.
Rohölproduktion in v. H.
Felder
1904
1905
1906
1907
1908
1909
1910
AppalachischesLima-IndianaIllinoisMidkontinentGolfKalifornischesAndere
26,83 21,09– 5,28 21,03 25,33 0,44
21,80 16,55 0,14
0,30 27,11 24,81 0,29
21,93 13,88 3,47 18,05 16,23 26,17 0,27
15,26
7,90 14,72 28,20 9,88 23,93 0,21
13,97 5,62 14,87 27,07 9,11 25,13 0,23
14,57 5,51 16,96 27,34 6,54 29,89 0,19
12,43 3,09 15,45 25,04 7,44 36,38 0,17
Summa
100,00
100,00
100,00
100,00
100,00
100,00
100,00
Nächst Amerika hat Rußland die bedeutendsten Erdölgebiete
der Welt in dem Gouvernement Baku auf der Halbinsel Apscheron, wie schon erwähnt.
Fast 95 v. H. der russischen Erzeugung entfallen auf dieses Gebiet mit seinen acht
Oelfeldern, von denen Balachany, Ssabuntschy, Romany und Bibi-Eibat die bekanntesten
und ergiebigsten sind. Allein Ssabuntschy hat 1500 tätige und über 600 verlassene
Bohrlöcher, was einen schlagenden Beweis für die Intensität dieses Betriebes ergibt.
Neben Baku kommen noch mehrere andere Erdölgebiete im Kaukasus in Betracht, wie das
Daghestangebiet im Bereiche des Kaspischen Meeres, das Terekgebiet bei Großny unweit
der Rostow-Wladikawkaser-Bahn, das Gouvernement Tiflis mit dem Bezirk Kutais und das
Gouvernement Jelissawetpol, sowie das Kubangebiet östlich der Hafenstadt
Noworossisk. Wertvolle Erdöllager, die noch wenig erschlossen sind, besitzt auch
Russisch-Turkestan, ebendort die Insel Tscheleken am östlichen Ufer des Kaspischen
Meeres und die Provinz Ferghana, wo bei dem Orte Tschimion heute schon viel Erdöl
gebohrt wird.
Bakus Geschichte reicht, wie gesagt, in die graue Vorzeit zurück; dennoch ist seine
eigentliche Oelindustrie noch sehr jung, wie diejenige Amerikas. Um 900 berichtet
Massudi ausführlich von den Quellen bei Baku im
Reiche Schirwan, zu dem es damals gehörte. Er erwähnt das Vorkommen weißer und
andersartiger Nafta an diesem Orte und nennt ihn ein Nephataland, d.h. reich an
brennenden Naftabrunnen. Im Mittelalter war die Oelgewinnung bei Baku Monopol der
persischen Schahs, die daraus durch Verpachtung großen Gewinn erzielten.
Von den Persern fiel Baku 1723 durch Eroberung an Peter den Großen, der die
Bedeutung der Quellen erkannte, auch schon eine Untersuchung und geregelte
Ausbeutung derselben erstrebte. Aber diese weitsichtigen Pläne wurden unter der
folgenden Perserherrschaft wieder zuschanden. Im Jahre 1806 erwarb Rußland das
Bakugebiet dauernd und machte es zum Kroneigentum und die Oelgewinnung zum Monopol,
das bis 1834 verpachtet, dann wieder bis 1850 in den Händen der Regierung und darauf
abermals bis 1872 verpachtet war. Im letzteren Jahr wurde durch Kaiserlichen Ukas
das Bakuer Oel frei, und die der Krone gehörigen Quellen wurden zu hohen Preisen
verpachtet; aber mehr als die bisherigen Verpachtungen brachten dem Staate die
Landpacht und die Fabrikationssteuer, die neu eingeführt wurden. Den gewaltigsten
Aufschwung nahm Baku nur wenige Jahre später mit dem Beginn der industriellen
Tätigkeit der Gebrüder Nobel, deren Name unauflöslich mit
der Petroleumindustrie Rußlands verbunden ist, wie der Name Rockefeller mit der amerikanischen.
Tabelle 3.
Rohölproduktion in Millionen Tonnen.
Jahr
Balachany
Ssabuntschy
Romany
Bibi-Eibat
1900
2,04
4,12
1,88
1,79
1901
1,92
4,83
2,03
2,18
1902
1,67
4,38
2,28
2,08
1903
1,46
3,88
1,96
2,58
1904
1,34
3,56
2,18
2,97
1905
0,93
2,23
1,51
2,07
1906
1,11
2,56
1,56
2,09
1907
1,16
3,00
1,45
2,15
1908
1,14
3,22
1,28
1,96
1909
1,19
3,38
1,42
2,01
Tabelle 4.
Rohölproduktion in Millionen Tonnen.
Jahr
Baku
Grosny
Total
1900
9,84
0,49
10,33
1901
11,05
0,57
11,62
1902
10,43
0,56
10,99
1903
9,78
0,54
10,32
1904
10,06
0,65
10,71
1905
6,79
0,70
7,49
1906
6,84
0,63
7,47
1907
7,80
0,64
8,44
1908
7,62
0,86
8,48
1909
8,07
0,93
9,00
1910
7,83
1,12
8,95
Größe und Bewegung der Produktion in den Hauptfeldern Bakus von 1900 bis 1909 zeigt
obenstehende Tab. 3, während Tab. 4 die gleichen Verhältnisse für die beiden
Hauptgebiete Rußlands, Baku und Grosny, veranschaulicht. Diese Zahlen geben im
ganzen ein ähnliches Bild wie die oben für Amerika registrierten. Abgesehen von
Bibi-Eibat ist die Ausbeute in den Hauptfeldern Bakus zurückgegangen und im
Gegensatz zu Amerika hat die Steigerung in anderen Feldern das Sinken der
Gesamtproduktion im letzten Jahrzehnt nicht aufhalten können. An eine Erschöpfung
der Bakuer Lager ist allerdings vorerst kaum zu denken. Und diese sind nach wie vor
der Mittelpunkt der russischen Petroleumindustrie. Das Gebiet von Baku ist ferner im
Vergleich zu den noch unerschlossenen Petroleumfeldern Rußlands nur klein;
ebenso sind ihm die der Produktion voll erschlossenen Oelfelder Amerikas
räumlich weit überlegen. Sonach rechtfertigt sich die Meinung vieler, daß Rußland
noch das erste Petroleumland der Erde zu werden verspricht, wenn seine neueren
Gebiete im Laufe der Jahre auch nur annähernd die gleiche Ausbeute ermöglichen
sollten wie die alten.
(Fortsetzung folgt.)