Titel: | POLYTECHNISCHE RUNDSCHAU. |
Fundstelle: | Band 327, Jahrgang 1912, S. 541 |
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POLYTECHNISCHE RUNDSCHAU.
Polytechnische Rundschau.
Neue Bauart eines Selbstgreifers. Wenngleich
Selbstgreifer schon seit langen Jahren bekannt sind und sich bereits überall dort
Eingang verschafft haben, wo mit dem Umschlag großer Mengen schüttbarer Güter zu
rechnen ist, so war man doch lange über die zweckmäßigste und wirksamste Bauform des
Greifers im unklaren. Hauptsächlich ist dies auf den Mangel an Versuchsergebnissen
zurückzuführen, die, nach wissenschaftlichen Gesichtspunkten durchgeführt, ein
klares Bild des Arbeitsvorganges des Greifers vermitteln konnten. In Nr. 16, Jahrg.
1912 der Zeitschrift des Vereins deutscher Ingenieure veröffentlicht nun Prof. Kammerer von der Techn. Hochschule Charlottenburg das
Ergebnis von Vergleichsversuchen, die mit zwei Greifern verschiedener Bauart
vorgenommen wurden.
Aus diesen Versuchen ergab sich, daß der Widerstand gegen das Schließen des Greifers
zu Anfang der Schließbewegung klein ist, gegen Ende des Greifers jedoch
beträchtlich ansteigt. Das Uebersetzungsgetriebe muß daher so konstruiert sein, daß
es gegen Ende der Schließbewegung die größte Uebersetzung hergibt. Die Versuche
ergaben so weiterhin folgerichtig, daß der Greifer das beste Ergebnis liefert, bei
dem die Schaufeldrehpunkte an den Innenseiten der Schaufeln liegen und der Rollenzug
mittels starrer Zugstangen ohne zwischengeschaltete Kniehebel an den äußeren
Schaufelseiten angreift.
Die Ergebnisse dieser auf wissenschaftlicher Grundlage durchgeführten Versuche decken
sich mit den Erfahrungen, die von der Deutschen
Maschinenfabrik A.-G. in Duisburg mit Greifern der verschiedensten Bauart
gemacht worden sind. Auf Grund dieser Erfahrungen wurde dann in letzter Zeit von
dieser Firma eine Greiferform konstruiert, die auf den auch von Prof. Kammerer aufgestellten Grundlagen ruht. Es sei bemerkt,
daß von der Deutschen Maschinenfabrik A.-G. in letzter Zeit eine
Reihe derartiger Greifer ausgeführt und geliefert worden ist, die hinsichtlich ihrer
Leistungsfähigkeit und Betriebssicherheit vollständig den Erwartungen entsprochen
haben, die man an diese Bauart knüpfen zu können glaubte. Eine kurze Beschreibung
dieses Greifers dürfte daher wohl in den beteiligten technischen Kreisen lebhaftem
Interesse begegnen.
Bei der Konstruktion des Greifers, der in Fig. 1 und
2 im geöffneten und geschlossenen Zustande
dargestellt ist, wurde auf die Wahl möglichst einfacher Elemente Rücksicht genommen.
Um das Arbeiten in Schiffsluken und zwischen den Deckbalken der Schiffe zu
erleichtern, ist er nach oben hin verjüngt ausgebildet. Der Greiferkopf ist aus
Blechen und Winkeleisen zusammengenietet und trägt die die obere Flasche bildenden
Seilrollen. Die Unterflasche ist in einer aus Eisenkonstruktion hergestellten
Traverse angeordnet, welche mittels Zapfen in den Seitenblechen der Greiferschaufeln
gelagert ist. Die Schaufeln selbst haben nach den im praktischen Betriebe gewonnenen
Erfahrungen eine sehr flache Form erhalten und sind sehr kräftig aus Winkeleisen und
Blechen zusammengesetzt. An den äußeren Enden der Schaufeln greifen die Druck- bezw.
Zugstangen an, die mit ihrem oberen Ende im Greiferkopf gelagert sind. Im Gegensatz
zu dieser Greiferkonstruktion besitzen die heute meist gebräuchlichen Greifer ein
Gerüst aus Eisenkonstruktion, gewöhnlich aus einem Winkeleisenrahmen bestehend, das
bei angestrengtem Greiferbetrieb durch Anstoßen gegen die Querbalken und
Schiffsluken leicht verbogen und beschädigt wird, während die starken Druckstangen
etwaigen Verbiegungen einen größeren Widerstand entgegensetzen. Die Eckstangen sind
an. ihrem oberen Ende mit ineinandergreifenden Zähnen versehen, die den Greiferkopf
mit der Oberfläche stets in gerader Lage erhalten.
Textabbildung Bd. 327, S. 542
Fig. 1.
Textabbildung Bd. 327, S. 542
Fig. 2.
In ähnlicher Weise wird auch eine Schiefstellung der Greifertraverse verhindert, die
an vier Stellen mit den Greiferschaufeln gelenkig verbunden ist. Jeder der vier
Stützbolzen trägt ein aufgekeiltes Zahnsegment; zwei auf derselben Seite
liegende Segmente stehen miteinander im Eingriff und arbeiten bei der Bewegung der
Schaufeln wie Zahnräder. Die Greifer werden in der Regel als sogen. Zweiseilgreifer
ausgeführt und erhalten zwei Hub- und zwei Entleerungsseile. Die ersteren sind
zweckmäßig außen, die letzteren zwischen diesen angeordnet. Zur Verladung von Kohle
oder von Materialien ähnlicher Beschaffenheit bestimmte Greifer werden mit einem
viersträngigen Flaschenzug ausgerüstet, während für leichtere Stoffe ein-, zwei-
oder auch dreisträngiger Flaschenzug ausreichend ist. Dagegen bedient man sich für
die Verladung von Erzen zur Erhöhung der Schließkraft eines fünf- oder
sechssträngigen Greifers.
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Seitenrad-Schleppdampfer „Johann Knipscheer V“.
Derselbe wurde 1911 für den Rhein erbaut von Caesar
Wollheim, Schiffswerft und Maschinenfabrik, Breslau. Das Schiff (Fig. 1 S, 543), welches seinen Abmessungen nach zu
den größten Rheinschleppern zählt, hat eine Länge von 75,7 m, eine Breite auf
Spanten von 8,8 m und über Radkasten von 20,5 m. Der mittlere Tiefgang des Schiffes
mit voller Ausrüstung und 10 t Kohle beträgt 1,22 m, die Höhe über Bord bis Seite
Deck beträgt mittschiffs 3,2 m, an den Enden 2,8 m; das dadurch gebildete
Parabeldeck gib dem Fahrzeug eine sehr wirksame Erhöhung der Längsfestigkeit, für
die außerdem durch fünf Kielschweine und zwei kräftige, über die ganze Länge des
Schiffes verlaufende Decksunterzüge hinreichend gesorgt ist.
Eine dreikurblige schrägliegende Vierfach-Expansionsmaschine von 1600 bis 1950 PS ist
auf hohen, kräftigen Fundamenten aus bestem Schiffbaustahl gelagert. Mit Ausnahme
der gußeisernen Zylinder sind fast sämtliche Teile der Maschine aus Stahl bezw.
Stahlguß hergestellt, wodurch die Maschine trotz ihrer Größe ein leichtes,
gefälliges Aussehen erhält.
Je ein Heizraum mit zwei Kesseln ist vor und hinter dem Maschinenraum angeordnet und
anschließend an die Querbunker und den Laderaum sind die durch ein Deckshaus
zugänglichen Wohnräume so verteilt, daß die ganze Besatzung – außer dem Kapitän – in
sechs Räumen im Vorschiff untergebracht ist. Hier finden außerdem die großen
Kettenkasten und die Vorpiek Platz.
Achtern sind die vornehm und geschmackvoll ausgestatteten Salons, Wohn- und
Schlafräume für Besitzer und Kapitän, welche durch einen bequemen Niedergang in dem
großen Deckshause zugänglich sind.
Auf den Radkastenpodesten sind an Backbord vorn die große Küche mit Vorratsraum, an
Steuerbord vorn die Lampenkammer und Klosetts angeordnet, während sich in den
hinteren Aufbauten je ein Baderaum für den Reeder und die Besatzung in schöner und
zweckentsprechender Ausführung anschließt, wodurch den neuzeitlichen Anforderungen
der Hygiene, mehr als bisher üblich, Rechnung getragen worden ist.
Das Schiff ist mit zwei Stellsonnensegeln ausgerüstet, von denen das eine – für
Schleppfahrt – achtern und vorn über den Wohnräumen aufgespannt wird, während das
andere – für Festfahrten sich über das ganze Schiff erstreckt. Selbstverständlich
besitzt auch die Kommandobrücke, die von Bord zu Bord über die ganzen Radkasten
reicht, Sonnensegelschutz. Auf der Brücke, die die beiden Achsiometerböcke für
Dampf- und Handbetrieb trägt, (die Dampfsteuermaschine ist auf Deck aufgestellt),
steht ein geräumiges Haus für den Kapitän.
Die Decksausrüstung, der die Werft ihre besondere Aufmerksamkeit zugewandt hat,
entspricht vollkommen den vielseitigen, großen Ansprüchen der Rheinreedereien und
weist außerdem in den Einzelheiten der Takelage, des Schleppgeschirrs und der
Ankereinrichtung zahlreiche wertvolle Neuerungen auf, die sich im Betriebe bereits
ausgezeichnet bewährt haben. Als besonders wertvoll hat sich die außerordentlich
gute Uebersichtlichkeit des Decks erwiesen.
Textabbildung Bd. 327, S. 543
Fig. 1.
Die normale Schleppvorrichtung, die für das Einzelschleppen von sechs Fahrzeugen
eingerichtet ist, besteht aus sechs besonders großen, auf dem Vorschiff
aufgestellten Dampftrossenwinden mit dem erforderlichen Zubehör, wie Seilklemmen,
Rollen usw., dem großen Schleppbügel und vier Schlierbügeln. Ferner sind vier
Seitenwinden vorgesehen, so daß ein Schleppen von zehn Kähnen ermöglicht wird. In
der Nähe der Radkasten sind auf jeder Seite drei kräftige Belegpoller mit
Hartholzbelag aufgestellt. Die Flieger (Beiboote) sind in den Davits so aufgehängt,
daß sie leicht aus- und eingeschwungen und während der Fahrt gefiert werden
können.
Besonderer Wert ist darauf gelegt worden, dem Schiff ein möglichst gefälliges
Aussehen zu schaffen. Durch die Abmessungen der Schornsteine und Masten, die Form
der Decksaufbauten und Radkasten, insbesondere auch durch die überall gleich
gehaltene Neigung, ist es gelungen, das Aeußere des Schiffes harmonisch
auszubilden.
Eine besonders wichtige Neuerung bedeutet die Maschinenanlage des Dampfers. Eine
schrägliegende Vierfach-Expansionsmaschine mit drei Kurbeln – fast vollständig aus
Stahl hergestellt – leistet bei 20 at Betriebsdruck normal etwa 1600 PSi, dabei beträgt der stündliche Kohlenverbrauch
(einschließlich Dampfsteuermaschine) 980 bis 1020 kg. Dieser Kohlenverbrauch
bedeutet eine erhebliche Kohlenersparnis gegenüber der
Dreifach-Expansionsmaschine gleicher Leistung.
Die Schaufelräder, die als kräftige Doppelräder mit je sieben beweglichen
Stahlblechschaufeln ausgerüstet sind, haben im Betriebe einen vorzüglichen
Wirkungsgrad ergeben. Für Verringerung des Verschleißes in den Radbuchsen ist durch
Herabsetzen des Flächendruckes unter das übliche Maß besondere Sorge getragen.
Die Kesselanlage besteht ans vier zylindrischen Röhrenkesseln mit rückkehrender
Flamme von je 125 qm Heizfläche und einem Betriebsdruck von 20 at. Jeder Kessel hat
zwei große Flammrohre. Zwischen dem Niederdruckzylinder und dem Kondensator ist ein
Kupferröhren-Vorwärmer eingebaut.
Die Verständigung zwischen Kommandobrücke und Maschine erfolgt mittels Telegraph mit
Rückantwort und zwei Sprachrohren mit Glockenzug; die Kesselräume und der
Maschinenraum sind ebenfalls durch Sprachrohre untereinander verbunden.
Das Schiff wurde ohne Radkasten oderabwärts bis Stettin geschleppt, dort
fertiggestellt und mit einem neuen Anstrich versehen, hat dann die Fahrt durch den
Kaiser-Wilhelm-Kanal und über See nach Rotterdam mit eigener Kraft zurückgelegt und
trotz der Unbill der Frühlingsstürme wohlbehalten den Rhein erreicht.