Titel: | ÜBER DAS ERDÖL. |
Autor: | F. Romberg |
Fundstelle: | Band 327, Jahrgang 1912, S. 547 |
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ÜBER DAS ERDÖL.
Im Zusammenhang mit seiner maschinentechnischen
Verwendung.
Von F. Romberg,
Charlottenburg.
(Fortsetzung von S. 533 d. Bd.)
ROMBERG: Ueber das Erdöl.
Was nun die Verfahren der Erdölgewinnung betrifft, so haben sich diese
entsprechend den angeführten Arten des Vorkommens allmählich vom Einfachen zum
Komplizierten entwickelt. Vier Methoden kennzeichnen diesen Gang: Schöpfarbeit,
Schachtbetrieb, Hand- und Maschinenbohrung. Wo das Oel in kleinen Tümpeln oder auf
dem Wasser schwimmend zutage tritt, ist das Abschöpfen die einfachste und billigste
Gewinnungsmethode. So fand wohl schon Noah den Asphalt zur Dichtung seiner Arche, so
gewannen auch die Mönche von St. Quirin um 1430 am Tegernsee das Oel, welches sie
als kostbare Arznei verkauften. Wenn die natürlichen Vertiefungen fehlten, wurden
Gruben zum Sammeln des Oeles gegraben. Die Indianer Amerikas und die Perser des
Kaukasus legten Tücher in die Gruben, die sich voll Oel sogen und ausgepreßt wurden,
oder sie benutzten Tontöpfe und Hammelfellschläuche zum Schöpfen. Bei dieser
primitiven Gewinnung blieb es an manchen Stellen Jahrhunderte lang. Meist wohl
solange, bis man den Wert des Oeles erkannte und bis die gesteigerte Verwendung,
namentlich als Leuchtmaterial, zwang, nach größeren Mengen zu suchen. Da vermehrte
man dann zunächst die Tiefe der Gruben, um den Oelzufluß zu erleichtern und zu
beschleunigen. Daraus entstanden also allmählich Schächte und man gelangte zum
bergmännischen Betrieb. Schon in prähistorischer Zeit hat es diesen Schachtbetrieb
in Japan gegeben, und auch im pennsylvanischen Gebiet von Titusville wurden solche
Anlagen gefunden, die von Indianern nicht herrühren können, vielmehr vermuten
lassen, daß sie von jenem alten Kulturvolke stammen, welches Nordamerika vor den
Indianern bewohnte. Allmählich vertieften sich die Schächte immer mehr; sie mußten
zur Sicherung gegen Einsturz ausgezimmert werden; an Stelle des einfachen Aufziehens
der Eimer trat der Betrieb mit Handhaspel und Pferdegöpeln. Derartige Schächte
findet man heute noch zahlreich in den rumänischen Feldern von Bustenari,
Campina usw. in Betrieb, zum Teil solche von mehr als 200 m Tiefe. Zur Bewetterung
dienen große Schmiedeblasebälge, und die Leute arbeiten ohne Lampen, um der
Schlagwettergefahr zu entgehen. Zur Schaffung der notwendigen Beleuchtung wird
mittels am Tage aufgestellter Spiegel indirektes Licht in den Schacht geworfen. In
ballonförmigen irdenen Töpfen, deren enger Hals an Lederseilen befestigt ist, wird
das Oel zu Tage gefördert.
Gar bald erkannte man vielerorts, daß auch diese Methode zu unproduktiv, daß die
Erreichung größerer Tiefe durch die Schwierigkeiten, welche beim Schachtgraben sich
ergeben, begrenzt war, daß auch die Sicherheit des Betriebes stetig zurückging und
daß der Ertrag mit den Opfern an Zeit und Geld nicht gleichen Schritt hielt. Also
suchte man nach einem besseren Ersatz und fand ihn in den artesischen Brunnen, deren
Herstellung nichts Neues, sondern eine altbekannte Kunst war, die schon in China
seit 2000 Jahren geübt wurde und von dort durch Jesuitenmissionare mitgeteilt worden
war. Um so natürlicher war es, dieses Verfahren zu verwenden, als es bereits für die
Gewinnung von Soole in Gebrauch war und hierbei schon in frühester Zeit Erdöl
miterschlossen wurde, ohne daß man freilich zunächst sich dieses Erfolges bewußt
war.
Dieses Verfahren bildet nun den Uebergang zu den heutigen Tiefbohrungen. Anfänglich
gelangte überall das Handbohren zur Anwendung, und erst später wurde allmählich die
Handarbeit durch die Maschinenarbeit verdrängt. Seit dem Ende des vorigen
Jahrhunderts wurde der Bohrer in den gesamten Oelbetrieben der Erde heimisch, zuerst
in Nordamerika. Seit dieser Zeit datieren jene großartigen Erfolge, welche der
Oelproduktion zu ihrer heutigen Stellung als einer ebenbürtigen industriellen
Großmacht verhalfen. Der amerikanische Oberst E. L. Drake
aber war es, der, wie erwähnt, im Jahre 1859 bei Titusville in Pennsylvanien die erste
erfolgreiche Bohrung ausführte. Sie gelang erst nach Ueberwindung zahlreicher
Schwierigkeiten und hatte das Ergebnis, daß täglich 400 Gallonen Erdöl gefördert
werden konnten. Ein relativ bedeutsamer Erfolg, welcher bahnbrechend wurde und der
Oelindustrie einen kräftigen Impuls gab.
Die Technik der Tiefbohrung ist heute in ausgedehntem Maße entwickelt, indem je nach
der Beschaffenheit des Bohrgrundes die verschiedenartigsten Werkzeuge und
Bohrmethoden durchgebildet worden sind. Dabei ist der allen Methoden gemeinsame
Sinn, ein Werkzeug zu verwenden, das unmittelbar auf die Sohle des Bohrloches wirkt
und stetig kleine Stücke des Gesteins abtrennt, die in verschiedener Weise zutage
gefördert werden. Unterschiedlich hinsichtlich dieser Methoden ist nur die
Wirkungsweise des Werkzeugs, seine Bewegung und insbesondere die Art, wie die
Bohrmasse, der sogen. Bohrschmant, aus dem Loch entfernt wird. Hiernach ergeben sich
zunächst zwei große Bohrsysteme, das Trockenbohren und
das Wasserspülbohren, deren Wesen schon in den Namen
gekennzeichnet wird. In beiden Fällen sind Hand- und Maschinenbohrung verwendbar;
aber das Anwachsen der Tiefe und das Streben nach Beschleunigung der Arbeit lassen
letztere stetig an Bedeutung gewinnen. Vorteilhaft ist für die Trockenbohrung, daß
sie überall, unabhängig von den Bodenverhältnissen, anwendbar; nachteilig dagegen,
daß der Bohrschmant, der sich mit jedem Hub verdickt, im Bohrloch bleibt, daß er die
Bohrlochsohle verunreinigt und dem Werkzeug beim Niederfallen ein Hindernis bietet,
dessen periodische Beseitigung eine zeitraubende Arbeit erfordert.
Textabbildung Bd. 327, S. 548
Fig. 6. Rutschschere.
Textabbildung Bd. 327, S. 548
Fig. 7. Kanadische Bohranlage.
In Hinsicht auf das Trockenbohren kann man vier
Spezialmethoden unterscheiden: das Bohren am festen Gestänge, und zwar entweder
stoßend oder drehend, das Bohren mit Freifall, das Bohren an der Rutschschere und
das Seilbohren. Wegen der geringen erreichbaren Tiefe ist das Bohren am festen
Gestänge heute so gut wie verlassen. Die zweite Methode, das Bohren mit Freifall,
wird so durchgeführt, daß ein Schwergestänge mit dem Bohrmeißel durch eine
Freifallschere, die eingeschaltet ist, gehoben und im Höchstpunkt des Hubes
abgeworfen wird; dadurch fällt der Meißel mit dem Zusatzgewicht frei herab und
erlangt entsprechende Schlagwirkung. Die Schere folgt darauf dem Meißel und wird
unten wieder mit ihm gekuppelt; das Spiel beginnt von neuem. Diese Methode ist
überall verwendbar und eignet sich für hartes wie weiches Gestein, für flach- und
steilfallende Schichten. Jedoch müssen Hubhöhe und Schlaggewicht mit zunehmender
Tiefe passend vermehrt werden. In Rücksicht auf die Leistung sind maßgebend die
Größe des Bohrlochs, seine Tiefe und die Beschaffenheit des Gesteins. Ist dieses
Mittel hart, so kann man bei Handbohrung bis 100 m Tiefe durchschnittlich etwa 12
bis 15 m Monatsleistung rechnen, bei Maschinenbohrung bis 4 bis 500 m Tiefe sogar 60
bis 70 m.
Eine Stoßbohrung ist die dritte Methode, die sich in Kanada entwickelt hat und von
dort nach Galizien, Rumänien, Norddeutschland und Italien verpflanzt wurde. Sie ist
ausgezeichnet durch die Einfachheit und praktische Gestaltung der Einzelheiten,
sowie durch die Schnelligkeit des Betriebs. Mit dem Bohrmeißel ist die sogen.
Rutschschere (Fig. 6) und mit dieser das feste
Gestänge verbunden. Mit Ausnahme der Bohrmeißel, die aus Stahl gefertigt sind,
besteht die Einrichtung möglichst aus Holz, namentlich Bohrkran und Bohrstange, so
daß also das Gestänge sehr leicht wird und eine Schlagzahl von 60 bis 70 i. d. Min.
gestattet. Der Antrieb wird immer durch Dampfmaschinen bewirkt. Eine kanadische
Bohranlage dieser Art zeigt Fig. 7. Mit dieser
Methode wurden in Galizien und anderswo zahlreiche Bohrlöcher von über 1000 m
niedergebracht und dabei gute Durchschnittsleistungen erzielt. Im einzelnen sind
letztere natürlich ziemlich verschieden, da durch verschiedenartige Umstände der
Bohrbetrieb Unterbrechungen erleiden kann.
Von allen Trockenbohrmethoden ist die oben als vierte aufgeführte, das Seilbohren,
die älteste; sie wurde nachweislich schon vor 2000 Jahren in China verwandt. Das
Wesen der erforderlichen Einrichtung besteht darin, daß das feste Gestänge, welches
beim Stoßbohren üblich ist, durch ein starkes Seil ersetzt wird. In Pennsylvanien
hat sich die Methode ausgezeichnet bewährt, was ebensowohl auf die Geschicklichkeit
der Arbeiter, als auf die günstigen Gebirgsverhältnisse zurückzuführen ist; in
Galizien dagegen hat sie sich nicht einbürgern können.
Das Wasserspülbohren, als zweite Hauptart des Bohrens, ist gekennzeichnet durch die
Benutzung eines Wasserstromes zum Reinhalten der Sohle. Durch das hohle Bohrgestänge tritt
das Wasser ein und durch das Bohrrohr, welches das Loch umschließt, wieder aus,
indem es gleichzeitig den Bohrschmant mit sich heraufbringt. Gegenüber der
Trockenbohrung hat das Spülbohren mancherlei Vorzüge, welche die Ursache für seine
heutige Wertschätzung sind. Es bleibt die Bohrsohle rein, und die Kraft des Meißels
wird vollkommener ausgenutzt, so daß sich der Effekt erhöht und das Werkzeug sich
nicht unnötig abnutzt. Außerdem gewinnt man an Bohrzeit auch dadurch, daß nur bei
Reparaturen das Bohrzeug gezogen zu werden braucht, und daß die Schlagzahl vermehrt
werden kann, weil eine geringere Fallhöhe ausreicht. Vorteilhaft sind ferner die
größere Starrheit und Festigkeit des Hohlgestänges, die Möglichkeit, dauernd
Bohrproben durch das ausfließende Wasser zu erhalten, und die Verminderung der
Unfälle, da man das Gestänge nur weit seltener ein- und ausbringen muß. Nachteilig
hingegen ist insbesondere, daß bei ungenügender Vorsicht das eindringende Wasser das
Oel verdrängen kann. Stets müssen die Futterröhren der Bohrung unmittelbar folgen,
um zu vermeiden, daß das Wasser hinter den Röhren aufsteigt und die Entfernung des
Bohrschmants verhindert. Die Befürchtung, daß der Wasserverbrauch erheblich und dies
die Anwendung der Methode erschwere, ist weniger berechtigt, da das Wasser im
Kreislauf geführt werden kann.
Textabbildung Bd. 327, S. 549
Fig. 8. Rohrverbindungen.
Ebenso wie die Trockenbohrung ist auch diese Methode in mehreren Formen verwendbar.
Die wichtigsten sind: das Spülbohren mit Meißel und Handbetrieb, das Diamantbohren,
das Spülbohren nach den Systemen R a k y und Fauck, das Spülbohren mit hydraulischem
Bohrwidder. Gemäß dem verfolgten Zweck ist hier nicht der Ort, alle diese Methoden
im einzelnen zu behandeln, und überdies gab die obige Darstellung des Trockenbohrens
einen hinreichenden Begriff, worauf es beim Bohren ankommt. Kann damit also das
Bohren selbst als erledigt gelten, so erübrigt aber noch, eines Gegenstandes kurz
Erwähnung zu tun, der zu den wesentlichsten Erfordernissen jedweder exakten Bohrung
gehört: das ist die Ausfütterung des Bohrlochs mit einer festen sicheren Verrohrung.
Nur weil es hieran gefehlt hat, sind häufig genug Bohrungen verunglückt. Die Rohre
schützen das Loch vor Nachfall und Gebirgsdruck, der jenes zum Einsturz zu bringen
sucht; sie bewirken auch die Absperrung wasserführender Schichten, was für die
Erdölindustrie von besonderer Bedeutung, indem das Wasser unter Umständen das Oel
ganz oder teilweise verdrängt, also seine Gewinnung erschwert oder vollkommen
verhindert. Zur Verrohrung dienen genietete oder heute meist geschweißte resp.
natlose Rohre, die in normalen Längen zusammengesetzt und durch Ineinanderschrauben
bezw. durch Gewindemuffen miteinander verbunden werden (Fig. 8). Wesentlich ist es, daß während des Bohrens man die Rohre
dauernd bewegt, damit kein Festsetzen derselben stattfindet und das weitere Senken
verhindert. Auch erreicht man dadurch, daß mit einer Röhrenkolonne vom gleichen
Durchmesser so tief wie möglich gebohrt werden kann und daß so wenig wie möglich an
Bohrlochdurchmesser verloren geht. Wenn sich die Röhrentour festsetzt oder
verklemmt, so muß sie niedergepreßt oder geschlagen werden, was weitere besondere
Einrichtungen erfordert, deren ausführliche Behandlung hier wiederum nicht möglich
ist. Im gleichen verbietet sich hier ein näheres Eingehen auf zahlreiche andere
Arbeiten, die durch eintretende besondere Umstände beim Bohren und Verrohren
erforderlich werden. Hierher gehören das Abschneiden von Rohren im Loch, um
dieselben auf diesem Wege wenigstens teilweise zurückzugewinnen, wenn die ganze Tour
nicht wieder gezogen werden kann oder soll; ferner die Erweiterung des Bohrlochs aus
verschiedenen Gründen, sowie die Behebung von Störungen, die durch die
Beschaffenheit des Gebirges und durch andere Verhältnisse verursacht werden können.
Solche Störungen sind: Verklemmen der Rohre infolge Gesteinsnachfall oder wachsender
Härte des Gesteins, Brüche der Bohrwerkzeuge und Gestänge, Abreißen und andere
Beschädigungen der Röhren, Bildung von Unebenheiten auf der Lochsohle, Verkrümmung
der Bohrlöcher, Mißlingen der Wasserabsperrung usw. Endlich erfordert der
Bohrbetrieb noch die zeitweilige Ausführung von Messungen, unter denen die
Untersuchung der Tiefe, der Lage der Achse des Bohrlochs zur Senkrechten und der
Art, wie die Gesteinsschichten verlaufen, die wichtigsten sind. Hiermit sich näher
zu befassen, ist ebenfalls Sache eines besonderen Studiums mit Hilfe der
einschlägigen Literatur, die ausgiebig vorhanden ist. Einer kurzen Erwähnung jedoch
bedarf noch das Fördern des Oeles, nachdem dies in der beschriebenen Art erbohrt
worden ist. Wenn der Gasdruck, der auf das Oel in der Tiefe wirkt, den Gegendruck
der Luft- oder Wassersäule, die darüber steht, übertrifft, so steigt das den
Gesteinsporen oder Klüften entrinnende Oel in dem Bohrloch selbsttätig empor. Je
nach dem wirksamen Druck variiert die Geschwindigkeit des Austritts vom einfachen
Ausfließen bis zur machtvollen Fontäne, die Höhen von 50 und mehr Meter erreicht.
Baku ist der Bezirk, der die größten Oeleruptionen der Erde aufweist. Doch auch hier
ist die Menge des Springeröls von 21 v. H. im Jahre 1897 auf 11 v. H. der
Gesamtproduktion im Jahre 1902 gesunken. Solche Springer arbeiten mit wechselnder
Intensität, mit der größten natürlich am Anfang, wobei täglich schon Oelmengen von
3000 bis 16000 t gewonnen wurden, bisweilen auch die große Energie des Strahles die
Bohrlöcher zerstörte. Sie setzen dann gewöhnlich bald aus und erneuern ihre
Tätigkeit nur intermittierend ohne Innehaltung eines nachweisbaren Gesetzes.
Schwierig ist die Beherrschung solcher Sprudler, wenn nicht von Anfang an entsprechende
Vorbereitungen getroffen wurden. In letzterem Falle haben sie schon große
Verwüstungen verursacht und in weitem Umkreis durch Zerstörung der Vegetation
erheblichen Schaden angerichtet. Heute versieht man die Röhren von Bohrungen, die
Springer erwarten lassen, zu Beginn mit geeigneten Kappen und Absperrvorrichtungen.
Oder man überbaut auch die Löcher mit dichtschließenden, geräumigen, kastenförmigen
Gehäusen, aus welchen Gase und Erdöl ohne Gefahr abgeleitet werden können. Ferner
ist es zweckmäßig, solche Bohrungen zu umwallen und für den Abfluß der Oelmengen,
die in diesen Umwallungen sich sammeln, in vorhandene Reservoire zu sorgen. Durch
alle diese Maßnahmen begegnet man zugleich in wirksamster Weise der Vergeudung von
Oel, sowie der Entstehung und Verbreitung von Bränden, die schon große Zerstörungen
und enorme Verluste bewirkten.
Wenn der Gasdruck zur selbsttätigen Gewinnung des Oeles nicht ausreicht, so muß die
Förderung auf anderweitigem mechanischem Wege erfolgen: durch Schöpfen mittels
Löffels, d.h. eines 10 bis 12 m langen Rohres vom Durchmesser des Bohrloches, das
unten mit einem einfachen Ventil versehen ist und maschinell ein- und ausgefördert
wird oder durch Pumpen oder auch, nach einem neueren Verfahren, durch ein maschinell
bewegtes, endloses Transportband aus Stahl oder Hanf, welches, mit einem porösen
Stoff bekleidet, das Oel aufsaugt und oben unter der Wirkung von Pressen wieder
abgibt.
Nicht weniger wichtig als die Gewinnung des Erdöls ist seine Verarbeitung zu den
Erzeugnissen, deren Verwendung in der Technik und im übrigen von Bedeutung ist.
Dieses Kapitel ist ein sehr ergiebiges, indem hierher die zahlreichen verschiedenen
Arbeitsverfahren gehören, die an den einzelnen Orten aus einer längeren Entwicklung
entstanden sind. Jedoch darf dies nicht zu dem Irrtum verleiten, als sei die
Erdölindustrie, vom chemischen Standpunkt betrachtet, ein völlig geklärtes und
abgeschlossenes Gebiet, im Sinne jener zahlreichen Zweige der chemischen
Großindustrie, die wir heute besitzen. Jene ist diesen wohl an Umfang, aber nicht an
technischwissenschaftlichem Gehalt ebenbürtig; sie trägt noch zu sehr den Charakter
des Empirischen an sich. Hierin scheinen aber die neuesten Untersuchungen Wandel zu
schaffen, und es besteht also Aussicht darauf, daß die Zerlegung und Reinigung der
Kohlenwasserstoffe demnächst ungleich vollkommener durchgeführt werde als bisher und
dann das Erdöl die Grundlage ähnlich wertvoller Erzeugnisse bilde, wie sein
Verwandter, der Steinkohlenteer.
Der Verarbeitung des Erdöls lag lange Zeit fast allein das Bestreben zugrunde, ein
brauchbares Beleuchtungsmaterial daraus zu machen. Daß hierzu die Möglichkeit
vorhanden war, wurde von einzelnen schon frühzeitig, nämlich zu Beginn des vorigen
Jahrhunderts, erkannt. Wenn, was damals in Amerika häufiger geschah, beim Erbohren
von ergiebigen Soolequellen nebenher das Oel als Verunreinigung auftrat, die
Hoffnung des Besitzers auf eine einträgliche Salzgewinnung gründlich zerstörend,
so wurde vereinzelt bereits die Aussicht auf ein wertvolles
Beleuchtungsmaterial betont und hierdurch der herrschenden Ansicht widersprochen,
„das Oel sei nur eine Plage“. Zu einer fabrikmäßigen Erzeugung von
Leuchtöl aus dem Erdöl gelangte man jedoch lange Zeit noch nicht, weil man zur
Destillation und Reinigung kein geeignetes Verfahren auffand. Vor den stinkenden,
rauchenden, schwer zündlichen, ungereinigten Erdöldestillaten bevorzugte man die
weit weniger gefährlichen und unangenehmen Kohlenöle, deren Herstellung in den
vierziger Jahren des vorigen Jahrhunderts gelang und hauptsächlich in England
betrieben wurde. Auch erforderte die Schwierigkeit, brauchbare Petroleumlampen zu
erzeugen, viel Zeit zur Ueberwindung. Zu Beginn der 60 er Jahre jedoch erfolgte
allmählich ein Umschwung: der Erfolg des Obersten Drake (1859) und anderer beim
Erbohren von Oel bewirkte ein rasches Steigen der Produktion und eine erhebliche
Verbilligung des Preises. Zudem wurden die Methoden zur Petroleumdestillation und
-Raffination in stetigem Fortschritt verbessert, so daß die Qualität des Produkts
andauernd zunahm. Rechnet man hierzu den Unternehmungsgeist und Wagemut der ersten
amerikanischen Händler, die das Oel eifrigst propagierten und weder Mühe noch Kosten
scheuten, um Produktion und Umsatz zu heben, so werden die wachsenden Erfolge
verständlich. Bald erfuhr dieser Aufschwung noch eine wesentliche Steigerung durch
die Schaffung großzügiger Lager- und Transporteinrichtungen, von welchen weiter
unten ausführlicher die Rede sein wird. Im Jahre 1865 bestanden schon einige 20
Oelraffinerien zu Titusville und Oil-City in Pennsylvanien, die neben mehreren
Benzinsorten drei Leuchtöle vertrieben. Auch die Schmieröldarstellung hatte zu jener
Zeit bereits begonnen.
Inzwischen aber wurde der Oilcreek in Pennsylvanien der Sammelpunkt eines wilden
Unternehmertums; zahlreiche Gründungen wurden gemacht, neue Industrien aus der Erde
gestampft und zum Teil große Reichtümer erworben. Es konnte jedoch nicht fehlen, daß
auf diese Hausse unmittelbar die Baisse folgte. Die ziellose Ueberproduktion verdarb
die Preise; sie verhinderte die Organisation und die systematische Arbeit. Binnen
kurzem verkrachten die vielen kleinen Winkelfabriken und Raffinerien, die bis dahin
am Oilcreek bestanden. So wurden zahlreiche Existenzen vernichtet. Dies war zu
Beginn der 70 er Jahre und ein kritischer Moment für die junge amerikanische
Oelindustrie, die eben erst im Aufblühen begriffen war. Der Mann, der damals die
Lage richtig erfaßte und ausnutzte, war John D.
Rockefeller, ein junger Kaufmann aus einfachen Verhältnissen. Seit Anfang
der 60er Jahre hatte seine Laufbahn begonnen. Er erwarb zunächst eine Raffinerie,
verbesserte die Fabrikation, steigerte die Ausbeute und verminderte die Kosten, so
daß er bei teurerem Einkauf und billigerem Verkauf mehr erübrigen konnte als seine
Konkurrenten. Aus kleinen Anfängen wuchs das Unternehmen schnell heran; Rockefeller erwarb mit der Zeit mehrere Gesellschafter;
allmählich beteiligten sich an dem Unternehmen weitere Firmen, die schließlich im
Jahre 1870 zur „Standard Oil Company“ vereinigt wurden. Bei der
Gründung betrug das Stammkapital der Gesellschaft 1 Million Dollar, 1873 schon 3½
Millionen, 1882 10 Millionen, 1895 100 Millionen, während Rockefeller mit 5000 Dollar den Anfang gemacht hat. Die Geschichte dieses
Unternehmens, mit Rockefeller an der Spitze, zeigte
seither einen in der Welt einzig dastehenden Entwicklungsgang auf industriellem und
kommerziellem Gebiet. Zahlreiche Momente, die jedes für sich oft wieder eine
Entwicklung umfassen, kennzeichnen insgesamt diesen gewaltigen Anstieg. Es gehören
hierher z.B. die Ausbildung mustergültiger Transport- und Speicheranlagen, die
stetige Verbesserung der Verarbeitungsverfahren, kurz die Ausnutzung jeglicher Art
technischen Fortschritts ohne Rücksicht auf die erforderlichen Kosten. Hierzu treten
in handels- und wirtschaftspolitischer Richtung die Unterjochung der Bahnen, der
Aufkauf oder die Entwertung vorhandener fremder Raffinerien, die allmähliche
Konzentration der Gewinnung und Verarbeitung im Schöße der Gesellschaft, die
Erweiterung des Geschäftsbereiches auf alle ölproduzierenden Länder. In Deutschland
entstand im Jahre 1890 die Deutsch-Amerikanische
Petroleum-Gesellschaft als Filialgründung der Standard Oil-Co. 1882 schon
wurden die zahlreichen Einzelunternehmen der Gesellschaft zum Standard-Oil-Trust verbunden, dessen Ziel zunächst jedenfalls das
Weltmonopol bildete. Aber diese Absicht mißlang, und gegenwärtig kann von einem
solchen Monpol nicht mehr die Rede sein. Von 92 amerikanischen Raffinerien im Jahre
1904 standen 19 im direkten Betrieb der Standard, 5 in
naher Verbindung mit ihr, 68 waren unabhängig. Um diese Zeit hatten die Aktien der
Gesellschaft einen Kurswert von 643 Millionen.
(Fortsetzung folgt.)