Titel: | VERSUCHSEINRICHTUNGEN ZUR PRÜFUNG VON LUFTSCHRAUBEN. |
Autor: | Paul Béjeuhr |
Fundstelle: | Band 327, Jahrgang 1912, S. 551 |
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VERSUCHSEINRICHTUNGEN ZUR PRÜFUNG VON
LUFTSCHRAUBEN.
Von Paul Béjeuhr,
Berlin.
(Fortsetzung von S. 538 d. Bd.)
BEJEUHR: Versuchseinrichtungen zur Prüfung von
Luftschrauben.
Ein Beispiel mag diese Benutzung der Kurvenblätter erläutern: Der Rettig-Propeller (Fig.
31) hat bei 5 m ∅ 4 m Steigung und ergibt bei 9 m/Sek. Geschwindigkeit und rd.
50 PS 230 kg Schubkraft. Aus dem Kurvenblatt entnehmen wir nun in der Nähe des
Wirkungsgradmaximums die zusammengehörigen Werte
λ
η
φ
μ
0,27
0,769
0,022
0,0076
0,28
0,773
0,02
0,0072
0,29
0,768
0,018
0,0068
g = 9,81, γ = 1,20,
\frac{g}{\lambda}=8,16.
Nun wollen wir einen Propeller nach derselben Bauart haben, der bei 20 m/Sek.
Geschwindigkeit noch 100 kg Schub entwickelt; setzen wir nun diese und die Werte der
ersten Reihe in die Formel ein:
r=\sqrt{\frac{P\,.\,\lambda^2\,.\,8,16}{\psi\,.\,\pi\,.\,v^2}}=\sqrt{\frac{100\,.\,0,27^2\,.\,8,16}{0,022\,.\,3,14\,.\,20^2}},
so erhalten wir r1 = ∾ 1,47 m;
mit den Werten der zweiten Reihe r2 = 1,59 m; r3 = 1,74 m; ω errechnet
sich aus der Formel \omega=\frac{v}{\lambda\,.\,r}; ω1 = 50,5, ω2 = 45, ω3 = 39,6, woraus sich
dann wieder n =± 482 – 430 – 378 ergibt. Die Leistung bestimmen wir mit Hilfe von
μ oder aber die Pferdestärken direkt aus
\frac{P\,.\,v}{75}\,.\,\frac{1}{\eta}=\,\sim\,35.
Wählen wir nun einen mittleren Wert für r = 1,60 m, dessen n = 425 am besten zu
unserem Motor paßt, so bestimmen sich die übrigen Abmessungen aus der geometrischen
Aehnlichkeit, also s = 2,56 m usw.
Es seien nunmehr noch einige Hinweise gegeben, um sich mittels einfacher Apparate mit
hinreichender Genauigkeit über die Leistung eines Maschinensatzes zu orientieren,
wenn Motor und Propeller bereits in den Rumpf eines Flugzeugs eingebaut sind.
Zu diesem Zweck wird das Flugzeug, wie in der Skizze Fig. 32 angedeutet, in wagerechter Lage einseitig auf eine Wagschale
gestellt und der Motor nunmehr auf Tourenzahl gebracht. Durch die Hemmung, welche
die Luftschraube im Betriebe erfährt, übt sie eine Reaktion auf das
Unterstützungsrad aus, welche Reaktion durch die Gewichte der Wage so ausgeglichen
wird, daß gerade Gleichgewicht herrscht.
Textabbildung Bd. 327, S. 551
Fig. 31. Luftschraube: Rettig, 5 m Durchmesser.
Die Drehmoment-Reaktion, bezogen auf die Drehachse, wird nun durch die Wage
aufgehoben, also muß sein: P ∙ R = M, wenn P der
Belastungsunterschied bei stehendem und laufendem Motor ist, folglich ergeben sich die
Pferdestärken zu:
\frac{M\,.\,\omega}{75}=\frac{P\,.\,R\,.\,n\,.\,\pi}{30\,.\,75}=\,\sim\,0,014\,.\,P\,.\,R\,.\,n.
Ist z.B. n = 1200; R = 2 m; P = 20 kg, so berechnet sich die
Leistung des Flugzeuges zu
0,014 ∙ 1200 ∙ 2 ∙ 20 = ∾ 66 PS.
So einfach die Leistungsbestimmung auf diese Weise ist, so gering das notwendige
Instrumentarium; ihr haften aber auch einige bedenkliche Fehler an. Zunächst kann
der Haltestrick, falls er nicht genau in Richtung des Luftstrahles wirkt, ein
Kippmoment erzeugen und hierdurch die Messung beeinflussen. Sofern es sich dann um
ein fertiges Flugzeug handelt und der von dem Propeller abströmende Luftstrahl noch
die Tragdecks oder größere Teile der Schwanzfläche trifft, wird durch die hohe
Geschwindigkeit der bewegten Luft ein Auftrieb des Apparates bewirkt, der in einer
Aenderung der Belastung der Wage sich kenntlich macht und die Messung gefährdet.
Textabbildung Bd. 327, S. 552
Fig. 32.
Um sich von diesen Fehlern frei zu machen, wird jede Unterstützungsseite auf eine
Wage gestellt (Fig. 33). Dann wirkt auf die Wage bei
stillstehendem Motor links P1, rechts Pr;
bei laufendem Motor links Q1, rechts Qr;
es wird wieder angenommen, daß der Motor symmetrisch zu den Unterstützungen steht,
so ergibt sich
M=(P_r-Q_r)-(P_1-Q_1)\,\frac{R}{2};
Pr ist wohl stets =
P1, also ist
M=(Q_1-Q_r)\,.\,\frac{R}{2} und L = 0,007 (Q1 – Qr) R · n.
Die Wagen werden nun je nach Bauart des Motors und Konstruktion des Fahrgestells
vibrieren, so daß eventl. geeignete Dämpfung anzuwenden ist; jedoch wird man mit
einiger Sorgfalt doch ganz brauchbare Mittelwerte erhalten.
Textabbildung Bd. 327, S. 552
Fig. 33.
Ein Fehler haftet der Anordnung auch jetzt noch an, und
das ist die mehr oder weniger rotierende Bewegung der die Schraube verlassenden Luft
und ihre verschiedenartige Einwirkung auf die von ihr getroffenen Tragflächen. Nun
ist aber die Rotationsgeschwindigkeit im Verhältnis zur Vorwärtskomponente klein,
allerdings wird ein Tragflügel von der Saug-, der andere von der Druckseite
getroffen, so daß es bei gewissen Typen (z.B. Eindecker mit Propeller unmittelbar
vor dem Tragdeck) sich doch um einflußreiche Abweichungen handeln kann. Für alle
diese Fälle ist es am einfachsten, die Probe einmal mit den in Frage kommenden
Flächen und einmal ohne dieselben auszuführen und in die Formel einen Koeffizienten
für den betreffenden Flugzeugtyp aufzunehmen, der ohne die Flächen = 1 wird.
Textabbildung Bd. 327, S. 552
Fig. 34.
Also: L = ρ . 0,007 (Q1
– Qr) ∙ n ∙ R.
Nun ist noch in der letzten Zeit durch Geheimrat Scheit
von der Dresdner Technischen Hochschule ein Verfahren ausgebildet worden, das nicht
nur eine große Genauigkeit verspricht, sondern auch durch weitere Ausbaufähigkeiten
für die Praxis
von Bedeutung werden kann.
Textabbildung Bd. 327, S. 553
Fig. 35.
Bei diesem Verfahren wird das Flugzeug auf einem Gestell (vergl. Fig. 34) mittels Zapfen oder Schneiden, die in der
Verlängerung der Motorachse angebracht sind, pendelnd gelagert, so daß das dem
Antrieb der Luftschraube entgegengerichtete Drehmoment eine Drehung des Flugzeuges
um die Pendelachse anstrebt. Dies Drehmoment wird dadurch gemessen, daß am
Wagebalken R auf die Wagschale W ein Gewicht P von solcher Größe aufgelegt
wird, daß die Wage einspielt. Aus P in kg, R in m und der beobachteten Umdrehungszahl n des Motors berechnet sich dann die effektive
Motorleistung aus der bekannten Beziehung
N=\frac{1}{716,2}\,.\,P\,.\,R\,.\,n.
Fig. 34 und 35 zeigen
die Versuchseinrichtung angewendet für ein Grade-Flugzeug; sie läßt sich am Flugzeug mit sehr einfachen Hilfsmitteln
anbringen.
Außer zur Bestimmung der Motorleistung dient die Einrichtung gleichzeitig zur
Ermittlung der Schubkraft der Luftschraube. Zu diesem Zweck sind die Füße des
Gestells um wagerechte Zapfen F drehbar, jedoch ist der
Ausschlag durch Ausschläge HJ auf wenige Millimeter
begrenzt. Der Propellerschub strebt dann ein Ausschwingen des Gestells gegen den am
starren Teil der Versuchseinrichtung angebrachten Anschlag K an, so daß die Schubkraft durch ein Gegengewicht würde gemessen werden
können, welches z.B. an dem über eine Leitrolle L
geführten Zugorgan M aufgehängt wird. Dieses
Meßverfahren wurde jedoch noch zweckmäßiger ausgebaut.
Das Zugorgan M ist mit einem Gegengewicht G verbunden, dessen Größe so bemessen ist, daß es die
größte zu erwartende Zugkraft übersteigt. Dies Gegengewicht steht auf der Brücke
einer Dezimalwage. Bei angestelltem Motor wird durch den vom Propeller ausgeübten
Zug ein Anheben des Gewichts G2 angestrebt. Diese Zugkraft wird dadurch gemessen,
daß auf die Wagschale N Gegengewichte G2 aufgelegt werden,
bis die Wage einspielt. Der ausgeübte Propellerschub ist dann
Z = G1
– G2.
Nun gestattet aber die Versuchseinrichtung gegen diese Beschreibung noch gewisse
Vereinfachungen: So kann von der drehbaren Lagerung der Gestellfüße Abstand genommen
werden, sofern eine Verschiebbarkeit des Flugzeugrahmens in achsialer Richtung auf
den Pendelzapfen vorgesehen wird. Auch ist in diesem Falle kein besonderes Gestell
erforderlich, sondern es läßt sich das übliche Fahrgestell des Flugzeuges
verwenden.
Textabbildung Bd. 327, S. 553
Fig. 36. A = Meßdraht für den Propellerschub, B = Austrittsdüse für den
Rauch.
Diese Prüfvorrichtung mittels Pendellagerung bietet neben ihrer Einfachheit auch noch
die Möglichkeit der Untersuchung der Stabilität des Flugzeuges in Hinsicht auf das durch das
Drehmoment angestrebte Kanten um die Motorachse.
Textabbildung Bd. 327, S. 554
Fig. 37. B = Einführungrohr für den Rauch in den Luftstrom.
Zum Schluß soll nun kurz auf die Verfahren hingewiesen werden, welche in den
Laboratorien angewandt werden, um die Bewegung der Luft sowohl in unmittelbarer Nähe
als auch in größerem Abstande von der Luftschraube kenntlich zu machen. Diese
Verfahren sind grundsätzlich in zwei Methoden zu unterscheiden. Bei der ersten
Methode, die vor allen Dingen für wirkliche Schrauben in Frage kommt, wird die
Luftströmung durch kleine Wollfäden kenntlich gemacht, die an passender Stelle in
den Luftstrom hineingehängt werden. Die Lage der Fäden wird photographisch
festgehalten und durch geeignetes Uebereinanderkopieren verschiedener Stadien ist es
möglich, ein anschauliches Bild des Strömungsvorganges im Propellerstrahl zu geben.
Ein derartiges Verfahren eignet sich natürlich nur für große Propeller mit ihren
erheblichen Kräften und Geschwindigkeiten, denen gegenüber die verwendeten Wollfäden
mit ihrer Masse gering sind, so daß man annehmen kann, daß sie sich völlig in die
Richtung des Luftstrahles einstellen. Genauer dürfte jedoch schon die bei Modellen
verwendete Methode sein, bei welcher der Luftstrahl durch eingeblasene
Rauchfäden kenntlich gemacht wird. Diese letzteren Verfahren sind in den
verschiedensten Laboratorien gebräuchlich; um das Prinzip zu zeigen, bringen wir im
Bilde (Fig. 36 und 37) eine Anordnung der Göttinger Versuchsanstalt, aus welcher sowohl die
Antriebsvorrichtung der kleinen Propeller als auch das Einführen von Rauch in den
Luftstrom ersichtlich ist.
Textabbildung Bd. 327, S. 554
Fig. 38.
Die Messung an diesen Modellpropellern geht folgendermaßen vor sich: Das zu prüfende
Luftschraubenmodell ist an vier Drähten mittels zweier Kugellager derart in die
Achse des Kanals eingehängt, daß es sich nur in Richtung der Schubkraft frei bewegen
kann, und zwar geschieht der Antrieb durch ein geringe Achsenverschieblichkeit
gewährendes Rollengelenk. Die Schubkraft wird durch einen wagerechten Draht A auf eine der bekannten Laufgewichtswinkelwagen
übertragen, und zwar gabelt sich der Draht in zwei Aeste unter einem Winkel von
120°, von denen der eine zur festen Wand, der andere zur Wage führt, so daß in jedem
der drei Drähte genau derselbe Zug, also die Schubkraft des Propellers, zu messen
ist. Das Drehmoment der Luftschraube wird durch ein Kegelrad-Dynamometer ermittelt,
indem das Antriebskegelrad in einem um die Achse des Gegenrades frei pendelnden
Gehäuse läuft,
dessen Ausschlag infolge der Lufthemmung des Propellers mittels Laufgewicht
ausgeglichen wird. Auf diese Weise ist Leistung und Schub des Propellers direkt zu
messen und lediglich die geringen Reibungsverluste der Kugellager im Innern des
Kanals sowie der Verlust der einen Kegelradübersetzung,
nicht aber die unkontrollierbaren Transmissionsverluste sowie die Verluste innerhalb
des Motors gehen in das Resultat ein. Natürlich kommt es bei diesen Messungen auf
ein genaues Einhalten der Tourenzahl und der Windgeschwindigkeit an, da ja die ganze
Messung nicht wie beim vorerwähnten Propellerwagen selbsttätig registriert, sondern durch Ablesungen festgestellt wird. Die Windgeschwindigkeit wird durch einen
Regler nach dem Prinzip eines bestimmten Druckunterschiedes im Saug- und Druckraum
des Antriebsventilators stetig gehalten, die Tourenzahl des Propellers wird
selbsttätig reguliert, indem der Zeiger eines Tourenzählers bei der Abweichung von
seiner vorher festgesetzten Normalstellung einen elektrischen Stromkreis schließt,
welcher dann, verstärkt durch ein Relais, eine elektromagnetische Kupplung betätigt,
durch welche mittels direkten Antriebes vom Motor auf einer langen Spindel die
Brücke eines dem Motor vorgeschalteten Regulierwiderstandes verschoben wird.
Hierdurch läßt sich die veränderte Tourenzahl des Motors selbsttätig wieder
einregulieren.
Als Rauch wurden meist Salmiakdämpfe verwendet, die durch Ueberleiten von Salzsäure
über Ammoniak hergestellt werden und bei großer Konsistenz eine klare weiße Farbe
besitzen.
Endlich mögen noch die Verfahren erwähnt werden, mit welchen die Druckunterschiede
innerhalb des Luftstrahles festgestellt werden, der von den Flügeln der Schraube
nach hinten geworfen wird. Diese Druckunterschiede können natürlich nur durch
Instrumente nachgewiesen werden, welche sich zu den Flügeln im stationären Zustande
befinden, d.h., die mit derselben Tourenzahl der Flügel rotieren und zum Flügel
genauen Abstand beibehalten. Eine solche Vorrichtung ist in Fig. 38 schematisch dargestellt, und zwar werden die
Druckunterschiede durch kleine Stauscheiben am Mikromanometer weiter geleitet, an
welchem dann die Ablesung erfolgt. Die Schwierigkeit der Anlage besteht natürlich
darin, die feinen Druckunterschiede aus der Rotation durch die Achse zum
Mikromanometer weiter zu leiten, aber bei Verwendung von Kegelgetrieben mit der
Uebersetzung 1 : 1 läßt sich auch diese Schwierigkeit aus dem Wege räumen. Zum
Antrieb der Propellerflügel P dient das Getriebe A, während die kleinen Kegelräder n und Stirnräder l
lediglich zum Antrieb der Stauscheiben und zur Fortleitung des Druckes Verwendung
finden. Die Geschwindigkeitshöhe wird gemessen, indem sich an der Seite a der Stauscheibe E die
Summe aus Geschwindigkeits- und statischem Druck, bei b
dagegen nur der statische Druck einstellt. Erstere Summe wird durch e mittels der Dichtung gm
durch w zum Mikromanometer geleitet, während der
statische Druck über v und u zum anderen Mikromanometer geht; die Dichtung g ist nötig, weil das Rohr h durch das
Kegelgetriebe die gleiche Rotation macht wie der Propeller und mittels der
Flüssigkeitsdichtung eine Fortleitung in das feststehende Rohr w erst möglich ist. Es sei noch darauf hingewiesen, daß
ähnliche Vorrichtungen auch in Göttingen jetzt dazu benutzt sind, um Rauchfäden aus
verschiedensten Stellen der Schraubenflügel austreten zu lassen, und daß es
hierdurch gelungen ist, die spiralförmige Fortleitung der Luft im Schraubenstrahl
nachzuweisen.
Wie aus diesen kurzen Ausführungen schon ersichtlich, wird gerade auf dem Gebiete des
Propellerbaues außerordentlich viel experimentell gearbeitet. Laboratorienversuche
und Erprobungen an normalen Ausführungen in systematischer Weise geordnet, ergänzen
sich, so daß zu hoffen steht, daß in absehbarer Zeit genügende Grundlagen zur
Aufstellung einer ausreichenden Theorie für die Herstellung von Luftschrauben
vorliegen werden.
(Fortsetzung folgt.)