Titel: | ZUM 100 JÄHRIGEN GEBURTSTAG VON CARL HOPPE. |
Autor: | E. |
Fundstelle: | Band 327, Jahrgang 1912, S. 555 |
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ZUM 100 JÄHRIGEN GEBURTSTAG VON CARL
HOPPE.
Zum 100 jährigen Geburtstag von Carl Hoppe.
Inhaltsübersicht.
Schilderung des Lebenslaufes Carl Hoppes und seiner bedeutsamen
Neuerungen auf verschiedenen Gebieten der Technik.
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Am 15. Juni war die 100jährige Wiederkehr des Geburtstages von Carl Hoppe. Die nachlebende technische Welt hat allen Grund, auf das
Wirken dieses Mannes mit Genugtuung und mit Dank zurückzuschauen, nicht so sehr
wegen seiner glänzenden Erfolge mit der von ihm gegründeten und viele Jahre hindurch
geleiteten Fabrik in Berlin, als in weit höherem Maße wegen des bahnbrechenden
Wirkens dieses Mannes auf fast allen technischen Gebieten. Wo immer er Hand anlegte,
um ein technisches Problem konstruktiv zu lösen, fand er durch seine
außerordentliche Vorstellungsgabe und sein scharfsinniges Konstruktionstalent
Lösungen, die für den weiteren Fortbau der betr. Maschinengattung den Grundstein
legten. Wenn wir technisches Konstruieren als Dichten im Raum bezeichnen
wollen, so müssen wir ihn einen gottbegnadeten Künstler nennen, der nicht allein
durch seine angeborene Fähigkeit, sondern auch durch unendlichen Fleiß seine Kunst
auf den höchsten Gipfel gebracht hat.
Carl Hoppe wurde am 15. Juni 1812 als Sohn des späteren
Dompredigers und Generalsuperintendenten in Freiburg a. d. Unstrut geboren. Schon in
seiner Kindheit finden wir ihn im Spiel mit Werkzeugen der verschiedensten
Handwerkskünste. Bei einem Tischlermeister durfte er seine erste Handfertigkeit mit
abgelegtem Werkzeug während der Feierstunden versuchen; Schlosser- und
Drechslermeister weckten in ihm das Verständnis für die kleinen Künste ihrer
engbegrenzten Tätigkeit, und selbst der biedere Schustermeister der Familie machte
ihm, wie er selbst
sagte, die besten Angaben darüber, was man behufs zuverlässigen Lötens alles zu
beobachten habe. So finden wir dann den Jungen an seinem 13. Geburtstage als
Belohnung für seinen Eifer mit einer neuen Drehbank mit Schnurrad und Spindel
beschenkt. Um diese praktische Begabung auf die richtige Bahn zu leiten und ihr auch
die wissenschaftlichen Grundlagen zu geben, wurde die altberühmte Lehranstalt
Schulpforte zur besseren Ausbildung ausersehen, und auch hier während seiner
humanistischen Schuljahre fand der junge Hoppe immer
wieder Gelegenheit, mit kleinen handwerksmäßigen Künsten seine Mußestunden
auszufüllen.
Durch die Bemühungen seiner Mutter, an der er eine warme Pflegerin für die nach
damaligen Ansichten revolutionären Bestrebungen hatte, kam der junge Hoppe später, nachdem er die Naumburger Gewerbeschule
absolviert hatte, auf das königliche Gewerbeinstitut zu Berlin, um sich hier dem
Studium der Ingenieurwissenschaft, besonders des Maschinenbaues, zu widmen. Das
Gewerbeinstitut stellte damals an seine Schüler ganz bedeutende Anforderungen, so
daß kaum die Hälfte der Aufgenommenen den ganzen Kursus durchführen konnten. Hier
schon zeigte sich seine große Befähigung für die Mathematik und die technischen
Wissenschaften, und es scheint, als ob kleine Meinungsverschiedenheiten über die
zweckmäßigste Beweisführung bei einigen mathematischen Aufgaben zwischen ihm und dem
damaligen Lehrer der Mathematik dazu beigetragen hätten, daß er vorzeitig und
plötzlich entlassen wurde. Nach anfänglichen bitteren Enttäuschungen fand er durch
die Fürsprache von Beuth Anstellung in der Fabrik von F.
A. Egells, aus deren praktischer Schule mancher
bedeutende Ingenieur hervorgegangen ist.
Die überall und auch in Berlin aufblühende Industrie stellten den jungen Ingenieur
hier vor viele neue Aufgaben, und es bot sich ihm ein weites Feld umfangreichster
Tätigkeit. Es war auch hier, daß der junge Hoppe zum
ersten Male seine Vorschläge machte, die Expansion des Dampfes in der Dampfmaschine
auszunutzen. Seine Beobachtungen über die großen Verluste der damaligen
Dampfmaschine, führten ihn dazu, den einströmenden Dampf abzudrosseln und die
Expansion des Dampfes als weitere Kraftquelle zu benutzen. Egells ließ sich jedoch auf diese ihm phantastischen Untersuchungen des
jungen Hoppe nicht ein; nur als dieser vor die Aufgabe gestellt wurde, eine
Lokomotive zu konstruieren, brachte er eine von ihm erfundene Expansionsumsteuerung
zur Anwendung, die den Brennmaterialverbrauch (damals Holz) gegenüber den
amerikanischen und englischen Maschinen auf ⅓ herabsetzte. Nach etwa 10 jähriger
Tätigkeit bei Egells fand der junge Hoppe Gelegenheit, sich im Anschluß an Eduard
Lindner, der eine kleine Eisengießerei betrieb, selbständig zu machen und
eine eigene Maschinenfabrik in der Köpenickerstraße unter der Firma Lindner & Hoppe zu
gründen. Er eröffnete den Werkstattsbetrieb mit einer neuen von ihm konstruierten
und patentierten zweipferdigen Dampfmaschine. Aber auch jetzt hat Hoppe noch jahrelang kämpfen müssen, ehe er mit
seiner Erfindung der Expansionsdampfmaschine sich durchsetzen konnte, einer
Erfindung, durch die die Dampfmaschine überhaupt erst der weiteren Entwicklung zur
universalen Kraftmaschine entgegengeführt werden konnte.
Von hier an finden wir seine bahnbrechende Tätigkeit auf den verschiedensten Gebieten
durch mustergültige Erzeugnisse seiner Werkstatt bewiesen. Zwei Jahre später schon
schied Lindner aus dem jungen Unternehmen aus und nach
weiteren zwei Jahren, am Anfang des Jahres 1848, wurden eigene Werkstätten in der
Gartenstraße errichtet, an derjenigen Stelle, an der sich die Firma zu höchster
Blüte entwickelt hat. Bereits in der Köpenickerstraße entstand eine weitere
Maschinengattung, die heute von weltbeherrschenden Firmen als Spezialität gebaut
wird, nämlich die Lokomobile mit ausziehbarem Röhrenkessel und mit in den Dampfdom
gelegtem Dampfzylinder. Die Entwicklung dieser Maschine ist sehr interessant. Bei
der Ausbildung des alten Walzenkessels mit Außenfeuerung zu einem solchen mit
Innenfeuerung suchte Hoppe dem Bedürfnis nach leichterer
Kesselreinigung damit zu begegnen, daß er die Feuerbüchse anflanschte und
herausziehbar herstellte. Zunächst bestand dieser ausziehbare Teil nur aus einem
zylindrischen Rohre, und erst später wurde die Unterteilung dieses zylindrischen
Teils in ein Rohrsystem hinzugefügt. Der längere Zeit bei Hoppe als Werkmeister beschäftigte G. Kuhn, der
auch in späten Jahren noch immer mit höchster Anerkennung seiner lehrreichen
Tätigkeit bei Hoppe gedachte, verpflanzte diese
Ausführung nach seiner neugegründeten Fabrik in Berg bei Stuttgart und von dort ist
diese Konstruktion dann wieder von dem dort als Werkmeister tätig gewesenen Wolff nach Magdeburg-Buckau hinübergenommen worden, wo
heute diese führende Weltfirma diese im Grundzuge entnommene Konstruktionsform bis
in das feinste durchgebildet hat.
So finden wir Hoppe aber noch auf sehr vielen Gebieten als
grundlegend schaffend. Seine einfach- und direktwirkenden und seine umlaufenden
Wasserhaltungsmaschinen, seine Verbesserungen an Rittinger-Pumpen, die erst durch ihn brauchbare Hilfsmaschinen für den
Bergbau wurden, sind für viele andere Ausführungen vorbildlich gewesen. Bei
Fördermaschinen führte er zuerst sinnreiche Schutzvorrichtungen gegen Ueberheben
aus. Bemerkenswert waren auch seine Fallbremsen für Förderkörbe und sein elastisches
Schwellenwerk für Förderungen. Besondere Verdienste hat sich Hoppe erworben um die Einführung der Woolfschen
Dampfmaschine, und interessant ist hier seine Lieblingskonstruktion, diejenige mit
einseitigem Balancier. Bei dieser Konstruktion war er, wie bei allen seinen
Entwürfen, davon ausgegangen, die innere Reibung der Maschine auf das geringste Maß
herabzusetzen, und nach seinen eingehenden Berechnungen erreichte er dies durch
Anordnung eines einarmigen Balanciers. Diese Maschinen haben sowohl im Bergbau als
auch als Betriebsmaschinen große Verbreitung gefunden, und nur ungern verstand er
sich dazu, den Balancier doppelarmig auszuführen, wenn die Art des Antriebes der angehängten Pumpen
oder dergleichen es erforderlich machte. – Ein anderer großer Zweig des
Maschinenbaues verdankt ihm seine Gründung und seine weitgehendste Durchbildung, die
Hydraulik. Diese Form der Kraftübersetzung erkannte er bald als vorzügliches
Hilfsmittel für viele Fälle, wo die damalige Technik nicht mit ihren Hilfsmitteln
ausreichte. Zunächst ist er vielleicht durch Bauausführungen bei sich selbst auf
diese Künste gekommen. Wegen Raummangels schlug er den eigenartigen Weg ein, daß er,
ohne den Betrieb zu stören, das Dach eines alten Werkstattgebäudes in die Höhe
schraubte und eine ganz neue Etage dazwischen setzte. Diese Art des Dachhebens hat
dann später noch häufig Gelegenheit zu ähnlichen Ausführungen gegeben, wozu er dann
eben sich hydraulischer Kräfte bediente. So war das Heben des Kreuzbergdenkmals in
Berlin eine Folge davon, und ebenso hat die neue Weise Anwendung gefunden beim Bau
von Gasbehältern, bei der zuerst das Dach gebaut, allmählich gehoben und die Mauern
dann entsprechend nachgeholt wurden. – Besondere Erwähnung verdienen seine
Leistungen auf dem Gebiete des Werkzeugmaschinenbaues. Hiervon legen nicht nur
zahlreiche Bearbeitungsmaschinen in seiner Werkstatt Zeugnis ab, sondern ganz
besonders die Einrichtungen in den Geschützgießereien in Spandau, Deutz und Danzig,
deren Bearbeitungsmaschinen er ersonnen und gebaut hat. Bemerkenswert sind hier u.a.
eine Maschine zum Bearbeiten von Geschossen, zum Einschneiden der Züge, und von
historischem Interesse eine Schmirgelmaschine, zum Ausschleifen der ausgebohrten
Geschützrohre. Ebenso interessant für die Entwicklung einer Maschinengattung ist
seine Zahnräderhobelmaschine, die er, wenn ich mich nicht irre, in der Mitte des
vorigen Jahrhunderts bereits baute, und mit der er die verschiedensten Zahnflanken
mittels spitzen Hobelstahls sowohl an Stirn- wie auch an Kegelrädern zu bearbeiten
in der Lage war. Diese Maschine hat in seiner Werkstatt Jahrzehnte lang in voller
Beschäftigung gestanden. Ein großes Feld seiner Tätigkeit waren die maschinellen
Einrichtungen von Zuckerfabriken, Mahlmühlen, Schneidemühlen und Oelmühlen. Durch
die Arbeiten für die letztgenannten Anlagen wurde er immer wieder auf das
hydraulische Gebiet geführt, durch das seine Firma Weltruf gewann.
Wir können diese allgemeine Abfassung nicht beschließen, ohne einzelne besondere
Arbeiten Hoppes zu erwähnen. Wir erinnern an den Bau der
großen Zerreißmaschine für die mechanisch-technische Versuchsanstalt, früher in
Charlottenburg, jetzt in Dahlem bei Berlin, und nicht zuletzt an die Ausführung des
riesenhaften Fernrohres für die Treptower Sternwarte, das in seiner eigenartigen
Konstruktion ganz neue Wege zeigt. Es lag eben im Geiste dieses Mannes, daß er
ununterbrochen über neue technische Probleme nachsann und auch die Lösung von
solchen Aufgaben versuchte, die andere ihm zutrugen. Dabei allerdings ist eine Seite
in dem Schaffen dieses großen Technikers zu wenig zu Worte gekommen, nämlich die
kaufmännische. Ihm war es genug, wenn er neue technische Aufgaben lösen konnte, und
scheute nicht große Opfer für Versuche, um seine Erkenntnis zu bereichern, um auf
neuen Wegen ans Ziel zu kommen. So hat dieser Mann die vollste Befriedigung in
seiner Tätigkeit finden dürfen, in dem Bewußtsein, der Technik wertvolle Dienste
geleistet zu haben. Wohl war ihm in seinem Sohne Paul ein
ihm in seinen Gaben verwandter Nachfolger beschieden, der in derselben idealen Weise
seine Aufgabe in der praktischen Lösung der technischen Probleme suchte, der ebenso
wie sein Vater den Stolz darin sah, Maschinen bauer zu
sein, nicht Maschinen fabrikant. Die neue Zeit hat aber
über diese Auffassung hinweggegriffen, und so mußte diese Firma mit ihrem glänzenden
technischen Rufe niederbrechen. Wir wissen, daß zum Schaffen und Erhalten der Werke
auch der Rechner nötig ist, aber wir müssen ebenso eingedenk sein eines Mannes, der
in sich und in seinem Sohne in seltenster Weise ein Förderer der Technik gewesen
ist, dem heute noch in vielen Fällen die ersten Ideen verdankt werden, auf denen
heute kraftvolles Leben blüht.
Was hier gesagt ist, habe ich zusammengetragen aus dem Munde Aelterer und Jüngerer,
die vor langen oder kurzen Zeiten in der Firma C. Hoppe
tätig gewesen sind, die aber heute noch alle ohne Ausnahme mit Stolz und Genugtuung
der Zeit ihres Wirkens in jenem Werke gedenken, an dessen Spitze ein großer Mann der
Technik stand.
E.