Titel: | NATÜRLICHER UND KÜNSTLICHER KAUTSCHUK. |
Autor: | A. Sander |
Fundstelle: | Band 327, Jahrgang 1912, S. 626 |
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NATÜRLICHER UND KÜNSTLICHER
KAUTSCHUK.
Von Dr.-Ing. A. Sander,
Karlsruhe i. B.
SANDER: Natürlicher und Künstlicher Kautschuk.
Inhaltsübersicht.
Verfasser bespricht die Gewinnung des Kautschuks in den Urwäldern
Brasiliens sowie in den Plantagen auf Ceylon, seine Verarbeitung zu Kautschukwaren,
die Eigenschaften des rohen und vulkanisierten Kautschuks, ferner die
Fabrikation von Kautschukersatzmassen und Regeneraten und schließlich die
synthetische Gewinnung des Kautschuks.
––––––––––
Schon seit langer Zeit nimmt der Kautschuk unter den Rohstoffen der Technik eine
wichtige Stellung ein und sein Verbrauch hat von Jahr zu Jahr stark zugenommen.
Besonders groß ist diese Zunahme in den letzten Jahren gewesen, namentlich infolge
der günstigen Entwicklung der Automobil- und Luftfahrzeugindustrie. Der
Weltverbrauch an Kautschuk ist in den Jahren 1905 bis 1910 von 62500 t auf 76500 t
gestiegen. In ähnlichem Maße stieg der Verbrauch Deutschlands, der im Jahre 1911
mehr als 15000 t im Werte von ungefähr 170 Mill. Mark betrug und somit fast ein
Fünftel des Weltverbrauchs darstellt. An der Einfuhr nach Deutschland sind die
folgenden Länder beteiligt:
Britisch-Ostafrika
mit
171 t
„ -Westafrika
„
424 „
Deutsch-Ostafrika
„
602 „
Kamerun
„
1805 „
Togo
„
120 „
Französisch-Westafrika
„
511 „.
Kongo
„
1914 „
Mexiko
„
2099 „
Brasilien
„
6814 „
Peru
„
416 „
Britisch-Indien
„
995 „
„ -Malakka
„
437 „
Ceylon
„
417 „
Niederländisch-Indien
„
856 „
Wie man aus dieser Zusammenstellung ersieht, ist das Vorkommen kautschukliefernder
Pflanzen nicht auf einen Erdteil beschränkt, sondern man findet solche Bäume und
Sträucher in den heißen Zonen von Süd- und Zentralamerika ebenso wie in Afrika und
Asien. Das Hauptproduktionsland war jedoch von Anfang an Brasilien, dessen
ausgedehnte Wälder im Mündungsgebiet des Amazonenstromes auch heute noch den meisten
und den besten Kautschuk liefern. Ein besonders geschätztes Handelsprodukt ist der
Kautschuk von Para, der wegen seiner Reinheit die höchsten Preise erzielt. Die
Kautschukausfuhr ist für das Wirtschaftsleben Brasiliens von ausschlaggebender
Bedeutung und über die Hälfte des Weltbedarfs wird durch dieses Land allein gedeckt.
Im Jahre 1910 belief sich die Ausfuhr auf über 40000 t im Werte von etwa 380 Mill.
M, ein Wert, der über 40 v. H. der Gesamtausfuhr Brasiliens ausmacht. Auch Peru und
Mexiko haben eine große Kautschukproduktion. Unter den Ländern Afrikas steht der
Kongostaat an erster Stelle und von den kautschukliefernden Gebieten Asiens ist vor
allem Indien zu nennen. Recht beträchtliche Mengen kommen auch von den Inseln
Borneo, Java und Sumatra, ferner von Birma und den Straits Settlements. Der
Kautschuk wird aus dem Milchsaft von Bäumen gewonnen, die zu der Gattung Hevea
brasiliensis, Manihot, Castilloa, Landolphia (Afrika), Ficus (Indien), Kickxia u.a.
gehören.
Der Umstand, daß die Bäume, die den „wilden Kautschuk“ liefern, infolge der
stark steigenden Nachfrage einem höchst bedenklichen Raubbau unterworfen werden,
führte schon vor längerer Zeit dazu, den Kautschukbaum auch in Plantagen
anzubauen.
Zuerst versuchte man dies auf der Insel Ceylon, wo es gelang, die Hevea
brasiliensis anzubauen, ohne daß Entartung eintrat. Der Ceylon-Kautschuk ist von
sehr guter Beschaffenheit und die Ausfuhr macht infolgedessen rasche Fortschritte.
1905 betrug sie erst 75 t, 1911 dagegen schon 2000 t. Im ganzen lieferte Asien im
Jahre 1911 bereits 13000 t Plantagenkautschuk. Auch in unseren deutschen Kolonien
wurde der Kautschukbau mit großem Erfolg aufgenommen. Wenn diese Plantagen auch
heute noch nicht ihre volle Ertragsfähigkeit besitzen, so läßt sich doch jetzt schon
erkennen, daß namentlich der Plantagenkautschuk von Kamerun, wo 1910 schon eine
Fläche von 4500 ha angepflanzt war, in Zukunft auf dem Weltmarkt eine Rolle spielen
wird. Es wurden in dieser Kolonie zuerst Anbauversuche mit Kickxia gemacht, die
nicht befriedigend ausfielen, dagegen sind mit Hevea brasiliensis schon
ausgezeichnete Resultate erzielt worden. Dies zeigt recht deutlich ein Blick auf die
Ausfuhrstatistik des Jahres 1910. Denn unter den aus Kamerun ausgeführten Produkten
im Gesamtwerte von rund 20 Mill. (1909: 15,4 Mill.) Mark steht Kautschuk mit 11
Mill. (1909: 7,5 Mill.) Mark an erster Stelle. Im Süden des Schutzgebietes finden
sich auch große Bestände von wilden Kautschuk liefernden Bäumen, an denen besonders
auch die neu erworbenen Teile des französischen Kongos sehr reich sind. Um dem
Raubbau in diesen Gebieten zu steuern, sind strenge Schutzvorschriften erlassen
worden, und die Eingeborenen werden über die rationelle Gewinnung des Milchsaftes
durch die Beamten belehrt. Die Kautschukpreise waren in den letzten Jahren sehr
starken Schwankungen unterworfen; sie erreichten im Frühjahr 1910, hauptsächlich
infolge von Spekulation, den außerordentlich hohen Stand von 27,50 M für 1 kg hard
cure fine Para. Bald trat aber ein starker Rückschlag ein, und heute kostet 1 kg
Para, der bekanntlich die beste Sorte ist, 10 bis 12 M. In einigen Jahren, wenn die
Plantagen ihre vollen Erträge auf den Markt bringen, werden die Preise wohl noch
weiter heruntergehen.
Die Gewinnung des Milchsaftes („Latex“) erfolgt in der Regel durch Anzapfen
der Bäume, indem mittels eines langen Messers oder einer Axt in der Rinde mehrere
spiralige oder fischgrätenartige Schnitte angebracht werden; der hervorquellende
Milchsaft wird in untergehaltenen Blechgefäßen aufgefangen. Die ersten Schnitte
werden in einer Höhe von mehreren Metern angebracht, die folgenden immer tiefer, und
zwar wird das Anzapfen im Laufe des Jahres mehrmals wiederholt. Den Zapfgeräten
wendet man in neuerer Zeit besondere Aufmerksamkeit zu und gibt ihnen eine
hobelartige Form, die bewirkt, daß der Baum nicht tiefer angeschnitten wird als
nötig ist. Der Milchsaft wird aus den kleinen Sammelgefäßen in ein größeres geleert
und dann sofort auf Kautschuk verarbeitet. Bei längerem Stehenlassen des Saftes
scheidet sich der Kautschuk zwar infolge von Verdunstung von selbst ab, jedoch ist
das so gewonnene Produkt minderwertig.
In Brasilien, wo der Milchsaft von den Eingeborenen seit alters gesammelt und
verarbeitet wird, hat sich eine sehr primitive Gewinnungsart des Kautschuks bis heute
erhalten. Es wird dort eine dünne Schicht des Milchsaftes auf eine flache Holzstange
von der Form eines Ruders gegossen und diese unter beständigem Drehen in den Rauch
eines Feuers gehalten, das meist aus den Nüssen der Urukuripalme entzündet wird.
Durch das Räuchern wird der Milchsaft zum Gerinnen gebracht („koaguliert“),
dann wird eine frische Schicht des Saftes auf das Ruder aufgetragen, diese ebenso
behandelt und so fort, bis sich am Ende des Holzes ein dicker, oft bis zu 50 kg
schwerer Kautschukklumpen gebildet hat. Er wird vom Holz heruntergenommen, indem man
ihn der Länge nach durchschneidet. So kommt es, daß die bei uns eingeführten
Rohkautschukbrote außen schwarz sind und innen aus mehreren braunen Schichten
bestehen. Nach dem Aussehen der Schnittfläche kann der Fachmann bereits die Qualität
des Kautschuks beurteilen.
Neben diesem Koagulationsverfahren, das übrigens auch bei dem Plantagenkautschuk noch
vielfach Anwendung findet, bedient man sich auch einer größeren Zahl von chemischen
Mitteln, namentlich der Essigsäure, um den Milchsaft zum Gerinnen zu bringen. Zur
Koagulation des Milchsaftes der afrikanischen Lianen verwendet man Salzwasser, nach
dessen Zusatz sich der Kautschuk in langen Fäden abscheidet, die dann zu Spindeln
oder kugelförmigen Ballen, sogenannten Twists, aufgewickelt werden. Auch Alaun und
der Saft gewisser Früchte dienen zu dem gleichen Zweck. Von neueren Verfahren sei
noch das Präparat „Purub“ (D. R. P. 189235) erwähnt, das Flußsäure enthält
und dem Kautschuk besonders guten Nerv und gutes Aussehen verleihen soll. Dieses
neue Mittel soll namentlich bei dem Ceylon-Kautschuk besser wirken als die
Essigsäure. Ein recht aussichtsreiches Verfahren wurde von W. Pahl angegeben (D. R. P. 237789). Dabei wird gasförmige Kohlensäure in den
Milchsaft eingeleitet, die eine augenblickliche Abscheidung des Kautschuks bewirkt
und ein starknerviges Produkt von bleibender weißer Farbe liefert. Pahl ist der Ansicht, daß die Gerinnung des Kautschuks
beim Räuchern ebenfalls lediglich auf die Einwirkung der Kohlensäure zurückzuführen
ist; es scheint jedoch, daß die durch die trockene Destillation des Holzes
gebildeten organischen Säuren hierbei von größerem Einfluß sind. Schließlich kann
die Abscheidung des Kautschuks auch durch Zentrifugieren des Milchsaftes bewirkt
werden.
Welches von den genannten Fällungsmitteln das beste ist, läßt sich nicht ohne
weiteres entscheiden, denn ein und dasselbe Mittel liefert bei den einzelnen
Kautschuksorten ganz verschiedene Resultate. Sowohl die Gewinnung wie die
Verarbeitung des Kautschuks bieten dem Chemiker noch eine ganze Reihe schwieriger
Aufgaben, an deren Lösung in den letzten Jahren eifrig gearbeitet wurde. Zur Lösung
dieser wissenschaftlichen Aufgaben und zugleich zur Förderung des Kautschukbaues in
unseren Kolonien wurde im Jahre 1910 in Berlin von verschiedenen privaten
Pflanzungsgesellschaften und unter Mitwirkung des Kolonial-Wirtschaftlichen Komitees
eine Kautschukzentralstelle für die Kolonien gegründet; ebenso haben die
Kaiserliche Versuchsstation für Landeskultur in Viktoria (Kamerun) und das
Biologisch-Landwirtschaftliche Institut in Amani (Deutsch-Ostafrika) durch ihre
Arbeiten in den letzten Jahren wesentlich zur Hebung des Kautschukplantagenbaues in
den Schutzgebieten beigetragen.
Der Milchsaft enthält durchschnittlich 40 bis 50 v. H. Kautschuksubstanz, die nach
Henri in Form von Kügelchen von etwa 1 μ ∅ im Milchsaft verteilt ist, daneben Wasser,
Eiweißstoffe, Zucker, Fette, Harze und noch andere Stoffe. Auch der aus dem
Milchsaft niedergeschlagene Rohkautschuk enthält diese Produkte in größerer oder
geringerer Menge und muß deshalb vor der weiteren Verarbeitung einer gründlichen
Reinigung unterzogen werden. Es ist klar, daß der Wert des Rohkautschuks durch den
Gehalt an Verunreinigungen in hohem Maße beeinflußt wird; der Para-Kautschuk ist
fast frei davon.
Von diesen Nebenbestandteilen haben auch die Harze in jüngster Zeit industrielle
Bedeutung gewonnen. Sie werden von dem Rohkautschuk getrennt, indem man ihn mit
Lösungsmitteln, wie Azeton oder Alkohol, behandelt; dabei werden nur die Harze
gelöst, während der Kautschuk unangegriffen bleibt. Der Harzgehalt beträgt bei
Parakautschuk nur 1 bis 3 v. H., dagegen z.B. bei Borneokautschuk 8 bis 13 v. H. Bei
der Höhe der heutigen Kautschukverarbeitung werden somit auch beträchtliche Mengen
Harz erzeugt. Zum Teil erfolgt die Extraktion der Harze sogar in besonderen Fabriken
und man verwendet sie zur Herstellung von Lacken und Wachstuch.
Zur Reinigung des Rohkautschuks knetet man ihn längere Zeit zwischen geriffelten
Walzen durch unter ständiger Berieselung mit Wasser. Hierbei werden die mechanischen
Verunreinigungen, wie Holzteile, Sand und kleine Steine, fast vollkommen entfernt
und von dem abfließenden Wasser mitgenommen. Der Kautschuk erleidet dabei einen
„Waschverlust“ von durchschnittlich 18 bis 20 v. H. Schließlich wird der
Kautschuk zu einem ganz dünnen „Fell“ ausgewalzt, das bei mäßiger Temperatur
sehr sorgfältig getrocknet wird. Bisweilen wendet man zur Beschleunigung des
Trockenprozesses evakuierbare Schränke an.
Ein sehr wichtiger Vorgang ist das Vulkanisieren, das sich an das Trocknen der Felle
anschließt. Erst hierdurch erhält der Kautschuk seine wertvollen Eigenschaften. 1839
fand der Amerikaner Goodyear, daß Kautschuk durch
Beimengen von Schwefel und nachfolgendes Erhitzen bis über die Schmelztemperatur des
Schwefels seine Klebrigkeit verliert, dagegen an Elastizität gewinnt. Man setzt
daher heute allgemein dem Kautschuk 6 bis 12 v. H. Schwefelpulver und zugleich auch
noch andere Füllmittel zu, wie z.B. Bleiglätte, Zinksulfid, Kreide oder Harze, die
seine Widerstandskraft erhöhen sollen. Das Mischen erfolgt ebenfalls mittels
Mahlgängen und geheizten Walzen, das gut durchgeknetete Gemisch wird dann in einem
Kalander oder Mastikator zu Platten ausgewalzt. Diese Platten werden in die
gewünschte Form gebracht und vulkanisiert, indem sie mit der Form in mit Dampf
geheizten Kesseln längere Zeit auf etwa 135° erwärmt werden. Ein anderes Verfahren, das im
Jahre 1846 von Parkes erfunden wurde, gestattet das
Vulkanisieren bei gewöhnlicher Temperatur vorzunehmen. In diesem Falle wendet man
nicht Schwefel als solchen, sondern eine Lösung von Schwefelchlorür in
Schwefelkohlenstoff an. Auch nach diesem Verfahren wird heute vielfach gearbeitet,
namentlich werden die Ballonstoffe und die für Bekleidungszwecke bestimmten Gewebe
meist „kalt vulkanisiert“. Die chemischen Vorgänge, die sich bei dem
Vulkanisieren abspielen, sind noch nicht völlig aufgeklärt. Die bisherigen Arbeiten
auf diesem Gebiete haben zur Aufstellung mehrerer Theorien über den Verlauf des
Vulkanisationsprozesses Veranlassung gegeben (chemische Reaktion oder Adsorption),
jedoch ist es noch nicht gelungen, die Richtigkeit der einen oder anderen Hypothese
endgültig zu beweisen. Der Vulkanisationsprozeß wird daher heute vielfach noch ganz
empirisch ausgeführt und wohl jede Fabrik hat ihr eigenes Verfahren, das streng
geheim gehalten wird. Den nach dem einen oder anderen der beiden genannten Verfahren
vulkanisierten Kautschuk bezeichnet man als „Weichgummi“ im Gegensatz zu dem
„Hartgummi“ (Ebonit), den man erhält, wenn man den Rohkautschuk mit 25
bis 50 v. H. Schwefel zusammenmengt und dann längere Zeit auf etwa 140°C erhitzt
(Goodyear 1851). Hartgummi ist ein wichtiges
Rohmaterial für die Fabrikation von Kämmen und Isolationsmaterialien für
elektrotechnische Zwecke.
Der Weichgummi, dessen außerordentlich vielseitige Verwendung allgemein bekannt ist,
hat eine Reihe sehr bemerkenswerter Eigenschaften. Er ist löslich in Benzin, Benzol,
Schwefelkohlenstoff, Terpentinöl und noch einigen anderen Lösungsmitteln; er
verbrennt mit rußender Flamme, wobei ein sehr charakteristischer Geruch auftritt. Er
bewahrt seine Elastizität auch bei hohen und niedrigen Temperaturen, wogegen der
unvulkanisierte Rohkautschuk bei etwa 50°C plastisch wird und bei etwa 100° zu einer
klebrigen Masse schmilzt. Bei niedriger Temperatur dagegen wird er spröde und
schließlich hart wie Holz. Alle diese unangenehmen Eigenschaften, die die
Anwendbarkeit des Kautschuks namentlich in der Technik sehr beeinträchtigen würden,
werden durch das Vulkanisieren fast beseitigt. Bei der trockenen Destillation wird
der Kautschuk wie alle hochmolekularen organischen Stoffe zersetzt; es entstehen
dabei eine Reihe von flüssigen Kohlenwasserstoffen, von denen das Isopren, eine bei 37° C siedende Verbindung von der
Formel C5 H8, in der
letzten Zeit für die Gewinnung des künstlichen Kautschuks große Bedeutung erlangt
hat. Von besonderem wissenschaftlichen Interesse ist eine Verbindung des Kautschuks
mit Ozon, mit deren Hilfe es im Jahre 1905 dem Kieler Professor Harries gelang, die chemische Konstitution des Kautschuks
zu ergründen.
Kautschukwaren werden nach längerem Gebrauche meist unelastisch, hart und brüchig. Um
dies zu verhüten, sind schon zahlreiche Mittel vorgeschlagen worden, so wird z.B. in
dem D. R. P. 243346 empfohlen, die Waren nach dem Vulkanisieren mit kleinen Mengen
Anilin, Pyridin oder Chinolin zu imprägnieren, wobei jedoch ein Ueberschuß
dieser Stoffe durch Trocknen oder Abdunstenlassen sorgfältig entfernt werden
muß.
Schon früh begann man Ersatzstoffe für den Kautschuk
herzustellen, die jedoch nur in den seltensten Fällen genügende Elastizität
besitzen, um einen wirklichen Ersatz für den wertvollen Kautschuk zu bieten. Von
diesen Ersatzstoffen haben sich noch am besten bewährt die sogen. Faktis, die aus Leinöl, Rizinus- oder Rüböl durch
Erhitzen mit Schwefel hergestellt werden. Je nach dem Ausgangsmaterial und der
Mischung erhält man dabei braune bis schwarze elastische Massen, die entweder als
Füllmittel für Kautschuk oder auch für sich als Isoliermaterial für
elektrotechnische Zwecke (Kabel) Verwendung finden. Statt des Schwefels kann man
auch ebenso wie beim Kautschuk Schwefelchlorür in der Kälte den Oelen, z.B.
Sonnenblumenöl, zusetzen, man erhält dann die weißen Faktis, die als Zusatz zum
Kautschuk noch besser geeignet sind. Auch durch Behandeln von Sojabohnenöl mit
Salpetersäure bei einer Temperatur von 75 bis 100°C soll man ein brauchbares
Kautschukersatzmittel erhalten (D. R. P. 228887). Außerdem werden seit einer Reihe
von Jahren Ersatzstoffe in den Handel gebracht, die durch Behandeln von Gelatine
oder Leim mit Glyzerin unter Zusatz von Chromsäure, Tannin oder Formaldehyd
hergestellt sind. Es wurde wiederholt auch versucht, solche Massen an Stelle von
Luft als Füllung für die Luftschläuche von Fahrrädern zu verwenden, es gelang jedoch
nicht, mit diesen Stoffen einen Erfolg zu erzielen.
Von viel größerer Bedeutung für die Kautschuk verbrauchenden Industrien ist der aus
Altgummi hergestellte regenerierte Kautschuk. Zwar hatten
die Bemühungen, aus dem vulkanisierten Kautschuk auf chemischem Wege den darin
enthaltenen Schwefel vollkommen zu entfernen und ein dem Rohkautschuk entsprechendes
Produkt wieder zu gewinnen, bisher keinen Erfolg; jedoch ist es auf verschiedene
Weise gelungen, die chemischen und mechanischen Beimengungen, wie Füllstoffe, Gewebe
usw., aus dem vulkanisierten Kautschuk zu entfernen und die Kautschuksubstanz wieder
plastisch zu machen. Zu diesem Zweck kann man das zerkleinerte Altmaterial bei
erhöhter Temperatur mit Säuren behandeln, wobei Gewebe und andere Zusätze sowie der
freie Schwefel beseitigt werden, oder man kann umgekehrt die Kautschuksubstanz in
Lösung bringen und diese Lösung von den zurückbleibenden Geweben usw. trennen. In
beiden Fällen erhält man jedoch ein Produkt, das zum Unterschiede von reinem
Rohkautschuk noch chemisch gebundenen Schwefel enthält, der von der Vulkanisation
des ursprünglichen Materials herrührt. Wenn die Regenerate reich an
Kautschuksubstanz sind, lassen sie sich wie Rohkautschuk verwenden, enthalten sie
dagegen nur wenig Kautschuksubstanz und viel Schwefel, so können sie nur als Zusatz
zum Rohkautschuk Verwendung finden. Als Spezialfirma für die Herstellung von
Gegenständen aus regeneriertem Kautschuk sei hier nur die Firma Max Fränkel & Runge in Spandau genannt, deren
Erzeugnisse im Jahre 1910 auf der Weltausstellung in Brüssel allgemeine Beachtung
fanden.
Außer der Regeneration des alten Kautschuks und dem Plantagenbau kennen wir
heute noch einen dritten Weg, der es ermöglicht, den von Jahr zu Jahr steigenden
Kautschukbedarf zudecken; dies ist der künstliche
Kautschuk. Nachdem über die chemische Zusammensetzung der Kautschuksubstanz
durch die grundlegenden Arbeiten von Harries einige
Klarheit geschaffen worden war, konnte man daran denken, die Herstellung dieses
wertvollen Naturproduktes auch auf künstlichem Wege und auf wissenschaftlicher
Grundlage zu versuchen. Diese Bestrebungen hatten im Jahre 1909 den ersten
greifbaren Erfolg, indem es den beiden Chemikern Fr. Hofmann und C. Couteile der Farbenfabriken
vorm. Fr. Bayer & Co. in Elberfeld gelang, das
Isopren, den schon erwähnten flüssigen Kohlenwasserstoff (C5 H8), durch
Polymerisation in einen Körper zu überführen, der alle Eigenschaften des natürlichen
Kautschuks besaß. Kurze Zeit darauf gelang es dann auch Harries, ebenfalls aus Isopren, aber auf einem anderen Wege, künstlichen
Kautschuk zu erhalten. Er erhitzte Isopren zusammen mit konzentrierter Essigsäure
(Eisessig) in einem geschlossenen Rohr längere Zeit auf eine etwas über 100°C
liegende Temperatur und erhielt hierbei einen elastischen Körper von weißer bis
hellbrauner Farbe, dessen Identität mit Kautschuk er mit Hilfe der früher von ihm
aufgefundenen Reaktionen (Ozonverbindung u.a.) unzweifelhaft nachweisen konnte.
Schon im Jahre 1882 beschrieb Tilden einen
kautschukähnlichen Körper, den er durch Behandeln von Isopren mit Salzsäuregas
erhalten hatte, aber es gelang weder Harries noch anderen
Forschern, nach der von Tilden gegebenen Vorschrift
diesen Körper wieder darzustellen, so daß die Vermutung berechtigt ist, daß Tilden seinerzeit nur durch einen Zufall zu einem
kautschukähnlichen Produkt gelangte. Im weiteren Verlauf seiner Untersuchungen
gelang es dann Harries im Jahre 1910, ein noch
einfacheres Verfahren zur Gewinnung von Kautschuk ausfindig zu machen. Er erhitzte
Isopren zusammen mit metallischem Natrium in Drahtform auf 60°C und konnte auch
hierbei die Bildung von Kautschuk beobachten. Der Natriumdraht übt hierbei offenbar
nur eine katalytische Wirkung aus, denn er wird in keiner Weise verändert. Diese
Erfolge veranlaßten in der Folge eine große Zahl von Chemikern, sich dieses bisher
nur wenig bearbeiteten Gebietes der organischen Chemie anzunehmen, und es ergab
sich, daß nicht nur das Isopren, sondern auch die mit ihm nahe verwandten
Kohlenwasserstoffe Butadien und Dimethylbutadien in ganz analoger Weise in Kautschuk
übergeführt werden können. Außer durch Natriummetall und sein Amalgam kann die
Polymerisation der genannten flüssigen Kohlenwasserstoffe zu Kautschuk, wie
neuerdings gefunden wurde, auch durch Albumin, Glyzerin u.a. indifferente
Substanzen, ferner durch ganz geringe Mengen organischer oder anorganischer Säuren
und auch durch Schwefel bewirkt werden.
Waren diese Ergebnisse auch höchst erfreulich, so hatten sie bis hierhin doch nur
wissenschaftliches Interesse, weil das Isopren und seine Homologen nur schwierig und
infolgedessen nur mit großen Kosten hergestellt werden konnten. Es handelte
sich also nunmehr darum, einfachere und billigere Herstellungsverfahren für diese
Kohlenwasserstoffe zu finden, um ihre industrielle Gewinnung zu ermöglichen. Wenn
dieses Ziel auch heute noch nicht erreicht ist, so ist man ihm doch gerade im
letzten Jahre erheblich näher gerückt, wie die folgenden Ausführungen zeigen
mögen.
Tilden beobachtete bei seinen Versuchen im Jahre 1882, daß
die Dämpfe von Terpentinöl beim Durchleiten durch eine rotglühende Eisenröhre
zersetzt werden und daß sich unter den Zersetzungsprodukten auch Isopren, allerdings
nur in geringer Menge, findet. Harries und Gottlob verbeserten dieses Verfahren, indem sie die
Dämpfe über eine Platinspirale leiteten, die durch den elektrischen Strom zum Glühen
erhitzt wurde. Außer Terpentinöl wurden hierbei auch Dipenten und Limonen verwendet
und die Ausbeute an Isopren war befriedigend. Eine weit bessere Ausbeute läßt sich
jedoch hierbei erzielen, wenn man, wie Silberrad sowie
Staudinger und Klever
neuerdings zeigten, die Erhitzung in einem Vakuum von 20 bis 30 mm vornimmt. Da nun
das TerpentinölIn Paris wurde vor
einiger Zeit mit einem Kapital von 2½ Mill. Frcs. die Cie. genérale du caoutchouc de térébenthine gegründet.
großen Preisschwankungen unterworfen ist, scheint es als Ausgangsmaterial für die
Gewinnung von Isopren wenig geeignet und man war deshalb bestrebt, billigere
Ausgangsmaterialien zu finden. Harries war bemüht,
landwirtschaftliche Erzeugnisse hierzu zu verwenden, und es gelang ihm in der Tat,
vom Alkohol ausgehend, ein neues Verfahren zur Isoprengewinnung zu finden. Fast zur
gleichen Zeit wurde dann auch von Hofmann ein Verfahren
ausgearbeitet, das vom Parakresol, einem Bestandteil des Steinkohlenteeres, ausgeht
und sehr reines Isopren liefert. Aehnliche Verfahren führen zum Butadien und
Dimethylbutadien. Für diese Verbindung fanden die Farbenfabriken in Elberfeld ein besonders einfaches und billiges
Herstellungsverfahren: Azeton, das bei der Holzdestillation gewonnen wird, läßt sich
auf einfache Weise zu Pinakon reduzieren und dieses liefert beim Ueberleiten über
erhitztes Kaliumbisulfat in guter Ausbeute Dimethylbutadien. Wenn diese Arbeiten in
der nächsten Zeit mit demselben günstigen Ergebnis fortgesetzt werden, so wird der
synthetische Kautschuk wohl bald mit dem Naturprodukt in Wettbewerb treten können.
Es ist somit in wenigen Jahren ein Preiskampf zwischen dem natürlichen, dem
synthetischen und dem Plantagenkautschuk zu erwarten, der die Kautschuk
verarbeitende Industrie in die Lage versetzen wird, ihr Rohmaterial zu wesentlich
niedrigeren Preisen einzukaufen als es bisher der Fall war. Eine Ueberproduktion an
Kautschuk ist indessen nicht zu befürchten, da der Verbrauch immer noch beträchtlich
zunimmt, und da sicherlich bei niedrigeren Preisen auch eine ganze Reihe neuer
Anwendungsmöglichkeiten für dieses Material noch gefunden wird.
Eine Frage von großer Bedeutung nicht nur für den Konsumenten, sondern auch für den
Produzenten ist die
Prüfung des Kautschuks,
die sowohl auf chemischem wie auf physikalisch-mechanischem Wege zu erfolgen hat.
Die chemische Prüfung erstreckt sich in der Hauptsache auf die Untersuchung des
Rohkautschuks, die Ermittlung der Reinkautschuksubstanz in den fertigen
Kautschukwaren, ferner auf die Bestimmung des Schwefels und der zugesetzten
anorganischen sowie organischen Füllstoffe. Die mechanische Prüfung umfaßt zunächst
die Ermittlung der Festigkeitseigenschaften, der Dehnung und Abnutzung, wozu bei den
Ballonstoffenvgl. Sander, Neue Materialien für den Luftschiffbau,
D. p. J. 1911 Bd. 326 S. 517, 538. noch die Ermittlung der
Zerplatzgrenze und der Gasdurchlässigkeit hinzukommt. Um die Ausarbeitung von
hierzu geeigneten Verfahren und die Konstruktion der zugehörigen Apparate haben sich
namentlich die Mitglieder des Königlichen Material
prüfungsamtes in Groß-Lichterfelde verdient gemacht. Eine Beschreibung der
gebräuchlichen Untersuchungsmethoden und der Prüfungsapparate findet sich in den
letzten Bänden der „Mitteilungen des Königlichen Materialprüfungsamts“,
ferner in den Schriften von Hinrichsen und Memmler, „Der Kautschuk und seine Prüfung“
(Leipzig 1910), und Martens, „Ueber die technische
Prüfung des Kautschuks und der Ballonstoffe im Königlichen Materialprüfungsamt
zu Groß-Lichterfelde“.