Titel: | POLYTECHNISCHE RUNDSCHAU. |
Fundstelle: | Band 327, Jahrgang 1912, S. 748 |
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POLYTECHNISCHE RUNDSCHAU.
Polytechnische Rundschau.
Drahtseilbahnen, die bekanntlich seit Jahrzehnten zur
Beförderung von Gütern über weite Strecken, Ebene wie Hügelland, gute Dienste
leisten, beginnen sich auch für den Personenverkehr einzuführen. Im Laufe der
letzten zehn Jahre sind in Usambara in den Cordilleren, ferner beim Neubau des
Leuchtturms Blachyhead von der Küste zum Bauplatz, endlich in Hongkong für die
Personenbeförderung Drahtseilbahnen ausgeführt worden. Später sind auch zur
Beförderung von Personen auf Aussichtspunkte kürzere Drahtseilbahnen in Betrieb
gesetzt worden.
Eine Bahn der letzteren Art von erheblicher Länge ist von der Firma Adolf Bleichert & Co. in Leipzig in der Nähe von
Bozen für die Besteigung des 840 m hohen, als Erholungsstätte und Aussichtspunkt
bekannten Kohlererberges erbaut. Sie beginnt bei Eisack, über Waldungen und
einen Talkessel treten Bozen und Gries, darauf der Pittler, die Virgel in den
Gesichtskreis. Die Ortleralpen und das Schiernmassiv umrahmen den Horizont, während
man das Plateau des Berges erreicht. Die Bahn wird sich aller Wahrscheinlichkeit
nach eines sehr hohen Zuspruches erfreuen.
Der Bau der Bahn dauerte etwa ein Jahr. Die Probefahrten sind jetzt zur Zufriedenheit
der Behörden erledigt, so daß die Bahn demnächst dem Verkehr übergeben werden
wird.
Die Bahn wird elektrisch betrieben; sie steigt ziemlich stark an. Die Tragseile sind
1650 m lang und ruhen auf den in Fach werk sehr durchsichtig gebauten Stützen. Es laufen auf ihnen
im Pendelbetrieb zwei Wagen, die den Führer und 15 Personen aufnehmen können. Wenn
der eine Wagen zu Berg steigt, fährt der andere zu Tal. Jeder Wagen hängt pendelnd
an einem mit acht Rollen auf zwei Tragseilen ruhendem Laufwerk. Längsschwingungen
des Wagenkastens nimmt eine Dämpfungsbremse auf, Querschwingungen machen die
Tragseile mit, die zu diesem Zweck auf den Stützen in Wälzlagerschuhen ruhen.
Textabbildung Bd. 327, S. 748
Die Wagen, deren Entgleisen in Anbetracht der besonderen Art
der Aufhängung als ausgeschlossen zu betrachten ist, werden jeder durch zwei
Zugseile gezogen. Zwei Trag- und zwei Zugseile sind für jeden Wagen vorgesehen,
damit auch beim Reißen eines der Zug- oder Tragseile die regelmäßige Beförderung des
Wagens noch voll gesichert ist. In das Laufwerk jedes Wagens sind zwei unabhängig
voneinander wirkende Fangvorrichtungen eingebaut, die selbsttätig beim Reißen eines
Trag- oder Zugseiles, oder wenn die Geschwindigkeit zu groß wird, in Tätigkeit
treten. Die Fangvorrichtung kann auch von dem Wagenführer nach seinem Willen in
Tätigkeit gesetzt und wieder gelöst werden. Beim Greifen der Fangbacken wird der
Antriebsmotor abgeschaltet und gebremst. Bleibt ein Wagen infolge einer Beschädigung
des Antriebsmotors oder Versagens des elektrischen Stromes auf der Strecke liegen,
so kann er, wenn nicht auch die Zugseile unbrauchbar geworden sind, in die nächste
Station hineingezogen werden. Auf jeder Station befindet sich außerdem ein
Hilfswagen zum Hereinholen der Fahrgäste von der Strecke. Um die Fahrgäste
gegebenenfalls einzeln vom Wagen aus ungefährdet auf den Erdboden niederlassen zu
können, ist eine Einrichtung im Boden des Wagens vorgesehen, die der Wagenführer
bedient. Auf jeder Antriebstation befindet sich ein Maschinist, der die Strecke
überwacht und die Wagen mit Bremsen anhalten kann, die beim Ueberschreiten der
vorgeschriebenen Höchstgeschwindigkeit der Zugseile auch selbsttätig wirken. Die
Bremsen treten außerdem in Tätigkeit, wenn ein Trag- oder Zugseil reißt, wenn sich
der Wagen mit zu hoher Geschwindigkeit der Station nähert, oder wenn der Wagenführer
auf der Strecke bremst. Die Wagen können erst abfahren, wenn sich die Stationen
durch optische und akustische Signale verständigt haben und diese bestätigt sind.
Längs der Strecke in Höhe der Wagenoberkante ist außerdem noch eine Telephonleitung
für eine jederzeitige Verständigung zwischen den Stationen und dem Wagenführer
verlegt. Es darf erwähnt werden, daß für die Bahn in jeder Hinsicht vorzügliches
Material und die bestbewährte Detailskonstruktion zur Anwendung gelangt sind. Eine
Fahrt auf dieser Bahn kann daher als so sicher wie auf der Staatsbahn bezeichnet
werden.
Km.
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Elektrisch betriebene Pumpwerke. Die Förderung großer
Wassermengen durch mit Elektromotoren gekuppelte Zentrifugalpumpen führt sich mehr
und mehr ein, sowohl in Europa als auch im Auslande.
Das städtische Wasserwerk Wuhlheide bei Berlin erhielt eine durch Elektromotor
angetriebene Pumpanlage von rd. 1000 PS.
Die Stadt Dresden hat eine Kanalisations- und Wasserreinigungsanlage mit von
Elektromotoren angetriebenen Zentrifugalpumpen erbaut. Die Motoren leisten 2400 PS.
Selbsttätige Anlaßvorrichtungen für die Pumpen verhindern ein Anlassen der Motoren
ohne eingeschalteten Widerstand, die Anlage arbeitet weitgehend selbsttätig.
Im Pomonabezirk, Kalifornien, dessen Haupterzeugnisse Apfelsinen und Zitronen sind,
der aber oft monatelang regenlos ist, wurde eine künstliche Bewässerung mittels
elektrisch angetriebener Pumpen angelegt. Rund um die Stadt Pomona sind auf einem
Kreise von 130 km Durchmesser über 200 Pumpwerke für 6½ Millionen Mark gebaut. Der
zugeführte elektrische Strom hat 33000 Volt Spannung. Die Pumpenmotoren arbeiten mit
440 Volt und leisten 150 PS.
Im westlichen Teile von North Dakota am Missouri werden zwei Gebiete von zusammen 100
Quadratkilometer künstlich bewässert. Die gesamte Kanallänge beträgt rund 200 km.
Das Wasser wird dem Missouri durch drei Pumpen entnommen, die teils durch
Dampfturbinen, teils durch Drehstrommotoren angetrieben werden.
In Kolorado ist eine Bergwerkswasserhaltung aus zwei Sätzen elektrisch angetriebener
Pumpen errichtet worden. Jede hebt 1,5 cbm Wasser auf 500 m. Die 175
PS-Drehstrommotoren werden mit 2300 Volt von 30 Perioden gespeist.
Chicago hat seine noch tätige alte Balancier-Pumpmaschine mit einem 60 t schweren
Schwungrade und 16 Umdrehungen i. d. Min. durch eine Pumpanlage mit elektrisch
betriebenen Kreiselpumpen von je 1000 PS bei 514 Umdrehungen i. d. Min. erweitert.
Der Drehstrom hat 60 Perioden, die Kreiselpumpen sind einstufig. Jede von ihnen hebt rund 76000 t
pro 24 Stundentag Wasser 39 m. Der Gesamtwirkungsgrad der elektrischen Motoren und
Pumpen ist mit 67,5 v. H. garantiert.
Interessant ist, daß das Gesamtgewicht der elektrischen Pumpeneinheiten nicht viel
größer als das des Schwungrades der wesentlich schwächeren alten Balancierpumpe ist.
Die elektrische Anlage braucht 3 m Höhe und 6 × 3 m Grundfläche, die Dampfanlage 15
m Höhe auf einer Grundfläche von rd. 18 × 10 m.
In der Nähe von Dower ist ein elektrisches Pumpwerk für rd. 8 cbm i. d. Min. zur
Entwässerung eines Kohlenbergwerkes erbaut. Die Anlage besteht aus zwei elektrisch
betriebenen Hochdruckkreiselpumpen von 530 PS, von denen jede reichlich 4 cbm Wasser
i. d. Min. rund 390 m hebt. Die Anordnung von zwei Motoren zu 300 PS für jede Pumpe
erfolgte mit Rücksicht auf die besonderen örtlichen Stromlieferungsverhältnisse. Das
gelegentliche Versagen eines der beiden Motoren wegen Strommangels kann nicht den
völligen Stillstand der Pumpen verursachen. Die Umlaufzahl der Pumpen schwankt
zwischen 1400 und 1500, der Wirkungsgrad zwischen 57 und 72. v. H. Die Motoren sind
so gebaut, daß sie bei der normalen Spannung von 300 Volt erheblich wärmer als die
umgebende Luft werden. Dies ist notwendig, um gelegentliche, nicht zu vermeidende
starke Feuchtigkeitsniederschläge unschädlich zu machen.
Die Erzfelder bei der Stadt Mineville, Nordamerika, wurden bisher durch eine alte
Auspuffdampfmaschine entwässert. Es ist jetzt eine durch Dampfturbinen angetriebene
Pumpanlage aufgestellt worden, die für sich allein 750 KW, mit Hinzunahme des
Abdampfes der Hochdruckmaschinen außerdem aber noch 400 KW leistet. Die Leistung der
ganzen Anlage ist gegen früher verdoppelt; wegen der Ausnutzung des Abdampfes durch
die Turbinen war aber nur eine geringe Erweiterung der Kesselanlage nötig. Die
vorhandenen vier Kraftwerke arbeiten unter sich parallel, die Uebertragungsspannung
ist 6600 Volt bei einer Frequenz von 25 Perioden. Gruppen von drei
Einphasentransformatoren bringen die Spannung auf 3300 Volt und weiter auf die
Motorenspannung von 440 Volt herunter. Einige große Motoren arbeiten unmittelbar mit
3300 Volt.
Die Kupferwerke der Calumet & Hecla Mining Company
besitzen gegenwärtig ein Kraftwerk von 8000 KW Leistung. Es liegt 8 km von den
Gruben entfernt. Für die Sekundäranlagen sind über Tage 2300 Volt, unter Tage 440
Volt gewählt. Es sind durchweg drei Einphasentransformatoren statt der in
Deutschland üblichen Drehstromtransformatoren aufgestellt. Die Frequenz beträgt 25
Perioden. Für die Glühlampen wird der Strom über Tage in Gleichstrom oder Drehstrom
hoher Frequenz umgeformt. Unter Tage brennen die Glühlampen mit 25 Perioden. Die
Beleuchtungespannung ist durchweg 110 Volt, nur für die Stampfwerke wurden 52 Volt
gewählt, weil die Lampen hier wegen der starken Vibriationen starke Glühfäden
erhalten müssen. Das Wasser ist aus 1000 m Tiefe zu heben. Es besteht größtenteils
aus eindringendem Tageswasser. Die Wasserhaltung vermag 4,5 cbm i. d. Min. zu heben.
Es sind vier Pumpensätze mit einem Höhenunterschied von 250 m angeordnet. Jeder
Pumpensatz besteht aus einer sechsstufigen Kreiselpumpe, die direkt mit einem 300
PS-Drehstrommotor von 1500 Minuten-Umdrehungen gekuppelt sind. Die Ausnutzung des
Kraftwerkes beträgt 85 v. H.; der Leistungsfaktor der Motoren soll den Wert von 0,87
erreichen, ohne daß Synchronmotoren zum Verbessern der Phasenverschiebung angewendet
werden. Die wöchentliche Betriebsdauer beträgt 146 Stunden. Der dreijährige
Durchschnitt der Energiekosten einschließlich Unterhaltung des Kraftwerkes,
Leitungsnetzes usw. beträgt 2,4 Pf. Infolge sorgfältiger Instandhaltung,
Ueberwachung der Anlage beträgt die Zahl der Stillstände der elektrischen Anlage von
1906 bis 1910 nur 2¾ Stunden. Diese Störungen wurden fast ausschließlich durch
Blitzschläge oder die Dampfmaschinen verursacht, in keinem Falle durch die
elektrischen Maschinen. [Elektrische Kraftbetriebe und Bahnen, 14. Sept. 1912.]
Km.
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Die Zergliederung und Messung der Arbeitsleistung und ihre
Bedeutung für die Praxis. Anknüpfend an die Arbeiten des Amerikaners Fred
W. Taylor, der schon vor dreißig Jahren ein System ausarbeitete, das die bei einem
Fabrikationsvorgang vom Arbeiter tatsächlich geleistete Arbeit bestimmen sollte,
berichtet Dr. A. Neuburger, daß man neuerdings bestrebt sei, jenes System weiter
auszubilden, indem man auch für Arbeiten, die durch rein physische Anstrengung der
betreffenden Person geleistet werden, diese Anstrengung mit Meßapparaten möglichst
genau registriert. Das Endziel dieser Untersuchungen ist, ein Urteil darüber zu
gewinnen, ob der für eine bestimmte Arbeit gezahlte Lohn in einem vernünftigen
Verhältnis zu der vom Arbeiter wirklich aufgewendeten Anstrengung steht. Man will
also gerechter als bisher vorgehen, indem man experimentell ermittelt, welche von
einer in Frage stehenden Art von Arbeit mit Fug und Recht als „schwerer“
bezeichnet wird, als eine andere.
Es wird dann an Hand dreier Beispiele das Verfahren beschrieben, das Professor Imbert von der Universität in Montpellier angewendet hat,
um die Anstrengungen bei den einzelnen Arbeitsvorgängen aufzuzeichnen. Im
wesentlichen werden Gummibälle verwendet, deren Zusammendrückung durch die
verdrängte Luftmenge gemessen wird. Die Apparate werden mit Gewichten oder Federn
geeicht und geben somit jederzeit kontrollierbare Werte an.
Die Gummibälle in Verbindung mit verschiedenen Hebelmechanismen wurden an den Stellen
der Werkzeuge bzw. Geräte angebracht, wo der Arbeiter bei Erledigung seiner Aufgabe
einen Zug, Druck oder eine Drehung vornimmt.
Auf einer Trommel wird Zahl und Art der Druckschwankungen fortlaufend registriert,
und das erhaltene Diagramm liefert ein Bild über die bei einer bestimmten Arbeit
tatsächlich geleistete Anstrengung.
Als erstes Beispiel wird das Zerschneiden trockener Aeste von Weinreben mit einer
Baumschere angeführt. Die Untersuchung des Arbeitsvorganges ergibt, daß der bis dahin bezahlte Lohn
von 0,60 Frs. für Stecklinge über 6 mm ∅ im Verhältnis zu dem für dünnere Stecklinge
gezahlten von 0,50 Frs. viel zu niedrig bemessen ist. Das Verhältnis der mittels der
oben beschriebenen Einrichtung gefundenen Anstrengungen ergab sich tatsächlich zu
266: 110, so daß statt 0,60 Frs. eigentlich 1,40 Frs. hätten gezahlt werden müssen,
sofern der Lohnsatz von 0,50 Frs. für die dünnen Reben aufrecht erhalten würde.
Dann wird noch der Transport von Säcken mit einem Rollkarren untersucht, und
schließlich zeigen wohlgelungene Diagramme den Unterschied der Arbeit, die beim
Feilen von einem Lehrlinge einerseits und von einem geübten Mechaniker andererseits
geleistet wird.
Die Wichtigkeit des Gegenstandes in wirtschaftlicher und sozialer Hinsicht hat
verschiedene Regierungen veranlaßt, Preisausschreiben für Studien auf diesem Gebiete
zu erlassen. Professor Imbert gab z.B. durch seine
Arbeiten der französischen Regierung den Anlaß, die Summe von 5000 Frs. auszuwerfen
zur Unterstützung von Gelehrten, die sich dem neuen Arbeitsfelde widmen.
[Werkstattechnik 15. X 1912.]
Hr.
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Hundert Jahre deutscher Präzisionsmechanik 1812–1912. In
diesen Tagen feiert die Firma T. Ertel & Sohn,
München, ihr hundertjähriges Bestehen. Dieses Ereignis leitet die Blicke zurück auf
zwei Männer, die sich vor hundert Jahren in gemeinsamer Arbeit zusammenfanden und
mit der Begründung einer optisch-mechanischen Anstalt ein Weltinstitut schufen: Georg Friedrich von Reichenbach und Fraunhofer. Reichenbach
hat durch die Konstruktion einer Kreisteilmaschine bahnbrechend gewirkt. Fraunhofer, dessen Name mit der Entwicklung der
Spektralanalyse unauflöslich verbunden ist, verdankte seine Entdeckungen nicht
zuletzt seinen hervorragenden Erfolgen auf dem Gebiete der praktischen Optik, seinen
verbesserten Schleif- und Poliermaschinen und seinen neuen Meßmethoden, die selbst
die kleinsten Fehler der Gläser erkennen ließen. Es ist interessant, heute
nachzulesen, was vor hundert Jahren ein Münchener Physiker in der monatlichen
Korrespondenz von Zach schrieb: „Nachdem das stolze Albion uns so lange seine Dollonds, Ramsdens, Birds und Troughtons als unerreichbar hergestellt, sind jetzt Reichenbachs Instrumente und Liebherrs Uhren aus München, Fraunhofers
Achromate und Mikroskope aus Benediktbeuern die Bewunderung aller Astronomen und
Physiker und die Zierde französischer und selbst englischer Sternwarten
geworden.“
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Prioritätsrechte in Holland. In unseren Mitteilungen über
die wichtigsten Bestimmungen des holländischen Patentgesetzes vom 7. November 1910
(vgl. S. 684 dieser Zeitschrift) haben wir bereits zum Ausdruck gebracht, daß nach
der herrschenden Ansicht die Prioritätsrechte gleich bei Hinterlegung der
Anmeldungen geltend gemacht werden müssen.
Diese Ansicht ist nunmehr laut Entscheidung des holländischen Patentrates bestätigt
worden.
Die Priorität kann also nur bei der Hinterlegung der
Anmeldungen geltend gemacht werden, die Prioritätsbelege können dagegen nachgereicht
werden.
P. C. R.