Titel: | DER HYDROPULSOR, EINE NEUE WASSERFÖRDERMASCHINE. |
Autor: | Ernst Preger |
Fundstelle: | Band 327, Jahrgang 1912, S. 760 |
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DER HYDROPULSOR, EINE NEUE
WASSERFÖRDERMASCHINE.
Von Dipl.-Ing. Ernst Preger,
Frankfurt a. M.
(Schluß von S. 741 d. Bd.)
PREGER: Der Hydropulsor, eine neue
Wasserfördermaschine.
3. Anwendungsgebiete. Der Hydropulsor eignet sich wie
keine andere Wasserkraftmaschine zur Ausnutzung niederer Gefälle, d.h. von etwa 0,5
m an aufwärts, und zur Bewältigung kleiner wie größter Wassermengen. Als solche
Anwendungsgebiete bieten sich dar: Entwässerung und Bewässerung von Ländereien,
Sümpfen, toten Flußarmen, Kanälen usw. Dabei kann die notwendige Betriebskraft einem
vorüberlaufenden Fluß oder Bach entnommen werden.
Textabbildung Bd. 327, S. 759
Fig. 15.
In den Unterläufen unserer deutschen Flüsse stehen Wasserkräfte mit kleinem Gefälle,
aber reichlicher Wassermenge, zur Verfügung. Diese konnten bis jetzt nur selten
ausgenutzt werden, weil die Turbinenanlagen bei diesen niedrigen Gefällen zu teuer
werden. Mit Hilfe von Hydropulsoren ist man imstande, den Wasserspiegel in den
Turbinenkammern dauernd über dem des Oberwerkkanales zu halten, so daß die Turbine
mit größerem, also günstigerem Gefälle arbeitet, als es der Flußlauf direkt
darbietet. Die Anlage wirkt meist in der Weise, daß das ganze zur Verfügung stehende
Oberwasser in einem Druckhydropulsor eintritt. Der eine Teil dieses Wassers fließt
als Arbeitswasser direkt dem Unterlauf des Flusses wieder zu und hebt dadurch
den anderen Teil des Wassers über den Wasserstand des Oberwerkkanales in die
Turbinenkammer. Diese gehobene Wassermenge leistet dann die eigentliche Nutzarbeit
in der Turbine.
Eine solche Gefällevermehrungsanlage ist u.a. bei Hannoverisch-Münden an der Weser
geplant. Der Hydropulsor hat 40 Triebrohre von je 740 mm 1. W. und kann nicht
weniger als 54 cbm/sek. Wasserschlucken. Die Anlage soll übrigens nur bei niedrigem
Gefälle, also z.B. bei Hochwasser mit dem Hydropulsor arbeiten. Bei normalem Gefälle
wird der Hydropulsor abgeschaltet. Der Hydropulsor ersetzt also hier die sonst
üblichen teuren Reservedampfmaschinen, Reservemotoren oder Hochwasserturbinen.
Aehnliche Anlagen sind außerdem noch mehrfach geplant. Z.B. soll am Ebro eine
Gefällvermehrungsanlage mit drei Hydropulsoren von je 60 cbm/sec Schluckwassermenge
errichtet werden. Hydropulsoren für größere Druckhöhen kommen vor allem für die
Versorgung mit Nutz- und Trinkwasser in Betracht. Es sind bis heute Hydropulsoren
bis 30 m Förderdruckhöhe gebaut worden. Es steht aber mit Sicherheit zu erwarten,
daß man schrittweise die gleichen Förderhöhen erreichen wird, die der hydraulische
Widder überwindet,
d.h. 100 m und mehr. Bei einem besonders zu diesem Zweck auf dem Gelände der Fabrik
in Altona-Ottensen angestellten Versuche ist es bereits gelungen, bei 3 m
Triebgefälle eine Förderdruckhöhe von 105 m zu erreichen.
4. Beschreibung ausgeführter, in Ausführung begriffener und
geplanter Hydropulsoranlagen.
Textabbildung Bd. 327, S. 760
Fig. 16.
Entwässerungsanlage auf dem Rittergut Dretzel, Provinz
Sachsen (Fig. 15). Eine an dem Gladauer
Bach gelegene größere Wiese hat eine so ungünstige Tiefenlage, daß ihre Entwässerung
nur auf künstliche Weise, d.h. durch Pumpwerke geschehen kann. Zuerst hatte man zu
diesem Zweck eine Membransaugpumpe aufgestellt und diese durch das bei dem Brande
der alten Dretzelschen Mühle übrig gebliebene Wasserrad angetrieben. Sowohl die
Pumpe als auch der Antrieb erforderten aber dauernd umfangreiche Reparaturen und
außerdem schaffte die Pumpe nicht genügend Wasser, Im Herbst 1910 wurde der bereits
in Fig. 9
bis 11 dargestellte stehende Saughydropulsor
aufgestellt. Die Schützen der alten Mühle stauen den Gladauer Bach, so daß er ein
Gefälle von 0,9 bis 1,0 m hergibt. Vom Oberlauf des Baches her führt eine
Tonrohrleitung das Druckwasser in den Hydropulsor. Das Saugwasser kommt von der zu
entwässernden Wiese her durch eine Zementrohrleitung. Der Hydropulsor steht in einem
gemauerten Brunnen, der von früher her noch vorhanden war. Alle Rohrleitungen liegen
unter dem Boden, so daß kein besonderer Platz in Anspruch genommen wird. Der
Druckwasserverbrauch ist 36 l/sek. = 130 cbm/Std. bei 0,9 bis 1,0 m Gefälle, die
Saugwassermenge ist 21 l/sek. = 72 cbm/Std. bei einer Saughöhe bis 1,2 m. Das
entspricht einem Wirkungsgrad von
\frac{72\,.\,1,2}{130\,.\,1,0}=0,66.
Das Mischwasser tritt durch die schon früher erwähnten 12 Triebrohre und zwei
Sammelleitungen nach dem Unterlauf des Gladauer Baches. Die Sammelleitungen
haben an ihren Enden Rückschlagklappen.
Im Sommer und Herbst, also in trockener Jahreszeit, braucht nicht die volle
Saugwassermenge von 12 cbm/Std. gefördert zu werden. Man keilt dann die Klappe an
der einen Sammelleitung zu und setzt dadurch die Hälfte der Triebrohre außer
Tätigkeit. Der Hydropulsor läuft dann mit halber Leistung.
Die Anlagekosten der Maschine betrugen 2500 M. Die Reparatur- und Bedienungskosten
sind gleich Null. Die Maschine hat seit ihrer Inbetriebnahme nur wenige Tage wegen
Frostes stillgestanden und hat sich bereits abgeschrieben.
Bewässerungsanlage auf dem Rittergut Zoblitz a. d. Neiße
(Fig. 16). In der Neiße wird ein Stauwehr gebaut
und dadurch ein Triebwassergefälle von 1,0 in erzeugt. In eine Ausbuchtung oberhalb
des Wehres kommt der Druckhydropulsor, der bereits in Fig.
13 und 14 gezeigt wurde, wie eine Insel zu
stehen. Das Schluckwasser (8,5 cbm/sek.) tritt durch die 24 Triebrohre von allen
Seiten her radial in die Maschine ein, davon fließen 7,0 cbm/sek. sofort wieder als
Arbeitswasser dem Unterlauf der Neiße mit 1,0 m Gefälle zu, während 1,5 cbm/sek. als
Förderwasser auf 3,0 m in ein hölzernes Gerinne gehoben werden, von wo aus die
Verteilung nach den zu bewässernden Wiesen erfolgt.
Textabbildung Bd. 327, S. 760
Fig. 17.
Der Wirkungsgrad der Anlage berechnet sich nach diesen Angaben zu
\frac{1,5\,.\,3,0}{7,0\,.\,1,0}=0,65. Der Preis der Maschine
nebst Rohrleitung, Triebrohren aus Beton, aber ohne sonstiges Bauwerk beläuft sich
auf rund 10000 M. Einen großen Teil der Bauarbeiten übernimmt der Gutsherr selbst
mit seinen eigenen Leuten. Der Bau der Anlage wird in diesen Tagen begonnen
werden.
Schöpfwerk in Hüll a. d. Oste (Fig. 17 und 18). Die Anlage in Hüll ist
eine der interessantesten. Sie dient zur Entwässerung von 550 ha tiefgelegenem
Marschland unter Benutzung von Ebbe und Flut. Der Hydropulsor ist ein
Saughydropulsor, der ähnlich dem in Fig. 13 und 14 gebaut ist. Er hat 30 Triebrohre aus Ton von 250 mm lichter
Weite. Die Mündung der Triebrohre liegt ungefähr in der Mitte zwischen dem
Wasserspiegel der Oste bei Flut und dem bei Ebbe. Bei Flut tritt Druckwasser durch
ein Rohr, das in Fig. 18 deutlich freischwebend über
dem Wasser zu erkennen ist, in die Maschine.
Textabbildung Bd. 327, S. 761
Fig. 18.
Dadurch wird das Saugwasser von dem zu entwässernden Gelände
her durch das Binnenfleet in die Triebrohre gesaugt. Das Mischwasser tritt aus den
Triebrohren in einen Kanal, der es nach einem Sammelbecken von ungefähr 6 ha
Grundfläche führt. Wenn die Flut zurückgeht und der Wasserspiegel der Oste nur noch
wenig über dem des Sammelbeckens steht, hört die Wasserförderung von selbst auf. Man
wartet dann so lange, bis die Oste tiefer als das Sammelbecken steht und läßt dann
das provisorisch in dem letzteren aufgespeicherte Druck- und Saugwasser durch eine
besondere Schütze (Fig. 18 links unten) in die Oste
ab. Bei erneuter Flut wiederholt sich das Spiel. Während einmal Ebbe und Flut werden
je 10000 cbm Saug- und Druckwasser (je durchschnittlich 1 cbm/sek.) durch die
Maschine verarbeitet. Das Sammelbecken hat also 20000 cbm zu fassen, was einer
Spiegelhebung von \frac{60000}{20000}=0,3\mbox{ m}
entspricht.
Die Maschine muß gemäß dem steigenden und fallenden Wasserspiegel der Oste mit
zu- und abnehmendem Druckwassergefälle arbeiten. Die Saughöhe bleibt dagegen fast
gleich. Das geringere Druck Wassergefälle wird durch vergrößerte Druckwassermengen
ausgeglichen, so daß die alte Förderleistung nach wie vor erhalten bleibt. Diese
Regelung erfolgt durch vier Regelkammern, die außer den vier Saug- und vier
Druckkammern in dem Laufrad vorgesehen sind. Je zwei dieser Regelkammern können
gleichzeitig aus Saugkammern in Druckkammern oder umgekehrt verwandelt werden. Je
niedriger das Druckwassergefälle wird, um so mehr Regelkammern müssen in
Druckkammern umgewandelt werden.
Textabbildung Bd. 327, S. 761
Fig. 19.
Der in Fig. 18 aus dem Maschinenhaus emporragende
optische Zeiger sitzt auf der Laufradwelle. Man kann also schon von weitem an diesem
Zeiger sehen, ob die Maschine in Tätigkeit ist oder nicht.
Textabbildung Bd. 327, S. 761
Fig. 20.
Die Anlage ist seit Herbst 1911 in Betrieb und hat einschließlich des Erwerbes von 6½
ha wertvollem Marschland 50000 M gekostet. Davon entfallen auf die Maschine selbst
einschließlich Triebrohre, aber ohne sonstige Bauwerke 9350 M. Die gesamten
Betriebskosten für Bedienung, Verzinsung, Abschreibung und Reparaturen betragen etwa
4,50 M für 1 ha und 1 Jahr. Ein Dampfschöpfwerk gleicher Leistung hätte 10 bis 12 M
Betriebsunkosten verursacht. Das preuß. Ministerium für Landwirtschaft hatte sich an
dieser Anlage mit einer freiwilligen Staatsgarantie von 30000 M wegen der
volkswirtschaftlichen Bedeutung beteiligt.
Trinkwasserversorgungsanlage einer kleinen
Landgemeinde (Fig. 19). Die Anlage besteht
aus einem liegenden Druckhydropulsor, dem 8,0 l/sek. Schluckwassermenge zufließen.
Davon fließen 7,5 l/sek. als Arbeitswasser mit 4,0 m Gefälle ab, während die übrigen
0,5 l/sek. auf 24 m Höhe in den Filter der Anlage gehoben werden.
Der Wirkungsgrad der Anlage ergibt sich nach diesen Angaben zu
\frac{0,5\,.\,24}{7,5\,.\,4,0}=0,4. Der Preis der Maschine
einschließlich Triebrohre, aber ohne sonstige Leitung und ohne Häuschen, ist auf 600
M veranschlagt. Die Anlage besteht bis jetzt nur im Projekt.
Eine ähnliche Anlage ist auf dem Fabrikgelände der Ottensener
Eisenwerk-A.-G. in Altona-Ottensen für folgende Daten in anstandslosem
Betrieb:
Schluckwassermenge
7,0 l/sek.
Arbeitswassermenge
6,35 „
Arbeitsgefälle
5,0 m
Förderwassermenge
0,65 l/sek.
Förderhöhe
22,0 m
Wirkungsgrad
0,45.
Hydropulsor-Pumpwerk für das Wasserwerk Tiflis (Fig. 20). Die zu der Anlage gehörige Maschine ist
ähnlich gebaut, wie die in Fig. 6 und 7 erläuterte. Sie hat folgende Daten:
Schluckwassermenge
600 l/sek.
Arbeitswassermenge
400 „
Arbeitsgefälle
3,20–3,84 m
Förderwassermenge
200 l/sek.
Förderhöhe
2,56–3,20 m
Wirkungsgrad
0,5.
Die Maschine soll laut Anschlag einschließlich Triebrohre 2500 M kosten. Das Projekt
hat begründete Aussicht auf baldige Bestellung.