Titel: | ÜBER STARKLICHTBELEUCHTUNG (PRESSGASBELEUCHTUNG). |
Autor: | F. Schmidt |
Fundstelle: | Band 327, Jahrgang 1912, S. 802 |
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ÜBER STARKLICHTBELEUCHTUNG
(PRESSGASBELEUCHTUNG).
Von F. Schmidt in
Berlin.
SCHMIDT: Ueber Starklichtbeleuchtung
(Preßgasbeleuchtung).
Inhaltsübersicht.
Der Kampf zwischen dem elektrischen Licht und dem Gaslicht. Was
ist Gasglühlicht und was Starklicht? Beleuchtungseffekte mit Starklicht.
Wirtschaftliche Bedeutung der Beleuchtung mittels Starklicht im Vergleich zum
gewöhnlichen Gasglühlicht und zum elektrischen Licht. Die verschiedenen Systeme zur
Erzeugung von Starklicht durch „Preßgas“, „Preßluft“ und durch
„gepreßtes Gasluftgemisch“. Die für Starklicht zur Verwendung kommenden
Lampen und die Fernzündvorrichtungen.
––––––––––
In dem stillen aber mit zäher Beharrlichkeit fortgesetzten Ringen um die öffentliche
Gunst, in das seit Jahrzehnten das elektrische Licht und das Gaslicht verwickelt
sind, schien der Ausgang nicht mehr zweifelhaft. Die Gasbeleuchtung konnte zwar
durch die vielfachen Verbesserungen, die unter dem Ansporn des Wettbewerbes der
„Glühstrumpf“, jene hochbedeutende aus dem Jahre 1885 stammende Erfindung
Dr. Auer von Welsbachs, erfahren hatte, ihre Position
ganz beträchtlich verstärken; indes schien sie eine Zeitlang gegenüber dem rüstigen
Vorwärtsschreiten der elektrischen Industrie die obere Grenze ihrer
Leistungsfähigkeit erreicht zu haben, und ein allmähliches, aber unaufhaltsames
Hinsterben des ganzen blühenden Wirtschaftszweiges konnte auch von dem nicht
besonders schwarzsehenden Beobachter vorhergesagt werden.
Durch die Einführung des Starklichtes hat nun diese Lage
eine durchgreifende Veränderung zu Gunsten des schon halb unterlegenen Leuchtgases
erfahren. Indem dessen bisheriger größter Vorzug, seine Billigkeit, fast
uneingeschränkt erhalten bleibt, vermag seine neue Verwendungsform nunmehr auch mit
der Lichtwirkung des elektrischen Lichtes erfolgreich zu konkurrieren, wenn nicht
gar es darin zu überbieten.
Mit einer modernen Starklichtlampe kann ein Beleuchtungseffekt bis zu 5000
Hefnerkerzen erzielt werden. Die starke Beeinträchtigung durch Milchglocken, wie sie
bei den elektrischen Bogenlampen unvermeidlich ist, fehlt beim Starklicht. Dazu
kommt als ein wesentlicher Vorzug, daß dem Auge das Starklicht weit weniger ermüdend
wirkt, als das elektrische Bogenlicht, da es so gut wie keine ultravioletten
Strahlen entsendet. Und hinter all diesen Vorzügen steht als bedeutsamster der schon
erwähnte wirtschaftliche: das Starklicht stellt sich im Betriebe wesentlich billiger
als das Bogenlicht und empfiehlt sich daher vornehmlich dort, wo es sich um die
Erzielung großer Lichtquellen handelt, wie in Warenhäusern, auf Bahnhöfen, bei der
öffentlichen Straßenbeleuchtung.
Der Grundgedanke des Starklichtes besteht darin, das Leuchtgas möglichst vollkommen
und intensiv zur Verbrennung zu bringen. Bei dem gewöhnlichen Gasglühlicht wird
nicht die Leuchtkraft des Gases, sondern seine Verbrennungswärme ausgenutzt. Durch
diese Verbrennungswärme wird der „Glühstrumpf“ bis zur Weißglut gebracht, und
dieser glühende Körper sendet dann die Lichtstrahlen aus. Es ist also nur die
Heizkraft des Gases für die Lichtwirkung maßgebend.
Bei dem Starklicht nun wird das Gas unter Druck verbrannt. Eine größere Menge Gas und
Luft kommt mit größerer Geschwindigkeit zur Verbrennung; die Flamme wird besser
konzentriert, und es entsteht eine wesentlich höhere Temperatur als bei dem
gewöhnlichen Gasglühlicht. Dadurch wird eine sehr heiße, blaue – nicht leuchtende –
Flamme erzielt, ähnlich wie bei den Stichflammen der Lötlampen. In den Bereich des
äußeren Flammenmantels, in dem sich naturgemäß die größte Hitze entwickelt, wird der
Glühstrumpf gebracht. Die Lichtausstrahlung des schneeweiß-glühenden Strumpfes ist
weit größer, er leuchtet in seinem ganzen Umfange blendend. Das Gas, das sich in dem
Brenner mit der angesaugten primären Luft in dem günstigsten Verhältnis sehr innig
vermischt – was ja für eine wirtschaftliche Ausnutzung des Gases von größtem Wert
ist –, wird vollständig verbrannt, so daß ein Verrußen der Glühkörper nicht
eintritt. Außerdem wird ein durchaus ruhiges Licht und ein sparsamerer Verbrauch des
Gases erzielt. Man geht nicht zu weit, wenn man eine Ersparnis von 40 bis 50 v. H.
annimmt. Der stündliche Gasverbrauch bei gewöhnlichen Niederdruckflammen beträgt für
eine Normalkerze ∾
0,9 bis 1 l, beim Starklicht dagegen nur 0,5 l. Unter Zugrundelegung eines Preises
von 12,35 Pf. für einen Kubikmeter Leuchtgas und 40 Pf. für die Kilowattstunde
elektrischen Stromes arbeitet das Starklicht gegenüber dem elektrischen Bogenlicht ∾
40 bis 60 v. H. sparsamer, um ∾ 80 v. H. billiger als die Kohlefadenlampe und um ∾
50 bis 60 v. H. billiger als die Metallfadenlampe.
Um den für Starklicht erforderlichen höheren Gasdruck zu erzielen, sind – da in den
Niederdruckleitungen meist nur ein Druck von 40 mm Wassersäule herrscht – besondere
Einrichtungen erforderlich. Man unterscheidet die Anlagen, die mit „Preßgas“
oder „Preßluft“ arbeiten, von jenen, bei denen ein Gemisch von beiden in
Frage kommt.
Textabbildung Bd. 327, S. 802
Fig. 1.
A = selbsttätige Umschaltung
(Stoßfänger); B = Geschlossener Hahn (plombiert); C = Saugleitung von der
Gasuhr; D = Druckleitung nach den Verbrauchsstellen; E = Füllöffnung; F =
Dunstrohr; G = Ausgleichorgan, H = Zur Pumpe.
Bei den „Preßgasanlagen“ wird durch eine Kompressionspumpe – bei größeren
Anlagen eine doppeltwirkende Kolbenpumpe (Fig. 1),
bei kleineren eine Rotationspumpe – das Niederdruckgas von einem Druck von ∾ 40 mm
Wassersäule in einen besonderen Behälter auf einen Druck von ∾ 1400 mm Wassersäule =
∾ 1/7 Atmosphäre
gedrückt (Fig. 1). In diesem Behälter, dem
Regulierungskessel, wird mittels einer Reguliervorrichtung das Gas auf diesem Druck
von ∾ 1400 mm Wassersäule konstant erhalten. Dieser Regulierungskessel ist durch
eine wagerechte Scheidewand o, von der aus ein oben und
unten offenes Rohr f abgeht, in zwei Räume geteilt.
Der obere und der untere Raum stehen also durch dieses Rohr f miteinander in Verbindung. Bis zu einer bestimmten
Höhe – dem Gasdruck von 1400 mm Wassersäule entsprechend – ist der Kessel mit Wasser
oder mit einem Gemisch von Wasser und säurefreiem Glyzerin angefüllt. Die
Kompressionspumpe drückt das Gas in den unteren Raum des Regulierungsbehälters,
wobei die Flüssigkeit aus dem unteren Raum durch das Mittelrohr in den oberen Raum
steigt. Hat das Gas den gewünschten Druck von 1400 mm Wassersäule erreicht, dann
berührt die Flüssigkeit den im oberen Raum befindlichen Schwimmer.
Textabbildung Bd. 327, S. 802
Fig. 2.
Wird der Druck von 1400 mm Wassersäule überschritten, so steigt der
Flüssigkeitsspiegel noch mehr und der Schwimmer wird gehoben. Der Schwimmer betätigt
dann durch Vermittlung eines Gestänges m die
Drehschieber l an der Kompressionspumpe derart, daß
keine weitere Gaszufuhr stattfindet. Sinkt der Gasdruck im Regulierungskessel – wird
also Gas entnommen – dann sinkt auch der Flüssigkeitsspiegel und somit der
Schwimmer, und die Drehschieber der Pumpe lassen genau so viel Gas in den
Druckbehälter hineinströmen, wie für den Verbrauch entnommen wird. Auf diese Weise
erreicht man im Regulierungskessel und in dem Leitungsnetz einen gleichbleibenden
Gasdruck von ∾ 1400 mm Wassersäule. Von dem Regulierungskessel aus strömt das
„Preßgas“ dann in gewöhnlichen Rohrleitungen den verschiedenen besonders
konstruierten Brennern zu, in denen es vor der Verbrennung innig mit der
erforderlichen Luftmenge vermischt wird.
Bei den „Preßluftanlagen“ wird gereinigte Luft ebenfalls durch eine Pumpe auf
einen Druck von ∾ 1400 mm Wassersäule = ∾ 100 mm Quecksilbersäule gebracht und in
einem besonderen Behälter aufgespeichert. Von diesem Behälter aus wird es mittels eines neben der
Gasleitung angeordneten Rohrstranges den einzelnen Starklichtbrennern zugeführt, um
sich dort mit dem Niederdruckgas innig zu vermischen. Die hierbei auftretende
größere Verbrennungsgeschwindigkeit hat hier ebenfalls eine wesentliche Erhöhung der
Temperatur zur Folge. Dadurch wird der erhitzte Glühkörper zur größeren
Lichtausstrahlung veranlaßt. Bei diesen Preßluftanlagen kann also jede einzelne
Niederdruckflamme durch Anordnung einer besonderen Preßluftleitung zu einer
Starklichtflamme gemacht werden.
Textabbildung Bd. 327, S. 803
Fig. 3.
Nach diesem Prinzip des Preßgas- und Preßluftverfahrens arbeiten die in den Berliner
Gasanstalten vielfach in Anwendung gekommenen und sich in wirtschaftlicher und
technischer Hinsicht gut bewährenden Millenniumlichtapparate (Fig. 1 und 2) als
auch die Pharos- und Keithlichtapparate.
Bei den Einrichtungen, die mit gepreßtem Gas-Luftgemisch arbeiten, und zwar mit einem
nicht explosiven Gemisch von ∾ 60 v. H. Luft und ∾ 40 v. H. Gas wird zu gleicher
Zeit Gas und Luft auf einen Druck von ∾ 250 mm Wassersäule gebracht und ebenfalls in
einen besonderen Behälter gedrückt, um von hier aus durch gewöhnliche Rohrleitungen
den Brennern zugeführt zu werden. Bei der Verbrennung des komprimierten
Luft-Gasgemisches tritt ebenfalls eine wesentliche Temperaturerhöhung ein, und der
Glühkörper strahlt das Licht intensiver aus. Nach dem Luft-Gasgemisch-System
arbeiten die Selaslichtapparate.
Als Lampen für die Preßgas- und Preßluftbeleuchtung kommen vornehmlich die
Invertlampen – die nach unten hängenden Lampen – zur Verwendung, da bei ihnen der
Gasverbrauch erfahrungsgemäß günstiger ist als bei stehenden Lampen. Da das Licht
ohne Schatten nach unten fällt, ist auch die Lichtausbeute bei ihnen besser. In den
Lampen sind die Glühkörper ohne Glaszylinder angeordnet. Die Lampen selbst sind so
eingerichtet, daß die abziehenden Verbrennungsgase, bevor sie in die atmosphärische
Luft treten, die einströmende Luft und auch das Gasluftgemisch vorwärmen,
wodurch der Gasverbrauch noch sparsamer und die Lichtwirkung noch besser wird, die
wirtschaftliche Gasausnutzung also eine noch höhere ist. Es finden Lampen bis zu
5000 Normalkerzen Verwendung, und zwar für Innenräume Lampen bis zu 500 Kerzen, für
größere Räume bis zu 1000 bis 1500 Kerzen und für Straßenbeleuchtung von 2000 bis
5000 Kerzen. Meist sind die Lampen mit selbsttätigen Fernzündungen versehen, so daß
einzelne oder ganze Gruppen von Lampen in kurzer Zeit in jedem Augenblick angezündet
und gelöscht werden können. Die Zündvorrichtungen lassen den Gaszugang für die in
der Lampe sitzenden kleinen Zündflämmchen am Tage offen, während sie des Abends den
Zugang zur Zündflamme absperren und dafür den Gaszugang zur Hauptflamme freigeben.
Hinsichtlich der Bequemlichkeit des Fernzündens stehen die Starklichtlampen den
elektrischen Bogenlampen also nicht nach. Fig. 3
zeigt die für die Straßenbeleuchtung zur Verwendung kommende
Millenniumlicht-Invertlampe. Das Preßgas strömt aus der Zuleitung z kommend durch die Düse d
und saugt die bei m eintretende primäre Luft an. Bevor
das Gasluftgemisch zur Verbrennung kommt, vermischt es sich in dem Brennrohr r innig und wird durch die Abgase gut vorgewärmt. Die
Nadel p dient zum Reinigen der Düse d. In Fig. 4 ist die
bei Straßenlampen vielfach zur Anwendung kommende selbsttätige Fernzündvorrichtung
dargestellt. Am Tage wird die am Brenner angeordnete Zündflamme n (s. Fig. 3) mit
Niederdruckgas gespeist.
Textabbildung Bd. 327, S. 803
Fig. 4.
Das Gas tritt oben in die Zündvorrichtung ein, strömt bis zum
Hahn h und wird durch diesen über das seitliche Rohr
b zur Zündflamme geführt. Der Hauptkanal k zum Brenner ist durch den Hahn h abgesperrt. Läßt man abends Preßgas durch die
Zündvorrichtung gehen, so kommt dieses Preßgas durch die Leitung p auch unter die Membrane m und drückt diese nach links hinaus. Die mit der Membrane m fest verbundene Stange s
stellt dann den
Hahn h so um, daß der Zugang zur Zündflamme abgesperrt
ist, während das Preßgas durch das Mittelrohr k zum
Brenner gelangen kann.
Den unanfechtbaren Beweis für die hervorragenden Eigenschaften des Starklichtes hat
eine sich rasch ausbreitende praktische Erfahrung zur Genüge erbracht. Nicht nur,
daß sie die neue Beleuchtungsart sehr bald bei den privaten Konsumenten empfahl,
auch die öffentliche Beleuchtung wandte sich von der schon selbstverständlich
gewordenen Bevorzugung des elektrischen Bogenlichtes allmählich wieder ab, und
in Städten wie Berlin und London hat die Gasbeleuchtung schon jetzt ihre frühere
Vormachtstellung wieder erobert. Der kürzlich verstorbene Stadtrat Namslau, der Dezernent für die Berliner Gasanstalten, war
ein eifriger Befürworter des Starklichtes und hat die öffentliche Straßenbeleuchtung
Berlins der Gasindustrie größtenteils wiedergewonnen.