Titel: | Die vorübergehende Beschäftigung von Gerichtsassessoren in Privatbetrieben. |
Autor: | Rathenau |
Fundstelle: | Band 328, Jahrgang 1913, S. 2 |
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Die vorübergehende Beschäftigung von
Gerichtsassessoren in Privatbetrieben.
Von Regierungsrat Dr. Rathenau-Berlin.
Ratthenau: Die vorübergehende Beschäftigung von Gerichtsassessoren
in Privatbetrieben.
Die fortgesetzte Entwicklung unseres Handels und unserer Industrie, die
ungeahnten Fortschritte der Technik sind auch an unseren Rechtseinrichtungen nicht
spurlos vorüber gegangen. Sie haben sich vielmehr, wie es garnicht anders erwartet
werden konnte, in Rechtsprechung, Gesetzgebung und Verwaltung tief eingegraben;
jeder Band höchstrichterlicher Entscheidungen zeigt, wie immer neue, mit der
Wirtschaftsentwicklung entstehende Rechtsprobleme nach Lösung drängen; jede neue
Nummer eines Gesetzblattes läßt erkennen, wie der Gesetzgeber allgemeine Normen für
neu auftauchende wirtschaftliche und technische Bedürfnisse aufzustellen sich
bemüht, und jede Verwaltungsmaßnahme ist eingegeben von der Rücksicht auf die
Wirkung, die sie auf Handel, Industrie und Landwirtschaft ausüben kann. Auf der
anderen Seite aber hat man erkannt, daß der Gesetzgeber gerade wegen dieser schnell
dahin stürmenden Entwickelung garnicht in der Lage ist, von vornherein für alle
möglichen, Fälle von Interessenkollisionen bestimmte Regeln aufzustellen, und daß
das Recht notwendigerweise Lücken aufweisen muß, weil – wie ein hervorragender
Rechtslehrer noch jüngst ausführte. – „die Menschen, sowohl wenn sie Gesetze
geben, als auch, wenn sie Verträge abschliessen, garnicht alle einmal
eintretenden Lebensverhältnisse ordnen können, weil sie nicht in der Lage sind,
die Zukunft voraus zu sehen, und das Leben selbst jeder Voraussicht
spottet.“ Dazu kommt, daß das Recht schon seiner Natur nach ein mehr
konservatives Gebilde ist, das nicht von heute zu morgen geändert werden: und
deshalb auch nicht stets gleichen Schritt mit 4er wirtschaftlich-technischen
Entwicklung halten kann. Man darf nicht vergessen, daß z.B. der Austausch einer
schnell veralteten Maschine oder Arbeitsmethode unendlich viel leichter und weniger
einschneidend ist, als die Aufhebung eines nicht mehr ganz modernen Gesetzes oder
einer nicht mehr hinreichenden Verwaltungsmaßnahme: verursacht dort der Wechsel
Kosten, Unbequemlichkeiten u. dgl. für einen einzelnen Betrieb, die aufgewogen
werden durch andere technisch-wirtschaftliche Vorteile, so greift die Arbeit der
Gesetzgebungsmaschine im weiteren Sinne in den Organismus der Gesamtheit ein, ruft
zunächst Unruhe und Unsicherheit hervor und ist schon deshalb nur im Notfall zu
empfehlen.
Diese gewisse Starrheit des Gesetzes bedingt aber nicht etwa auch eine solche des
Rechts oder seiner Anwendung. Im allgemeinen ist auch grade unser Recht
entwicklungsfähig; ja Hedemann hat in seinem
außerordentlich ansprechenden Werkchen: „Werden und Wachsen im bürgerlichen
Rechte“ 1912 auszuführen versucht, daß „eigentlich alles, was wir
brauchen, in dem Gesetzestext niedergelegt ist!“
Man braucht vielleicht nicht so optimistisch zu denken, – das Eine ist sicher: wie
die besten Geschütze ohnmächtig sind in der Hand ungeeigneter Truppen und unter dem
Befehl untüchtiger Offiziere, so sind auch die besten Gesetze zur Unfruchtbarkeit
verurteilt, wenn sie nicht von Männern gehandhabt werden, die offenen Blickes durch
die Welt gehen, lebendiges Verständnis für die Bedürfnisse des wirtschaftlichen.
Getriebes haben; und nicht bloß Stubengelehrte und Paragraphendrescher sind. Ein
noch so großes Maß positiver juristischer Kenntnisse allein wird einen Juristen
heute nicht mehr befähigen, den Anforderungen, die das Richteramt an ihn stellt,
gerecht zu werden. Deshalb steht die Sorge um die Heranbildung eines den Forderungen
des Tages gerecht werdenden juristischen Nachwuchses in der Reformbewegung, die
unser ganzes Rechtsleben durchzieht, mit an erster Stelle.
Es kann nicht Aufgabe dieser Zeilen sein, alle Versuche, die in dieser Richtung
gemacht sind, hier auch nur zu nennen; die Aufmerksamkeit Soll vielmehr nur auf eine
ganz besondere Art der Fortbildung gelenkt werden:
Man hat früher die Beschäftigung junger Gerichtsassesoren als Volontäre bei Banken,
Handelsvertretungen, wohl vereinzelt auch bei industriellen Unternehmungen für ein geeignetes
Mittel erachtet, den jungen Leuten Einblick in das vielrädrige Triebwerk des
Wirtschaftslebens zu gewähren. Diese Versuche sind im allgemeinen gescheitert: die
Assessoren sind in der Regel mit juristischen Dingen beschäftigt worden, die sie
hier nur von einer andern. Seite, als später auf dem Richterstuhl kennen lernten;
sie haben fast nie einen Ueberblick über einen ganzen Betrieb erhalten, waren
vielfach den Prinzipalen im Wege und wurden nicht selten im Interesse des
Unternehmens, in dem sie arbeiten durften, als billige oder gar kostenlose
juristische Arbeitskraft ausgenutzt.
Einen ganz neuen Weg schlug vor etwa 1½ Jahren der bekannte Hamburger
Oberlandesgerichtsrat Dr. Zacharias ein: er ging davon
aus, daß in Streitigkeiten der Menschen der junge Jurist nur kranken Fällen des
Verkehrs begegnet, daß aber den richtigen Maßstab zur Beurteilung der kranken Fälle
nur der hat, der im gesunden Verkehrsleben zuhause ist und weiß, wie es dort zugeht.
Ihm kam es nicht so sehr darauf an, den Assessoren Rechtskenntnisse vom
wirtschaftlich-technischen Standpunkt aus zu vermitteln, als darauf, sie – wenn auch
nur in einer verhältnismäßig kurzen Zeit – mit den Anschauungen, dem Fühlen und
Denken der Berufskreise vertraut zu machen, über deren Streitigkeiten sie später zu
Gericht zu sitzen haben; selbstverständlich können weder die genaue Kenntnis der
Organisation eines Betriebes noch die der Technik eines Handels- oder Erwerbszweiges
für den angehenden Richter von der Bedeutung sein, wie der Erwerb an
Lebenserfahrung, den er aus der Verpflanzung in ein ihm bis dahin ganz fremdes
Milieu ziehen kann. Möglichste Loslösung aus der Rechts- und Beamtensphäre, der der
junge Assessor tatsächlich meist entstammt, war daher ein unbedingtes Erfordernis
dieses neuen Ausbildungsmittels; dafür aber möglichst gründliche Vertiefung in das
Leben und Treiben des Unternehmens, dem der Assessor zugewiesen wurde, und völlige
Unterordnung des jungen Beamten unter die nach dem Bedürfnis des Unternehmens
geregelte Arbeits- und Betriebsordnung. Nur dann gewinnt der junge Mann Eindrücke,
die allein imstande sind, ihm einen Gradmesser zur Beurteilung der kranken Fälle des
Geschäftslebens zu liefern. Den Verkehr mit den andern Angestellten des Betriebes,
die Teilnahme bei Verhandlungen mit Kunden und Geschäftsfreunden, das Zustandekommen
geschäftlicher Abmachungen, also die mehr psychologische Seite des Geschäftslebens
und die richtige Einschätzung des Erwerbslebens und kaufmännisch-technischen
Könnens, – alles dies kann der Assessor nur dann kennen lernen, wenn er als
Angestellter des Unternehmens den „Juristen“ an den Nagel hängt und
untertaucht als Teil des Betriebes.
Die Erfahrungen, die Oberlandesgerichtsrat Dr. Zacharias
mit dieser Ausbildungsart gemacht hat, hat er in einer „Denkschrift über die
vorübergehende Beschäftigung von Gerichtsassessoren in Privatbetrieben“,
1912 niedergelegt, deren Lektüre allen denen, die sich für die Sache
interessieren, aufs Wärmste empfohlen werden kann. Kurz nach Erscheinen dieser
Derikschrift stellte der preußische Justizminister in 3 Erlassen vom 3. Juli 1912
die ganze Frage der Ausbildung der jungen Juristen auf neue Grundlagen: Diese
Erlasse hat der Oberlandesgerichtspräsident Dr. Börngen,
Jena, als „einen Markstein in der Entwickelung der Justiz in Preußen und damit
schließlich auch der in Deutschland“, sowie als „ein Ruhmesblatt in der
Geschleifte der preußischen Justizverwaltung“ bezeichnet. – In dem dritten
Erlaß wird den Assessoren nahegelegt, in der auf die große Staatsprüfung folgenden
Zeit ihre rechtswissenschaftlichen Studien fortzusetzen oder auf anderen;
insbesondere wirtschaftlichen Gebieten neue Kenntnisse und Erfahrungen zu sammeln;
der Herr Minister hat als erstes der in Betracht kommenden Fortbildungsmittel
genannt:
„Die Beschäftigung in einem freien Beruf, z.B. in einem kaufmännischen,
gewerblichen oder landwirtschaftlichen Betriebe, zumal, wenn der
Gerichtsassessor seine besondere Aufmerksamkeit den wirtschaftlichen und
technischen! Seiten des Betriebes zuwendet.“
Den Gerichtsassessoren wird zu diesem Zweck ein einjähriger Urlaub gewährt, der auf
die Dienstzeit angerechnet wird. – Dies hatte naturgemäß einen verstärkten Andrang
der Assessoren nach geeigneten Stellen zur Folge. Es bestand deshalb die
Befürchtung, daß Dr. Zacharias, der sich in hingebendster
und uneigennützigster Weise in den Dienst der Sache gestellt hatte, auf die Dauer
das von ihm eingeschlagene Verfahren nicht werde fortführen können: hatte er doch,
unterstützt nur von wenigen Vertrauensmännern, jede einzelne Stelle selbst geworben,
mit jedem sich bei ihm meldenden Assessor persönlich Rücksprache genommen und ihn in
die neue Welt, die seiner harrte, einzuführen gesucht. Denn die Erfahrung hat
gelehrt, daß die Vorurteile, die auf Seiten der Unternehmer wie der Assessoren
bestehen, nur durch persönliche Aussprache überwunden werden können.
Hier hat nun der Verein Recht und Wirtschaft, der sich die
Förderung zeitgemäßer Rechtspflege und Verwaltung zum Ziele gesetzt und es in
1¾jährigem Bestehen schon zu fast 2400 Mitgliedern gebracht hat, eingesetzt und hat
alsbald nach dem Erlaß vom 3. Juli 1912 eine Vermittlungsstelle eingerichtet, deren
Seele Herr Dr. Zacharias selbst ist, und deren Aufgabe
darin besteht, Assessoren Privatbetrieben zu vorübergehender Beschäftigung
zuzuführen. Der preußische Justizminister hat durch Verfügung vom 26. September 1912
alle Oberlandesgerichtspräsidenten und Oberstaatsanwälte angewiesen, diese Stelle
bei Erfüllung dieser Aufgabe zu unterstützen. Es geschieht dies in der Weise, daß
die Assessoren ihr Gesuch um Beschäftigung in einem Privatbetriebe im Dienstwege
einzureichen haben, daß dieses Gesuch an die Vermittlungsstelle weiter gegeben und
alsdann von Dr. Zacharias in der bisher geübten
individuellen Weise bearbeitet wird. Jeder Assessor wird, – möglichst seinem
Wunsche entsprechend – einer der besetzungsreifen Stellen, die sich zur Ausbildung
vorher bereit erklärt hat, überwiesen. Gleich dem preußischen hat auch das
sächsische Justizministerium einsprechende Anordnungen getroffen; mit andern
Justizverwaltungen schweben entsprechende Verhandlungen.
Die Erfahrungen, die bisher mit dieser Beschäftigung gemacht sind, sind naturgemäß
bei der Kürze der Zeit noch gering. Bemerkenswert ist, daß der Direktor der
Elberfelder Farbwerke, Prof. Dr. Kloeppel, in der
Generalversammlung des Vereins Recht und Wirtschaft (s.
Nachrichten vom Verein S. 78) ausdrücklich
hervorgehoben hat, daß die Erfahrungen, die jenes Weltunternehmen mit 2 Assessoren
gemacht hat, außerordentlich günstig gewesen sind und Veranlassung gegeben haben,
diese Ausbildungsart fortzusetzen; von weiteren Betrieben, die Assessoren
vorübergehend zu beschäftigen sich bereit erklärt haben, seien hier u.a. genannt:
die Hamburg Amerika-Linie, Norddeutsche Lloyd, Fr. Krupp A.-G., Gruson Werk, A. E.
G., Hoechster Farbwerke, Blohm & Voß, verschiedene Speditions- auch
Konfektionsfirmen, Maschinenfabriken, Exportgeschäfte, Lederfabriken u.a.m., im
ganzen in 1\,\frac{1}{2} Jahren über 75 Firmen der
verschiedensten Branchen. Dabei sei bemerkt, daß durchaus nicht bloß Großbetriebe in
Frage kommen; haben sie sich doch allmählich immer mehr zu bürokratisch geregelten
Produktions- oder Vertriebsstätten entwickelt; ja es wird sogar von Dr. Zacharias S. 15 seiner Denkschrift treffend dargelegt,
daß bei Großbetrieben die Beschäftigung an der Peripherie zweckdienlicher sei, als
in der Zentrale, da gerade das, was der Assessor sehen, erkennen und in sich
aufnehmen soll, dort mehr in die Erscheinung tritt als hier! Man wird also – was
bisher auch oft verkannt ist – mittlere Betriebe, in denen das eigentliche
Geschäftsleben mehr an einer Stelle zusammenflutet, für besser geeignet halten, als
Groß- oder Riesenbetriebe; hier kann auch der Assessor viel leichter Fühlung mit dem
Prinzipal, den andern Angestellten und dem Publikum gewinnen und einen Einblick in
das wirtschaftliche Getriebe erhalten.
Es kann nun keine Rede davon sein, daß die Vermittlungsstelle etwa eine
Massenunterbringung von Assessoren in die Wege leiten will; sie hat vielmehr
erkannt, daß – soll das eingangs geschilderte Ziel erreicht werden – ausschließlich
die individuelle Behandlung jedes Einzelfalles in Betracht kommen kann. Nur so
können zunächst die vielfach falschen Vorstellungen, die bei den Assessoren über das
ganze Wesen dieser Beschäftigung bestehen, berichtigt, nur so kann der richtige Mann
an die richtige Stelle gesetzt und nur so kann wenigstens eine gewisse Gewähr für
die Zuverlässigkeit des Assessors, der der Vermittelungsstelle von der
Justizverwaltung bezeichnet ist – (andere Assessoren bringt der Verein nicht unter)
– übernommen werden. Nur bei solcher individuellen Behandlung kann auch für jede
besetzte Stelle ein Vertrauensmann in Wirksamkeit treten, der sich einerseits
mit dem Prinzipal über manche Einzelheiten, der Beschäftigung zu verständigen,
andererseits auf den Assessor gelegentlich, auch pädagogisch einzuwirken hat, und
bei etwaigen Differenzen den Parteien ausgleichend zur Seite steht. Ein solcher.
Vertrauensmann kann auch am ehesten die geeigneten Betriebe seines Bezirks ermitteln
und interessieren.
Die Gewährung eines Gehalts ist zwar nicht unerläßliche Vorbedingung; zahlreiche
Betriebe werden aber die Einstellung von Assessoren gerade davon abhängig machen,
daß bei ihnen ein Entgelt, – etwa entsprechend dem Gehalt, das ein Assessor bei
Verwaltung eines sog. Kommissoriums bezieht (200 M.), – gewährt wird, weil gerade
dann auch äußerlich zum Ausdruck gebracht wird, daß der Assessor sich als
Angestellter in den Organismus des Betriebes voll einzufügen hat. Erwünscht wäre es
jedenfalls, wenn möglichst allgemein und möglichst gleichmäßig Entgelt gegeben
werden könnte, damit nicht, – wie Prof. Dr. Kloeppel
zutreffend bemerkt, – „auch dies Fortbildungsmittel einen plutokratischen
Charakter erhalte, indem nur Assessoren davon Gebrauch machen, die den Unterhalt
eines Lehrjahres selbst ganz bestreiten können.“ Andernfalls müßte man daran
denken, besondere Fonds zu schaffen, aus denen (ähnlich wie einer Anzahl der zu den
staatswissenschaftlichen Kursen in Berlin, Köln und Posen abgeordneten Assessoren)
Beihilfen gewährt werden könnten, falls nicht der Staat selbst diese Ausbildungszeit
zu remunerieren geneigt und in der Lage wäre.
Bringt nun aber nicht solche Beschäftigung gewisse Gefahren und große
Unbequemlichkeiten mit sich? Die Gefahr des Vertrauensbruches oder des Uebergangs
zur Konkurrenz ist auf ein Mindestmaß schon dadurch zurückgeführt, daß eben nur
solche Assessoren den Betrieben zugeführt werden, die bei den Vorgesetzten und der
Vermittelungsstelle den Eindruck erweckt haben, daß sie das in sie gesetzte
Vertrauen – um eine Vertrauenssache handelt es sich zweifellos – rechtfertigen
werden. Sodann aber steht es den Prinzipalen ja frei (wie dies übrigens auch die Elberfelder Farbwerke getan haben) mit den Assessoren
besondere Verträge über Schweigepflicht, Eintritt in Konkurrenzgeschäfte etc.
abzuschließen. Und was die Unbequemlichkeiten anlangt, so ist zwar nicht zu
bestreiten, daß dem Prinzipal ein gewisses Opfer an Uneigennützigkeit zugemutet
wird: es genügt im allgemeinen nicht, wenn er dem Assessor den. Betrieb lediglich
als Studienfeld eröffnet; er wird ihn einem höheren Angestellten anempfehlen müssen,
der ihn zunächst in den Betrieb einführt, und der ihm auch sodann bei Wechsel der
Beschäftigung in den einzelnen Abteilungen mit Rat und Tat behilflich ist. Dann aber
wird er den jungen Mann, der doch durchschnittlich im Alter von 27 bis 30 Jahren
steht, sich selbst überlassen können. Gerade dadurch aber, daß er dann nicht als
überflüssiger Volontär, sondern als Arbeitskraft mit tätig werden soll, daß er auf
diesen Gesichtspunkt vor dem Eintritt in den Betrieb eindringlichst hingewiesen ist,
und von Zeit zu Zeit
von dem Vertrauensmann wieder hingewiesen wird, wird er allmählich ein wertvolles
Glied in dem Gesamtorganismus werden, dessen Ausscheiden nach Ablauf eines Jahres
der Prinzipal nur ungern sehen wird; dies hat die Erfahrung bereits in mehreren
Fällen gelehrt.
Schließlich dürfte aber folgende Erwägung ausschlaggebend sein: kaum ein Berufsstand
hat ein so begründetes Interesse an einem hochstehenden Richterstand und einer
möglichst vollkommenen Rechtspflege wie gerade die Industrie und der Handel. Die
Sicherheit des geschäftlichen Verkehrs ist abhängig von der Güte, Schnelligkeit und
Einfachheit der Rechtsprechung. Ungezählte Werte können durch eine schlechte
Rechtsprechung und Verlangsamung des Verfahrens verloren gehen! Man darf und kann
die früher häufig gehörten Klagen über die sog. Weltfremdheit der Richter für
übertrieben halten, – daß auch manches in unserer Rechtspflege zu bessern ist, und
daß besonders die Ausbildung unserer jungen Juristen im modernen Sinn umzugestalten
ist, darüber sind die Juristen selbst nicht im Zweifel; eines der vielen
Mittel, und vielleicht das wirksamste, ist die hier kurz skizzierte vorübergehende
Beschäftigung der Assessoren in Privatbetrieben. Es wird und muß aber wirkungslos
bleiben, wenn nicht Industrie und Handel, nicht minder die Landwirtschaft, diese
Bestrebungen tatkräftig fördern und unterstützen. Werden die Früchte auch zunächst
nur den Juristen und der Rechtsanwendung zugute kommen, – letzten Endes hat den
Nutzen die Gesamtheit; denn das Recht und die Juristen sind nicht ihrer selbst wegen
da, sondern sie dienen dem Ganzen und der Wohlfahrt des Vaterlandes. Noch haben
deutsche Industrie und deutscher Handel nie versagt, wenn es sich um die Förderung
von Kunst, Wissenschaft und Technik oder gemeinnützige Zwecke handelte. Sie werden
auch – so darf man hoffen – dann nicht in Stich lassen, wenn es sich einmal, ohne
Aufwendung großer materieller Opfer, darum handelt, ideelle Zwecke zu
unterstützen.Die Firmen, die bereit
sind, in der geschilderten Art Asessoren vorübergehend bei sich zu
beschäftigen, werden gebeten, dies der Geschäftsstelle des Vereins Recht und Wirtschaft, Berlin W. 15, Meinekestr. 7
mitzuteilen. Auch darin liegt ein Stück Sozialpolitik. Denn es
bleibt ewig wahr der Satz: „justitia fundamentum regnorum.“