Titel: | Rückblicke auf Neuerungen in der Technik. |
Fundstelle: | Band 328, Jahrgang 1913, S. 81 |
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Rückblicke auf Neuerungen in der
Technik.
[Rückblicke auf Neuerungen in der Technik.]
Vom deutschen Schiffbau.
Von Konstruktionsingenieur C. Kielhorn
in Zehlendorf.
Das abgelaufene Jahr ist, sowohl was die Zahl als auch den Gesamttonnengehalt der
Schiffe betrifft, das günstigste gewesen, das die deutsche Schiffbauindustrie erlebt
hat; ob es in wirtschaftlicher Hinsicht ebenso günstig gewesen, sei hier nicht näher
untersucht. Indessen ist die angespannte Tätigkeit der Werften das sicherste Zeichen
des Aufschwungs unseres deutschen Außenhandels, der sich ja in den glänzenden
Jahresabschlüssen unserer großen Reedereien viel offensichtlicher zeigt.
Die Statistik des Germanischen Lloyd gibt für das Jahr 1912 nicht weniger als 1401
Neubauten mit zusammen 1482731 B.-R.-T. an. Gegen das Vorjahr bedeutet das eine
Zunahme der Beschäftigung um 388236 B.-R.-T. oder mehr als 35,5 v. H. An fertig
gestellten Schiffen beträgt die Zunahme gegen das Vorjahr 73275 B.-R.-T. = 18 v. H.
Noch günstiger ist der Ausblick auf das laufende Jahr, für welches in diesem Monat
ein Auftragsbestand von 474 Schiffen mit 1002693 B.-R.-T. geblieben ist, gegen 454
Schiffe mit zusammen 687705 B.-R.-T. zu Beginn des Jahres 1912. Es entspricht dies
einer Steigerung in der Beschäftigung um 314988 B.-R.-T. oder rund 46 v. H.
Am günstigsten steht entsprechend dem Aufschwung des überseeischen Handels der
Seeschiffbau da. Der Auftragsbestand der deutschen Werften an Seeschiffen über 100
B.-R.-T. betrug rund 26 v. H. der ganzen zurzeit schwimmenden deutschen
Seehandelsflotte. Von dem Seeschiffbau entfallen wieder mehr als ⅔ der
Gesamt-Tonnage auf den Großschiffbau, soweit unter letzterem Schiffe von mehr als
5000 B.-R.-T. verstanden werden.
Der Motorschiffbau hat weniger zugenommen als man hätte erwarten können. Man will
offenbar erst längere Betriebsergebnisse der ersten größeren Motorschiffe des
„Monte Penedo“ (vergl. D. p. J. 1912, Heft 46, S. 724) und des
„Rolandseck“ (vergl. D. p. J. Heft 50, S. 791) abwarten, ehe man
Motoranlagen von ähnlicher Größe weiter in Seeschiffe einbaut. Der einzige
Auftrag auf einen größeren Diesel-Motor ist, abgesehen
von zwei schon vor fast Jahresfrist bestellten Petroleumtankschiffen der Werft von
Frerichs & Co., in
jüngster Zeit an die durch den Bau des Rolandseck rümlichst bekannte Werft von Joh. C. Tecklenborg A. G. in
Geestemünde gegangen, welche ein Schulschiff des deutschen Schulschiffs-Vereins als
Vollschiff mit einem Tecklenborg-Carels Motor von 500 PS
als Hilfsmotor baut.
Dieses Schiff ist zugleich das einzige Segelschiff, welches noch in Deutschland
gebaut wird. Der Segelschiffbau ist im übrigen, soweit er Schiffe über 100 t
betrifft, zum ersten Male im abgelaufenen Jahre von den deutschen Werften ganz
verschwunden gewesen.
Was den Kleinschiffbau (Seeschiffe unter 100 B.-R.-T.) betrifft, der bis vor wenig
Jahren noch eine große Zahl kleinerer Betriebe an den Küsten der Nord- und Ostsee
beschäftigte, so ist derselbe in Folge der Tätigkeit der holländischen
Schiffshypothekenbanken fast ganz nach Holland abgewandert. Von dem gesamten
Kleinschiffbau für deutsche Rechnung, 97 Schiffe mit zusammen 6538 B.-R.-T.
umfassend, sind 66 Schiffe mit 4333 B.-R.-T. in Holland gebaut, d. i. genau ⅔
desselben.
Aehnlich liegt es mit dem Binnenschiffbau, der zwar nicht in dem gleichen Maße wie
der Seeschiffbau an dem Aufschwung der deutschen Schiffbauindustrie teilgenommen
hat, bei dem aber als hervorstehendes Merkmal die große Zahl der auf holländischen
Werften und mit Hilfe der vorerwähnten holländischen Schiffshypothekenbanken
gebauten Schiffe ins Auge fällt. Ein genauer Vergleich kann hier mangels
zuverlässiger Daten aus dem Vorjahr nicht aufgestellt werden. Jedoch hat in diesem
Jahre der Zentral-Verein für Deutsche Binnenschiffahrt zum ersten Male in
dankenswerter Weise eine Statistik des deutschen Binnenschiffbaus aufgestellt, die
bei weiterer Fortführung auch genauere Daten über die Bewegung in diesem wichtigen
Industriezweig geben wird.
Ueber den deutschen Kriegsschiffbau sei bei der Eigenartigkeit des Themas an anderer
Stelle berichtet.
Was die technischen Neuerungen im Schiffbau betrifft, so ist zunächst der
Einfluß der „Titanic“-Katastrophe bemerkbar durch die Vermehrung der
Sicherheitsvorkehrungen, Verbesserungen in der Bootsaufstellung und den
Bootsaussetzvorrichtungen, neue Rettungsboottypen, Längsschotten im Vorschiff zur
Sicherung bei Unfällen wie bei der „Titanic“, Schottschließvorrichtungen usw.
Da jedoch die einzelnen Seeuferstaaten mit ihren Sonderberatungen erst jetzt zum
Abschluß gekommen sind und die internationale Konferenz noch nicht zusammengetreten
ist, so wollen wir hier nicht vorgreifen.
Gleichen Schritt mit den Erfolgen der Motorenindustrie hat der Bau von kleinen
Motorschiffen gehalten, Ueber die größeren Motoren müssen, wie erwähnt, die
Ergebnisse einer längeren Betriebsperiode abgewartet werden. Ueber die Riesendampfer
der Hamburg-Amerika-Linie sind wir auf die Mitteilungen über das im Mai dieses
Jahres zur ersten Fahrt bereiten Vierschrauben-Turbinenschiff „Imperator“
angewiesen; über die vergrößerten Schiffe dieser Klasse, welche bei Blohm & Voß im Bau sind,
werden nicht einmal Angaben über die Größenabmessungen des Schiffskörpers
gemacht.
Einen neuen deutschen Schiffstyp stellen die Passagierdampfer der
Hamburg-Amerika-Linie für deren Südamerikadienst dar; es sind Dreischraubenschiffe
mit zwei Kolbenmaschinen für die beiden äußeren und Abdampfturbine für die mittlere
Schraube, eines bei Johann C. Tecklenborg A.-G. in
Geestemünde. ein zweites bei der A.-G. Weser in Bremen im Bau. Ein drittes Schiff
dieses Typs wird als Zweischrauben-Turbinenschiff bei der A.-G. Vulcan in Stettin gebaut. Auf der gleichen Werft ist ein
Dampfer für den Bäderdienst der Hamburg-Amerika-Linie im Bau, der die praktische
Einführung einer seit mehreren Jahren im kleinen erprobten Neuerung im
Schiffsmaschinenbau darstellt. Es ist ein Schiff von 83,82 m Länge, 11,78 m Breite
und 4,57 m Seitenhöhe. Es erhält Turbinen von 5400 PS mit einer Föttingerschen Transformatoranlage, welche die hohe
Umdrehungszahl der Turbinen auf eine ökonomische der Schraubenwellen herabmindert.
Das nähere über diese Neuerung finden unsere Leser in dem Aufsatz über den Föttinger-Transformator (Heft 5, S. 75).
Dampfmaschinenbau.
Von Dr.-Ing. Meuth in Stuttgart.
Der starke Wettbewerb unter den verschiedenen Arten von Wärmekraftmaschinen zeitigt
auch in dem so hoch entwickelten Dampfmaschinenbau noch Fortschritte. Zu den
wichtigsten Neuerungen der letzten Zeit gehört die Stumpfsche Gleichstromdampfmaschine, die durch die Einfachheit ihrer Bauart,
die geringe Zahl ihrer beweglichen Teile und den geringen Raumbedarf der hierin
nicht zu übertreffenden Dampfturbine schon recht nahe kommt. Dabei erreicht die
Oekonomie – bei nur einstufiger Expansion die der besten
Mehrfachexpansionsmaschinen, hauptsächlich durch die Verminderung der abkühlenden
Flächen im Zylinder neben einer außerordentlich geschickt durchgeführten
Konstruktion im einzelnen. Durch diese Vorzüge erobert sich die
Gleichstromdampfmaschine, die heute schon von einer Reihe von Firmen gebaut wird,
immer weitere Anwendungsgebiete. Abgesehen von ihrer Ausführung als reine
Betriebsmaschine hat ihre Verwendung zum Lokomotivbetrieb günstige Resultate
ergeben, und auch für Lokomobilbetrieb kommt sie schon zur Ausführung, desgleichen
zum Antrieb von Maschinen des Berg- und Hüttenbetriebes. Auch als Schiffsmaschine
soll sie ausgeführt werden. Auch für die Entnahme von Heizdampf, die bei der
Verbundmaschine aus dem Aufnehmer erfolgt, wird die Gleichstromdampfmaschine
neuerdings eingerichtet. So darf man annehmen, daß der alten Kolbendampfmaschine
nach ihren vielen Entwicklungsstufen schließlich durch die Rückkehr zur einfachsten
Form auch bei der starken Konkurrenz der jüngeren Kraftmaschinen noch auf längere
Zeit eine Existenz gesichert ist. Auch auf die Mehrfachexpansionsmaschine hat die
einfache Bauart der Gleichstromdampfmaschine entschieden vereinfachend eingewirkt.
Es sind zwar keine umwälzenden Aenderungen, aber man sucht auch schon die kleinsten
Vorteile durch die konstruktive Gestaltung auszunutzen.
Es ist eine allgemeine Erscheinung: je vollkommener die Einrichtungen werden, um so
ähnlicher werden sie in ihren Ausführungsformen. Die Vielgestaltigkeit der früheren
Dampfmaschinen ist bei neueren Maschinen nicht mehr zu beobachten. Das Zweckmäßigste
wird eben bald Allgemeinheit der Konstruktion. Die gleiche Wahrnehmung der
Vereinheitlichung der Ausführungsformen kann man auch bei den heutigen Dampfturbinen
machen; äußerlich wenigstens unterscheiden sich die verschiedenen Bauarten kaum mehr
voneinander, und durch den Uebergang zur kombinierten Bauart mit
Geschwindigkeitsabstufung im Hochdruckteil und enger Druckabstufung im
Niederdruckteil weisen auch im Arbeitsprinzip die Ausführungen der verschiedenen
Firmen nur geringe Unterschiede mehr auf.
Im Anwendungsgebiet der Kolbendampfmaschine und Dampfturbine hat sich jetzt schon
eine ziemlich feste Scheidung vollzogen. Die Dampfturbine nimmt die großen und
größten Einheiten ganz für sich in Anspruch. Noch vor wenigen Jahren hätte niemand
geahnt, bis zu welchen ungeheuren Leistungen die Aggregate gebaut werden können.
Heute sind Einheiten von 30000 PS im Betrieb keine Seltenheit mehr, und schon werden
Mitteilungen über die Ausführung von Maschinen mit 40000 PS Leistung bekannt. So ist
der Firma Brown, Boveri & Cie. für das städtische
Elektrizitätswerk in Hagen in Westfalen eine Turbine dieser Größe in Auftrag gegeben
worden, und demnächst sollen in einem amerikanischen Elektrizitätswerk zwei
Dampfturbinen von 40000 PS in Betrieb genommen werden. Diese Maschinen nach Parsons-System laufen mit 750 Umdrehungen i. d. Min.;
jede Maschine nimmt nur eine Grundfläche von 5 × 22 m ein. Je größer die Leistung,
um so besser die Uebersichtlichkeit, und umso leichter die Wartung einer größeren
Kraftstation. Die Leistungsvergrößerung begegnet bei Dampfturbinen aber weit
geringeren Schwierigkeiten als bei Kolbendampfmaschinen, da wegen der großen
Dampfgeschwindigkeiten die Durchgangsquerschnitte der Schaufelkanäle auch bei sehr
großen Dampfmengen in ausführbaren Grenzen bleiben.
Neben diesen großen und größten Einheiten kommt die Dampfturbine heule noch als
Kleinturbine zum Antrieb von Hilfsmaschinen, namentlich von Pumpen und Kompressoren
in Verbindung mit Abdampfverwertung vor. Wegen der großen Einfachheit und
Anspruchslosigkeit im Raum gibt man hier trotz der schlechteren Dampfökonomie der
Turbine den Vorzug vor der Kolbenmaschine, auch wegen des Vorteils, daß der zum
Heizen usw. verwendete Abdampf aus der Turbine völlig ölfrei kommt. Für mittlere
Leistungen, namentlich als reine Betriebsmaschine, wird die Kolbendampfmaschine ihre
Bedeutung nach wie vor behaupten.
Die Bestrebungen im Dampfmaschinenbau – das gilt sowohl für die Kolbendampfmaschine
wie für die Turbine – gehen heute mehr wie je in der Richtung einer möglichst hohen
Dampfausnutzung. Die Mittel hierzu – hohe Ueberhitzung und hohes Vakuum – sind wohl
schon bis aufs äußerste in Anspruch genommen, so daß hier Vorteile von Belang nicht
mehr zu erreichen sind. Eine rationelle Dampfausnutzung ermöglichte erst die
Zwischendampf- und Abdampfverwendung, die nach und nach in alle Betriebe, in denen
Wärme zu Heiz-, Koch- und anderen Zwecken benötigt wird, eingeführt wird. Die
Tatsache, daß zur Erzeugung der mechanischen Energie in der Dampfmaschine nur ein
kleiner Bruchteil der im Dampf enthaltenen Energie ausgenutzt werden kann, der
größte Teil aber mit dem Abdampf aus Kühlwasser oder bei Auspuffmaschinen ins Freie
geht, veranlaßt doch allmählich jeden größeren Betrieb zur Verwendung des
Abfallproduktes. Mit der Verwendung des Abdampfes erhält auch die Dampfmaschine vor
den wärmetechnisch überlegeneren Gas- und Oelmaschinen einen bedeutenden
wirtschaftlichen Vorsprung. Die Ausnutzung des Abdampfes nimmt die verschiedensten
Formen an. Wo solcher mit höherem Druck gebraucht wird, wie in Brikettfabriken,
rüstet man eine Anlage zweckmäßig mit Gegendruck- und Kondensationsmaschinen aus;
der zum Heizen der Trockenöfen verwendete Abdampf aus der Gegendruckmaschine gibt
nach dem Verlassen der Trockenöfen seine Wärme noch an das Speisewasser ab. Ist nur
eine geringe Menge Heizdampf nötig, so ist eine Kolbenmaschine oder Turbine mit
Anzapfung einer Zwischenstufe am Platze. Bei vorhandener Anlage mit Auspuff und
nicht genügender Verwendung für den Abdampf empfiehlt sich die Angliederung einer
Abdampfturbine, die den Restdampf mit hohem Vakuum ausnutzt; namentlich in Berg- und
Hüttenbetrieben erweisen sich solche Anordnungen vorteilhaft. Fast alle führenden
Dampfmaschinenbauanstalten bieten heute ihre Maschinen mit Einrichtungen für eine
rationelle Abdampf Verwertung art; insbesondere kommen hier die verschiedenen,
vielfach selbsttätigen Reguliereinrichtungen in Betracht, welche einen sparsamen
Dampfverbrauch sichern, auch unter den hier besonders verschiedenartigen
Betriebsverhältnissen (wechselnde Leistung bei gleichem Heizdampfbedarf, oder
konstante Leistung bei verschiedenem Heizdampfbedarf oder schließlich auch
Veränderung beider Faktoren).
Neben diesen Einrichtungen zur Verminderung des Dampfverbrauchs der Maschine selbst
werden die Apparate zur Betriebskontrolle immer mehr verbessert. Wo es möglich ist,
werden selbstregulierende und selbstregistrierende Vorrichtungen angewendet, die den
Betrieb von der Gewissenhaftigkeit der Heizer und Maschinenführer unabhängiger
machen. Solche Vorrichtungen machen sich durch die damit verbundene Dampfersparnis
bald bezahlt. Es soll einem späteren Bericht vorbehalten bleiben, auf Einzelheiten
solcher Neuerungen einzugehen.
Untergrundbahnbau.
Von Dipl.-Ing. H. Funck in Berlin.
In Straßen, wo der Tunnelkörper die ganze Breite zwischen den beiden Hausfronten
einnimmt, besteht bei dem Bau von Untergrundbahnen in offener Baugrube die
Schwierigkeit, die anliegenden Häuser vor Schäden zu bewahren. Diese werden meist
durch Fundamentsackungen verursacht, die sich alsdann durch Risse in den Wänden
bemerkbar machen. Deshalb kommt es darauf an, selbst die geringsten Erdbewegungen zu
vermeiden und den Spannungszustand der Erde, der ohnehin durch die meist
erforderliche Grundwasserabsenkung beeinflußt wird, niemals plötzlich zu ändern.
Bei der üblichen Bauweise wird die ganze Baugrube auf einmal ausgehoben. Sobald der
Tunnelkörper aber in großer Breite und Tiefe eingebaut werden soll und ganz nahe an
die Häuser heranrückt, bereitet diese Ausführung Schwierigkeiten. Man muß dann auf
die Elastizität der Baugrubenwand und des Absteifungsmaterials Rücksicht nehmen.
Um eine Deformation der Baugrubenwand zu vermeiden, muß man die als Rammträger
benutzten Doppel-I-Träger und die zwischen ihnen fest
eingekeilten hölzernen Bohlen zweckentsprechend anordnen und in ihrer Stärke
reichlich bemessen. Eine zwar kostspieligere, aber in statischer Hinsicht bedeutend
günstigere Baugrubeneinfassung bildet eine eiserne Spundwand, z.B. aus
Larssen-Bohlen, deren Querschnitt ein großes Trägheitsmoment hat, und deren Stärke
dabei so gering ist, daß sie bei dem Rammen leicht in die Erde eindringen, ohne daß
sie erhebliche Erschütterungen veranlassen. Außerdem hat die Larssenwand den
Vorteil, daß sie dicht an dem abzufangenden Erdreich anliegt und dadurch eine
Erdbewegung verhütet, während man bei den wagerecht zwischen den Rammträgern
liegenden Holzbohlen, die erst mit fortschreitendem Erdaushub nach und nach
eingebracht werden können, nicht mit einem festen Anliegen rechnen kann, da wohl
meist mehr Erde entfernt wird, als es für das Einbringen der Bohlen erforderlich
ist; bei ihnen muß man- sich durch nachträgliches Hinterstopfen mit Erde behelfen,
nachdem man durch Beklopfen festgestellt hat, daß die Bohle noch etwas hohl
anliegt.
Die Wirkung der Elastizität der Absteifungskonstruktion läßt sich nur durch einen
zweckmäßigen Bauvorgang ausschalten, ist die Baugrube breiter als 15 bis 20 m, so kann man nur in
ihrem oberen Teile, wo der Erddruck noch gering ist, von Außenwand zu Außenwand
reichende Steifen einbauen, die man in der in Abb. 1
angedeuteten Weise stoßen wird. In dem tiefer gelegenen Teile der Baugrube, wo man
es mit größerem Erddrucke zu tun hat, muß man von einer solchen Anordnung absehen,
wenn man nicht die anliegenden Häuser gefährden will: die Steifen würden infolge des
hohen Druckes in Richtung ihrer Längsachse erheblich zusammengepreßt werden und auch
eine Durchbiegung erleiden. Ein geringes Zusammendrücken der Absteifungskonstruktion
würde aber schon genügen, um die Verschiebung des unteren Teiles der Baugrubenwand
herbeizuführen, und ein Nachrutschen der Erde wäre die unmittelbare Folge. Dazu
kommt, daß der Erddruck durch den Häuserdruck noch verstärkt wird und zwar wird dies
um so mehr geschehen, je näher die Häuser der Baugrube stehen, je größer ihre Last
ist, und vor allem je weniger tief sie fundiert sind; denn die Wirksamkeit des
Hausdruckes beginnt von Unterkante Hausfundament an. Von den Verfahren, die man zur
Verhütung von Häuserrissen angewandt hat, sind die von besonderem Interesse, die
neuerdings von der Gesellschaft für den Bau von
Untergrundbahnen ausgeführt wurden.
Textabbildung Bd. 328, S. 84
Abb. 1.Bauzustand vor Aushub des mittleren Kernes.
a – Rammträger. b = Rundholzstütze
zum Tragen der Fahrdammkonstruktion. c = Dichtungsschicht aus Asphaltfilzpappe,
d = Deckenträger, e = Brunnenrohr für die Wassersenkungsanlage durch Rohr r mit
einer Kreiselpumpe verbunden, f = Theoretisch ermittelte Gleitlinie.
Man hob den Boden auf die ganze Baugrubenbreite bis zu einer ungefährlichen Tiefe,
etwa bis auf den Grundwasserstand aus. Darauf wurden unter dem Schütze einer
Grundwasserabsenkungsanlage zu beiden Seiten schlitzartige, rechteckige Baugruben
ausgeschachtet, wobei die inneren Baugrubenwände nicht mehr so hoch zu sein
brauchten. Solche schmalen Gruben können sicherer abgesteift werden und eine
Deformation infolge Zusammenpressung der Steifen kommt nicht zur Geltung. In diesen
Schlitzen wurden die Tunnelseitenwände aus Eisenbeton ausgeführt, die nun wie
Futtermauern gegen das Erdreich wirkten. Obenauf verlegte man die endgültigen
Deckenträger und betonierte sie an den Enden ein; dadurch war eine vorzügliche
Aussteifung der Baugrubenwände erzielt. Nach Aushub des mittleren Erdkernes bestand
noch die Gefahr des Ausrutschens des Tunnelwandkörpers auf der schlüpfrigen
Dichtungsschicht, einer geteerten Asphaltfilzpappe, die den Tunnel vollkommen
wasserdicht halten soll Diese Gefahr wurde durch geschickte Einfügung der in Abb. 1 mit 5 bezeichneten Steife beseitigt. Alsdann
konnte der Sohlenkörper einbetoniert werden.
Textabbildung Bd. 328, S. 84
Abb. 2.Bauzustand nach Fertigstellung des mittleren Teiles.
d = Dichtungsschicht, r =
Rammträger, die gleichzeitig als Stützen für die Baugrubenabdeckung (a) dienen.
w = provisorische Wände
In einem anderen Verfahren wurde zuerst mit dem mittleren Teile des Tunnels begonnen.
Man stellte eine Baugrube her, deren Wände so weit von den Häusern entfernt waren,
daß die von Unterkante Hausfundament abgehenden Gleitflächen nicht in die Baugrube
fallen konnten. Somit hatte eine Bewegung der Erde über diesen Gleitflächen keinen
Einfluß auf das Hausfundament. In dieser auf die erforderliche Tiefe ausgehobenen
Baugrube wurden nun provisorische Wände aus Sparbeton nebst dem zwischenliegenden
Sohlenstücke aus Eisenbeton und der endgültigen Tunneldecke aufgeführt. Erst jetzt
wurde in den beiden seitlichen Schlitzen der Boden ausgehoben, indem die äußeren
Baugrubenwände gegen das ein starres Widerlager bildende Mittelstück abgesteift
werden konnten. Aus Abb. 2 ist ersichtlich, wie auch
hier wieder der Deckenträger zur Aussteifung der Baugrube benutzt wurde. Nach
Ausführung des seitlichen Tunnelkörpers wurden die provisorischen Zwischenwände
entfernt.
Um den Hausdruck vollends von der Baugrubenwand ernzuhalten, hat obengenannte
Gesellschaft ein drittes Verfahren versucht. Dieses Verfahren beruht darauf, die
Baugrubenwand auf der dem Erdreich zugekehrten Seite durch eine künstliche
Bodenversteinerung zu verstärken, und ist nur möglich, wenn die natürliche
Bodenbeschaffenheit an der betreffenden Stelle sandig ist. Mittels Tellerbohrers
bohrte man mehrere Reihen nebeneinander liegender Löcher, indem man bei jedesmaligem
Herausdrehen des Bohrers in das Loch Zementmilch hineinpreßte. Der Zement erhärtete
dann mit dem Sandboden zu einem festen Betonkörper. Auf diese Weise erhielt man eine
Betonmauer, ohne daß vorher irgend ein Bodenaushub stattfand.