Titel: | Untersuchung einer zwangläufigen Dampfmaschinensteuerung auf Massendrücke. |
Autor: | Otto Kölsch |
Fundstelle: | Band 328, Jahrgang 1913, S. 88 |
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Untersuchung einer zwangläufigen
Dampfmaschinensteuerung auf Massendrücke.
Von Dr.-Ing. Otto Kölsch in
Nürnberg.
(Fortsetzung von S. 67 d. Bd.)
KOELSCH: Untersuchung einer zwangläufigen Dampfmaschinensteuerung
auf Massendrücke.
Nachdem nun die Beschleunigungen bekannt sind, lassen sich die Massenkräfte
ermitteln, welche von den einzelnen Stangen herrühren, sowie von besonderen Massen
(z.B. Schiebermassen), welche an einzelnen Gelenkpunkten angreifen. Es gilt hierbei
für Massen, die in einem Punkt vereinigt sind, die dynamische Grundgleichung:
Kraft = Masse ∙ Beschleunigung, K = M ∙ b.
Textabbildung Bd. 328, S. 88
Die Massenkräfte der Stangen ermitteln sich auf etwas andere Weise. Nehmen wir z.B.
die Stange 1 in Abb. 3a
(S. 66) und setzen voraus, daß die Masse M1 der Stange sich gleichmäßig über die ganze Länge
1A verteilt. Dann ergibt sich die resultierende
Massenkraft der Stange 1, wenn die Beschleunigung ihres
Endpunktes A die Größe bA aufweist, zu:
K_1=\frac{M_1}{2}\,.\,b_A.
Der Angriffspunkt von K1
liegt auf der Achse der Stange 1 und zwar um die
Strecke \frac{l\,A}{3} von A
entfernt. Die Richtung von K1 ist parallel der Richtung von bA, der Richtungssinn entgegengesetzt dem
Pfeil von bA (siehe
Abb. 3a, S. 66). Sobald die Auflagerbedingungen
in A bekannt sind, läßt sich die Kraft K1 nach den Regeln der
Statik zerlegen in eine Komponente, die. durch den festen Punkt I geht und eine Komponente durch A. Letztere hat ein Moment, bezogen auf Punkt I, zur Folge.
Sind beide Endpunkte einer Stange Beschleunigungen
unterworfen, wie z.B. bei Stange 2, dann sind in gleicher Weise wie oben völlig
unabhängig voneinander zwei Kräfte K zu ermitteln, die sich zu einer Resultierenden
zusammensetzen lassen, deren Komponenten durch die einzelnen Gelenke nach den festen
Punkten des Getriebes übertragen werden.Ausführliches hierüber siehe Tolle, Die
Regelung der Kraftmaschinen S. 38 u. f.; Christmann
& Baer, Grundz. der Kin. S. 109 u. f.
Nach diesen Bemerkungen kehren wir zur Frikart-Steuerung zurück. In Abb. 4 ist ein Schema
des Getriebes aufgezeichnet, welches zur Steuerung des Hochdruckzylinders einer
liegenden 1000 PS-Dampfmaschine dient (s. Abb. 1).
Sein kinematischer Zusammenhang ist sehr einfach. Es läßt sich nämlich in eine Reihe
von hintereinandergeschalteten Vierzylinderketten zerlegen, deren feste Drehpunkte
mit römischen Ziffern und deren bewegliche Gelenkpunkte mit großen lateinischen
Buchstaben bezeichnet sind.
Die erste Kette besteht aus den drei Stangen 4a, 4 und
3' wobei die unendlich lange Stange 4a die Geradführung des Punktes A ersetzt. Sodann folgt die Vierzylinderkette 3' bzw. 3, 2 und 1. Der Punkt E der geknickten Stange 2, 2' macht eine zwangläufige Bewegung: ich kann
deshalb annehmen, daß er in jeder Stellung des Getriebes mit dem
Krümmungsmittelpunkt VI seiner Bahn starr verbunden
ist. Dann folgt die nächste Kette mit den Stangen 6 a,
6 und 5. An sie schließt sich \overline{5,5'}, 8 und 9 an. Die
Geradführungen von H und K. sind durch die unendlich langen Stangen 9
und 11 ersetzt.
Der Punkt J führt eine zwangläufige Bewegung um den
Krümmungsmittelpunkt VII seiner Bahn aus; wir erhalten
somit als letzte Vierzylinderkette das Getriebe 8a. 10
und 11.
Zu bemerken ist noch, daß der Punkt III, der sich nur
bei Füllungsänderungen um IV dreht, in unserm Falle als
fester Punkt anzusehen ist; denn seine Bewegungsmöglichkeit ist als aufgehoben
anzusehen, sobald der Regulator keine Ursache hat, die Füllung zu ändern.
Die Bewegung, welche in diese Schar von Einzel-getrieben in Abb. 4 eingeleitet
wird, geht vom Exzenter 1 aus. Wir können mit
genügender Genauigkeit annehmen, daß die Drehung des Exzenters eine gleichförmige
sei, daß also ω = konstant und ε1 = 0 ist, und sind nun in der Lage,
die Geschwindigkeiten und Beschleunigungen sämtlicher Punkte des Getriebes nach den
oben angegebenen Regeln zu bestimmen.
1. Geschwindigkeiten.
Das Steuerungsgetriebe, welches in Abb. 5 maßstäblich und
für eine Füllung von 20 v. H. gezeichnet ist, gehört zu der von E. Frikart gebauten und in D. p. J. 1911 S. 593 u. f. schon
erwähnten, liegenden Tandemdampfmaschine. Die Drehzahl der Maschine beträgt n = 125 i. d. Min., so daß die Steuerung mit
\frac{n}{2}=62\,1/2 Umdrehungen umläuft. Wir erhalten hiermit
die Geschwindigkeit des Exzentermittelpunktes D zu vD
= ID ∙ ω1,
\frac{\pi\,.\,\frac{n}{2}}{30}=0,36 m/Sek.
Von VD ausgehend lassen
sich nach den obigen Betrachtungen die Geschwindigkeiten aller übrigen Gelenkpunkte
so bestimmen, wie es in Abb.
5 ausgeführt ist.Da es bei der
umfangreichen Abbildung nicht möglich war, die Bedeutung der einzelnen
Seiten der Geschwindigkeitsdreiecke einzuschreiben, wurden als Bezeichnungen
die klein gedruckten Symbole 1, 2 usw. gewählt, welche unter der Abb. 5 erklärt
sind. In ähnlicher Weise wird später bei den Beschleunigungen die Frage der
Bezeichnung gelöst werden.
Die Abbildung, welche für die in den folgenden Diagrammen mit 1 bezeichnete Stellung des Exzenters durchgeführt ist,
spricht im übrigen für sich selbst, wenn man die an den einzelnen Gelenkpunkten
eingezeichneten Geschwindigkeitsdreiecke näher ins Auge faßt.
Textabbildung Bd. 328, S. 89
Abb. 6.Geschwindigkeiten der Gelenkpunkte „A–K“, aufgetragen als
Punktion der Zeit.
Es ist mitunter recht unbequem, die Geschwindigkeitsdreiecke an den einzelnen, weit
voneinander entfernt liegenden Gelenkpunkten aufzuzeichnen. Daher erscheint es als
durchaus praktisch, alle Dreiecke um einen Pol P
zu gruppieren. Sobald wir die mit 1 bezeichnete
Größe VD an P angetragen haben (s. Abb. 5a), brauchen wir
fast rein mechanisch nur noch Linien zu ziehen, welche teils zu den einzelnen
Stangen parallel verlaufen, teils senkrecht auf ihnen stehen, um sehr rasch,
übersichtlich und handlich den ganzen Geschwindigkeitsplan für die betreffende
Stellung des Getriebes zu erhalten. Beide Arten des Aufzeichnens sind in Abb. 5 und 5a zu finden, und die
Geschwindigkeitsdreiecke lassen sich zweimal darin verfolgen.
Genau die gleiche Konstruktion, welche in Abb. 5 für die Stellung
1 des Exzenters ersichtlich ist, wurde für alle 14
Punkte des Exzenterkreises (0 bis 12 sowie t1 und t2) durchgeführt. In Abb. 6 sind die Ergebnisse der
Geschwindigkeitsbestimmung zeichnerisch aufgetragen, und zwar für jeden Gelenkpunkt
in einem eigenen Diagramm. Auf den Abszissenachsen wurden die einzelnen
Stellungsnummern – 0 bis 12 – des Getriebes aufgetragen, und zwar nicht dem Wege, sondern der Zeit
nach, damit alle Diagramme in gleicher Länge erscheinen. Ueber diesen Abszissen sind
die Absolutwerte der Geschwindigkeiten aufgetragen.
Die Geschwindigkeit von D ist der Voraussetzung nach
konstant. Die Geschwindigkeitskurven der Punkte, A, B
und C sind einander ähnlich; sie zeigen zwei Maxima und
kehren zweimal auf den Wert Null zurück. Aehnlich verhält es sich mit den
Geschwindigkeiten der Punkte F, G, H, J und K. Die Geschwindigkeitsschwankungen des Gelenkpunktes
E sind gering.
Im allgemeinen läßt sich aussprechen, daß sich die Geschwindigkeiten in sehr mäßigen
Grenzen bewegen. Den Größtwert erreichen die Punkte J
und K mit v = etwa 0,85
m/Sek.
(Fortsetzung folgt.)