Titel: | Untersuchung einer zwangläufigen Dampfmaschinensteuerung auf Massendrücke. |
Autor: | Otto Kölsch |
Fundstelle: | Band 328, Jahrgang 1913, S. 136 |
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Untersuchung einer zwangläufigen
Dampfmaschinensteuerung auf Massendrücke.
Von Dr.-Ing. Otto Kölsch in
Nürnberg.
(Schluß von S. 121 d. Bd.)
KOELSCH: Untersuchung einer zwangläufigen Dampfmaschinensteuerung
auf Massendrücke.
Tragen wir diese Momente als Funktion der Zeit auf, so erhalten wir die in Abb. 11 eingezeichnete, stark ausgezogene Kurve,
welche einen Größtwert von + 6 cmkg, einen Kleinstwert von – 76 cmkg, also einen
Gesamtausschlag von 138 cmkg erreicht. Es erübrigt sich nur noch, diese Kurve
harmonisch zu analysieren, um festzustellen, von welcher Größe und Wechselzahl die
übereinander gelagerten Grundschwingungen sind, und um einen Fingerzeig für die
Gefahr der Resonanz zu gewinnen. Jede Kurve läßt sich analytisch in der Form
schreiben:
Y = A0
+ AI ∙ sin (φ1 + α) +
AII∙ sin (φn + 2α) +
+ AIII ∙ sin (φm + 3α) + . . .
Die Konstanten A sowie die Phasenverschiebungswinkel φ ermitteln wir mit Hilfe eines Meßgerätes, des
Analysators von O. Mader (s. E. T. Z. 1909, S. 999) oder,
wenn dieser nicht zur Verfügung steht, rechnerisch nach dem von Runge in der E. T. Z. 1905, S. 247 beschriebenen
Verfahren.
In Abb. 11 stellt 1 mm der Ordinate 1 cmkg dar.
Drücken wir die Schwingungsausschläge in mm aus, dann erhalten wir nach den obigen
Methoden:
A0= – 0,9 mm,
A1 = 10,4
mm,
AII = 64,5
mm,
AIII= 9,7
mm,
AIV = 11,6
mm,
AV = 3,3
mm.
und
φ1 = 67°
10',
φII = 190°
30',
φIII = 55°
30',
φIV = 70°
45',
φV =324°
15'.
Setzen wir diese Werte in die Gleichung ein, so folgt
Y= – 0,9 + 10,4 sin (α + 67° 10') +
+ 64,5 sin (2 α + 190° 30') + 9,7
sin (3 α + 55° 30') +
+ 1 1,6 sin (4 α + 70° 45') + . . .
Die nächsten Glieder werden derart klein, daß sie für die Genauigkeit, welche wir
hier anstreben, nicht mehr in Betracht kommen. Die Schwingungen I bis IV sind in Abb. 11 eingezeichnet, Wir erkennen, daß die
Schwingung II die bei weitem vorherrschende ist,
während I, III, IV usw. ganz zurücktreten. Eine
Resonanzgefahr liegt also nur dann vor, wenn die oben bezeichnete
Eigenschwingungszahl des Reglers gleich der doppelten Drehzahl der Steuerwelle, d.
i. gleich der Drehzahl der Dampfmaschine oder gleich einem ganzen Vielfachen dieser
Drehzahl ist.
Zugleich mit diesem Ergebnis erhalten wir die weiter oben schon erwähnte Kenntnis von
der größten Massenrückwirkung der Steuerung auf den Regler, welche – als Moment an
der Regulierwelle ausgedrückt – zwischen + 62 und – 76 cmkg schwankt. Wir sind
hiermit in die Lage gesetzt, ohne erst im Ungewissen tasten zu müssen, jenen Regler
auszuwählen, welcher für unsere Steuerung paßt.
Ueberblicken wir die ganzen Ergebnisse der Untersuchung, so kommen wir zur
Erkenntnis, daß die Gelenkdrücke in der Frikart-Steuerung
sehr klein sind und daß die Massenrückdrücke der Steuerung auf den Regler weit entfernt von
der Größe jener Kräfte sind, welche bei den Dampfmaschinen mit Nockensteuerung
aufzutreten pflegen.
Fernerhin können wir davon absehen, die Steuerung für einen anderen Füllungsgrad als
den der Betrachtung zugrunde gelegten (20 v. H.) zu untersuchen. Die Abweichungen
der zu erwartenden Zapfendrücke und der Steuerungsrückdrücke von unseren
festgestellten Ergebnissen können nur ganz geringfügiger Natur sein.
Textabbildung Bd. 328, S. 137
Abb. 11.Momente an der Regulierwelle.
Um von dieser Maschine auch auf ähnlich liegende Verhältnisse anderer Maschinen mit
Frikart-Steuerung schließen zu können, brauchen wir
uns nur die Formel für die Massenkraft bei beliebiger Bewegung, d. i. die dynamische
Grundgleichung, vor Augen zu halten. Sie lautet: Kraft = Masse ∙ Beschleunigung oder
P = m ∙ b.
Nun ändern sich bei unserem Getriebe die Beschleunigungen aller Gelenkpunkte genau im
gleichen Verhältnis wie sich die Beschleunigung des Exzentermittelpunktes ändert.
Steigt letztere auf das Doppelte, so verdoppeln sich auch die Beschleunigungen aller
Getriebepunkte. Für den Exzentermittelpunkt fanden wir
b=\frac{v^2}{r}=r\,\omega^2, wenn r den Exzenterradius und ω die
Winkelgeschwindigkeit des Exzenters bedeutet, Vergrößern wir r auf r1 und
ω auf ω1, so lautet die neue Beschleunigung: b1 = r1 ∙ ω21 und das Verhältnis b1/b2 wird:
\frac{b_1}{b}=\frac{r_1}{r}\,.\,\left(\frac{\omega_1}{\omega}\right)^2.
Steigern wir zudem noch die Masse vom Betrage m auf
m1, so erhalten wir
für die neue Massenkraft P1:
P_1=\frac{m_1}{m}\,.\,\frac{r_1}{r}\,.\,\left(\frac{\omega_1}{\omega}\right)^2\,.\,P.
D.h. die neue Massenkraft ändert sich linear mit der Masse und
mit dem Exzenterradius, sie steigt quadratisch mit der Vergrößerung der
Winkelgeschwindigkeit bzw. der Drehzahl der Maschine.
Wir brauchen nur nach diesen Regeln die in vorstehenden Tabellen und Diagrammen
zusammengestellten Ergebnisse zu ändern, um neuen Verhältnissen gerecht zu
werden.
Zusammenfassung.
Die langsamlaufende zwangläufige Frikart-Steuerung, welche
auf einem neuen Steuerprinzip beruht (siehe D. p. J. 1911, S. 593), wird auf ihre
Massenkräfte und Regulatordrücke untersucht, um Anhaltspunkte
1. für die Dimensionierung der Zapfen,
2. für die Größe des zu wählenden Reglers und
3. für die etwaige Gefahr einer Resonanz der
Reglereigenschwingungen mit den von den Massenwirkungen des Steuerungsgetriebes
herrührenden Kraftstößen
zu gewinnen.
Die graphodynamische Untersuchung führt zu dem Ergebnis, daß die Zapfen nur geringen
Drücken ausgesetzt sind; sie erreichen einen Größtwert von 108 kg. In der Steuerung
des vorliegenden Hochdruckzylinders von 600 mm Bohrung, zu einer Tandemmaschine
gehörend, welche bei 1200 mm Hub und 125 minutlichen Umdrehungen 1000 PSe leistet, schwanken die Rückdruckmomente an der
Regulierwelle, bei der Normalfüllung der Steuerung von 20 v. H., zwischen + 62 cmkg
und – 76 cmkg.
Als Endergebnis wurde die Veränderlichkeit dieses Momentes gewonnen, dargestellt als
Funktion der Zeit. Aus dieser Kurve läßt sich durch harmonische Analyse ableiten,
daß Resonanz nur dann zu befürchten ist, wenn die Eigenschwingungszahl des „in
die Maschine eingebauten“ Reglers gleich der Drehzahl der Maschine oder
einem ganzen Vielfachen dieser Drehzahl gleich ist.
Das hier wiedergegebene Verfahren läßt sich bei allen zwangläufigen Steuerungen
anwenden, deren Getriebe aus einer beliebigen Anzahl aneinander gereihter
Vierzylinderketten besteht.