Titel: | Die augenblickliche Verbreitung der Dampfüberhitzung und ihrer Anwendungsformen. |
Autor: | Berner |
Fundstelle: | Band 328, Jahrgang 1913, S. 229 |
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Die augenblickliche Verbreitung der
Dampfüberhitzung und ihrer Anwendungsformen.
Von Dr. Ing. Berner, Oberingenieur des
Magdeburger Vereins für
Dampfkesselbetrieb.
(Schluß von S 214 d. Bd)
BERNER: Die augenblickliche Verbreitung der Dampfüberhitzung
usw.
NusseltZ. d.
V. d. I. 1910, S. 1154. hat vor einigen Jahren theoretisch
nachgewiesen, daß die Wärmeübergangszahl beim Uebergang der Wärme von der Rohrwand
zu einer durch das Rohr strömenden (tropfbaren oder gasförmigen) Flüssigkeit von der
Rohrlänge abhängt und führt darauf die großen Abweichungen der Versuchsergebnisse
der verschiedenen Forscher zurück. Diese Abhängigkeit ist in der technischen Praxis
längst bekannt gewesen und folgt notwendig aus der starken Abhängigkeit der
Wärmeübergangszahlen von der Temperatur und Gasgeschwindigkeit, da ja längs der
Heizfläche diese Größen durch den Wärmeübergang sich ständig ändern. So lange man
nicht über die zahlenmäßige Abhängigkeit des Wärme durch
gangs und zwar des gesamten zusammengesetzten Durchgangs – es sei hier an die
Versuche von GröberZ. d.
V. d. I. 1912, S. 421. erinnert, die wieder nur einen Teil des
gesamten Wärmedurchgangs, nämlich den Uebergang von der Wand zur Luft bis 300 °C
berücksichtigen – von Temperatur und Geschwindigkeit genau unterrichtet ist, können
Vergleichsversuche zur Beurteilung der Wärmeleistungen verschiedener Ueberhitzer nur
unter genau den gleichen Verhältnissen, wozu sogar die Größe der Heizfläche gehört,
zuverlässig und einwandfrei durchgeführt werden.
Nach allen bisherigen Erfahrungen ist es sehr wahrscheinlich, daß beim Ueberhitzer
die Temperatur und Geschwindigkeit der Heizgase die Wärmedurchgangszahl weitaus am
stärksten beeinflußt und daß alle übrigen Einflüsse so stark zurücktreten, daß die
angebliche Wirksamkeit von Sonderbauarten zu dem durch sie bedingten Mehrpreis in
der Regel in keinem Verhältnis steht.
Die Bemessung der Ueberhitzerheizfläche ist bis heute vollständig Erfahrungssache.
Die großen Unterschiede in den Ueberhitzerheizflächen, auf die man für gleiche
Leistungen unter den verschiedenen Einbauverhältnissen stößt, weisen alle auf den
großen Einfluß der Heizgastemperatur hin. Beim Wasserrohrkessel, wo man dem
Ueberhitzer meist ganz nach Belieben einen mehr oder weniger großen Teil der
Kesselheizfläche vorschalten kann – man findet Unterschiede von 30 bis 55 v. H. der
ganzen Kesselheizfläche – betragen die Ueberhitzerheizflächen für gleiche Leistung
bei gleichen Kohlen erfahrungsgemäß zwischen 15 bis 50 v. H. der
Kesselheizfläche. Solche Unterschiede können durch keine Sonderbauart erzielt
werden, was wiederum beweist, daß ihr praktischer Wert nicht besonders hoch
einzuschätzen ist.
Nach den bisherigen Erfahrungen sind die baulichen Maßnahmen zur dauer den Erhaltung der Wirksamkeit und zur Erzielung möglichst hoher
Betriebssicherheit und Lebensdauer wesentlich wichtiger. Sie erstrecken
sich nicht bloß auf den Ueberhitzer, sondern auch auf den Einbau in die
Kesselzüge.
Bei den Ueberhitzern mit Parallelschaltung der Rohre sollen die einzelnen parallelen
Dampfwege möglichst gleich groß und die Geschwindigkeiten nicht zu klein sein.
Ungleichmäßig durchströmte Ueberhitzer mit kleinen Dampfgeschwindigkeiten neigen am
meisten zum Verstopfen und Durchbrennen, namentlich wenn es sich um Ueberhitzer mit
hängenden U-Röhren handelt, die nicht vollständig entwässert werden können.
Für den Einbau der Ueberhitzer in die Züge haben sich
entsprechend der Kesselbauart ganz bestimmte Anordnungen herausgebildet. Weitaus die
meisten Ueberhitzer, ungefähr 70 v. H., liegen zwischen dem ersten und zweiten
Kesselzuge. Dabei werden sie aber je nach der Größe der Kesselheizfläche im ersten
Zuge ganz verschieden beansprucht (Wärmeleistungen von 3000 bis 10000 WE/qm und
Std.). Die Wahl der Beanspruchung wird man von verschiedenem abhängig machen: von
der Wasserbeschaffenheit, vom Grade der Betriebssicherheit oder Zugänglichkeit.
Außer hinter dem ersten Zuge wird heute eigentlich nur noch der Einbau ganz am Ende
der Heizfläche bzw. im letzten Zuge selbst angewendet. Die übrigen Einbauarten sind
Ausnahmen. Auch bei dieser Anordnung, die für Lokomobil-, Lokomotiv- und
Schiffskessel vorbildlich geworden ist, können Temperaturen bis 350 °C noch gut
erzeugt werden, und zwar mit gewöhnlichen sowohl wie mit den sogen.
Rauchröhrenüberhitzern, die in die erweiterten Rauchröhren eingebaut und demnach
ebenfalls beliebig hoch beansprucht werden können. In neuerer Zeit werden bisweilen
auch hinter anderen Kesseln Ueberhitzer für mittlere Dampftemperaturen zur
nachträglichen Ueberhitzung des Dampfes für Abdampfturbinen ähnlich wie Ekonomiser
eingebaut, was natürlich nur dann Vorteile bietet, wenn die durch die
Ueberhitzungswärme erzielte Leistungserhöhung der Turbine auch wirklich ausgenutzt
werden kann. Es ist zweifellos wirtschaftlicher, die Ueberhitzungswärme in solchen
Fällen durch eingebaute und nicht durch besonders geheizte Ueberhitzer zu
erzeugen.
Die Anordnung der Rohrheizfläche erfolgt weitaus am
häufigsten wagerecht (bei 86 v. H. aller Ueberhitzer). Es fällt aber auf, daß gerade
in den Verwendungsgebieten der Braunkohle die senkrechte Anordnung besonders häufig
ist (bis zu 42 v. H.). Es scheint also doch, daß für Kohlensorten mit viel Flugasche
die senkrechte Anordnung vorteilhafter ist. Häufig wird sie wohl deshalb gewählt,
weil sich mit ihr der Ueberhitzer leicht ausziehbar machen läßt und eine ganz
sorgfältige Reinigung von Flugasche eigentlich nur in ausgezogenem Zustande möglich
ist. Vollständig und leicht ausziehbar sind etwa 22 v. H. aller Ueberhitzer. Die
Zahl ist hauptsächlich durch die Lokomobilüberhitzer so hoch, an anderen Kesseln
sind kaum 10 v. H. ausziehbar. Es ist das ein Gesichtspunkt, der bei der bekannt
großen Verringerung des Wärmedurchgangs durch Ruß und Flugasche mehr Beachtung
verdient, als das heute geschieht, außerdem auch deshalb, weil ausziehbare
Ueberhitzer rasch und einfach, meist sogar in den Betriebspausen ausgebessert werden
können.
Die Dampfkammern liegen etwa gerade so häufig außerhalb
wie innerhalb des Mauerwerks. Außerhalb sind sie zwar gut zugänglich, verlangen aber
zur Vermeidung von Wärmeverlusten eine sorgfältige Umhüllung, die nicht immer ganz
einfach anzubringen ist und mit Rücksicht auf die Zugänglichkeit der
Dichtungsstellen häufig überhaupt ganz weggelassen wird. Außerdem ist es schwierig,
das Mauerwerk an den Durchdringungsstellen der Rohre dauernd dicht zu halten,
namentlich wenn die Ueberhitzer bei täglicher Betriebsunterbrechung an diesen
Stellen fortwährend arbeiten. Da die Dichtungsstellen der Rohre mit den
Dampfkammern, auch wenn die letzteren innerhalb des Mauerwerks liegen, der
unmittelbaren Einwirkung der Rauchgase gut entzogen werden können, so bietet das
Verlegen der Dampfkammern innerhalb des Mauerwerks hinsichtlich Wärmeverluste und
Dichtheit des Mauerwerks unleugbare Vorteile.
In kaltem Zustand lassen sich die meisten Ueberhitzer vollständig entwässern. Es gibt aber doch sehr viele Ueberhitzer, etwa 28
v. H., die nur unter Dampf ausgeblasen werden können. Bei sorgfältiger Bedienung
genügt diese Einrichtung vollständig. Es ist wichtig, auf diese Erfahrung
hinzuweisen, weil gerade diese aus hängenden U- oder spiralförmigen Rohren
bestehenden Ueberhitzer besonders leicht ausziehbar sind.
Aus dem Gasstrom ausschaltbar sind über 70 v. H. aller Ueberhitzer. Davon ist wieder
die größere Mehrzahl vollständig ausschaltbar, so daß die
Gase überhaupt nicht in die Ueberhitzerkammern gelangen können. Zum Ausschalten
fanden ursprünglich nur Drehklappen Verwendung, neuerdings werden senkrecht
angeordnete Schieber bevorzugt. Die Erfahrungen mit diesen
Abschlußvorrichtungen sind in fast allen Fällen recht ungünstige. In sehr hohen
Heizgastemperaturen sollte man möglichst ohne Abschlußvorrichtungen auszukommen
suchen; im übrigen scheinen sich senkrecht-bewegliche Chamotteschieber am besten zu
bewähren. Für die Schonung des Ueberhitzers oder die Regulierung der Dampftemperatur
ist es im allgemeinen weder notwendig, daß zwei Vorrichtungen vorhanden sind, noch
brauchen sie sorgfältig abzuschließen, also im Falle unbedingter Notwendigkeit:
möglichst nur eine Vorrichtung (Chamotteschieber, und diese mit großem
Spielraum.
Zur Veränderung der Dampftemperatur gibt es noch andere
Hilfsmittel: das Mischen mit Sattdampf oder das Durchleiten des überhitzten Dampfes
durch den Wasser- oder Dampfraum des Kessels. Das erste Mittel ist bei den meisten
Ueberhitzeranlagen schon deshalb anwendbar, weil man für Betriebsstörungen am
Ueberhitzer fast stets eine unmittelbare Verbindung der Heißdampfleitung mit dem
Kessel vorsieht. Es sind eigentlich nur die Lokomobilüberhitzer, die in der Regel
gar keine Einrichtung zur Veränderung der Dampftemperatur besitzen und bei denen sie
auch ganz zwecklos ist. Das Mischen mit Sattdampf hat den großen Nachteil, daß
gerade dann, wenn der Ueberhitzer überanstrengt ist, durch das Wegnehmen von Dampf
noch höhere Wandtemperaturen entstehen. Wenn auch sonst gegen das Mischen keine
Bedenken bestehen, so darf es bei an sich überanstrengten Ueberhitzern zur
Vermeidung von Schädigungen doch nur als Aushilfsmittel vorübergehend zur Anwendung
kommen. Das eigentlich schon alte, neuerdings aber vielfach verwendete Mittel der
Abkühlung des Heißdampfns in einer Rohrschlange im Wasser- oder Dampfraum des
Kessels stellt in vielen Fällen die beste Regelung dar und kann besonders dann mit
Nutzen Verwendung finden, wenn dem gleichen Kessel hochüberhitzter Maschinendampf
und mäßig überhitzter Kochdampf entnommen werden und dabei die gesamte Dampfmenge
zur Erzielung größerer Wärmeausnutzung durch den Ueberhitzer geleitet werden soll.
Der für elektrische Zentralen wichtige Fall der Erzeugung konstanter Dampftemperatur
bei stark wechselnder Kesselbeanspruchung ist bis heute nicht befriedigend gelöst.
Eine wirtschaftlich und für die Schonung des Ueberhitzers gleich wertvolle Lösung
erscheint nur durch Wassereinspritzung möglich, wobei allerdings nur sehr reines
Wasser, was ja in Turbinenzentralen zur Verfügung steht, in äußerst feiner
Verteilung Verwendung finden dürfte.
Ueber die Verbreitung der Lokomotiv– und
Schiffskessel-Ueberhitzer ist kurz folgendes zu sagen.
Die Anwendung der Dampfüberhitzung im Lokomotivbetriebe hat verhältnismäßig früh
begonnen und ist heute hinter ortfesten Anlagen kaum zurückgeblieben. Beispielsweise
sind zurzeit im Bereiche der Preußisch-Hessischen Staatseisenbahnen, die von allen
Staatsbahnverwaltungen die größte Zahl von Heißdampflokomotiven im Betriebe haben,
15,5 v. H. aller Lokomotiven mit Ueberhitzern ausgerüstet, und zwar 25,3 v. H. Schnell- und
Personenzuglokomotiven, 11,4 v. H. Güterzuglokomotiven und 12,2 v. H.
Tenderlokomotiven.
Diese Zahlen sind aber stark im Wachsen begriffen, nachdem augenblicklich etwa 80 v.
H. aller Lokomotiven mit Ueberhitzern ausgerüstet werden. Der Bauart nach sind es in
der großen Mehrzahl RauchröhrenüberhitzerBauart
Schmidt.. Die durchschnittliche Heizfläche des Ueberhitzers
beträgt bei den Schnell-, Personen- und Güterzuglokomotiven rund 46 qm, bei den
Tenderlokomotiven rund 35 qm.
Nächst Deutschland laufen wohl in den Vereinigten Staaten von Nordamerika und dann in
Frankreich die meisten Heißdampflokomotiven.
Gegenüber den Lokomotiven sind die Schiffskessel noch sehr im Rückstand. Während
in der ganzen Welt heute vielleicht schätzungsweise 18000 Heißdampflokomotiven
laufen, wird es wohl kaum 1000 bis 1200 Schiffe geben, die mit Ueberhitzern
ausgerüstet sind, davon die Mehrzahl Seeschiffe. Kriegsschiffe sind bis jetzt nur
äußerst selten mit Ueberhitzern ausgerüstet worden, und zwar in der Regel dann mit
besonders gefeuerten Ueberhitzern. Auch bei Schiffen überwiegt in der Bauart weitaus
der Rauchröhrenüberhitzer. Die durchschnittliche Größe der Ueberhitzerheizfläche ist
größer als bei Lokomotiven und beträgt etwas über 100 qm. Es ist aber sicher, daß
auch der Schiffskessel in nächster Zeit in steigendem Maße mit Ueberhitzern
ausgerüstet wird, schon deshalb, weil das Aufkommen der Schiffsölmaschine zu
äußerster Wirtschaftlichkeit zwingt.