Titel: | Zuschriften an die Redaktion. |
Fundstelle: | Band 328, Jahrgang 1913, S. 270 |
Download: | XML |
Zuschriften an die Redaktion.
(Ohne Verantwortung der Redaktion)
Zuschriften an die Redaktion.
1. Da in D. p. J. Heft 10 d. J. die Richtigkeit des Aufsatzes von Rikli in der Zeitschrift des Vereines deutscher
Ingenieure 1911 anerkannt wird, so möchte ich in meiner Erwiderung von der dort
beschriebenen Anordnung ausgehen.
Es sei in der Anordnung in der Zeitschrift des Vereines deutscher Ingenieure 1911, S.
1436 (s. Abb.) der Motor auf eine konstante Umdrehungszahl gebracht bei einer
bestimmten Spannung der Feder. Die Umlaufzahl der großen Räder R1, R2 sei dabei n', die durch die Räder übertragene Leistung sei L und die vom Motor abgegebene Leistung, die gleich den zu deckenden
Verlusten ist, sei A. Denkt man sich jetzt das ganze
System mit Motor und Fundament um die Achse der großen Räder in umgekehrter Richtung
mit der Umlaufzahl n' in Drehung versetzt, so wird
damit an den Verhältnissen des Systems selbst nichts geändert. Man kann jetzt aber
das System auch als Planetensystem auffassen, bei dem die Zentralräder R1, R2 gleichen Durchmesser haben und beide
stillstehen. Denkt man sich R1 festgehalten und die Feder entfernt, so muß man an R2 ein Drehmoment
anbringen, wenn an den Verhältnissen nichts geändert werden soll.
Textabbildung Bd. 328, S. 270
Die Umdrehungszahl des Rades R2 ist n_{R_2}=0 (infolge
der vorliegenden Durchmesserverhältnisse), daher ist in diesem Falle auch die
abgegebene Leistung gleich 0. Unabhängig davon werden aber immer noch zwischen den
Rädern Leistungen übertragen, und es sind auch die Verluste zu decken. Die Räder
laufen also nicht leer, wie es bei oberflächlicher Beurteilung scheint.
Da die Umlaufzahl n' proportional der
„Abwälzungsgeschwindigkeit“ ist, so geht daraus hervor, daß die durch die
Verzahnung übertragenen Leistungen und ebenso die zu deckenden Verluste tatsächlich proportional dem
Zahndruck, hervorgerufen durch das Drehmoment, und proportional der Abwälzungsgeschwindigkeit sind.
Hierauf gründet sich die Berechnung in der WT. 23 von 1912, im besonderen auch der
erste Absatz der Folgerungen.
2. Von der Richtigkeit des Berechnungsverfahrens kann man sich auch überzeugen, wenn
man sich vergegenwärtigt, wodurch die Verluste bei einer Zahnradübertragung
hervorgerufen werden. Die Verluste bestehen aus der Reibungsarbeit, die abhängig ist
vom Zahndruck, dem Reibungskoeffizienten und der Gleitgeschwindigkeit der Zähne
aufeinander. Die Gleitgeschwindigkeit ist aber proportional der
„Abwälzungsgeschwindigkeit“ der Räder.
3. Umgekehrt treten überhaupt keine Verluste auf, wenn man ein Rad r1, das an einer Welle
exzentrisch starr befestigt ist, in ein Rad r2 eingreifen läßt, das auf einer zur ersten
gleichachsigen Welle konzentrisch aufgekeilt ist. Bei einer Leistungsübertragung von
der ersten auf die zweite Welle würden Verluste nicht auftreten, weil gar kein
Abwälzen stattfindet und infolgedessen keine Reibung entstehen kann. Die Verzahnung
ist dabei an der Leistungsübertragung ganz unbeteiligt, sondern überträgt lediglich
ein Drehmoment wie eine gewöhnliche Kupplung, obwohl ein Zahndruck und eine
Umfangsgeschwindigkeit vorliegen.
4. Zu dem zweiten und dritten Absatz der Zuschrift sei betont, daß das Rad d gegenüber c als das
antreibende anzusehen ist. Mithin werden auf das Rad c
von d 93,7 – 2,343 = 91,375 PS übertragen. Diese
Leistung geht von c unmittelbar auf b über. Da von b an a 96,4 PS übertragen werden, so muß der Verzahnung des
Rades b, abgesehen von den Verlusten, eine Leistung von
96,4 – 91,357 = 5,043 PS zugeführt werden. Dieser Betrag der Abwälzleistung wird vom
Rade e abgegeben bei einer relativen Umdrehungszahl neb = 2400 – 400 =
2000. Da e tatsächlich von außen mit n = 2400 minutl. Umdrehungen angetrieben wird, so muß
also, ausschließlich der Verluste, dem Rade e eine
Leistung von 5,043\,.\,\frac{2400}{2000}=6,05 PS mitgeteilt
werden. Das ist dieselbe Leistung, die durch die Welle B abgeführt wird. Den Fehler von 0,05 PS kann man wohl der Ungenauigkeit
des Rechenschiebers zuschreiben.
5. Das in der Zuschrift angeführte Beispiel von dem Güterzug wäre richtig, wenn
dieselbe Lokomotive vom vorderen Ende des Zuges, z.B. an einer Zahnstange, die
am Zuge angebracht ist, nach dem hinteren Ende klettern würde, unter dauernder
Aufrechterhaltung des Zahndrucks von 3000 kg in der Fahrtrichtung. Dann wäre
tatsächlich während der 1 Sek. eine Leistung von 8000 PS erforderlich, die an die
Zahnstange übertragen würden. Da bei diesem Vorgang sich die Räder der Lokomotive
rückwärts drehen würden, müßte bei abgesperrten Dampfwegen die Leistung von 8000 PS
vermindert um die normale Lokomotivleistung an den Rädern abgebremst werden. Bei der
umgekehrten Bewegung würde von den Laufrädern eine erhöhte Leistung abgegeben werden
und 8000 PS am Ritzel abgebremst.
6. Das angegebene Verfahren zur Bestimmung des Wirkungsgrades von Stirnrädern ist im
Grunde genommen mit dem von Rikli identisch. Es ist nur
der Unterschied, daß dort die Zahndrücke durch eine angespannte Feder hervorgerufen
werden und sich in den entgegengesetzten Richtungen auf zwei Räderpaare verteilen,
während sie hier durch von außen herangebrachten Lagerdruck entstehen, und zwar auf
beiden Flanken eines Zahnes bzw. einer Lücke. Hat man es nicht mit spielfreien
Rädern zu tun, so würde man auch zwei Räderpaare in Anwendung bringen. Zwei Räder
muß man dabei um den Betrag des Spiels gegeneinander versetzt aufkeilen.
7. Ich glaube, hiermit die Berechnung des Wirkungsgrades von Planetengetrieben
genügend erläutert zu haben, und möchte hier gleich bemerken, daß es auch
Umlaufrädersysteme gibt, die wesentlich günstiger arbeiten als das seinerzeit zur
Berechnung herangezogene. Für ein im Bau befindliches Getriebe für eine
Leistungsübertragung von 10 PS von 800 auf 8 minutl. Umdrehungen berechnet sich z.B.
der Wirkungsgrad auf 90 v. H. Darüber sollen später weitere Mitteilungen folgen.
Ulrich Wolfrom, Berlin.
––––––––––
Zu der vorstehenden Erwiderung schreibt Herr Speiser:
Die in dem ursprünglichen Aufsatz von Wolfrom aufgestellte
Behauptung, daß in den einzelnen Gliedern eines Mechanismus größere Leistungen
auftreten können, als durch den Antrieb hineingeschickt werden, wird in der
„Erwiderung“ von Wolfrom sowie in einer
weiteren Zuschrift von Melchior an die W. T. (Heft 6, S.
179) an mehreren Beispielen nachgewiesen. Da tatsächlich unter dem Produkt Kraft mal
Geschwindigkeit in jedem Falle eine Leistung zu verstehen ist, hat auch die Wolfromsche Definition der Leistung aus Zahndruck und
Abwälzgeschwindigkeit Berechtigung, so daß auch Inhalt und Folgerungen des
Originalaufsatzes richtig erscheinen müssen.
Ich bedaure, den Aufsatz von Wolfrom zunächst
mißverstanden zu haben, glaube aber, durch Anschneiden der Diskussion darüber zur
Klärung der Frage beigetragen zu haben.
Dipl.-Ing. Speiser.