Titel: | Ledertreibriemen und Riementriebe. |
Autor: | P. Stephan |
Fundstelle: | Band 328, Jahrgang 1913, S. 290 |
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Ledertreibriemen und Riementriebe.
Von Regierungsbaumeister P. Stephan in
Dortmund.
STEPHAN: Ledertreibriemen und Riementriebe.
Inhaltsübersicht.
Die vier Abschnitte der Arbeit enthalten die Gerbung und
Herrichtung des Treibriemenleders, seine wichtigsten physikalischen Eigenschaften
auf Grund neuer Versuche, die Fabrikation der Treibriemen, eine kritische Uebersicht
der über den Riementrieb angegebenen Hypothesen, die eine Mitwirkung des äußeren
Luftdruckes nachweist. Mitgeteilt wird schließlich eine Gleichung, die die
Berechnung eines Treibriemens bei gegebener Belastung gestattet.
––––––––––
Auf dem Gebiete der Kraftübertragung mittels Treibriemen sind in den letzten Jahren
erhebliche Fortschritte gemacht worden sowohl durch die allgemeinere Verwendung
eines speziellen hochwertigen Materials als auch infolgedessen durch Benutzung von
Geschwindigkeiten und Anspannungen des Riemens, die vorher nicht für möglich
gehalten wurden. So hat z.B. C. O. Gehrckens für das
Laboratorium für Gährungschemie in Berlin einen Ledertreibriemen geliefert, der mit
118,2 m/Sek. Geschwindigkeit eine Zentrifuge antreibt, während früher vielfach als
Höchstgeschwindigkeit etwa 30 m/Sek. angesehen wurden, – wenn auch schon Grashof dafür 50 m/Sek. angab – und bei einem
Probeversuch wurden bei 61,6 m/Sek. Geschwindigkeit 43,6 PS f. d. qcm Querschnitt
übertragen, so daß allein die Umfangskraft den Riemen mit 54,5 kg/qcm
beanspruchte.
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Abb. 1.
Auch die Kenntnis der wichtigsten mechanischen Verhältnisse beim Riementrieb hat
durch die Versuche von Skutsch und Kammerer und durch die angeregte Diskussion der letzteren
wesentliche Fortschritte gemacht, so daß es wohl zeitgemäß ist, eine
Zusammenstellung dessen zu bieten, was heute als feststehendes Ergebnis der
Laboratoriumsversuche und praktischen Betriebserfahrungen angesehen werden kann.
Ueber Neuerungen in der Herstellung des Leders ist zuletzt in D. p. J. 1895/96
eingehend berichtet worden. Da seitdem auch hierin verschiedene Wandlungen
eingetreten sind, so möge auch kurz der jetzt gebräuchliche Gang in der Herrichtung
des Leders und der Fabrikation des Riemens auf Grund eigener häufiger Anschauungen
beschrieben werden.
I. Herrichtung des Leders.
Die Tierhaut besteht aus drei verschiedenen Schichten, der Oberhaut, der Lederhaut
und der Unterhaut. Die erstere ist aus Zellen zusammengesetzt, besitzt demgemäß nur
eine sehr geringe Festigkeit und wird deshalb bei Beginn der Bearbeitung entfernt,
ebenso wie die Unterhaut, die als Rohmaterial für die Leimfabrikation dient. Die
mittlere Schicht, die Lederhaut, besteht aus Bindegewebsfasern, die in den
verschiedensten Richtungen filzartig miteinander verwebt sind.
Zur Treibriemenfabrikation werden gewöhnlich frische, sogen. grüne Häute oder
bisweilen auch eingesalzen genommen, die zuerst in Wasser gehörig aufzuweichen sind,
was etwa zwei bis drei Tage dauert. Getrocknete Häute brauchen dazu bis acht Tage
und müssen außerdem mit Hilfe einer Hammerwalke oder dergleichen bearbeitet werden, um
völlig weich zu werden, wobei die Fasern der Lederhaut eine vielfache Hin- und
Herbiegung und demzufolge leicht eine Ueberbeanspruchung erfahren (vergleiche
unten), so daß diese Häute gewöhnlich nur für Sohlleder Verwendung finden.
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Abb. 2.
Die aufgeweichten Häute werden zunächst von den Hörnern, Klauen, Schwänzen befreit
und dann in Walkfässern gründlich gewaschen. Ein solches Walkfaß von 2½ m
Durchmesser und 1¼ m Breite zeigt Abb. 1. Es läuft
i. d. Min. etwa 15 bis 18 mal um und braucht ungefähr 1½ PS Antriebsleistung.
Darauf werden die Häute auf der Fleischseite von etwa noch anhaftenden Fleischstücken
und sonstigen Unreinigkeiten befreit, was meist auf der Bank mit dem Schabeisen
geschieht. Dann werden sie enthaart dadurch, daß sie erst drei bis vier Tage in mit
Kalkmilch, der bisweilen etwas Schwefelnatrium zugesetzt wird, gefüllte Gruben
gehängt werden, um die Haare vorläufig einmal zu lockern. Diese sogenannten
Aeschergruben haben gewöhnlich 2 m Tiefe und etwa 2⅓ m Breite; die Häute werden über
eingelegte Stangen in Abständen von etwa 45 mm hineingehängt. Damit der Kalk
gleichmäßig in der ganzen Lösung suspendiert bleibt, werden am Boden der gemauerten
Grube Rührflügel bewegt, die zur Schonung einer etwa herabgefallenen Haut mit
einem Lattenboden abgedeckt sind.
Hierauf können die Haare, die an Filzfabriken abgegeben werden, von dem auf einem
faßartigen Gestell, dem Baum, ausgebreiteten Fell mit Hilfe eines stumpfen Messers
abgenommen werden. Vielfach werden dazu jetzt auch Maschinen benutzt, von welchen
Abb. 2 eine Ausführung zeigt. Die Haut wird
derart auf den Tragkonus gelegt, daß ihre Mitte auf die gut abgerundete Kuppe des
Kegels kommt, der dann auf seinem Führungsschlitten unter die Maschine gefahren wird
und sich dort in regelmäßigen Intervallen unter dem Messerband hinwegdreht, das die
Haare auf einem Streifen von der Kuppe ausgehend abschält. Je nachdem der Konus mehr
oder weniger in die Maschine hineingedrückt wird, desto fester oder leichter liegen
die Messer auf. Die Maschine ahmt also die Handarbeit nach. Viel schneller arbeiten
die Walzenmaschinen, bei welchen die Haut im ganzen unter einer umlaufenden Walze
mit feinen Riffeln fortgezogen wird, die die Haare entfernt. Eine solche Maschine
mit schwingender Trommel ist z.B. in Abb. 3
dargestellt. Sie verarbeitet täglich etwa 250 bis 300 schwere Häute, wobei die
Enthaarwalze mit ungefähr 150 Umdrehungen i. d. Min. umläuft.
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Abb. 3.
Die Haut wird darauf wieder in Wasser gespült, um die noch anhaftenden Haare usw. zu
entfernen, und nun wird die Unterseite mit dem Schäleisen abgezogen. Neuerdings
kommen auch für diesen Prozeß Entfleisch- oder Schälmaschinen zur Anwendung, die den
Enthaarmaschinen genau entsprechen, nur ist statt der Riffelwalze eine mit spiralförmig
herumgelegten Messern ausgerüstete Walze vorhanden, die sich mit 1500 Umdrehungen in
der Minute bewegt. Entsprechend hoch ist die erforderliche Antriebsleistung, die bei
schweren Häuten bis auf 30 PS steigt. Eine andere Ausführungsform besitzt als
Fellauflage eine Gummiwalze, über die sich die Haut unter der Wirkung zweier
Transportwalzen hinwegschiebt und so unter die mit den spiralförmigen
Entfleischmessern besetzte Arbeitswalze kommt. Gewöhnlich läßt man die Haut zweimal
durch die Maschine laufen, so daß die nachfolgende letzte Handarbeit sehr gering
ist. Dabei können bis 2400 Felle täglich bearbeitet werden bei im Mittel 7 bis 8 PS
Leistungsbedarf.
Da nun der Kalk die Festigkeit der Lederfasern herabsetzt, so ist seine vollständige
Entfernung aus der Haut notwendig, was durch längere Einwirkung einer verdünnten
Säure geschieht. Es kann dies einfach durch Mehrmaliges gründliches Waschen in
hinreichend verdünnter Salz- oder Schwefelsäure bewirkt werden oder in einem
vergorenen Aufguß von Kleie und Mehl, in dem sich Essig- und Milchsäure gebildet
hat; oft wird auch für Treibriemen noch die Kotbeize benutzt, die aus einem
vergorenen Aufguß von Hühner-, Tauben- und Hundemist besteht. Um auch die Säure
wieder auszuwaschen, die natürlich das Leder schädigen würde, wird die Haut hiernach
mehrmals in frischem Wasser gespült, worauf die Narbenseite mit dem Streicheisen auf
dem Baum bearbeitet wird, was alle in den Poren noch sitzenden Uneinigkeiten usw.
hinaustreibt. Nach dem letzten gründlichen Spülen und Waschen kann dann der
eigentliche Konservierungsprozeß, das Gerben, beginnen.
Die rohe Haut hat je nach dem Alter, Geschlecht, Ernährungszustand und der Rasse des
Tieres eine Stärke von ¾ bis 2½ mm. Die schwächeren Häute werden in Streifen
geschnitten und finden als Nähriemen ausgedehnte Verwendung. Die stärkeren werden in
ungegerbtem Zuband zu den Rohhauträdern verarbeitet, nachdem sie über eine feste
Unterlage gespannt getrocknet sind. Für beide Zwecke wird die Haut nur dadurch
konserviert, daß sie einige Zeit in eine erwärmte Glyzerin-Wasserlösung gehängt
wird, worauf man sie trocknen läßt. Sie ist dann etwas durchscheinend und hat keine
faserige, sondern hornartige Beschaffenheit.
Durch den Gerbprozeß werden die Fasern des Leders, das dabei stark aufquillt, mit dem
Gerbstoff imprägniert, dessen Gehalt an Essig- und Milchsäure wesentlich ist, um das
Leder technisch brauchbar zu machen. Für Treibriemenleder ist die alte
Eichenlohegerbung noch immer die beste. Da jedoch hierbei leicht Flecke im Leder
entstehen, so wird empfohlen, etwas Fichtenrindenlohe zuzusetzen, die die
Fleckenbildung gänzlich verhindert. Billigere Riemenqualitäten werden mit verdünnten
Gerbstoffextrakten angegerbt, die einen größeren Gerbstoffgehalt besitzen als die
Eichenrindenlohe. Hauptsächlich sind es Eichenholzextrakte, Dividivi- und
Quebrachoholzextrakt. Der käufliche Eichenholzextrakt enthält z.B. im Mittel 60 v.
H. Wasser, 28 v. H. Gerbstoff und 3 v. H. Zucker, den Rest bilden andere
nebensächliche Bestandteile. Die Eichenlohe – feingemahlene Eichenrinde –
enthält im Mittel 13 v. H. Wasser, 10 v. H. Gerbstoff und 2⅔ v. H. Zucker als
Säurebildner, die Fichtenrinde im Mittel 14½ v. H. Wasser, 11½ v. H. Gerbstoff und
3½ v. H. Zucker. Die Herkunft des Gerbstoffes, ob aus dem Eichenholz oder der Rinde,
und die Art desselben hat auf die Güte des Endfabrikates einen wesentlichen Einfluß
(vergl. unten).
Zuerst werden die Häute in eine verhältnismäßig schwache und säurearme
Gerbstofflösung, die sogenannte Stichfarbe eingehängt. Der Gerbstoff füllt nämlich
die Poren der Haut an, und in zu starker Lösung verstopft sich die äußere, zuerst
fertige Schicht und hindert so den Zutritt der Gerbsäure an die Innenschichten, die
roh bleiben. Ein derartiges fehlerhaft hergestelltes, „totgegerbtes“ Leder
ist naturgemäß für technische Zwecke unbrauchbar. In der Stichfarbe verbleiben die
Häute etwa etwa zwei bis drei Wochen. Es folgt dann ein zweites Bad mit stärkerem
Lohe- und Säuregehalt, ein drittes und für Sohlleder noch weitere, bis die Gerbung
in etwa drei bis vier Monaten beendet ist. Treibriemenleder wird meist nach der
dritten Farbe in hölzerne oder gemauerte und mit Zement verputzte Behälter – Gruben
– gebracht, in die schon einmal gebrauchte Lohe auf den Boden gestreut ist, worauf
die ersten Häute zu liegen kommen, dann wieder eine dünne Schicht Lohe und so fort.
Oben auf kommt eine dicke Schicht Lohe, dann wird die Grube mit Brettern abgedeckt,
die mit Steinen beschwert werden, und hierauf läßt man Lohbrühe darüber fließen, bis
alles gut durchtränkt ist. Damit das Leder nicht zu hart wird, sondern gut
schmiegsam bleibt, läßt man Treibriemenmaterial in diesem ersten Satz nur einige
Monate stehen, danach kommt es in einen zweiten Satz mit stärkerer – frischer – Lohe
und nötigenfalls noch in einen dritten. Es bleibt in den späteren Sätzen auch länger
liegen, so daß die ganze Zeit bis zur Fertiggerbung etwa 1½ bis 2 Jahre beträgt.
Man war natürlich bestrebt, diesen langwierigen Arbeitsprozeß, der zur Festlegung
großer Kapitalien zwingt, zu verkürzen, und tatsächlich kann er durch die sogenannte
Faßgerbung in wenigen Tagen durchgeführt werden. Die Häute werden hier mit Loh- oder
Extraktbrühe zusammen in ein großes sich drehendes Walkfaß gegeben und schlagen
darin ständig gegeneinander und gegen darin befindliche Walkhölzer, so daß der
Gerbstoff bei dem Hin- und Herbiegen der Fasern leichter in die Poren eindringen
kann. Sowohl äußerlich wie in mikroskopischen Schnitten unterscheiden sich das
gruben- und das faßgare Leder gar nicht voneinander. Im durchscheinenden
polarisierten Licht betrachtete Dünnschnitte von faßgarem Leder geben jedoch im
Mikroskop nicht das klare Faserbild des grubengaren Leders, sondern die einzelnen
Fasern sind darin erloschen: Die bei dem in Ruhe verlaufenden Arbeitsprozeß optisch
isotropen Fasern sind hier optisch antisotrop, was nur so zu erklären ist, daß sie
durch das Walken und Schlagen vielfach gebrochen sind.Jablonski,
Mitteilungen des Verbandes der Ledertreibriemenfabrikanten Deutschlands,
1911, Septemberheft.
Demnach erscheint faßgares Leder zu Treibriemen nicht geeignet, während seiner
Verwendung als Sohlleder keine Bedenken gegenüberstehen.
Im Verlaufe des Gerbprozesses nimmt das Treibriemenleder im Mittel ¾ des Gewichtes
der trockenen Ledersubstanz an Gerbstoff auf, erfährt also mit der
Volumenvergrößerung durch das Aufquellen auch eine entsprechende
Gewichtsvermehrung.
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Abb. 4.
Das fertig gegerbte Leder ist noch nicht verwendungsbereit. Die Häute müssen jetzt im
umlaufenden Walkfaß mit vielem Wasser von dem anhängenden und dem die Poren
überflüssig füllenden Gerbstoff befreit werden, darauf werden sie entweder von Hand
auf der Steintafel geglättet oder auf der Ausstoß- und Glättmaschine derart, daß aus
der faßartig gewachsenen Haut eine ebene Tafel wird. Die wenig Platz beanspruchende
stehende Bauart der Glättmaschine enthält im wesentlichen zwei umlaufende Walzen,
zwischen die die Haut mehrfach hindurchgeführt wird, oder sie besteht aus einer grob
geriffelten Walze und einem zinkblechbeschlagenen Tisch, auf dem die Haut aufliegt
und der vom Arbeiter mit beliebig regelbarer Geschwindigkeit an der Walze
vorbeibewegt wird. Die Maschine von etwa 3 m Walzenbreite braucht etwa 15 bis
20 PS Antriebsleistung und zwei Mann zur Bedienung, sie kann täglich 400 bis 500
Häute verarbeiten. Ihr Nachteil ist, daß die Reckung der Haut hauptsächlich nach
einer Richtung erfolgt; vielfach wird deshalb die wagerechte Bauart vorgezogen, die
Abb. 4 veranschaulicht. Die Haut wird auf den
nach jeder Richtung frei beweglichen Tisch ausgebreitet und dann wird die etwa 30 cm
breite Reckwalze darüber hinwegbewegt. Durch Drehen und Verschieben des Tisches hat
der Arbeiter es in der Hand, die Haut nach jeder beliebigen Richtung auszustrecken.
Während die eine Haut bearbeitet wird, legt ein anderer Arbeiter bereits die nächste
auf den zweiten Tisch der Maschine. Da die Bewegung der Haut hier von Hand erfolgt,
so genügen zum Antrieb der schmalen Reckwalze etwa 4 PS.
Die hiernach noch einmal mit Wasser abgespülten Häute werden dann auf der
Fleischseite mit einer Mischung von Tran, Talg und Degras eingefettet und darauf in
einem Raum, dem erwärmte trockene Luft möglichst gleichmäßig zugeführt wird,
getrocknet. In dem Zustand werden sie von den meisten Treibriemenfabriken
bezogen.
(Fortsetzung folgt.)