Titel: | Ueber das Tantalmetall und seine Verwertung in Wissenschaft und Technik. |
Autor: | Alfred R. Meyer |
Fundstelle: | Band 328, Jahrgang 1913, S. 292 |
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Ueber das Tantalmetall und seine Verwertung in
Wissenschaft und Technik.
Von Dr. Alfred R. Meyer in
Berlin.
MEYER: Ueber das Tantalmetall und seine Verwertung in Wissenschaft
und Technik.
Inhaltsübersicht.
Es werden die wichtigsten physikalischen und chemischen
Eigenschaften des Tantalmetalls sowie die verschiedenen Anwendungsgebiete, die es
sich erschlossen hat, zusammengestellt.
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Unter den Metallen, die im letzten Jahrzehnt infolge der Vermehrung unserer
Kenntnisse auf dem Gebiete der Metallurgie hochschmelzender Metalle aus dem Kreise
der selteneren Elemente herausgetreten sind und eine bedeutende Verbreitung
gefunden haben, nimmt das Tantal eine der ersten Stellen ein.
Dieses bei 2770 °C schmelzende Metallv. Pirani und Meyer,
Verhandlungen der Deutschen Phys. Ges. 13 (1911) S. 540; Zeitschr. für
Elektrochemie 17 (1911) S. 908. wurde in seiner Eigenschaft als
Element zuerst von Ekeberg 1802K. Sv. Vet. Akad. Handl. 23 (1802); Ann. 43
(1802) 276. erkannt und erst 1824 von BerzeliusK. Sv. Vet.
Akad. Handl. (1824) 2; Ann. Chim. Phys. (2) 29 (1825)
300., wenn auch noch in sehr unreiner Form – das erhaltene
Metall wies kaum 60 v. H. metallisches Tantal auf – durch Erhitzen von
Kaliumtantalfluorid mit metallischem Kalium im Eisentiegel hergestellt. Erst 1902
gelang es Moissan, durch Reduktion von Tantalsäure mit
Kohle auf elektrochemischem Wege im elektrischen Ofen ein hochprozentiges Material
herzustellen, das aber immerhin noch 0,5 v. H. Kohle enthielt, und an dem man daher
noch nicht die wertvolle Eigenschaft der Duktilität, die das Metall nur in reinem
Zustande besitzt, feststellen konnte.
Die Reindarstellung des Tantals wie die Entdeckung, daß es sich um ein hoch duktiles
Metall handelt, haben wir W. v. Bolton zu danken, der
1903 bei seinen im Glühlampenwerk der Siemens &
Halske A.-G. ausgeführten Arbeiten die Herstellungsschwierigkeiten überwand
und uns so um eine wichtige Erkenntnis bereicherte.
Gediegenes Tantal kommt in der Natur nicht vor; wohl aber finden wir in Australien
und Amerika, zum Teil auch in Skandinavien und Deutsch-Südwestafrika Erze des
Metalles, und zwar den gelbbraun aussehenden Tantalit (Australien) und den
dunkelgrau erscheinenden Kolumbit (Amerika). Der erstere hat einen Gehalt von 50 bis
70 v. H., der letztere von 10 bis 40 v. H. Tantalsäure (Ta2 O5). Die Verarbeitung zu Metall geschieht dadurch, daß man die in den Erzen
enthaltene Säure in das bereits erwähnte Kaliumtantalfluorid überführt und durch
Reduktion desselben daraus metallisches Tantal herstellt. Dieses Metall wird dann im
elektrischen Vakuumofen geschmolzen und ist danach, wenn bei der Herstellung auf
genügende Reinheit geachtet wurde, durch Walzen und Ziehen leicht weiter zu
verarbeiten.
Seine erste Verwendung fand das Metall in der seit 1905 auf dem Markte befindlichen
Tantallampe. Außer seinem hohen Schmelzpunkte machte es dazu die Tatsache geeignet,
daß es im Vakuum auf die in den Lampen übliche Betriebstemperatur von 1950° Cv. Pirani und Meyer, Verhandlungen der Deutschen Phys. Ges. 14
(1912) S. 213 und 681; E. T. Z. 33 (1902) S. 456 und 720. erhitzt
werden kann, ohne daß dadurch ein Zerstäuben des Fadens eintritt. Die große
Verwendung, die die Tantallampe gefunden hat – es wurden seit ihrer Einführung bis
heute rd. 150 Millionen Lampen verkauft – hat sie der Tatsache zu danken, daß sie
mit ihrem spezifischen Verbrauch von etwa 1,5 W/HK einen wesentlichen Fortschritt
gegenüber den bis dahin auf dem Markte befindlichen Kohlefadenlampen bedeutete (3,5
bis 4 W/HK), daß sie in gleicher Weise wie die Kohlefadenlampe dank ihrer
Konstruktion allen vorhandenen Spannungen angepaßt Werden konnte, und daß sie eine
im kalten wie warmen Zustande außerordentlich hohe Erschütterungs- und
Zerreißfestigkeit besaß. Verträgt doch ein Tantaldraht von der Stärke, wie er z.B.
in einer 16 kerzigen 110 Voltlampe untergebracht ist (0,035 mm ⌀), in kaltem
Zustande bis zu 170 g Belastung. Das Material hat also eine Zerreißfestigkeit von
rd. 17000 kg/qcm und kommt damit selbst den an bestem Stahldraht erreichbaren
Zerreißzahlen gleich.
Die fortschreitende Erforschung der wertvollen Eigenschaften des Metalles wie eine
genaue Erprobung seiner Bearbeitungsmöglichkeiten führten dazu, daß sich ihm bald
neue Anwendungsgebiete erschlossen. Von solchen Eigenschaften kam ihm besonders
seine Härte, die der eines naturharten Stahles gleichkommt, und seine chemische
Unangreifbarkeit zu statten. Tantal wird nämlich weder von Säuren noch von in Lösung
befindlichen Alkalien angegriffen. Nur durch Flußsäure wird es zerstört; unter dem
Einfluß schmelzenden Alkalis zerfällt es in einzelne Kristalle und verbrennt. An der
Luft erhitzt, läuft es zuerst gelb an, um bei 400° blau, bei 600° C grauschwarz zu
werden. Bei noch stärkerer Erhitzung verbrennt es zu weißem Tantaloxyd. In glühendem
Zustande löst es Stickstoff und Wasserstoff und wird dabei brüchig; in Chlor auf
hohe Temperaturen erhitzt, verwandelt es sich in sein Chlorid.
Wir sehen daraus, daß es in den verschiedensten Beziehungen den Edelmetallen
gleichkommt, sie zum Teil sogar übertrifft. Es hat daher auf vielen Gebieten das
dreifach teurere Platin verdrängt und ist auch auf anderen, wo die störenden
Eigenschaften von Unedelmetallen eine Verbesserung erwünscht erscheinen ließen, in
erfolgreichen Wettbewerb eingetreten.
Auf chemischem Gebiete hat es neuerdings auf Grund von Untersuchungen von BrunckChemiker-Zeitung 36 (1912) S. 1233. Eingang in die
Elektroanalyse gefunden. Es dient dort zum Ersatz der Platinkathoden. Auch der
Ersatz der Anoden, der zuerst deswegen unmöglich erschien, weil sich das anodisch
polarisierte Tantal beim Stromdurchgang mit einer nicht leitenden und daher den
Strom sperrenden Oxydhaut bedecktSchulze, Ann. d. Physik 23 (1907) S. 226; 25
(1908) 775., gelang, indem man die zur Anode verwandten Drähte
nach einem besonderen Verfahren mit einer schwachen Platinhaut versah.
Für den Chemiker kommen weiter in Betracht die Verwendung des Tantals für Schalen,
Präzisionsgewichte und Pinzetten. Für allgemeinere Zwecke hat man daraus
Schreibfedern, antimagnetische Uhrfedern und Grammophonstifte hergestellt.
Das zurzeit wichtigste Anwendungsgebiet aber hat das Tantal in der zahnärztlichen und
chirurgischen Praxis gefunden. Die Möglichkeit, es nach erfolgter Operation in Säure
abzukochen, in Soda nachzuspülen und vor dem Gebrauch durch vorsichtiges Glühen bei
mäßiger Rotglut in der Flamme schnell und bequem sterilisieren zu können, haben ihm
weitgehende Verwendung gesichert.
Der Zahnarzt verwendet es für Füll-, Polier- und Bearbeitungsinstrumente, die ihm vor
den sonst üblichen Geräten noch den Vorteil bieten, daß das Verfärben der
Silikatzemente, die als Material für die Plomben dienen, beim Tantal nicht eintritt,
während es bei Stahl- und Platininstrumenten zum Teil zu befürchten ist. Auch für Nervnadeln,
Wurzelkanalbohrer und Separierscheiben und -Streifen findet es ausgedehnte
Verwendung. Es ist ein weiterer Vorteil dieser Instrumente, daß, selbst wenn ein bei
ihrer Härte und Zähigkeit nicht zu erwartender Bruch und ein Steckenbleiben eines
Teiles, z.B. beim Bohren eines Wurzelkanals, eintreten sollte, ein Schaden für den
Patienten nicht zu erwarten ist, da das Tantal chemisch nicht angegriffen wird
und daher infolge chemischer Veränderungen zu keinerlei Reizungen führen kann.
Auch der Chirurg hat in den seit einiger Zeit auf dem Markt befindlichen nahtlos
gezogenen Kanälen und Injektionsnadeln ein wertvolles Hilfsmittel erhalten.
Fremdkörper-Instrumente, wie sie in der Augenheilkunde Verwendung finden,
Impfmesser, Impfbohrer usw. werden ebenfalls aus Tantal hergestellt.