Titel: | Ledertreibriemen und Riementriebe. |
Autor: | P. Stephan |
Fundstelle: | Band 328, Jahrgang 1913, S. 343 |
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Ledertreibriemen und Riementriebe.
Von Regierungsbaumeister P. Stephan in
Dortmund.
(Fortsetzung von S. 326 d. Bd.)
STEPHAN: Ledertreibriemen und Riementriebe.
Die Dehnungsziffer von Doppelriemen muß größer sein als die der einfachen (siehe
unten), weswegen die Naßstreckung hier unterbleibt. Sie werden gleich von vornherein
stückweise mit versetzten Stößen aufeinander-geleimt, um die verhältnismäßig kurze
Presse dafür gut auszunutzen. Nur Riemen für untergeordnete Zwecke werden der
Billigkeit halber nicht geleimt, sondern man näht zwei fertige einfache Riemen mit
mindestens zwei, bei breiteren Ausführungen drei und vier Längsnähten aus dünnen
Nähriemen zusammen. Um auch diese Arbeit noch abzukürzen, hat man Maschinen gebaut,
die einen sich von einer Rolle abwickelnden Messing- oder Kupferdraht nach Abb. 16 in den Riemen einnähen; jedoch biegen sich
die freien Enden beim Uebergang über die Riemenscheiben leicht auf. Es ist das von
vornherein zu erwarten, da der auf die Scheibe auflaufende Riemen sich auf der
Innenseite etwas stauchen und auf der Außenseite entsprechend dehnen muß (Abb. 17); und die im oberen Riementeil steckenden
Enden der Drahtöse biegen sich der Streckung entsprechend auf, so daß die Verbindung
sich schließlich löst.
Textabbildung Bd. 328, S. 343
Abb. 16.
Textabbildung Bd. 328, S. 343
Abb. 17.
Die Streckung ist bei kleinen Riemenscheiben eine ziemlich bedeutende: Wie die
Abbildung ergibt, ist sie mit den eingetragenen Bezeichnungen
\frac{\lambda}{l}=\frac{\frac{s}{2}}{R+\frac{s}{2}}=\frac{1}{\frac{D}{s}+1}\,\sim\,\frac{s}{D}.
Sie beträgt also beispielsweise für einen Riemen von 10 mm Stärke auf einer Scheibe
von 300 mm ⌀ \frac{10}{300}=3,33 v. H. Entsprechend hoch ist die
durch die Biegung in den äußersten Fasern hervorgerufene Anstrengung: Man erhält
nach dem Hookeschen Gesetz aus
\frac{\lambda}{l}=\alpha\,.\,\sigma_b.
\sigma_b=\frac{1}{\alpha}\,.\,\frac{s}{D}.
Je kleiner die Dehnungsziffer α
ist, desto größer wird bei derselben Riemenscheibe und Riemenstärke die
Biegungsbeanspruchung, weshalb Doppelriemen nur einmal auf der Einlaufmaschine gestreckt werden. Z.B. ist im obigen Falle
mit α = 1 : 1700;
\sigma_b=1700\,.\,\frac{3,33}{100}=56,6
kg/qcm.
Allerdings ist richtig, daß die auf der Innenseite befindlichen gedrückten Fasern,
die ja mit kleinen Spielräumen ineinander verwebt sind, unter der dort auf jede
einzelne Faser kommenden Druckkraft etwas ausknicken;Cahen, Die Werkstattstechnik 1913, Heft
1. doch kann damit keine Entlastung verbunden sein, sondern der Pfeil
der Ausknickung entspricht eben der auf die einzelne Faser entfallenden Belastung.
Auf der äußeren gezogenen Seite sind die Fasern durch die Vorbehandlung des Leders
schon stark gestreckt,Cahen, Die Werkstattstechnik 1913, Heft
1. so daß sie im Durchschnitt alle die volle Zugbeanspruchung
erfahren, ohne daß erst noch eine Geraderichtung der im Rohzustande natürlich
gekrümmten Fasern stattfindet, die ja einer ziemlichen Dehnung ohne
Spannungserhöhung entsprechen würde. Man muß deshalb im Gegensatz zu Cahen annehmen, daß der oben errechnete Höchstwert der
durch den Uebergang über die Riemenscheibe entsprechenden Spannung auch tatsächlich
nahezu erreicht wird.
Textabbildung Bd. 328, S. 343
Abb. 18.
Um die Biegungsbeanspruchung in der äußeren Faser noch weiter herabzuziehen, hat man
bisweilen den außenliegenden Riemen etwas stärker und wesentlich nachgiebiger
genommen als den innenliegenden, so daß die Verbiegung nach Abb. 18 erfolgt. Aus der Gleichgewichtsbedingung, daß
die Summe der Zug- und Druckkräfte in jedem Querschnitt 0 ergeben muß, folgt dann
die Gleichung ∫σ'b ∙ df
= 0. Nun ist aus ähnlichen Dreiecken
{\sigma_b}'=\sigma_b\,.\,\frac{y}{s}. Ferner ist in dem
Rechteckquerschnitt des Riemens von der Breite b : df = b ∙ dy. Damit geht die obige Gleichung über in
\int\limits_0^{s_1}\,\frac{\sigma_{b1}}{b\,.\,s_1}\,.\,y\,d\,y-\int\limits_0^{s_2}\,\frac{\sigma_{b2}}{b\,.\,s_2}\,.\,y\,d\,y=0
Wird jetzt noch eingesetzt
\sigma_b=\frac{1}{\alpha}\,.\,\frac{s}{D}, und soll die
Druckspannung innen gleich der Zugspannung außen werden, so ergibt sich
\frac{1}{\alpha_1}\,.\,\frac{{s_1}^2}{2\,b\,D}=\frac{1}{\alpha_2}\,.\,\frac{{s_2}^2}{2\,b\,D}
oder
\frac{s_1}{s_2}=\sqrt{\frac{\alpha_1}{\alpha_2}} als
Verhältnis der Riemenstärken bei gewählten Dehnungsziffern a.
Ist z.B. s2 = 3 mm,
\alpha_2=\frac{1}{3300} und
\alpha_1=\frac{1}{1650} qcm/kg, so muß werden s1 = 3√2 = 4,2 mm. Ein
solcher Riemen war seinerzeit von C. Otto Gehrckens in
Paris ausgestellt.
Textabbildung Bd. 328, S. 344
Abb. 19.
Bei Uebertragung größerer Leistungen scheint diese Verstärkung gegenüber dem
gleichartig gewählten Material auf dem ersten Blick um
\frac{7,2}{6} gegen 1 von Vorteil zu sein, jedoch besteht der
Nachteil, daß sich die im Riemen wirkenden Zugkräfte sehr ungleich über den
Querschnitt verteilen: Da im geraden Trum die Dehnung beider Riementeile dieselbe
ist, so gilt dort ε = α1
σ1 = α2
σ2, woraus folgt
\frac{\sigma_1}{\sigma_2}=\frac{\alpha_2}{\alpha_1}, oder im
Fall des gewählten Beispieles
\frac{\sigma_1}{\sigma_2}=\frac{1650}{3300}=\frac{1}{2}. Die
Zugspannung im stärkeren Riementeil ist nur halb so groß wie die im schwächeren, und
die von beiden Riementeilen übertragenen Kräfte stehen im Verhältnis
\frac{\sigma_1\,.\,s_1}{\sigma_2\,.\,s_2}=\sqrt{\frac{\alpha_2}{\alpha_1}}\,\sim\,0,71.
Zweckmäßiger werden also Doppelriemen aus gleichartigem Material von allerdings
kleiner Dehnungsziffer hergestellt, und das beste Mittel, die Biegungsbeanspruchung
klein zu halten, ist die Wahl eines besonders dünnen Leders von nur 3 bis 4 mm
Stärke, hoher Dehnungsziffer über \frac{1}{1800} qcm/kg und
großer Festigkeit. Außer dem komprimierten lohgaren Leder ist also auch Chromleder
dafür gut geeignet.
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Abb. 20.
Da, wie in Abschnitt II gezeigt wurde, die Dehnung des Leders in derselben Haut und
derselben Bahn an verschiedenen Stellen verschieden ist, so ändert sich in einem
Doppelriemen je nach den Stellen, die aufeinanderliegen, die Beanspruchung von Punkt
zu Punkt. Bei annähernd gleichem Material kann also doch an irgend einer Stelle
des Riemens in dem einen Teil eine höhere Beanspruchung vorhanden sein als in dem
anderen, und ein kurzes Stück weiter können sich die Verhältnisse direkt umgekehrt
haben. Die Folge davon ist, daß Doppelriemen nur die 0,79 bis 0,84 fache Festigkeit
in kg/qcm gerechnet besitzen wie einfacheRudeloff, Mitteilungen aus der
mechanisch-technischen Versuchsanstalt Berlin 1892, S. 255 ff..
Ungefähr dasselbe Verhältnis zeigt übrigens schon ein nicht sorgfältig
zusammengesetzter Riemen gegenüber der ungeleimten Haut. Doppelriemen sollen deshalb
nicht mit gleichmäßig versetzten Ueberlappungen ausgeführt werden, sondern derart,
daß die gleichartigen Stellen der Häute möglichst nahe beieinander zu liegen
kommen.
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Abb. 21.
Da sich die Mittelbahn der Haut unter sonst gleichen Umständen weniger streckt als
die Seitenflanken, so wird ein breiter Riemen aus Mittelrückenstücken auf einer
balligen Scheibe besonders ungünstig beansprucht. Tatsächlich werden in solchen
Riemen auch häufig Querrisse im mittleren Teil bemerkt. Gehrckens hat deshalb bei Verwendung einfacher Riemen aus Mittelbahnen
vorgeschlagen, die ballige Scheibe in der Mitte um ungefähr 50 bis 60 mm
auszudrehen, so daß der Riemen dort garnicht aufliegt. Dadurch geht jedoch ein Teil
der Riemenbreite für die Anhaftung auf der Scheibe verloren (Abschnitt IV), so daß
es zweckmäßiger erscheint, bei breiten Riemen den mittleren Teil der Scheibe auf
etwa 80 bis 100 mm zylindrisch zu lassen. Bei Doppelriemen hilft man sich in
günstigster Weise, indem die beiden Lagen so aufeinander geleimt werden, daß sich
die Mittelrücken seitwärts befinden (Abb. 19).
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Abb. 22.
In den letzten Jahren werden für schwere Antriebe in Walzwerken usw. auch drei- und
vierfache Riemen in Breiten bis zu 1,8 m hergestellt. Da aber die größte Breite der
brauchbaren Riemenbahn nur 1,2 m beträgt, so sind solche Riemen aus mindestens zwei
nebeneinander liegenden Bahnen mit etwa 5 bis 6 cm zugeschärfter Ueberlappung
zusammenzuleimen. Um nun den Querschnitt möglichst gleichmäßig zu machen, sucht man
an jeder Stelle der Breite wenigstens einmal eine Rückenbahn anzuordnen, so daß die
in Abb. 20 skizzierte Anordnung entsteht. In der
mittleren Lage ist also die eine Bahn noch einmal zerschnitten und mit nach außen
liegenden Rückenteilen an die beiden inneren ganzen Bahnen angesetzt.
Damit alle Hautstücke gleichmäßig beansprucht werden, legt C. Otto Gehrckens vierfache Riemen von insgesamt nur 16 bis 17 mm Stärke nicht in zur
Laufrichtung parallelen Lagen, sondern nach Abb. 21
zusammen. Ein erheblicher Vorteil dürfte jedoch nach dem obigen damit nicht
verbunden sein.
Beim Auflegen des Riemens auf die Riemenscheibe ist zu beachten, daß nicht etwa die
dünn zugeschärften Enden auf die Scheibe auflaufen, was leicht zum Ablösen und
Umlegen der Enden und damit zum Verschleiß der Verbindungsstelle führen würde (Abb. 22). Neuerdings werden selbst große und schwere
Riementriebe zur Erhöhung der Haftfähigkeit mit Spannrollen ausgerüstet, die den
umfaßten Winkel der kleineren Scheibe wesentlich vergrößern. Wenn nun auch die
Innenseite des Riemens in richtiger Weise auf die Scheibe aufläuft, so kommt
doch die Außenseite in falscher Richtung gegen die Spannrolle. Der Fehler ist
allerdings bei Doppelriemen leicht zu vermeiden, indem die Außenlage die Zuschärfung
nach der anderen Seite erhält. Um ihn bei einfachen Riemen zu beseitigen, führt E.
Luckhaus die Verbindungsstelle seiner Lenixriemen
nach Abb. 23 aus.
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Abb. 23.
(Fortsetzung folgt.)