Titel: | Der moderne Flaschenzug in Werkstattbetrieben. |
Autor: | Wintermeyer |
Fundstelle: | Band 328, Jahrgang 1913, S. 386 |
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Der moderne Flaschenzug in
Werkstattbetrieben.
Von Dipl.-Ing. Wintermeyer in
Berlin.
WINTERMEYER: Der moderne Flaschenzug in
Werkstattbetrieben.
Inhaltsübersicht.
Es werden zunächst die verschiedenen Bauarten der von Hand
betriebenen modernen Flaschenzüge (Schneckenrad- und Stirnradflaschenzüge,
Flaschenzüge mit ausrückbarem Vorgelege, Bremsen), alsdann die verschiedenen Systeme
der Flaschenzüge mit elektrischem Antrieb (Motorflaschenzüge) besprochen.
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Unter den Hebevorrichtungen für Werkstätten kann man hauptsächlich zwischen an der
Decke angebrachten und den ganzen Werkstattraum beherrschenden Laufkranen, den auf
der Arbeitsflur fahrbaren, sogen. Handkranen und den Flaschenzügen unterscheiden.
Während der Laufkran in erster Linie in großen Betrieben am Platz ist, wo seiner
Tragkraft entsprechende Lasten zu bewältigen sind, und der auf der Arbeitsflur
fahrbare Handkran wie schon der Name besagt, nur dort Verwendung finden kann, wo
zwischen den Maschinen usw. genügend Raum zu seiner Bewegung zur Verfügung steht,
sind die Flaschenzüge für solche kleineren Betriebe unentbehrlich, für welche ein
Laufkran im allgemeinen wegen der zu hohen Anschaffungskosten und der
verhältnismäßig geringen Benutzung zu teuer ist. Auch für größere Betriebe sind die
Flaschenzuge als Hilfsapparate zur Unterstützung der meist sehr beanspruchten
Laufkrane von Nutzen, besonders in den Fällen, wo es sich um das Heben von Lasten
handelt, deren Gewicht bedeutend geringer ist als der maximalen Tragkraft des Kranes
entspricht. An schweren Werkzeugmaschinen dienen sie mit besonderem Vorteil zum
Heben und Einbringen von Arbeitsstücken.
Textabbildung Bd. 328, S. 385
Abb. 1.
Die ersten Flaschenzüge, die praktische Bedeutung erlangt haben, waren englischen
Ursprungs (Differentialflaschenzüge von Weston, Eade, Moore). Diese Differentialflaschenzüge sind auch heute
noch häufig anzutreffen, da sie sich besonders durch Einfachheit auszeichnen
und auch in der Anschaffung billig sind. Sie haben jedoch den großen Nachteil eines
sehr geringen Wirkungsgrades, da etwa ⅔ der aufgewandten Arbeit durch Ketten- und
Kettenradreibung verloren geht, infolgedessen sie sich im Gebrauch sehr teuer
stellen. Dies ist der Grund dafür, daß die Differentialflaschenzüge durch
Flaschenzüge mit hohem Wirkungsgrade mehr und mehr verdrängt worden sind. Zu den
Flaschenzügen mit hohem Wirkungsgrad gehören die Schraubenflaschenzüge mit
Lastdruckbremse (durch Becker im Jahre 1881 eingeführt)
und die Stirnradflaschenzüge.
Der Antrieb eines Flaschenzuges erfolgte bis vor nicht allzulanger Zeit
ausschließlich von Hand. Neuerdings hat sich auch der elektrische Betrieb bei
Flaschenzügen eingebürgert. In welcher Weise der elektrische Antrieb auf die Bauart
eines Flaschenzuges mit Handantrieb eingewirkt hat, wird späterhin betrachtet
werden.
Das Schema eines von Hand betriebenen Schraubenflaschenzuges mit Lastdruckbremse ist
in Abb. 1 dargestellt. In ihr ist die
Schneckenwelle, die das zum Betriebe des Flaschenzuges dienende Handkettenrad h trägt, mit w bezeichnet.
Die Schnecke dieser Schneckenwelle greift in das zugehörige Schneckenrad ein, auf
deren Welle die die Lastkette aufwirbelnde Kettennuß n
sitzt. Die Schneckenwelle ist mit der Lastdruckbremse ausgestattet, die den infolge
der großen Steigung der Schnecke vorhandenen Achsialdruck in der Schneckenwelle
auffängt und somit die Last in jeder Höhenlage sicher in der Schwebe hält.
Die Schraubenflaschenzüge werden in der Regel bis zu einer maximalen Tragkraft von
15000 kg ausgeführt. wobei die größeren Ausführungen mit dem in Abb.
1 dargestellten Unterblock ausgerüstet sind. Ein Schraubenflaschenzug ohne
Unterblock, bei dem also der Lasthaken unmittelbar an der Lastkette befestigt ist,
findet vorteilhaft dort Anwendung, wo es sich darum handelt, Lasten in einem
niedrigen Raum möglichst hoch zu heben, wo es also auf eine geringe Entfernung
zwischen Lasthaken und Aufhängehaken bei höchster Hakenstellung ankommt.
Die Lastdruckbremse eines Schraubenflaschenzuges besteht in ihrer ursprünglichsten
Form aus einem Reibungskegel auf der Schneckenwelle, welcher durch den in der
Schneckenwelle auftretenden axialen Druck gegen eine mit entsprechendem Innenkegel
ausgerüstete Buchse gepreßt wird, deren Drehrichtung durch eine Sperrverzahnung nur
in einer Richtung gestattet ist.
Textabbildung Bd. 328, S. 386
Abb. 2.
Abb. 2 stellt eine Weiterausbildung einer derartigen
Lastdruckbremse dar, bei der der Bremskegel durch eine doppelseitige ebene Scheibe
i ersetzt ist, die außen die Sperrverzahnung trägt.
j ist eine bei diesen Lastdruckbremsen vielfach
übliche Lederscheibe, die zur Vergrößerung der Reibung dient.
Andere Konstrukteure verwenden an Stelle der Kegel- und Scheibenbremsung bzw. neben
ihr eine Zylinderbremsung, indem Bremsbacken, Bremsringe oder dergl. benutzt werden,
die durch den Achsialdruck in der Schneckenwelle auseinandergetrieben und so mit
ihrem Zylinderumfang zur Bremsung dienen.
Die Wirkungsweise einer derartigen Lastdruckbremse eines Schraubenflaschenzuges ist
hiernach unter Zugrundelegung der Ausführungsform (Abb.
2) folgende: Beim Heben der Last sind sämtliche Teile der Bremse durch den
Achsialdruck untereinander gekuppelt und drehen sich mit der Schneckenwelle, wobei
die Zähne des Sperrzahnkranzes wirkungslos unter der zugehörigen Klinke
hinweggleiten. Beim Loslassen der zum Antrieb dienenden Haspelkette greift die
Klinke hinter den nächsten Zahn des Sperrzahnkranzes und hält die Last in der
Schwebe. Bei der Drehung der Schneckenwelle im Sinne der niedergehenden Last ist die
Reibung zwischen den einander berührenden Flächen der Bremse zu überwinden.
Der Stirnradflaschenzug mit Handbetrieb, der wie der Name sagt an Stelle des
Schneckengetriebes bei Schraubenflaschenzügen ein Stirnrädergetriebe besitzt, weist
einen nicht unwesentlich höheren Nutzeffekt als der Schraubenflaschenzug auf. Neben
dem höheren Nutzeffekt, der gegenüber Schraubenflaschenzügen eine bedeutende
Ersparnis an aufzuwendender Energie ausmachen kann, bildet einen Hauptvorzug des
Stirnradflaschenzuges seine lange Lebensdauer. Dies ist eine Folge davon, daß die
Stirnräder beim Eindringen von Schmutz, Sand, Staub und dergl. nicht einer so
schnellen Abnutzung unterworfen sind wie das bei Schraubenflaschenzügen benutzte
Schneckengetriebe. Die Stirnradflaschenzüge werden daher in vielen Fällen den
Schraubenflaschenzügen vorgezogen.
In Abb. 3 und 4
sind zwei Ausführungsformen von Stirnradflaschenzügen dargestellt, und zwar weist
Ausführungsform (Abb. 3) nur ein Stirnräderpaar als
Uebersetzungsgetriebe auf, während die Ausführungsform (Abb. 4) mit zwei Stirnräderpaaren ausgerüstet ist. Die Arbeitsweise eines
Stirnradflaschenzuges ist hiernach ohne weiteres klar. Durch Drehen des
Handkettenrades h wird die Antriebswelle in Drehung
versetzt und diese arbeitet durch Vermittlung des zwischengeschalteten
Stirnrädergetriebes auf die die Kettennuß n tragende
Welle. Auch bei diesen Anordnungen ist angenommen worden, daß in die Lastkette ein
loser Rollenblock (Unterblock) eingefügt ist. Selbstverständlich kann jedoch auch
die Last unmittelbar an die Lastkette angehängt sein.
Textabbildung Bd. 328, S. 386
Abb. 3.
Textabbildung Bd. 328, S. 386
Abb. 4.
Auch für Stirnradflaschenzüge ist eine sicher wirkende Lastdruckbremse von der
größten Wichtigkeit, da ja das Stirnradgetriebe nicht selbsthemmend ist, und ohne
eine solche Bremse unfehlbar ein Niederstürzen der Last bei Aufhören des Antriebes
eintreten würde. In der Regel wird als Bremse die sogen. Dubois-Bremse verwendet, deren Teile beim Drehen des Antriebkettenrades in
der Hubrichtung durch Gewindewirkung geschlossen gehalten werden, während beim
Aufhören des Antriebes ein Rückwärtsdrehen unter dem Einfluß der Last durch ein
Sperrwerk verhindert wird. Zum regelbaren Senken der Last ist ein Rückwärtsdrehen
des Antriebkettenrades erforderlich, wobei durch Wirkung des Gewindes ein Lüften der
Bremsteile stattfindet. Dies hat ein Sinken der Last zur Folge, jedoch nur so weit,
bis durch Wirkung des Gewindes die Bremsteile wieder anliegen, worauf zwecks
weiteren Senkens der Last ein weiteres Zurückdrehen des Antriebkettenrades erfolgen
muß und so fort.
Textabbildung Bd. 328, S. 386
Abb. 5.
In Abb. 5 ist eine derartige Bremse zur Darstellung
gebracht.
An Stelle der in diesem Beispiel dargestellten Kegelbremse kann natürlich auch eine
Scheibenbremse treten. In dieser Weise führt z.B. die Firma Heinrich de Fries, G. m. b. H., die Lastdruckbremsen für ihre
Stirnradflaschenzüge aus.
Textabbildung Bd. 328, S. 387
Abb. 6.
Ein hiervon abweichendes Prinzip benutzen Gebr. Bolzani bei ihren Lastdruckbremsen für
Stirnradflaschenzüge. Bei ihnen dienen zur Kupplung der Antriebs- und Sperrteile
Hebelstücke, die zwischen den im Innern des Sperrades befindlichen Bremsbacken
angeordnet sind. Diese werden durch unter dem Einfluß der Last stehende Zapfen so
gedreht, daß ein Auseinanderspreizen der Bremsbacken gegen die Bohrung des Sperrades
eintritt, und somit ein sicheres Festhalten der Last bei Aufhören des Antriebes
bewirkt wird. Ein Senken der Last kann nur durch Rückwärtsdrehen des Antriebteiles
erreicht werden, wobei die Hebelstücke so weit gedreht werden, daß ein Gleiten der
Bremsbacken in der Bohrung des Sperrades eintreten kann.
Das Stirnradgetriebe wird bei Stirnradflaschenzügen auch häufig als Planetengetriebe
ausgeführt, um eine gedrängte Bauart zu erzielen. Ein Flaschenzug dieser Art ist der
bekannte Triplex-Flaschenzug von der Yale & Towne Mfg. Co. (vgl. Abb.
6). Bei ihm steht das auf der Welle des Antriebskettenrades sitzende
Antriebsrad r im Eingriff mit zwei einander
gegenüberliegenden Zahnrädern s, den sogen. Planetenrädern, auf deren Achsen zwei
weitere Räder sitzen, die an einer feststehenden Innenverzahnung t des Gehäuses sich abwälzen. Die beiden Zahnradsätze
sind in einem gemeinsamen drehbaren Gehäuse u gelagert,
das mit der Lastkettennuß fest verbunden ist.
Die Yale & Towne Mfg. Co. führt ihre von Hand
betriebenen Flaschenzüge in Größen von ¼ t bis 20 t Tragkraft aus, und zwar für
Größen bis 2 t Tragkraft ohne Unterblock, so daß für kleinere Flaschenzüge die
Bauchhöhe eine sehr geringe ist. So beträgt bei dem Triplex-Flaschenzug von ½ t
Tragkraft die geringste Entfernung zwischen dem Aufhänge- und Lasthaken nur 380 mm
und bei einem Flaschenzuge von 2 t Tragkraft nur 610 mm. Auch bei größeren
Ausführungen der Triplex-Flaschenzüge bleibt der Abstand der beiden Haken bei
höchster Lasthakenstellung ein verhältnismäßig geringer, und zwar infolge der aus
Abb. 7 ersichtlichen besonderen Aufhängung des
Flaschenzuggehäuses an einem Bügel o, der an seinem
freien Ende das zweite Lastkettentrum aufnimmt.
Textabbildung Bd. 328, S. 387
Abb. 7.
Besonderer Wert ist bei den Triplex-Flaschenzügen auf die Ausführung des Lasthakens
gelegt, um ihn als Mittel zur Verhütung von Ueberlastungen zu benutzen. Dem Haken
ist eine solche Festigkeit bzw. Zähigkeit gegeben, daß er bei doppelter
Maximalbelastung anfängt, sich zu öffnen. Dies ist ein Warnungszeichen für den
Arbeiter, die Ueberlastung nicht zu vergrößern, erst bei 3¼-facher Ueberlastung
strecken sich die Haken ganz und lassen die Last fallen.
(Schluß folgt.)