Titel: | Technischer Rückblick auf den Prinz-Heinrich-Flug 1913. |
Autor: | Paul Béjeuhr |
Fundstelle: | Band 328, Jahrgang 1913, S. 401 |
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Technischer Rückblick auf den Prinz-Heinrich-Flug
1913.
Von Paul Béjeuhr in
Berlin.
(Fortsetzung von S. 374 d. Bd.)
BEJEUHR: Technischer Rückblick auf den Prinz-Heinrich-Flug
1913.
Die Beteiligung an den einzelnen Etappen war:
I. Etappe: Wiesbaden–Kassel.
Wiesbaden gestartet: 19,
Gießen Zwischenlandung: 17,
Kassel gelandet: 13.
II. Etappe: Kassel–Koblenz.
Kassel gestartet: 12,
Koblenz gelandet: 12.
III. Etappe: Koblenz–Karlsruhe.
Koblenz gestartet: 12,
Karlsruhe gelandet: 9 (dazu 5 Straßburger Offiziere).
I. Aufklärungsübung: Karlsruhe–Pforzheim–Straßburg.
Karlsruhe gestartet: 22,
Pforzheim gelandet: 19,
Straßburg gelandet: 17.
II. Aufklärungsübung:
Straßburg–Freiburg–Neubreisach–Straßburg.
Straßburg gestartet: 15 (abgeflogen 12),
Freiburg gelandet: 11,
Neubreisach gelandet: 10,
Straßburg gelandet: 9.
Textabbildung Bd. 328, S. 401
Abb. 1.Die Flugstrecke
Wenn man die beiden Tabellen betrachtet, so kann man zunächst feststellen, daß die
Ergebnisse auch rein äußerlich recht befriedigend sind. Diese Auffassung wird noch
verstärkt, wenn man die Bedingungen betrachtet, unter denen die Apparate
fliegen mußten. Bei dem besonders in den ersten Tagen herrschenden kühlen, nassen
Wetter bedeutete die eingeführte Normalbelastung bei vielen Maschinen die Grenze der
Tragfähigkeit, so daß die Flieger außerordentlich vorsichtig mit der Steuerung
umgehen mußten, um einerseits dem Apparat alle möglichen Hilfen zu geben,
andererseits auch das gefährliche Uebersteuern zu vermeiden. Andererseits zeigt
sich, daß die reine Flugzeit auf das gesamte Resultat von außerordentlich geringem
Einfluß ist, d.h. die Zwischenlandungen und Reparaturen spielen noch eine gewaltige
Rolle. Das Grund-übel ist hier natürlich die mangelnde Betriebssicherheit unserer
Motorenanlagen. Fast stets ist der Motor oder einer seiner Teile die Ursache, daß zu
einer Landung geschritten werden muß, die dann (zumal wenn sie übereilt geschieht)
recht üble Folgen haben kann. Die Verbesserung des Motors ist daher die erste
Notwendigkeit zur weiteren Förderung der Flugtechnik. Ein betriebssicherer Motor
selbst mit höherem Einheitsgewicht bedeutet für die Flugtechnik alles. So hat z.B. von Hiddessen, der Sieger im Zuverlässigkeitswettbewerb
mit einer Gesamtflugzeit von 10 Std. 58,5 Min. fast keine Zeitverluste durch
Reparaturen und Zwischenlandungen erlitten. Er brauchte nämlich rd. 600 Minuten
reine Flugzeit, die durch die Reduktionsziffer von 0,983 für seinen 95 PS-Motor nur
um 10 Minuten reduziert wurde. Der Träger der besten reinen Flugzeit (Leutnant Coerper auf Jeannin-Taube)
hatte bei 422 Minuten doch eine Gesamtflugzeit von 49 Stunden und 19 Minuten, d.h.
er hat 42 Stunden für Landungen und Reparaturen verbraucht.
Gesamt-Flugzeit(einschl.
ReparaturenundZwischenlandungen)
Reine
Redu-zierte
Flugzeit
I. Alle drei Etappen legten
zurück:
1. v.
Hiddessen, Mars-Eindecker
10 Std. 28,5 Min.
599,7
589,5
2. Canter, Rumpler-Taube
16 „ 35,1 „
519,5
476,0
3. Schlegel, Aviatik-Eindecker
17 „ 37,9 „
508,4
483,9
4. Joly, Gothaer Taube
17 „ 59,9 „
547,6
492,4
5. Carganico, L. V. G-Doppeldecker
19 „ 30,7 „
455,5
460,7
6. v.
Beaulieu, Albatros-Doppeldecker
29 „ 2 „
483,2
475,0
7. Thelen, Albatros-Doppeldecker
36 „ 16,6 „
440,1
432,6
8. Coerper, Jeannin-Taube
49 „ 19,3 „
422,0
426,7
9. Kastner, Albatros-Taube
50 „ 31 „
465,4
457,6
II. Die ersten beiden Etappen
legten zurück:
1. Freiherr v. Thüna, L. V.
G.-Doppeldecker
3 Std. 59,2 Min.
243,3
239,2
2. Freiherr v.
Haller, Otto-Doppeldecker
4 „ 0,8 „
244,9
240,8
3. Suvelack, Kondor-Eindecker
11 „ 57,2 „
308,2
302,9
III. Die erste Etappe legten
zurück:
1. Blüthgen, Mars-Doppeldecker
2 Std. 7,1 Min.
129,3
127,1
2. Donnevert, Rumpler-Taube
2 „ 32,4 „
160,1
152,4
3. Sommer, Euler-Doppeldecker
16 „ 44 „
148,7
136,0
4. Zwickau, Mars-Eindecker
32 „ 7 „
–
–
IV. Auf der ersten Etappe schieden aus:
1. Engwer, Gothaer Taube, ohne Ballast nach 23 Stunden in
Kassel;
2. Hailer, Otto-Doppeldecker, Bruch des Fahrgestells bei der
Zwischenlandung in Gießen;
3. Vierling, Otto-Doppeldecker, Bruch bei Notlandung in der
Nähe bei Wiesbaden.
So ist denn auch als Sieger aus dem Wettbewerb wie vorstehende Zusammenstellung
zeigt, ein ganz normaler Tourenapparat hervorgegangen, der die Konkurrenz der
starken Rennmaschinen aus dem Felde schlagen konnte.
Für die beste Gesamtleistung erhielt Leutnant Canter den
Ehrenpreis des Kaisers, als Zweiter in der dreitägigen Zuverlässigkeitsprüfung und
Bester in der Aufklärungsübung. In der Zuverlässigkeitsprüfung rangieren die
Teilnehmer nach ihren errechneten Flugzeiten folgendermaßen: 1. Leutnant von Hiddessen, Preis des preußischen Kriegsministeriums;
2. Leutnant Canter, Preis des bayerischen
Kriegsministeriums; 3. Ingenieur Schlegel, Preis des
Frankfurter Automobil-Klubs; 4. Leutnant Joly, Preis des
Geheimrat Oßwald; 5. Leutnant Carganico, Preis der Nationalflugspende; 6. Oberleutnant v. Beaulieu, Preis der Nationalflugspende; 7. Ingenieur Thelen, Preis der Nationalflugspende; 8. Leutnant Kastner, Preis der Südwestgruppe des D. L. V.; 9.
Leutnant Coerper, Preis der Südwestgruppe. Von den 10000
M der Nationalflugspende erhielten die Deutschen
Flugzeugwerke, Leipzig (Leutnant von Hiddessen)
5000 M, Aviatik-Akt.-Ges. (Ingenieur Schlegel) 3000
M und die Gothaer Flugzeugwerke (Leutnant Joly) 2000
M.
Die ersten Preise bei der Aufklärungsübung erhielten; 1. Leutnant Canter, Prinz-Heinrich-Preis der Lüfte, sein Beobachter
Leutnant Boehmer den Preis des Großherzogs von Baden. 2.
Leutnant Geyer und sein Beobachter Leutnant Prinz,
Ehrenpreise der Südwestgruppe. 3. Freiher v. Haller den
Preis des Fürsten zu Wied und sein Beobachter Leutnant v. Koenitz den Preis der Damen von Koblenz. 4. Oberleutnant Bahrends und sein Beobachter Leutnant Wilberg Preise der Südwestgruppe. 5. Ingenieur Thelen den Preis des Fürsten Hatzfeld und sein Begleiter Kapitänleutnant Weiß einen Preis der Südwestgruppe. 6. Leutnant Coerper und sein Beobachter Leutnant v. Schroeder, Preise der Südwestgruppe.
Ehe wir nun auf die einzelnen Maschinen zu sprechen kommen, möge allgemein
festgestellt werden, daß bei dieser Veranstaltung mehr als bei jedem anderen
Wettbewerb fast nur modernes Material zur Beteiligung geschickt wurde. Die noch im
Vorjahr vertretenen alten Typen sind dieses Jahr durch vollwertiges, modernes
Material ersetzt, und es zeigt sich immer schärfer der Entwicklungsgang moderner
Flugmaschinen zu einem gewissen Einheits-Standard-Typ. In
großen Zügen gleichen sich dann Ein- und Zweidecker und unterscheiden sich lediglich
durch die Zahl der Tragflächen. Es soll nicht unerwähnt bleiben, daß die in der
Konkurrenz vertretenen Doppeldecker, die noch nicht ganz scharf die Merkmale des
Einheittyps besaßen, keinerlei Erfolge erzielt haben. Dies mag ein Zufall sein, es
ließe sich jedoch in mancher Beziehung die Ansicht verfechten, daß gerade die
Abweichungen vom Einheitstyp die Ursache der geringen Erfolge waren.
Die moderne Flugmaschine besteht aus einem festgefügten bootförmigen Rumpfkörper von
rundem oder eckigem Querschnitt, der sowohl die Maschinenanlage als auch
Betriebstoffe und Fahrer in sich aufnimmt. Am Kopf des Rumpfes ist der Motor mit
festgekuppeltem Propeller angeordnet. Die Kühler sind entweder seitlich des Rumpfes
oder aber unmittelbar hinter dem Propeller angebracht. Es kann gleich darauf
hingewiesen werden, daß die Ansicht irrig ist, der Kühler habe unmittelbar hinter
dem Propeller eine höhere Relativluftgeschwindigkeit zur Verfügung. Die vom
Propeller verarbeitete Luft nimmt ihre volle Beschleunigung nicht innerhalb des Propellers, sondern erst wesentlich hinter diesem an. Der Flugzeugkörper enthält im vorderen
Drittel die Sitze der Fahrer sowie die Steuerhebel, Instrumente und Betriebsstoffe,
verjüngt sich dann hinten zu schlanken Formen und geht in die Steuerorgane über. Der
Rumpf stützt sich mit einigen Streben auf das Fahrgestell, dem in neuerer Zeit ein
erhebliches Interesse zugewendet wird. Die Tragflügel werden dem Körper stets so
angefügt, daß eine leichte Demontage möglichst ohne Lösung bzw. Längenveränderung
von Spannkabeln möglich ist. Beim Doppeldecker werden daher die Vertikalstreben
mittels Gelenkbolzen mit den Tragflächen verbunden, so daß sie nach Lösen eines
Kabels umgeklappt und hierdurch die beiden Flächen aufeinandergelegt werden können.
Beim Eindecker ist größtenteils eine Verbindung durch Bolzen unmittelbar am
Rumpf geschaffen, die Spannkabel am Spannturm bzw. am Fahrgestell werden ohne
Längenveränderung ausgehakt.
Weiter verdient hervorgehoben zu werden, daß man der Ausrüstung mit geeigneten
Instrumenten einen größeren Wert beilegt. So waren z.B. die meisten Apparate mit
einem Schalenkreuz-Anemometer (möglichst weit entfernt vom Rumpf) ausgerüstet, die
dem Führer die Relativgeschwindigkeit gegenüber der Luft angeben sollten; auch
Kompasse fand man bei den meisten Apparaten vor.
Textabbildung Bd. 328, S. 403
Abb. 2.Leutnant Canter auf der Rumpler-Taube
Der siegende Apparat, die normale Rumpler-Taube (Abb. 2) ist zur Genüge bekannt; es verdient
hervorgehoben zu werden, daß Leutnant Canter mit
demselben Apparat (einer Stiftung der Deutschen Waffen- und
Munitionsfabriken) seinen bekannten Rekordüberlandflug Jüterbog –
Gremsmühlen – Döberitz ausgeführt hat.
(Schluß folgt.)