Titel: | Graphische Kalkulation und Normalisierung. |
Autor: | Bruno Leinweber |
Fundstelle: | Band 328, Jahrgang 1913, S. 434 |
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Graphische Kalkulation und
Normalisierung.
Von Ingenieur Bruno Leinweber in
Wien.
LEINWEBER: Graphische Kalkulation und Normalisierung
Die rechnerische Kalkulation der Selbstkosten erfordert einen großen Aufwand an
Personal, Zeit und Mühe und hat dabei noch den Nachteil, daß sie nie verläßlich sein
kann, da trotz gleicher Kalkulationsgrundlagen verschiedene Personen verschiedene
Preise herausrechnen werden, wie dies die praktische Erfahrung lehrt.
Die gebräuchliche Selbstkostenberechnung mit ihren zahlreichen Eintragungen in
dickleibigen Büchern bietet außerdem gar keine Uebersicht über die Richtigkeit der
Kalkulationen und der Normalisierungen und nimmt auch dem Offertingenieur viel Zeit
weg, wenn er nach solchen Kalkulationsbüchern die Kosten einer Anlage
zusammenstellen soll.
Für normalisierte Konstruktionen läßt sich die
rechnerische Kalkulation in sehr einfacher Weise zum größten Teil durch die
graphische Kalkulation ersetzen. Welche alle vorerwähnten Nachteile vermeidet, ein
rasches Arbeiten ermöglicht und gleichzeitig ein besonders gutes Hilfsmittel bietet,
um die richtige Normalisierung und Herstellung marktgängiger Konstruktionen zu
kontrollieren. Sie arbeitet nicht mit der Rechenmaschine, sondern mit dem
Stechzirkel.
Die wichtigste Voraussetzung für die graphische Kalkulation ist eine wirkliche
Normalisierung der Konstruktionen, die wieder am besten mit Hilfe von Schaulinien –
Konstruktionsdiagrammen – erreicht wird, wobei auch
gleichzeitig viel Zeit und Arbeit am Reißbrett erspart und die Normalisierung von
dem jeweils persönlichen Gutdünken des Konstrukteurs unabhängig gemacht wird.
Will man Normalkonstruktionen aufstellen, so sollte man sich daher stets des
Hilfsmittels der Konstruktions-Diagramme bedienen, andererseits aber auch bereits
normalisierte Konstruktionen mit nachträglich aufgestellten Konstruktionsdiagrammen
überprüfen.
Das Wesen des Konstruktionsdiagrammes sei vorerst an einem ganz einfachen
Beispiel aus dem Maschinenbau erläutertDie
Ausführungen dieses Aufsatzes und die Beispiele beziehen sich alle auf den
Maschinenbau, doch lassen sich natürlich auch zahlreiche andere Gebiete in
ähnlicher Weise behandeln..
Das Konstruktionsbureau einer Maschinenfabrik erhält den Auftrag, Ringschmierlager zu
normalisieren und will sich dazu der Konstruktionsdiagramme bedienen.
Ein geübterer Konstrukteur entwirft zunächst zwei, besser drei Lager für
verschiedene, möglichst weit voneinander abstehende Wellendurchmesser gleichzeitig,
trägt die Hauptabmessungen in ein rechtwinkliges Achsensystem ein und gleicht diese
Abmessungen so lange aus, bis sie durch eine Gerade (event. eine gleichmäßig
ansteigende Kurve) verbunden werden können.
Die Schnittpunkte dieser Geraden (Kurve) mit den Ordinaten der übrigen
Wellendurchmesser geben ihm dann gleich die Hauptabmessungen der zu diesen
Wellendurchmessern gehörigen anderen Ringschmierlager.
In gleicher Weise kann er noch alle anderen minder bestimmenden Abmessungen graphisch
festlegen.
Die Lager für die weiteren Wellendurchmesser können dann leicht und rasch auch von
einer Hilfskraft gezeichnet werden.
Außer der Zeit- und Arbeitsersparnis wird diese Methode noch den Vorteil ergeben
haben, daß sämtliche Lager in ihrem Gewichte und damit auch im Preise einheitlich
und gesetzmäßig steigen, wodurch wieder die Genauigkeit der graphischen Kalkulation
wesentlich erhöht wird.
Es sei aber gleich bemerkt, daß die Aufstellung der Konstruktionsdiagramme und
besonders der Kalkulationsdiagramme einiges Verständnis und Gefühl für diese
Arbeitsmethode erfordert, daher zunächst eingeübt werden muß, was allerdings weder
schwer noch nennenswert zeitraubend ist.
Textabbildung Bd. 328, S. 434
Abb. 1.Ringschmierlager mit herausnehmbarer Unterschale mit
Weißmetall
Abb. 1 zeigt den schematischen Schnitt durch ein
Ringschmierlager, dessen Hauptabmessungen aus dem zugehörigen Konstruktionsdiagramm
(Abb. 2) ersichtlich sind.
Da es sich um lineare Größen handelt, sind die Schaulinien des Diagrammes Gerade. Bei
der Darstellung von Flächen oder von Werten, die von der räumlichen Ausdehnung
abhängen, wie z.B. Gewicht, Selbstkosten des fertigen Stückes, Selbstkosten für 100
kg, ergeben sich natürlich Kurven höherer Ordnung.
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Abb. 2.Konstruktionslängen einzelner Hauptabmessungen der
RingschmierlagerWellendurchmesserBis 120 mm Durchm. 2 Lagerschrauben,
4 Lagerschrauben
Ich habe für die Erläuterung des Wesens der Konstruktionsdiagramme eine bestimmte
Type von Ringschmierlagern gewählt, da ich diese den Diagrammen zugrunde gelegten
Konstruktionen einer großen deutschen Maschinenfabrik auch nach ihrer
Entstehungsgeschichte hin durch meine mehrjährige Tätigkeit in der betreffenden
Fabrik genau kenne.
Wie unrichtig diese (nicht von mir) „normalisierten“ Lager in
Wirklichkeit schabionisiert wurden, geht auf den ersten Blick aus der Abb. 2 hervor.
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Abb. 3.Schubstange für einzylindrige Dieselmotoren
Die stark ausgezogenen Linien geben die richtigen Normalisierungen an, die feinen
Linien entsprechen der tatsächlichen Ausführung. Zwischen den Ordinaten für 120 und
130 mm Wellendurchmesser machen die Schaulinien für den Lagerfuß einen Sprung, da
das Lager 130 Φ bereits vier Lagerschrauben besitzt.
Der Zickzackverlauf der Schaulinien für die tatsächliche Ausführung veranschaulicht,
wie unregelmäßig die Konstrukteure die Normalisierung ausgeführt haben.
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Abb. 4.Konstruktionsgrößen einzelner Hauptabmessungen der Schubstangen
von stehenden einzylindrigen Dieselmotoren
Man wird sich natürlich auch bei der Arbeit mit Konstruktionsdiagrammen nicht
sklavisch an das vom Diagramm gegebene Maß halten, sondern dieses stets abrunden.
Auch wird man gelegentlich direkt von den Angaben der Schaulinien abweichen müssen,
wie z.B. in Abb. 2 bei der Entfernung der
Deckelschrauben für das Lager 50 Φ, da sonst die
Konstruktion zu knapp würde. Aber so im Zickzack dürfen normalisierte Konstruktionen
nicht herumwackeln, sonst kann von einer rationellen Schabionisierung nicht mehr gut
die Rede sein.
Hier bei den einfachen Ringschmierlagern liegt ja nicht viel daran; bei
komplizierten Gegenständen aber, z.B. ganzen Maschinen, gewinnt es wesentlich an
Bedeutung.
Welchen Einfluß diese ungenügende Normalisierung der Konstruktionen auf das Gewicht
und den Preis hatten, ergab der ganz unregelmäßige Verlauf der betreffenden
KalkulationsdiagrammeAus Platzrücksichten
und wegen der schweren Verständlichkeit weggelassen.
Daß solche Schaulinien einen guten Ueberblick über den Gang der Konstruktion geben,
ist aus der Linie h für die. Zentrumshöhe
ersichtlich.
Die Konstruktion dieser Ringschmierlager konnte seinerzeit nicht in einem Zuge
durchgeführt werden. Ein geübter Konstrukteur erhielt den Auftrag, zunächst die am
dringendsten benötigten und am häufigsten vorkommenden Typen zu zeichnen, nämlich
die für 70, 80, 90, 100, 130 und 140 mm Wellendurchmesser. Für diese verläuft auch
die Linie der Zentrumshöhe sehr regelmäßig.
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Abb. 5.Gestelle für einzylindrige Dieselmotoren
Dieser Konstrukteur trat dann aus der Firma aus und ein anderer erhielt später den
Auftrag, die noch fehlenden Lagertypen zu konstruieren. Die Punkte 1, 2, 3, 4 und 5 geben die
Zentrumshöhen an, die er wählte, und die ganz aus der Richtlinie der Konstruktionen
seines Vorgängers herausfallen, was bei Anwendung der graphischen Interpolation mit
Hilfe des Konstruktionsdiagrammes vermieden worden
wäre
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Abb. 7.Kolben für Dieselmotoren
Abgesehen von den sonstigen Vorteilen einer wirklichen Schablonisierung der
Konstruktionen erzielt man auch durch das Arbeiten mit Konstruktionsdiagrammen eine
derartige Genauigkeit und Zuverlässigkeit der Kalkulationsdiagramme, daß selbst
bei kleineren Abweichungen der Gewichte und gerechneten Selbstkosten der
ausgeführten Maschinen von den Angaben der Schaulinien Mängel in der Normalisierung
der Konstruktion und besonders in der organisatorischen Durchführung der
Werkstättenarbeit und der Kalkulation deutlich sichtbar werden.
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Abb. 6.Konstruktionsgrößen einzelner Hauptabmessungen von Gestellen für
einzylindrige stehende Dieselmotoren
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Abb. 8.Konstruktionsgrößen einzelner Hauptabmessungen von Kolben
stehender einzyl. Dieselmotoren Anm.: Einzelne Abmessungen wurden wegen der
Häufung der Linien ausgelassen
Die folgenden Abbildungen bringen Konstruktionsdiagramme von stehenden einzylindrigen
Diesel-Motoren. Die stark ausgezogenen Linien ergeben
die richtigen Normalisierungsmaße, die wieder im Zickzack herumspringenden feinen
Linien die Abmessungen der tatsächlichen Ausführungen. Die Einteilung der Abszisse
erfolgte nach effektiven Pferdestärken. Aus der jedem Diagramm vorangestellten
Maßskizze und der Buchstabenbezeichnung der Schaulinien ist ersichtlich, auf welches
Konstruktionsdetail sich das Diagramm bezieht.
Im Diagramm für den Kolben (Abb. 8) tritt
zwischen 50 und 60 PS ein Sprung auf, da die größeren Kolben aus zwei Stücken –
Kolbenboden und Kolbenkörper – hergestellt sind.
Alles übrige ergibt sich aus den Abb. 3 bis 8.
Sind die Konstruktionen normalisiert, so kann man die zugehörigen
Kalkulationsdiagramme aufstellen, deren Ausarbeitung desto leichter sein wird, je
schablonenmäßiger die einzelnen Maschinenserien konstruiert wurden. Wie die
abgebildeten Diagramme zeigen, kann man unter der Voraussetzung der Schabionisierung
die Kalkulationsdiagramme nicht nur auf einzelne Maschinenteile und
Maschinenelemente, sondern auch auf vollständige und komplizierte Maschinen mit
bestem Erfolge anwenden.
(Fortsetzung folgt.)