Titel: | Ueber die Messung hoher Temperaturen auf optischem Wege. |
Autor: | Alfred R. Meyer |
Fundstelle: | Band 328, Jahrgang 1913, S. 482 |
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Ueber die Messung hoher Temperaturen auf
optischem Wege.
Von Dr. Alfred R. Meyer.
MEYER: Ueber die Messung hoher Temperaturen auf optischem
Wege.
Inhaltsübersicht.
Es werden die wichtigsten theoretischen Grundlagen der optischen
Temperaturmessung und die verbreitetsten Apparate zu ihrer praktischen Durchführung
besprochen. Ferner werden die zur Zeit geltenden Temperaturskalen sowie die
wichtigsten, durch neuere Messungen festgelegten oder bestätigten
Temperaturfixpunkte angegeben.
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Wenn wir einen Blick auf die neuere technische Literatur werfen, so weit sie sich
insbesondere mit der Herstellung hochschmelzender Metalle und Legierungen und deren
Anwendungen beschäftigt, begegnen wir einer großen Zahl von Temperaturangaben, die
uns einerseits zeigen, daß die Metallurgie solcher Metalle der Gegenstand
eingehender Studien gewesen ist, die aber auch andererseits beweisen, daß bei diesen
Arbeiten die genaue Festlegung und Messung der dort zur Anwendung gelangenden
Temperaturen Gegenstand eingehender Untersuchungen gewesen ist. Wenn wir z.B. hören,
daß der Schmelzpunkt des Platins bei 1755 ° C, der des Molybdäns bei 2390 °C, der
des Tantals bei 2770 ° C und der des Wolframs bei 3000 ° C liegt, und daß die
Temperatur der Sonne 6000 ° C beträgt, so ersehen wir daraus, daß sich nicht nur die
Temperaturgrenze, bis zu der heutzutage genaue Temperaturangaben gemacht werden,
gegen früher gesteigert hat, sondern daß gleichzeitig jede Temperaturangabe, wie aus
der letzten geltenden Ziffer der angeführten Zahlen hervorgeht, einen beträchtlichen
Grad von Genauigkeit für sich in Anspruch nimmt.
Die Meßmittel der heutigen Technik müssen also, das zeigen uns diese Zahlen, einen
gewissen Grad der Vollkommenheit erlangt haben, der eine genaue Eichung und eine
genaue Reproduktion bestimmter Fixpunkte ermöglicht. Ueberblicken wir das Gebiet der
uns für die Temperaturmessung bekannten Hilfsmittel, das Thermometer in seiner
einfachsten Form als Quecksilber- oder allgemein Flüssigkeitsthermometer, das
Quarzglasthermometer, das Gasthermometer, das elektrische Widerstandsthermometer,
das Thermoelement und das optische Pyrometer, so erkennen wir bald, daß für die
Messung hoher Temperaturen das letztgenannte mehr und mehr in Frage kommt, je höher
die zu messende Temperatur ist, da alle anderen ihre natürliche Grenze an der
mangelnden Temperatur-Widerstandsfähigkeit der entweder zu den Temperaturmeßgeräten
selbst oder zu ihren Schutzhüllen benutzten Materialien finden. Das optische
Pyrometer, mit dem sich die folgenden Betrachtungen beschäftigen, ist daher bis auf
weiteres das einzige Meßgerät, das uns bei hohen Temperaturen genaue Angaben zu
machen gestattet, und das wegen seiner Bedeutung eine eingehende Bearbeitung und
Erforschung im letzten Jahrzehnt gefunden hat.
Wie der Name besagt, macht das optische Pyrometer von der Eigenschaft aller Körper
Gebrauch, von einer gewissen Temperatur an durch sichtbares Glühen unserem Auge
einen Rückschluß auf den Grad der Erhitzung zu gestatten; selbst ohne besondere
instrumentelle Hilfsmittel können wir graduelle Unterschiede durch die Bezeichnung
Rotglut, Gelbglut, Weißglut festlegen. Durch unser Auge ist die untere Grenze dieser
Meßmethode, etwa 525 ° C, gegeben. Wollen wir diese allen Körpern gemeinsame
Eigenschaft, bei der Erhitzung sichtbar glühend zu werden, zur quantitativen
Temperaturbestimmung benutzen, so müssen wir nach einer Definition suchen, die, bei
allen Körpern zutreffend, eindeutig den Temperaturzustand des zu messenden Körpers
definiert. Da das Licht, das der Körper aussendet, das Maß sein soll, so werden wir
zweckmäßig die für die Flächeneinheit des Körpers, also 1 qmm, ausgestrahlte
Lichtmenge zur Temperaturdefinition benutzen und uns fragen, ob damit eine
eindeutige Festlegung getroffen ist. Ein einfaches Experiment lehrt uns, daß dies
nicht zutrifft.
Wir nehmen ein Platinblech, auf dem wir einen Tropfen Tinte zum Eintrocknen bringen
und halten das Blech in die Flamme eines Bunsenbrenners. Der anfangs dunkle Fleck, der sich bald
in nach dem Glühen und Abkühlen ebenfalls dunkles Eisenoxyd verwandelt, erscheint
plötzlich, sobald das Blech in Glut geraten ist, hell auf dunklerem Grunde, obwohl
offenbar bei der guten Leitfähigkeit des Metallbleches die Temperatur des Fleckes
genau dieselbe wie die seiner Umgebung ist. Daß auch nicht der Einfluß der
Flammengase für die Erscheinung verantwortlich zu machen ist, sehen wir, wenn wir
denselben Versuch auf dem Wege elektrischer Heizung des Bleches wiederholen. Wir
erkennen ferner, wenn wir verschiedene Körper, z.B. mehrere Metalle von verschieden
starkem Glänze zusammen mit anderen Materialien, einem Stückchen Kohle, etwas
Aluminium- oder Magnesiumoxyd usw., auf derselben völlig gleich temperierten
Unterlage in gutem Kontakt mit ihr zum Glühen bringen, daß die verschiedenen Körper,
deren Temperaturgleichheit wir noch durch Messung mit einem Thermoelement
feststellen können, durchaus verschieden hell erscheinen, daß die dunkle Kohle am
hellsten strahlt, während die blanken Metalle wie die weißen Oxyde dagegen erheblich
weniger hell erscheinen.
Die Erklärung dieser lange bekannten Erscheinung gaben Kirchhoff, W. Wien, Lummer, Kurlbaum und Pringsheim, die zeigten, daß derjenige Körper am stärksten strahlt, der am
schwärzesten erscheint, oder physikalisch gesprochen, der das größte Absorptions-,
das kleinste Reflexionsvermögen besitzt. Ihre Untersuchungen führten sie dazu, für
einen solchen, besonders scharf definierten Körper die Bedingungen festzulegen. Es
ist dies der sogen. „schwarze Körper“, der dadurch definiert ist, daß er jede
auf ihn fallende Strahlung absorbiert und nichts davon reflektiert. Er wird
praktisch verkörpert durch einen Hohlraum mit stark geschwärzten Wänden, der nur an
einer Stelle eine verhältnismäßig kleine Oeffnung besitzt. Selbst wenn diese Wände,
was praktisch zum Beispiel nie der Fall ist, nicht völlig schwarz sind, sind doch
die oben genannten Bedingungen erfüllt. Nehmen wir zum Beispiel an, die Wände
absorbierten 90 v. H. der auf sie fallenden Strahlung, so wird ein Strahl, der durch
die Oeffnung auf eine Wand fällt, nach der ersten Reflexion 10 v. H. seiner
ursprünglichen Stärke, nach der zweiten 1 v. H. und nach der dritten 0,1 v. H.
besitzen. Sorgen wir also durch geeignete Anordnung dafür, daß jeder in den Körper
einfallende Strahl erst nach frühestens dreimaliger Reflexion wieder den Körper
verlassen kann, so hat der Körper bereits ein Absorptionsvermögen von 99,9 v. H.,
ist also praktisch völlig als schwarzer Körper zu betrachten. Ein so definierter
schwarzer Körper bildet die Grundlage jeder optischen Temperaturmessung; über seine
praktische Ausführung – in manchen Fällen ein würfelförmiger Hohlraum mit kleiner
Oeffnung, in anderen ein Rohr von hinreichender Länge bei entsprechendem
Durchmesser, noch dazu in seinem Innern mit Blenden ausgestattet – finden wir
näheres in den Arbeiten von Lummer, Wien, Kurlbaum,
Pringsheim und ValentinerWien und Lummer, Ann. 56 (1895) 451; Lummer und Kurlbaum, Verh. d. D. Phys. Ges. 17 (1898) 106; Lummer und Pringsheim, Verh. d. D. Phys. Ges. 5 (1903) 6; Valentiner, Ann. 31 (1910)
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Würden wir den so definierten Körper ohne weitere Einschränkung für die
Temperaturvergleichung benutzen wollen, so würden wir in einer großen Zahl von
Fällen auf keine Schwierigkeiten stoßen, in anderen dagegen Widersprüche finden. Der
Grund ist der, daß wir bei einer solchen Lichtmessung, wie wir sie uns als
Definition der Temperatur gewählt hatten, das ganze, von dem Körper im sichtbaren
Gebiet ausgestrahlte Licht messen, ohne dabei die Verteilung auf die einzelnen
Farben, die wir physikalisch durch die entsprechende Wellenlänge genauer festlegen,
zu berücksichtigen. Die physikalisch genaue Definition ist daher erst dadurch
möglich, daß wir das für die Flächeneinheit ausgestrahlte Licht des zu messenden
Körpers bei einer bestimmten Wellenlänge mit dem eines schwarzen Körpers vergleichen
und diejenige Temperatur als Temperatur des zu prüfenden Körpers angeben, bei der
der schwarze Körper dieselbe Lichtstärke für das qmm besitzt. Man nennt diese
Temperatur die „schwarze“ Temperatur des Körpers, „schwarze“
Temperatur deswegen, weil sie der eines schwarzen Körpers von bei dieser Wellenlänge
gleicher Flächenhelligkeit entspricht, und weil sie im allgemeinen nicht mit der
„wahren“ Temperatur – die man also zum Beispiel mit einem Thermoelement
messen würde – übereinstimmt.
Die Anwendung aller im vorstehenden erläuterten Einzelheiten auf das im Anfang
erwähnte Beispiel des Tintenfleckes auf dem Platinblech wird uns unsere Definition
verständlicher machen. Nehmen wir zum Beispiel den günstigsten Fall an – in der
Praxis kann man ihn nicht verwirklichen – daß der Tintenfleck völlig schwarz im eben
angegebenen Sinne sei, so würden wir, wenn wir die Temperatur des Bleches konstant
hielten und dann sowohl die „schwarze“ Temperatur des Bleches aus seiner
Flächenhelligkeit bei einer bestimmten Wellenlänge wie die des Tintenfleckes nach
derselben Eigenschaft beurteilten, zwei Temperaturen erhalten. Von diesen wäre die
erste durch den Zusatz „gemessen an dem blanken Platinblech“ definiert,
während die zweite die höchste Temperatur darstellt, die wir durch Schwärzung des
Bleches an ihm messen können; da die gewählte Schwärzung als absolut schwarz
vorausgesetzt war, so haben wir damit die „wahre“ Temperatur des Bleches
ermittelt. Es ist einleuchtend, daß je nach dem Glänze des Bleches – wir können ja
verschiedene Materialien dazu benutzen – der Unterschied zwischen der gemessenen
„wahren“ und „schwarzen“ Temperatur verschieden sein wird, und es
ist zu erwarten, daß dieser Unterschied, wenn wir ihn für die verschiedenen
Materialien auf die gleiche wahre Temperatur derselben beziehen werden, ein Maß für
den Glanz dieser Körper sein wird. Daß dem so ist, und wie wir diesen Unterschied
quantitativ festlegen, werden wir weiter unten sehen.
(Fortsetzung folgt.)