Titel: | Der Wasserflugzeug-Wettbewerb auf dem Bodensee 1913. |
Autor: | Paul Béjeuhr |
Fundstelle: | Band 328, Jahrgang 1913, S. 545 |
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Der Wasserflugzeug-Wettbewerb auf dem Bodensee
1913.
Von Paul Béjeuhr in
Berlin.
(Schluß von S. 533 d. Bd.)
BEJEUHR: Der Wasserflugzeug-Wettbewerb auf dem Bodensee
1913.
Schwimmerkonstruktionen.
Von den elf Apparaten (wenn man den Gotha-Apparat mitrechnet), die noch in irgend
einer Weise am Wettbewerb teilnahmen, waren nur zwei mit einem einfachen
Mittelschwimmer, die übrigen dagegen stets mit zwei Parallelschwimmern versehen. Es
war leider nicht das geeignete Wetter, um besondere Erfahrungen über die
Brauchbarkeit der einen oder anderen Konstruktion zu sammeln, weil der Wellengang
doch über ein gewisses Mittelmaß während des ganzen Wettbewerbes nicht hinausging.
Es erscheint aber trotzdem sicher, daß der einfache Mittelschwimmer, welcher in
gewissem Sinne als Vorgänger des Bootes anzusehen ist, den Doppelschwimmern ganz
erhebliche Vorteile gegenüber besitzt. Man brauchte nur bei den kurzen kabbeligen
Wellen, die bei gewissen Windströmungen vorherrschten, zu sehen, wie die Apparate
mit Doppelschwimmern einseitig ein- und austauchten, um sofort zu der Einsicht zu
gelangen, daß auf die Dauer die Flugzeugverbände diesen Beanspruchungen nicht
gewachsen sein werden. Wenn der einfache Schwimmer auch relativ groß wird und
natürlich kleine Hilfsschwimmer an den Tragflügelenden erforderlich macht, um ein
Eintauchen der Flügel ins Wasser zu verhindern, so sind das doch keine
unüberwindlichen konstruktiven Schwierigkeiten, denen dagegen recht erhebliche
Vorteile gegenüberstehen.
Die Schwimmer selbst waren im allgemeinen aus Blech oder Holzfurnieren angefertigt,
und die Konstruktion der Albatroswerke war wohl als vorbildlich für die Ausführung
mit Holzfurnieren anzusehen. Fast alle Schwimmer waren mit Stufen vergehen, und zwar
war diese Stufe etwa unter dem Tragmittelpunkt bei normaler Einstellung der Flügel
zum Starten angebracht. Diese Stufe bewährte sich am Bodensee ausgezeichnet, denn
z.B. der Otto-Doppeldecker, dem es absolut nicht gelingen
wollte, vom Wasser abzukommen, vermochte erst durch nachträgliches Aufsetzen
einer Holzstufe ein solches Abkommen zu erzwingen. Die Schwimmer selbst zeigten
größtenteils eine prahmartige, nach vorn schlank ansteigende Bodenführung und waren
auf der Oberseite fast stets flach bzw. ganz wenig gewölbt. Sie waren zum Teil mit
Kapok ausgefüllt, um selbst beim Eindringen von Wasser noch einen Auftrieb zu
gewährleisten. Auffällig war bei fast allen Konstruktionen das viel zu kleine
Reservedeplazement. Bei bewegter See und hartem Niedergehen würde sich dieser Fehler
vielleicht unheilvoll bemerkbar gemacht haben. Kleine Mannlöcher, deren Deckel
übrigens in vielen Fällen recht schwach konstruiert waren, sollten eine Kontrolle
des Schwimmerinnern ermöglichen.
Die seitlichen Hilfsschwimmer zeigten fast stets Zylinderform mit vorn und hinten
angesetztem mehr oder weniger spitzem Kegel. Die Friedrichshafener Flugzeugwerke
hatten außerdem noch kleine Gleitflächen unter diesen Schwimmern angebracht.
Die Schwanzflächen wurden in allen Fällen durch einen oder zwei Schwimmer
unterstützt, und es war hier interessant zu beobachten, daß diese Schwimmer
eigentlich in der Hauptsache die Form erhalten hatten, die von der Göttinger
Versuchsanstalt nach den Arbeiten von Prandtl und Fuhrmann für die Körper mit geringstem
Flüssigkeitswiderstand angegeben waren (stumpfes Vorderteil und sanfter Uebergang in
eine schlanke, spitze Form). Nur beim Apparat von Thelen
war der Versuch gemacht, den achteren Schwimmer organisch mit dem viereckigen Rumpf
zu verbinden. Die Konstruktion war entschieden eine der besten; sie hatte nur den
Fehler, daß der Schwanz dadurch verhältnismäßig tief im Wasser lag, was natürlich
beim Anlauf leicht bremsend wirkte. Diesem Uebelstand suchten alle anderen
Konstrukteure dadurch abzuhelfen, daß sie den achteren Schwimmer erst durch ein
Gestänge mit der Schwanzzelle verbanden, wodurch er etwas unmotiviert wirkte
und außerdem recht erheblichen Luftwiderstand bieten dürfte.
Die Verbindung der Hauptschwimmer mit dem Flugzeug geschah in der üblichen Weise
durch Strebenverbindungen, und zwar in starrer Ausführung. Nur die Flugzeugwerke
Friedrichshafen hatten für ihren Sporteindecker eine recht aussichtsreiche
Konstruktion geschaffen, nach welcher die Schwimmer mittels einer Achse an den
vorderen Streben des Flugzeugrumpfes befestigt waren, die hinteren Streben konnten
sich in einer Vertikalführung bewegen und wurden durch Gummizüge an ihrer obersten
Stellung festgehalten. Auf diese Weise konnte sich jeder Schwimmer bei Wellengang in
senkrechter Richtung für sich bewegen, ohne daß das Flugzeug selbst mitgenommen
wurde. Vielleicht ist es diesem Umstand zu danken, daß dieser Eindecker die ziemlich
erhebliche Wasserfahrt von Romanshorn nach Konstanz im Schlepptau eines Motorbootes
erledigen konnte, ohne den geringsten Schaden zu nehmen.
Einen ganz andern Weg hat Strack bei seinen
Schwimmerkonstruktionen verfolgt. Der Strack-Eindecker
ist mit einem völlig festen und starr mit dem Rumpf verbundenen Anlaufgestell
versehen und lediglich die Schwimmer werden, da sie gelenkig am Rumpf angebracht
sind, durch eine endlose Seilführung über zwei Trommeln auf- und niedergeschwenkt.
Die Stracksche Maschine ist daher eigentlich eine
Landmaschine, der für die Möglichkeit, auf dem Wasser niederzugehen, zwei Schwimmer
angegliedert sind. Die Schwimmer selbst waren einfache zylindrische Körper mit vorn
angebrachten Spitzen. Mit diesen Schwimmern kam der Apparat zunächst nicht vom
Wasser ab, und es wurden deshalb unterhalb der Schwimmer besondere Gleitflächen
angebracht, mit welchen es gelang, den Apparat aus dem Wasser sehr gut
hochzubringen. Wenn die ganze Konstruktion auch recht primitiv war, so muß man dem
Flieger und Konstrukteur Strack doch ganz besondere
Anerkennung zollen für die fleißige Arbeit, die er bei seinem Apparat verwendet hat,
und für den Schneid, mit welchem es ihm gelang, nach langem Mühen doch seinen
Apparat wenigstens zu den ersten Befähigungsnachweisen zu bringen. Noch etwas
anderes läßt sich vielleicht aus diesem Vorgehen beim Strackschen Apparat prophezeien. Als man im Motorbootsbau auf die
Rennboote überging und schließlich Gleitboote baute, da kamen die Kapitäne Crocco und Ricaldoni sowie der
Ingenieur Forlanini auf den Gedanken, statt der damals
sehr gebräuchlichen Stufenboote, die wir in unsern heutigen Schwimmerkonstruktionen
wiederfinden, einfache Kielboote zu verwenden, denen besondere Gleitflächen in Form
von V-förmigen Platten angebaut waren, d.h. für den Ruhezustand benutzte das Boot
den statischen Auftrieb des Kielboots, für das Fahren
dagegen den dynamischen Auftrieb der Flächen. Etwas
ähnliches ist hier beim Strack-Eindecker festzustellen.
Beim Liegen auf dem Wasser wurde der statische Auftrieb der röhrenförmigen Schwimmer
benutzt, zum Abkommen vom Wasser dagegen der dynamische Auftrieb der unteren
Fläche. Der Entwicklungsgang ist also ein ganz ähnlicher, und es läßt sich heute
noch nicht sagen, ob wir nicht in Bälde auf ganz ähnliche Bootskonstruktionen kommen
werden, wie wir sie im Rennbootbau schon vor Jahren kennen gelernt haben. Jedenfalls
seien Fachleute auf diesen Versuch des Strackschen
Eindeckers besonders hingewiesen.
Anfahrgestelle.
Die aufziehbaren Anfahrgestelle sind insofern von besonderem Interesse, weil sie ja
einer rein deutschen Forderung genügen und wohl bei keinem ausländischen
Wasserflugzeug vorhanden sind. Wie erinnerlich, sind die Anfahrgestelle auf Wunsch
der deutschen Marinebehörde bei den vorjährigen Wettbewerben in Heiligendamm zum
ersten Mal ausgeführt und haben in der Folgezeit, wie aus den nächsten Zeilen
hervorgeht, recht erhebliche Verbesserungen erfahren, obgleich die Marinebehörde
zurzeit nicht mehr den großen Wert auf die Fahrgestelle legt wie im Vorjahr.
Das hat seinen guten Grund in folgender Ueberlegung: Wasserflugzeuge werden in Bälde
so gebaut werden müssen, daß sie auch im Ruhezustande im Wasser bleiben, d.h. sie
werden in irgend ein überdachtes Bassin geführt, damit sie vor Witterungsunbilden
geschützt sind. Bei irgendwelchen Reparaturen werden sie einfach mit einem Kran auf
festen Boden gesetzt. Nun könnte immer noch die eine Schwierigkeit bestehen, daß bei
einer starken Brandung, die an irgend einer Küste herrscht, das Wasserflugzeug von
diesem Strand aus nicht ohne weiteres starten kann, obgleich die See außerhalb der
Brandung für eine Wasserung durchaus geeignet ist. Für diesen Fall wäre ja ein
Fahrgestell ganz zweckmäßig, das Flugzeug würde einfach auf dem Lande starten und
die erste Dünung bis zur ruhigeren See überfliegen. Nun werden aber die Stationen
für Wasserflugzeuge stets mit einem kleinen Binnenhafen versehen sein, so daß auch
dieser vorerwähnte Fall dadurch umgangen werden kann, daß das nicht mit Fahrgestell
versehene Flugzeug im Binnenhafen startet.
Daß bei Fortfall des Fahrgestells außerordentlich große Konstruktionsvereinfachungen
eintreten, ist ohne weiteres klar, weil die Räder für den Wasserstart stets
hochgezogen werden müssen. In einfachster Weise war die Frage der Anlaufräder wohl
bei dem Hirth sehen Apparat gelöst. Bei diesem war an der
in Flugrichtung liegenden Mittelstrebe ein Lager befestigt, in welchem die Achsen
der beiden Räder gelenkig mündeten. Die Vertikalstrebe des Rades war oben mit einer
Gabel versehen, die im heruntergelassenen Zustand unter entsprechend federnde
Gummizüge eines Blockes faßte. Sollten die Räder hochgezogen werden, so wurde die
Gabel ausgeklinkt und die Vertikalstrebe mit einem Seil eingezogen. Die Achse drehte
sich dann um das vorerwähnte Lager, und das Rad beschrieb um dieses Lager einen
Kreisbogen, bis es dicht an den Rumpf hochgezogen war. Es versteht sich von selbst,
daß Kabelverspannungen dafür sorgten, im heruntergelassenen Zustand das Rad nach
allen Seiten zu verspannen.
Eine ähnlich hübsche Konstruktion war die beim Thelenschen Albatros-Doppeldecker. Hier war die
Vertikalstrebe des Anlaufrades als Schraubenspindel ausgeführt, die einfach in die
Höhe geschraubt wurde. Natürlich war zwischen der Vertikalstrebe und der
eigentlichen Spindel ein Kugelgelenk vorgesehen, weil die Räder wiederum um die
Mittelstrebe einen Kreisbogen beschrieben, wobei allerdings im Gegensatz zum
Hirthschen Apparat je zwei Streben vorgesehen waren. Die beiden Aufdrehkurbeln der
Spindeln waren durch ein Kettenradgetriebe verbunden, so daß nur an einer Seite
gekurbelt zu werden brauchte, um beide Räder gleichzeitig zu heben. Auch diese
Vorrichtung dürfte sich im Ernstfall recht gut bewähren, wenn dafür Sorge getragen
wird, daß ein Einrosten der Schraubenspindel durch Witterungseinflüsse nicht
erfolgen kann, ferner, daß irgendwelche Landungsstöße schon unterhalb des
Kugelgelenks der Vertikalstrebe aufgenommen werden, damit die Spindeln sich niemals
verbiegen und so ein Auf- und Niederwinden unmöglich machen.
Beim Koberschen Apparat,
Friedrichshafen, war ein Kniegelenk für seine Anlaufräder vorgesehen, und zwar
derart, daß das Rad nach hinten hochgezogen werden konnte, indem das in der Mitte
der Strebe vorgesehene Gelenk einknickte. Beim Hinunterlassen des Rades schnappte
eine kleine Sicherung ein, die ein selbsttätiges Einknicken der Strebe verhinderte.
Das Aufwinden geschah durch ein an der Seite des Apparates vorgesehenes Handrad, das
sowohl vom Passagier als auch vom Flieger selbst betätigt werden konnte. Beim ersten
Anziehen des Handrades wurde die Sicherung gelöst und hierauf zog dasselbe Seil das
Rad in die Höhe. Die Konstruktion war außerordentlich fein durchgebildet, dürfte
jedoch schwerer als die bei den Albatros-Apparaten
angewendeten ausfallen.
Die Aviatikwerke hatten für ihre Aufzugsvorrichtung einen
verhältnismäßig kleinen Weg der Räder vorgesehen, was sowohl für den Landstart, als
auch für den Wasserstart etwas ungünstig war. Beim Landstart schleifte das
Hinterteil des Schwimmers sehr leicht auf dem Boden und beim Wasserstart waren die
Räder nicht so weit aus dem Wasser, um nicht doch noch zu bremsen. Die Vorrichtung
selbst bestand darin, daß die Vertikalstrebe sich wie eine Posaune
zusammenschieben ließ. Im gestreckten Zustand wurde sie durch Gummizüge in ihrer
Normallage festgehalten.
Beim Ago-Doppeldecker hingen je
zwei Räder zu beiden Seiten eines Schwimmers an einer gekröpften Achse, die oberhalb
des Schwimmers gelagert war. Sollten die Räder hochgezogen werden, so wurde mit
einer an die Achse angelenkten Hilfsstrebe die gekröpfte Achse um 90° gedreht und so
das Rad über dem Schwimmer hinausgehoben. Auch bei dieser Konstruktion sorgten
Spiralfedern dafür, das Anheben zu erleichtern.
Am ungünstigsten war wohl die Konstruktion beim Otto-Doppeldecker durchgeführt. Auch hier war, ähnlich dem
Ago-Doppeldecker, eine gekröpfte Achse für die beiden beiderseits der Schwimmer
angeordneten Räder vorgesehen, jedoch lag der Drehpunkt dieser gekröpften Achse
hinter dem Anlaufrad, so daß zum Hochziehen des Rades diese erst nach unten
geschwenkt werden mußten, um dann am hinteren Ende des Schwimmers auszutauchen. Es
zeigte sich nun hierbei, daß die aufgepumpten Räder, die außerdem eine recht
beträchtliche Größe hatten, einen derartigen Auftrieb besaßen, daß dieses
Untertauchen durch die Seilzüge nicht zu erreichen war.
Das Fahrgestell beim Gotha-Doppeldecker sieht eine
gekröpfte, an Gummiringen aufgehängte Radachse mit zwei Rädern zwischen den
Schwimmern vor. Mittels Winkelhebel und Schnurzug wird die Achse geschwenkt und die
Räder angehoben.
Ueberhaupt zeigte sich bei allen Konstruktionen, daß sie nur auf festem Boden erprobt
waren, und daß der Auftrieb der Pneumatiks viel zu wenig in Rechnung gezogen war.
Alle Aufzugsvorrichtungen krankten an demselben Uebel, daß sie auf dem Lande
vorzüglich funktionierten, daß aber im Wasser größtenteils beim Hinunterlassen der
Räder die Notwendigkeit vorherrschte, vom Schwimmer aus die Räder niederzudrücken,
um ihren in diesem Fall schädlichen Auftrieb zu überwinden. Jedenfalls aber haben
die erwähnten Konstruktionen doch manche Fingerzeige gegeben für eine weitere
Entwicklung, so daß vom Standpunkt des Technikers aus die Veranstaltung sich als
recht nützlich erwiesen hat.