Titel: | Ueber Meßfehler von jetzt noch in Gebrauch befindlichen militärischen Entfernungsmessern. |
Autor: | Chr. von Hofe |
Fundstelle: | Band 328, Jahrgang 1913, S. 578 |
Download: | XML |
Ueber Meßfehler von jetzt noch in Gebrauch
befindlichen militärischen Entfernungsmessern.
Von Chr. von Hofe, Dr. phil., Wissenschaftl.
Mitarbeiter der Optischen Anstalt C. P. Goerz.
(Fortsetzung von S. 564 d. Bd.)
v. HOFE: Ueber Meßfehler von jetzt noch in Gebrauch befindlichen
militärischen Entfernungsmessern.
3. Entfernungsmesser mit senkrechter Basis. Wie der
Name schon sagt, steht bei diesen Instrumenten die Basis immer senkrecht, und zwar
wird sie dargestellt durch die Höhe, in der der Entfernungsmesser aufgestellt ist
(vergl. Abb. 3). An einem erhöhten Standort in B befindet sich ein Fernrohr, dessen optische Achse
geneigt werden kann. Die Länge der Basis B A = b ist gleich dem Abstand der Fernrohrachse von der
wagerechten Linie A Z, die durch das zu messende Ziel
Z gelegt ist. Ein solcher Entfernungsmesser ist
natürlich nur brauchbar an steilen Küsten, wenn die Entfernungen von Objekten, die
sich auf dem Wasserspiegel befinden, gemessen werden sollen, da nur der
Wasserspiegel jederzeit gestattet, die wagerechte Linie vom Ziel bis zum Fußpunkt
des Instrumentes ohne besondere Hilfsmittel festzulegen. Die Messung erfolgt in der
Weise, daß ein Fadenkreuz im Gesichtsfeld des Fernrohrs auf die Wasserlinie des
Schiffes eingestellt wird. Die bei dieser Einstellung erfolgte Neigung der
Visierlinie ist ein Maß für die Entfernung. Gemessen wird also direkt der Winkel ß; der Winkel a ist
jederzeit konstant gleich einem rechten und infolgedessen ist auch der Winkel ζ am Ziel Z bekannt.
Textabbildung Bd. 328, S. 577
Abb. 3.
Die Hilfsmittel, die optische Achse des Fernrohrs um genau meßbare Beträge zu neigen,
sind verschiedenartig. Auf mechanischem Wege kann diese Neigung ausgeführt und
gemessen werden z.B. durch eine Tangentenschraube, die das eine Ende des Fernrohrs
mehr oder weniger hebt, und deren Achse direkt mit einer Skalentrommel verbunden
ist. Auf optischem Wege kann man mit Hilfe von drehbaren Glaskeilen die Visierlinie
neigen, ohne daß die feste Aufstellung des Instrumentes geändert wird. Hierin liegt
ein Vorzug dieser Methode.
Im allgemeinen wird angenommen, daß die Lichtstrahlen sich absolut geradlinig durch
die Luft fortpflanzen. Das ist aber nur der Fall, wenn die Luft in allen Schichten,
durch welche die Lichtstrahlen hindurchgehen, absolut homogen ist. Der Fall tritt
für dieses Instrument so gut wie nie ein. Bei größeren Entfernungen ist die Luft an
verschiedenen Orten häufig verschieden stark erwärmt. Besonders ist dies über dem
Meere der Fall. Dann ist auch der Brechungsexponent der Luft nicht gleichmäßig, so
daß die Lichtstrahlen von ihrer geraden Richtung abgelenkt werden. Da mit dem
Entfernungsmesser mit senkrechter Basis große Entfernungen (bis zu 12 und 15 km)
gemessen werden sollen, so muß diese Ablenkung der Lichtstrahlen vom geraden Wege
(die Refraktion) berücksichtigt werden. Leider ist der hier in Betracht kommende
Refraktionskoeffizient keine für den Aufstellungsort konstante Größe, sondern
wechselt mit der Witterung von Tag zu Tag. Daher läßt sich nicht für jede Messung
ihr richtiger Wert berücksichtigen, sondern es kann der Konstruktion des
Instrumentes nur ein Mittelwert des Refraktionskoeffizienten zu Grunde gelegt werden. Hierin
liegt selbstverständlich ein Nachteil dieser Art von Instrumenten.
Die wagerechte Linie A Z vom Fußpunkt des
Aufstellungsortes bis zum Ziel ist bisher als gerade Linie angenommen; bei großen
Entfernungen ist diese Annahme nicht zulässig, da hier die Krümmung der
Erdoberfläche schon merkliche Abweichungen von der Geraden verursacht. Dieser
Umstand kann aber für den Aufstellungsort, d.h. also für den hier in Frage kommenden
Erdradius, mit genügender Genauigkeit berücksichtigt werden.
Textabbildung Bd. 328, S. 578
Abb. 4.
Die Entfernungsmesser mit senkrechter Basis haben den Vorteil einer einfachen und
leichten Bauart, die auch günstig auf den Preis des Instrumentes wirkt. Wenn die
Basis genügend groß, d.h. der Aufstellungsort in hinreichender Höhe zur Verfügung
steht, so liefern sie sehr genaue Werte; jedoch ist bei einer Basis von weniger als
etwa 30 m die Genauigkeit für die jetzigen Anforderungen kaum mehr ausreichend, da
in diesem Fall die Schwankungen der Refraktion verhältnismäßig große Fehler
hervorrufen, und auch die Einstellung auf die Wasserlinie des Schiffes nicht mit der
genügenden Exaktheit erfolgen kann. Wenn das Schiff, dessen Entfernung bestimmt
werden soll, auf den Meßstand zufährt, so bildet sich eine Bugwelle, welche die
Einstellung auf die Wasserlinie ungenau macht. Ein ähnlicher Fehler tritt ein, wenn
das Schiff sich vom Ziele fortbewegt. Streng genommen würde die Messung nur zulässig
sein nach einem stillstehenden Schiff. Bei genügender Basislänge fallen diese Fehler
relativ wenig ins Gewicht und beeinträchtigen das Ergebnis der Messung infolgedessen
nicht in unangenehmer Weise.
Die durch Ebbe und Flut hervorgerufenen Schwankungen des Wasserstandes können bei der
Berechnung der Skala berücksichtigt werden. Wenn allerdings diese Schwankungen recht
erhebliche Werte annehmen, so werden die Skalentrommeln unangenehm groß.
Diese Entfernungsmesser werden auch zuweilen direkt mit dem Geschütz gekuppelt, so
daß durch die Einstellung des Fadenkreuzes auf das Ziel das Geschütz gleich den
richtigen Erhöhungswinkel erhält.
Bei diesen Instrumenten ist, wie bereits erwähnt, die Winkelbestimmung durch die
Einstellung auf die Wasserlinie des Schiffes bedingt. Da ihre Genauigkeit
beeinträchtigt werden kann durch die Bewegung des Schiffes und den schwankenden Wert
der Refraktion der Lichtstrahlen in der Luft, so muß für d
ζ' ein verhältnismäßig großer Wert, also z.B. 1 Min., angenommen
werden. Die Fernrohrvergrößerung sei eine 15 fache, die Basis gleich 30 m.
Die Genauigkeit des Basiswertes wird etwas beeinträchtigt durch das Schwanken des
Wasserspiegels (Ebbe und Flut) jedoch ist anzunehmen, daß sie jederzeit bis auf 0,1
m bekannt ist.
d ζ'
=
1' = 0,000291,
b
=
30 m,
d b
=
0,10,
γ
=
15
e
d e1
d e2
d e
1000
0,6
3,3
3,4
1500
1,5
5,0
5,2
2000
2,6
6,7
7,2
5000
16,2
16,7
23,2
10000
64,6
33,3
72,7
Die Meßgenauigkeit ist also bei einer Basislänge von 30 m noch leidlich. Wenn aber
d e1, das bei 5000
m Entfernung schon ungefähr gleich d e2 ist, da es proportional dem Quadrat der
Entfernung steigt, d.h., wenn d ζ' infolge einer
wesentlich anderen Refraktion als sie angenommen ist, stark vergrößert wird, so kann
d e leicht die zulässigen Grenzen für die größeren
Entfernungen überschreiten.
4. Küsten-Entfernungsmesser. Diese haben eine mehrere
Kilometer lange Basis, an deren Enden feste eventl. gepanzerte Beobachtungsstände
eingerichtet sind. Beide Winkel an der Basis a und ß sind veränderlich und werden durch je einen
Theodoliten gemessen (vergl. Abb. 4). Die
Einstellungen des Nebenstandes werden entweder telephonisch oder durch selbsttätige
elektrische Uebertragung nach dem Hauptstand übermittelt. In letzterem befindet sich
ein Tisch, auf dem eine Karte ausgebreitet ist, die das zu messende Gelände im
verkleinerten Maßstabe darstellt. In demselben Maßstab verkleinert sind Lineale
angebracht, von denen eines parallel zur Basis feststeht und die beiden andern
parallel zu den von den Meßständen ausgehenden Visierlinien liegen. Der Schnittpunkt
dieser beiden letzteren entspricht dem anvisierten Ziel, und die auf einer dieser
beiden Lineale angebrachte Skala gibt direkt die Entfernung an.
Auf diese Weise sind alle Rechnungen, die natürlich für den Feldgebrauch absolut
unzulässig sind, durch konstruktive Hilfsmittel ersetzt.
Da der Entfernungsmesser eine außerordentlich große Basis (mehrere Kilometer) hat, so
sind selbstverständlich die Messungen sehr genau, was entschieden als Vorteil dieser
Konstruktion anzusehen ist. Der Nachteil besteht dagegen darin, daß zwei Messungen
gemacht werden müssen, wodurch die Meßfehler vergrößert werden. Bei der großen Basis
sind außerdem die Zielbilder für beide Meßstände außerordentlich verschieden, so daß
eine Verständigung über das zu messende Objekt schwierig ist und leicht zu Irrtümern
führen kann. Werden ein Meßstand oder die Leitungen zwischen den beiden Ständen beschädigt, so ist
der ganze Entfernungsmesser unbrauchbar und kann nicht schnell durch irgend welche
Hilfsmittel wieder hergestellt werden. Die Kosten einer derartigen Anlage
(elektrische Kabel und Panzerstände) sind natürlich sehr beträchtlich.
Textabbildung Bd. 328, S. 579
Abb. 4a.
Bei diesen Instrumenten ist die Voraussetzung, daß das Dreieck gleichschenklig oder
rechtwinklig ist, nicht erfüllt. Da die sehr lange Basis an der Küste festgelegt
ist, so weicht der Wert der Winkel a und ß, welche die Lage der Visierlinie von den Endpunkten
der Basis A bzw. B zum
Ziel Z bestimmen, häufig um recht beträchtliche Größen
von 90° ab. Jedoch läßt sich die bisherige Berechnung der Fehler auch auf diese
Instrumente anwenden, wenn man in solchen Fällen den Wert der Basis entsprechend
ändert. In Abb. 4a ist angenommen, daß die gesuchte
Entfernung B Z ist. Der Winkel ß ist verhältnismäßig klein und a
verhältnismäßig groß. Fällt man eine Senkrechte auf Z A
= B A' so ist die bisherige Art der Fehlerbestimmung
zulässig für das Dreieck B A' Z. Hier ist α' = 90° und die Basis b' =
b sin α. Man braucht also nur an Stelle
der wirklichen Basis b eine verkürzte Basis b' einzuführen, um die angegebene Art der
Fehlerberechnung beibehalten zu können. Wegen der großen Basis ist ζ besonders bei kleineren Entfernungen so groß, daß
streng genommen der Winkel nicht mehr gleich dem sin gesetzt, d.h. die Formel 4
nicht mehr benutzt werden darf, doch bieten die Resultate dieser Formel einen
hinreichenden Vergleich dieses Instrumentes mit den andern Entfernungsmessern.
Für die Konstanten des Instruments seien folgende Werte angenommen.
d ζ'
=
30'' = 0,000145,
b
=
2000,
d b
=
0,1,
γ
=
15.
e
d e1
d e2
d e
1000
0,005
0,05
0,05
1500
0,01
0,08
0,08
2000
0,02
0,10
0,10
5000
0,12
0,25
0,30
10000
0,48
0,50
0,85
Hieraus geht hervor, daß der Entfernungsmesser, wie bei der langen Basis zu erwarten
ist, eine außerordentlich gute Einstellgenauigkeit ergibt, so daß die Meßresultate
ausgezeichnet sind, wenn die Einstellungen immer mit Sicherheit gleichzeitig auf
dasselbe Objekt ausgeführt werden.
(Fortsetzung folgt.)