Titel: | Ueber Meßfehler von jetzt noch in Gebrauch befindlichen militärischen Entfernungsmessern. |
Autor: | Chr. von Hofe |
Fundstelle: | Band 328, Jahrgang 1913, S. 596 |
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Ueber Meßfehler von jetzt noch in Gebrauch
befindlichen militärischen Entfernungsmessern.
Von Chr. von Hofe, Dr. phil., Wissenschaftl.
Mitarbeiter der Optischen Anstalt C. P. Goerz.
(Fortsetzung von S. 579 d. Bd.)
v. HOFE: Ueber Meßfehler von jetzt noch in Gebrauch befindlichen
militär. Entfernungsmessern.
5. Hahnscher Küsten-Entfernungsmesser. Dies
Instrument besteht im wesentlichen aus einem, um seinen Mittelpunkt drehbaren
Balken, an dessen einem Ende A ein Zielfernrohr genau
unter einem rechten Winkel angebracht ist, während auf dem anderen Ende B sich ein drehbares Zielfernrohr befindet. Der ganze
Balken wird so eingestellt, daß das Fadenkreuz des Zielfernrohrs A mit dem Zielbild zusammenfällt. Sodann wird das
Zielfernrohr β, ohne daß die Balkenlage verändert wird,
ebenfalls auf das Ziel eingestellt. Die Größe des Winkels β ist ein Maß für die Entfernung.
Dieses Instrument hat ähnliche Vorteile und Nachteile wie das vorgenannte, vor allen
Dingen bleibt der Nachteil bestehen, daß zwei Einstellungen gemacht werden müssen.
Außerdem ist die Basis und infolgedessen die Meßgenauigkeit ganz bedeutend kleiner,
so daß dieser Entfernungsmesser den modernen Anforderungen der Küstenartillerie
nicht mehr genügen kann.
Die Fehlerberechnung würde sich folgendermaßen gestalten:
dζ' = 30'' = 0,000145,
b = 5 m,
db = 0,01,
γ = 15.
e
de1
de2
de
1000
1,9
2,0
3,4
1500
4,4
3,0
6,9
2000
7,8
4,0
11,7
5000
48,5
10,0
69,3
10000
193,9
20,0
275,0
6. Entfernungsmesser Bickel. Er ist ungefähr um das Jahr
1897 konstruiert und augenscheinlich eine Fortsetzung der Konstruktion von Gaumet, die aus dem Jahre 1876 stammt. Auch hier ist der
eine Winkel an der Basis konstant und ein rechter (vergl. Abb. 5). An beiden Endpunkten befinden sich Winkelspiegel; die Messung wird durch ein
kleines Fernrohr unterstützt. Die Meßleute A und B haben ihre Standpunkte zueinander so zu wählen, daß
der Winkel a 90° beträgt. Das wird mit Hilfe von entsprechenden Visiervorrichtungen
ausgeführt. Der Meßmann B sieht dann das Ziel Z sowohl durch seinen eigenen Winkelspiegel, als auch
durch den Winkelspiegel A. Diese beiden Zielbilder
werden miteinander zur Koinzidenz gebracht, indem mit Hilfe einer Mikrometerschraube
der eine Spiegel des Winkelspiegels B verstellt wird.
Die Trennungslinie zwischen den beiden Bildern ist natürlich unscharf. Als
Basislänge wird für eine Entfernung bis zu 1000 m 5 m, für größere Entfernungen 10 m
genommen. Eine Skalentrommel ist direkt mit der Mikrometerschraube verbunden; sie
gibt für Entfernungen unter 1000 m ohne weiteres die richtigen Werte an, für
Entfernungen über 1000 m und eine Basis von 10 m Länge müssen die Skalenwerte
doppelt gerechnet werden.
Textabbildung Bd. 328, S. 597
Abb. 5.
Dieser Entfernungsmesser, der natürlich nur für die Zwecke der Infanterie vorgesehen
ist, hat wieder den Vorteil einer verhältnismäßig großen Basis und nur einer
Einstellung, dafür aber die Nachteile, daß die Messungen recht umständlich sind und
daß wiederum zwei Meßleute gebraucht werden, deren Verständigung Schwierigkeiten
bereiten kann.
Die durchschnittlichen Einstellfehler unter Zugrundelegung der entsprechenden Daten
liefern folgende Werte:
dζ' = 30'' = 0,000145,
b = 5 m (bis 1000) bzw. 10 m,
db = 0,05 bzw. 0,10,
γ = 10,
e
de1
de2
de.
500
0,7
5,0
5,0
1000
2,9
10,0
10,4
1500
3,3
15,0
15,4
2000
5,8
20,0
20,8
Textabbildung Bd. 328, S. 597
Abb. 6.
Die Meßgenauigkeit ist also eine recht gute, aber das Instrument ist sehr umständlich
in der Handhabung und führt leicht zu größeren Fehlern infolge mangelhafter
Verständigung der beiden Meßleute beim Festlegen der Basis.
7. Der Entfernungsmesser 03 der Pioniere. Er stimmt
im Prinzip mit einer Erfindung des Obersten Freiherr von
Zedlitz und Neukirch überein, die offenbar eine
Fortsetzung der Konstruktion von Goulier ist, welche aus
dem Jahre 1864 stammt.
An den Enden der Basis bei A und B (vergl. Abb. 6) befinden sich
Pentaprismen, die bekanntlich als Winkelspiegel aus einem Glasstück aufzufassen und
mechanisch unempfindlich gegen Winkeländerungen sind. Beide Pentaprismen haben einen
Ablenkungswinkel von genau 90°. Der Meßmann A sorgt
ebenso wie bei dem Entfernungsmesser von Bickel dafür,
daß der Winkel genau 90 ° beträgt; er visiert B direkt
an, und Z durch das Prisma. B macht seine Beobachtung in derselben Weise und markiert (vergl. Abb. 6) auf einem Maßstabe die Stelle, an der er das
Zielbild sieht, hier kann die Entfernung abgelesen werden. Ist die Entfernung
unendlich groß, so ist natürlich der Winkel Z B A ein
rechter und die Linie B C fällt mit B A zusammen. Hier ist also der Skalenpunkt ∞. Je mehr
das Ziel Z sich der Basis b nähert, desto weiter entfernt sich der Punkt C von A.
Als Basislängen werden solche von 4, 6, 10 und 16 m benutzt, je nach der Größe der zu
messenden Entfernung. Das Instrument soll brauchbar sein bis zu Entfernungen von
2000 m.
Textabbildung Bd. 328, S. 597
Abb. 7.
Die Vorteile und Nachteile sind ungefähr dieselben wie bei dem Bickelschen Entfernungsmesser. Die Fehlerberechnung gibt folgende
Resultate:
dζ' = 5' = 0,00145,
b = 4, 6, 10, 16 m,
db = 0,04, 0,06, 0,10, 0,16 m,
γ = 1.
e
de1
de2
de
500
90,9
5,0
128,7
1000
242,4
10,0
343,0
1500
327,2
15,0
463,0
2000
363,6
20,0
514,6
Die Meßfehler sind also recht groß, da die Einstellung mit bloßen Augen gemacht wird
und infolgedessen de1
recht erhebliche Werte annimmt.
8. Der kleine Entfernungsmesser 06 von der Firma Hensold in Wetzlar. Sein Vorgänger ist offenbar eine
Konstruktion von Magellan aus dem Jahre 1775. – Der
Winkel α (vergl. Abb.
7) ist wiederum ein rechter, der Winkel β etwas
kleiner. Bei A wird in der bekannten Weise der Winkel
a abgesteckt durch Visieren nach einem Hilfsziel
H. Bei B der kleinere
Winkel β in derselben Weise, indem der Meßmann von A nach B rückwärts geht
und ständig die Visierung nach dem Hilfsziel H in unveränderter Weise
beibehält. Sowie er das Zielbild Z, das er im
Pentaprisma sieht mit dem direkt gesehenen Hilfsziel zusammenfallend erblickt,
bleibt er stehen. Die Entfernung e ist dann
proportional der mit dem Meßband abgemessenen Entfernung b = AB. Die Winkel a und β werden beide durch ein Pentaprisma
DEFGIK (vergl. Abb.
8) dargestellt. Bei IK ist das Prisma etwas
abgeschliffen, so daß die Fläche GIK einen Knick
erhält. Für die Visierung in A ist der Durchblick durch
die Seitenfläche IK durch eine Klappe verschlossen, und
der durch die Seitenfläche GI geöffnet. In diesem Fall
liefert das Pentaprisma einen Winkel von 90 °, entsprechend den eingezeichneten
Linien, die von Z nach H
führen und den Winkel a miteinander einschließen. Für
die Visierung in B wird der Durchblick durch die
Seitenfläche GI geschlossen, und der durch die
Seitenfläche IK geöffnet. In diesem Fall erhält die
nach Z gerichtete Visierlinie die Ablenkung β, die etwas kleiner als 90 ° ist. Dieser Winkel β wird so angenommen, daß die mit einem Meßband
gemessene Basis b in einem möglichst einfachen
Verhältnis zu der zu messenden Entfernung steht. Beispielsweise sind die gesuchten
Entfernungen rund 50 oder 100 mal so groß wie die mit dem Meßband abgemessene
Basislänge.
Textabbildung Bd. 328, S. 598
Abb. 8.
Außer den bereits für diese Art Entfernungsmesser angegebenen Nachteilen leidet
dieses Instrument noch unter dem Uebelstand, daß der Meßmann möglichst genau in
einer geraden Linie von A nach B rückwärtsgehen muß. Geschieht dies nicht, so können die Resultate
erhebliche Fehler erhalten. Für die Fehlerberechnung soll angenommen werden, daß die
Basis immer gleich 1/50 der Entfernung ist (dementsprechend ist der Winkel β angenommen).
dζ' = 5' = 0,00145,
b = 0,02 ∙ e
(b = 10,0, 20,0, 30,0, 40,0)
db = 0,010 ∙ b
(db = 0,10, 0,20, 0,30, 0,40),
γ = h
e
de1
de2
de
500
36,4
5,0
51,7
1000
72,7
10,0
103,3
1500
109,1
15,0
155,0
2000
145,4
20,0
206,7
Hier wird ebenso wie bei dem unter Nr. 7 genannten Instrument die Einstellung mit
bloßem Auge gemacht, trotzdem sind die Meßfehler kleiner als. bei jenem, da
durch die größere Basis die Werte von de1 erheblich reduziert werden. Immerhin
genügt auch dieser Entfernungsmesser den heutigen Anforderungen der Infanterie
nicht.
9. Stereoskopischer Entfernungsmesser. Dieser ist um das
Jahr 1892 von dem Ingenieur Hector de Grousilliers
erfunden und von der Firma Zeiß in Jena zuerst ausgeführt
worden. Wie aus der schematischen Abb. 9 hervorgeht,
ist er gewissermaßen als eine Kombination von Stangen-Fernrohr und Stereoskop
aufzufassen. Die vom Ziel Z kommenden Lichtstrahlen werden von den Endreflektoren
A und B in die
Richtung der Basis AB = b reflektiert. In der Mitte der
Basis befinden sich wiederum zwei Reflektoren a und b, welche die Lichtstrahlen in die Okulare o, o werfen. Von den Objektiven O, O wird das Ziel in den Bildebenen BE, BE
abgebildet, so daß die Bilder mit den Okularen o, o
beobachtet werden können. In den Bildebenen BE, BE
befinden sich kleine, als Diapositive ausgeführte Stereoskopbilder von Meßmarken,
die bei der Beobachtung gleichzeitig mit dem Landschaftsbild gesehen werden und den
Eindruck hervorrufen, als ob diese Marken in der Landschaft als Kilometersteine
aufgebaut wären. Neben jeder Marke ist die Entfernung, der sie entspricht,
angeschrieben.
Textabbildung Bd. 328, S. 598
Abb. 9.
Die Messung wird in der Weise vorgenommen, daß der Beobachter durch entsprechende
Drehungen des Entfernungsmessers das räumlich erscheinende Zielbild neben eine der
ebenfalls räumlich erscheinenden Marken bringt. Alsdann kann er die scheinbaren
Entfernungen beider miteinander vergleichen und so das Zielbild zwischen zwei
Markenbilder einschließen, von denen das eine näher, das andere weiter erscheint.
Der Zwischenraum zwischen den Markenbildern und dem Zielbild kann interpoliert
werden. Das hier beschriebene Instrument ist ein Entfernungsmesser mit fester
Skala.
Anstelle der fest angebrachten, räumlich erscheinenden Markenreihe kann man auch eine
einzige bzw. eine geringere Anzahl von Markenbildern im Gesichtsfeld erscheinen
lassen und die Messung so vornehmen, daß durch gegenseitige Bewegung des räumlichen
Zielbildes und des räumlichen Markenbildes beide so aufeinander eingestellt werden, daß sie
scheinbar dieselbe Entfernung haben. Die Verschiebungsvorrichtung wird mit einer
Skalentrommel gekuppelt, die direkt die Entfernungen angibt. Ob man bei diesem
Entfernungsmesser mit wandernder Marke durch mechanische Hilfsmittel die
Markenbilder bewegt, oder durch optische Hilfsmittel die Zielbilder, ist für die
Wirkung gleichgültig, da es nur auf die relative Bewegung der Markenbilder und
Zielbilder zueinander ankommt.
Textabbildung Bd. 328, S. 599
Abb. 10.
Diese Instrumente haben den Vorteil, daß nur ein Beobachter und eine Einstellung
nötig sind, so daß alle Irrtümer, die durch mangelhafte Verständigung zwischen zwei
Beobachtern entstehen können, ausgeschlossen sind und die Vergrößerung der
Meßfehler, die durch zwei Beobachtungen auch desselben Beobachters entsteht,
ebenfalls fortfällt. Auch Ziele, die sich bewegen, sind ohne Schwierigkeit zu messen
(vergl. Nr. 2).
Die Basis hat eine konstante, verhältnismäßig kleine und sehr genau meßbare Länge.
Sie ist ins Instrument eingebaut; infolgedessen ist das ganze Instrument als ein
einziges Stück sehr leicht transportabel, so daß die Vorbereitungen zum Messen
denkbar gering sind. Der einzige Nachteil, den diese Entfernungsmesser haben, ist
der, daß sie von der Veranlagung des Meßmannes zum stereoskopischen Sehen abhängig
sind. Im allgemeinen müßte es als das Natürlichste erscheinen, daß der Meßmann, wie
im gewöhnlichen Leben, so auch beim Messen, seine zwei Augen benutzt, so daß man
annehmen sollte, daß dieser Nachteil vollkommen bedeutungslos wäre. Trotzdem hat die
Erfahrung gelehrt, daß es auch unter den Soldaten sehr viele gibt, die kein
genügendes stereoskopisches Sehvermögen haben, um mit diesem Instrument Messungen zu
erreichen, welche die gewünschte Genauigkeit besitzen.
Die Fehlerberechnung führt bei der Annahme eines guten stereoskopischen
Sehvermögens zu denselben Resultaten wie bei Nr. 10 und braucht infolgedessen hier
nicht besonders angeführt zu werden.
10. Koinzidenz-Telemeter. Es unterscheidet sich von dem
stereoskopischen Entfernungsmesser nur dadurch, daß die beiden Okularspiegel a und b so nahe
zusammengerückt sind, daß bei unendlich großer Entfernung des Zieles Z die beiden
Teilbilder in der einzigen Bildebene BE zusammenfallen
und beide durch ein Okular betrachtet werden können (vergl. Abb. 10). Das im Gesichtsfeld erscheinende Bild hat
das in Abb. 13
dargestellte Aussehen (siehe später). Mitten durch das Gesichtsfeld geht eine
wagerechte, möglichst dünne Trennungslinie (vgl. D. p. J. S. 27 d. Bd.). Der
Entfernungsmesser ist so justiert, daß die beiden Teilbilder sich zu einem einzigen
ergänzen, wenn das Objekt eine unendlich große Entfernung hat; je kleiner die
Entfernung des Objektes ist, desto weiter sind die beiden Teilbilder in seitlicher
Richtung gegeneinander verschoben. Die Messung wird in der Weise ausgeführt, daß man
durch geeignete Hilfsmittel das eine Bild so weit verschiebt, bis es wiederum (wie
bei unendlich großer Entfernung des Objektes) mit dem andern ein einziges
vollkommenes Bild darstellt. Der Betrag der Verschiebung ist ein Maß für die
Entfernung. Die Verschiebungsvorrichtung ist mit einer Teilung in Entfernungen
versehen.
Aus dieser Beschreibung geht hervor, daß nur mit einem Auge beobachtet wird. Jeder,
der nur mit e i n e m Auge gut sieht, ist also zum Messen geeignet. Das ist
natürlich eine Bedingung, die jeder Soldat selbstverständlich erfüllt, auch
besonderes Verständnis ist für die Handhabung des Entfernungsmessers nicht
erforderlich, da die ganze Messung, wie gesagt, nur darin besteht, daß die Bilder so
aufeinander eingestellt werden, daß sie sich zu einem ganzen ergänzen. Darauf kann
ohne weiteres die gemessene Entfernung abgelesen werden, und zwar an einer Skala,
die äußerlich angebracht ist, oder im Gesichtsfelde erscheint und vom Meßmann
gesehen werden kann, ohne daß er das Auge vom Okular entfernt.
(Fortsetzung folgt.)