Titel: | Zuschriften an die Redaktion. |
Fundstelle: | Band 328, Jahrgang 1913, S. 684 |
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Zuschriften an die Redaktion.
(Ohne Verantwortung der Redaktion.)
Zuschriften an die Redaktion.
Die Zuschrift des Herrn Skutsch (S. 510 d. Bd.)
enthält ein Körnchen Wahrheit, nämlich den Hinweis darauf, daß die Formel von Hennig einen genaueren Wert für den Achsdruck liefert als
die Formel von Grashof. Dieser Hinweis war allerdings
bereits in der ersten Zuschrift des Herrn Skutsch (S. 479
d. Bd.) enthalten, ist also nicht neu. An einem Beispiel habe ich in meiner Antwort
(S. 496 d. Bd.) auf diese Zuschrift gezeigt, daß der Unterschied der Werte, den die
beiden Formeln liefern, selbst dann geringfügig ist, wenn man einen besonders extrem
liegenden Fall wählt; in allen anderen Fällen ist der Unterschied verschwindend
klein.
Auf die Auswertung der Versuche hat die Wahl der Formel für die Berechnung des
Achsdruckes nicht den geringsten Einfluß, weil die aus den Versuchen gewonnenen
Werte – Wirkungsgrad, Schlupf, Nutzspannung, Dehnung – nicht aus dem gerechneten,
sondern unmittelbar aus dem gemessenen Achsdruck berechnet wurden.
Die Frage, warum bei sämtlichen im Heft 132 der Forschungsarbeiten veröffentlichten
Versuchen der gemessene Achsdruck größer war als der berechnete, beantwortet Herr
Skutsch noch immer nicht, sondern behauptet einfach,
daß das Charlottenburger Versuchsmaterial „zahllose Fehler“ enthält, und
bleibt den Nachweis für diese Behauptung schuldig.
Die fehlenden Gründe scheint Herr Skutsch durch eine
Tonart ersetzen zu wollen, auf die ich, wie er aus meinen Antworten auf andere
Zuschriften weiß, mich ganz sicher nie herabbegeben werde.
Charlottenburg, 19. August 1913.
Kammerer.
Herrn Kammerers Schlußsatz wird allen unverständlich sein,
die meine Ausführungen gelesen haben. Seine Empfindlichkeit sollte zurücktreten,
wenn es eine wissenschaftliche Klarstellung gilt; und eine solche forderten gerade
die Antworten, die Herr Kammerer auf wiederholte
Zuschriften der Herren Hennig, Boesner und Heucken in der Z. d. V. d. I. gab. Eine solche
Klarstellung bezweckte mein Vortrag am 2. Januar d. J., und in der Tat widerruft ja
auch Herr Kammerer nunmehr selbst wenigstens den
Fehlspruch, durch den er seiner Zeit Herrn Hennigs
treffliche Ausführungen zu einem „naheliegenden Irrtum“ gestempelt hatte (Z.
d. V. d. I. 1908, S. 1819 Z. 9 v. u). Nichts aber kann mir willkommener sein, als
Herrn Kammerers ausdrückliche Aufforderung, meine Ansicht
über seine Arbeiten auf dem Gebiet der Riementheorie ausführlich zu begründen.
Was vor allem die Frage der Achsdrucke anbelangt, so hatte Herr Kammerer bekanntlich schon 1908 beobachtet, daß entgegen der Grashofschen Theorie bei konstant gehaltener
Achsenentfernung und Riemengeschwindigkeit der Achsdruck mit der Nutzspannung
steigt, eine Beobachtung, die in der mehrer wähnten Abb. 68 seines
Hauptberichtes (Mitteilungen über Forschungsarbeiten 1908 Heft 56/57) zum Ausdruck
kommt und die nachher durch Herrn Hennigs Scharfsinn zu
einer Erkenntnis wurde. Leider hat aber diese Beobachtung, die vielleicht erst nach
Schluß der Versuche gemacht wurde, in dem Hauptteil des Berichtes, als den man doch
wohl die gruppenweise axonometrisch zusammengestellten Schaulinien für die
Abhängigkeit des Wirkungsgrades, des Schlupfes und der Reibungsziffer von der
Nutzspannung kn ansehen
darf, noch keine Früchte getragen, denn jedem Schaubild ist nur ein einziger
Achsdruckwert 2 b ka
beigeschrieben, der auch, wie man leicht nachprüfen kann, der Schaulinie für die
Reibungsziffer in ihrem ganzen Verlauf mittels der Beziehung
e^{\mu\,\omega}=\frac{k_a+\frac{1}{2}\,k_n}{k_a-\frac{1}{2}\,k_n}
. . . (1)
zugrunde gelegt ist. Somit sind sämtliche 84 Schaulinien für
die Reibungsziffer μ falsch,Unterhalb des Wertes, den Herr Kammerer als Grenzwert bezeichnet, haben seine
Schaulinien ohnehin keinen Sinn, weil in diesem Gebiet nicht μ, sondern ω die
Veränderliche ist (vergl. Herrn Brauers Zuschrift
Z. d. V. d. I. 1908 S. 965 und Herrn Stephans
Ausführungen in dieser Zeitschrift S. 358). und zwar ist der
Fehler ein sehr schwerer, weil das Spannungsverhältnis eμ besonders bei hohen Werten – und das
sind gerade die wichtigsten – selbst durch mäßige Fehler der Achsdruckwerte arg
entstellt wird. Diese 84 Schaulinien scheint denn nun Herr Kammerer auch schon preiszugeben, da er sie im zweiten Absatz seiner
obigen Zeitschrift mit Stillschweigen übergeht.
Trotzdem möchte ich noch etwas bei Herrn Kammerers
Achsdruckmessungen verweilen, zumal ja eben die Preisgabe der daraus berechneten und
so außerordentlich wichtigen Reibungsziffern bisher nur eine stillschweigende ist.
Und zwar möchte ich zunächst klarstellen, warum ich bereits in meiner ersten
Erwiderung die 84 oder nach Ausscheidung der 14 Messungen an Spannrollentrieben die
70 den Schaulinien beigeschriebenen Achsdruckwerte als Leerlaufmessungen ansehe.
Herr Boesner hat sich die Mühe genommen, tabellarisch
allen Messungen des Herrn Kammerer die nach Grashof berechneten Achsdrucke gegenüberzustellen. Er
fand 37 Fälle mit Ueberschußspannung gegen 33 Fälle mit Unterspannung, und er fand
ferner als Summe aller nach Grashof berechneten ka 662,32 kg/cm, als
Summe aller gemessenen ka 638,87 kg/cm. Aus dieser dankenswerten Statistik folgt, daß Herrn Kammerers 70 Achsdrucke von 1908 nicht einmal völlig die
Grashofschen, geschweige denn die Hennig-Duffingschen Werte
erreichen, und wollte man daher annehmen, daß Herr Kammerer die 70 Achsdrucke bei Belastung gemessen hat – der Text seines
Versuchsberichtes läßt darüber im Unklaren –, so würde man damit einen unüberbrückbaren
Widerspruch zwischen seinen Versuchen von 1908 und seinen neueren Feststellungen
schaffen, die ja doch „durchweg erhebliche“ Ueberschußspannungen geliefert
haben. Es bleibt also nichts anderes übrig, als die 70 oder 84 Achsdruckmessungen
von 1908 auf Leerlauf zu beziehen und dementsprechend anzunehmen, daß die durchweg
erheblichen Ueberschußspannungen erst in Erscheinung getreten wären, wenn nicht bei Leerlauf, sondern bei Belastung gemessen worden wäre.
Der Berechnung der Reibungsziffern hätten nun aber an Stelle der Leerlaufachsdrucke,
die nach dem vorstehenden mit den Grashofschen Werten
durchschnittlich etwa übereinstimmten, die leider nicht gemessenen Achsdrucke bei
der jeweiligen Belastung zugrunde gelegt werden müssen, die ja nach Herrn Kammerer so erheblich über den
Grashofschen Werten zu liegen pflegen, daß nicht
einmal die Hennig-Duffingsche
Theorie zur Erklärung dieser Ueberschußspannungen hinreichen soll. Die
Reibungsziffern sind also, wie man sagt, systematisch zu
hoch berechnet, und zwar ist der begangene Fehler, wie schon oben erwähnt, ein ganz
verderblicher. War z.B. die Achsspannung ka im Leerlauf gerade gleich der später angewendeten
halben Nutzspannung \frac{1}{2}\,k_n
kn, so berechnete Herr
Kammerer aus Gleichung (1) μ
= ∞, und diese sonderbare Inschrift findet man denn auch in mehreren seiner
Schaulinien, ohne daß indessen im Text irgendwie darauf eingegangen ist. Die
Gleichung (1) zeigt aber, daß in diesem Falle die Einführung eines um nur 10 oder 20
v. H. höheren Achsdruckes – und solche Steigerungen beim Uebergang vom Leerlauf zur
Belastung weist z.B. Herrn Duffings Abb. 10 schon bei
einer Riemengeschwindigkeit von 35 m/Sek. auf – das Spannungsverhältnis von ∞ auf
\frac{11+10}{11-10}=21 bzw. auf
\frac{6+5}{6-5}=11 und somit die Reibungsziffer von μ = ∞ auf μ = 0,96 bzw.
auf μ = 0,76 herabdrückt. Herrn Kammerers Hoffnung, daß theoretische Betrachtungen über den Achsdruck auf
die Auswertung seiner Versuche nicht den geringsten Einfluß haben können, war also
trügerisch, und die Hennig-Duffingsche Theorie ebensowohl
wie Herrn Kämmerers Abb. 68 von 1908 und seine neueren Feststellungen zeigen
deutlich, welch verhängnisvoller Fehler es war, die Achsdruckmessungen bei Leerlauf
statt bei Belastung vorzunehmen. Um außer den 84 falschen Schaulinien noch ein
weiteres Beispiel von der Tragweite dieses Fehlers zu geben, will ich nur die
Ausführungen über den Einfluß der Spannrolle auf S. 98 des ersten Versuchsberichtes
nennen, die nach dem vorstehenden ganz hinfällig sind.
Herr Boesner hat dann auf meine Anregung seine Statistik
noch erweitert und die 37 Messungen mit Ueberschußspannungen und die 33 Messungen
mit Unterspannungen je für sich betrachtet. Er fand, daß die 37 ersteren die Grashofschen Werte im Mittel um 13 v. H. übertreffen,
während die letzteren 33 im Mittel um 17 v. H. hinter Grashof zurückbleiben. Wenn es um die Genauigkeit und Zuverlässigkeit der
Charlottenburger Achsdruckmessungen nicht besser bestellt ist, so haben die
kostbaren Charlottenburger Einrichtungen m. E. überhaupt keine Daseinsberechtigung,
denn dann hätte sich aus einfachen Durchhangsbeobachtungen am geführten Trum, selbst
wenn man diesen einen Fehler von 25 v. H. zuschreiben will, der gesamte Achsdruck
mit einem geringeren Fehler ermitteln lassen, als es Herrn Kammerer mit Meßdosen, Spiegelapparaten, Drosselbüchsen und Zusatzfedern
gelungen ist. Solche Durchhangsbeobachtungen, bei denen die Kraft im führenden Trum
mittelbar aus der Kraft im geführten durch Addition der Nutzkraft bestimmt wird,
haben nämlich den Vorteil, daß es nur die verhältnismäßig geringe freie Trumkraft im
geführten Trum ist, welche gemessen wird. Hierbei hat also selbst ein
Beobachtungsfehler von 25 v. H. auf die Ermittlung des Achsdruckes nur wenig Einfluß
und ich berichte gleichzeitig hiermit in den Verhandlungen des Vereins zur
Beförderung des Gewerbefleißes über einige derartige Messungen, bei denen günstige
Umstände gestatteten, die Genauigkeit viel weiter zu treiben.
Ich hatte übrigens bereits in meinem Januarvortrag das Kapitel über die Eichung der
Meßdosen in Herrn Kammerers Hauptbericht beunruhigend
genannt, und zwar aus zwei Gründen. Erstens hatte Herr Kammerer, um die störenden Schwingungen der Manometerzeiger bei hohen
Geschwindigkeiten, wo die Fliehkraft den Achsdruck „allzusehr verkleinerte“,
unschädlich zu machen, die Meßdosen außer durch den Riemenzug noch durch sechs
Schraubenfedern von je 350 kg Tragkraft zusätzlich belastete, und die Beschwerung
eines Anzeige-Instrumentes mit derartigem Ballast geht natürlich gegen alle
meßtechnischen Grundsätze. Zweitens aber hatte er „als Mittel zur Prüfung und
Vervollkommnung der Achsdruckmessung“, also mit anderen Worten zur
Nacheichung der Meßdosen eben das Grashofsche Gesetz
verwendet (Hauptbericht 1908 S. 45), welches später als ungültig erkannt wurde. Zu
diesen zwei Gründen tritt jetzt noch die Boesnersche
Statistik, welche die gewaltige Streuung der Charlottenburger Versuche offenkundig
macht, und eine interessante Bemerkung des Herrn Stephan
auf S. 403 dieser Zeitschrift, wonach die Angaben der Charlottenburger Meßdosen sich
im Verlauf der Versuche ganz erheblich verändert haben.
Unter solchen Umständen ist es selbstredend völlig ausgeschlossen, alle Widersprüche
und Unstimmigkeiten in Herrn Kammerers Ergebnissen
aufzuklären; unverständlich ist indessen, daß Herr Kammerer diese Unmöglichkeit, die ich ihm gern bestätige, zu seinen
Gunsten auslegen zu können glaubt. In dem Versuchsbericht von 1913 (Mitteilungen
über Forschungsarbeiten Heft 132) kommt aber noch hinzu, daß dort die
Versuchsbedingungen ganz unvollständig mitgeteilt sind und z.B. Angaben über eine so
wichtige Größe wie die Vorspannung durchweg fehlen. Lediglich um zu zeigen, daß sich
Herr Kammerer bezüglich der Größenordnung des Hennigschen Einflusses noch durchaus im Irrtum befindet, habe ich
in die Abb. 15 seines Versuchsberichtes 1913 die mit kv = 8 kg/cm und kn = 6 kg/cm für den Riemen LR 15 nach Hennig-Duffing berechneten Ueberschußspannungen gestrichelt
eingezeichnet und überlasse dem Leser zu entscheiden, ob sie als
„geringfügig“ bezeichnet werden können.
Textabbildung Bd. 328, S. 686
Ein Ueberschußdiagramm aus Kammerers Bericht 1913 nebst einpunktierter
theoretischer Ueberschußlinie nach Hennig-Duffing.
Soviel über die Achsdruckmessungen.
Was Herr Kammerer in seinen Versuchsberichten zur Frage
der zulässigen Spannungen beibringt, hat bereits von anderer Seite treffende Kritik
erfahren, auf die ich nur kurz hinzuweisen brauche.
Herr Heucken hat festgestellt (Z. d. V. d. I. 1912 S.
1057), daß die stark ansteigende Linie der Gesamtspannung in der Abb. 194 des
Versuchsberichtes von 1908 nur als Ausfluß einer – übrigens wenig gestützten –
Hypothese und keineswegs als ein Ergebnis exakter wissenschaftlicher Forschung
anzusehen ist, daß sie willkürlich gelegt und infolgedessen auch 1912 bereits von
Herrn Kammerer zu Gunsten einer viel sanfter ansteigenden
Linie wieder aufgegeben worden ist. Herr Kammerer sucht
in seiner Antwort zu beweisen, daß wenigstens diese Linie von 1912 eine gewisse
Begründung habe; leider hatte er aber gerade die jetzt aufgegebene Linie von 1908 s.
Z. trotz ihrer willkürlichen Entstehung als Beweismaterial in einer Frage benutzt,
deren zuverlässige Entscheidung man von den Charlottenburger Versuchen in erster
Linie erwartete. Auch vermißt Herr Heucken mit vollem
Recht in den Untersuchungen des Herrn Kammerer die nötige
Schärfe der grundlegenden Begriffe.
Herr Boesner hat gezeigt (Z. d. V. d. I. 1912 S. 1055),
daß bei der Gewinnung der Schaulinien, durch die Herr Kammerer den Einfluß der Geschwindigkeit auf die zulässige Nutzspannung
darstellen will, zugleich mit der Geschwindigkeit auch die Scheibendurchmesser
geändert und so die Einflüsse zweier Veränderlichen in der verhängnisvollsten Weise
konfundiert sind. In derselben unzulässigen Weise ist nun, wie man bei genauem
Zusehen erkennt, auch die schon erwähnte Abb. 194 entstanden, welche gewissermaßen
die Quintessenz des ganzen Versuchsberichtes von 1908 darstellen soll. In diesem
Fall sind aber die Versuche nicht einmal alle mit demselben Riemen durchgeführt,
sondern auf den größeren Scheiben wurde auch noch ein stärkerer Riemen verwendet und
zum Ueberfluß war die maßgebende Scheibe des Triebes bald von Holz und bald von
Eisen; ja man wird es nicht für möglich halten, daß auch ein Versuch mit
Spannrolle zugezogen worden ist, um einen Punkt dieser Schaulinie festzulegen. Die
Einflüsse verschiedenster Faktoren, deren sorgfältige Trennung die vornehmste
Bedingung der induktiven Methode ist, sind also in Charlottenburg durcheinander
geworfen worden.
Auf weitere Punkte möchte ich heute nicht eingehen; den von Herrn Kammerer gewünschten Nachweis wird man wohl auch durch
das Vorstehende schon als erbracht ansehen.
Dortmund, den 12. September 1913.
Rudolf Skutsch.
In seiner Zuschrift vom 28. Juli (S. 510 d. Bd.) hatte Herr Skutsch behauptet, daß das Charlottenburger Versuchsmaterial „zahllose
Fehler“ enthält. Auf die Aufforderung, die Nachweise für diese Behauptung
beizubringen, äußert Herr Skutsch in seiner Zuschrift vom
12. September vier Meinungen.
1. Der Achsdruck des laufenden und belasteten Riemens kann ermittelt werden entweder
durch Rechnung aus der Vorspannung des Riemens oder unmittelbar durch Messung. Die
Berechnung des Achsdruckes aus der Vorspannung ist unsicher, weil sie von mehreren
Größen abhängig ist. Die Messung des Achsdruckes im Betriebe kann dagegen auf 1 v.
H. genau ausgeführt werden. Bei der Auswertung der
Charlottenburger Versuche wurde daher selbstverständlich nicht der berechnete,
sondern der unmittelbar gemessene Achsdruck des laufenden und belasteten Riemens
zu Grunde gelegt. So wurden beispielsweise die Reibungsziffern mittels der
Formel
e^{\mu\,\omega}=\frac{k_a+\frac{1}{2}\,k_n}{k_a-\frac{1}{2}\,k_n}
ausgewertet. In dieser Formel bedeutet kn die gemessene Achsspannung, wie auf S.
52 des Heftes 56 der Mitteilungen über Forschungsarbeiten ausdrücklich vermerkt
ist.
Herr Skutsch meint nun, daß die Reibungsziffern nicht aus der
gemessenen Achsspannungka, sondern aus der berechneten Achsspannung abgeleitet seien
und glaubt darum, daß „sämtliche 84 Schaulinien für die Reibungsziffer μ falsch“ seien. Herr Skutsch hat also den Versuchsbericht noch gar nicht verstanden. Und das,
trotzdem ich in meiner Antwort vom 19. August ausdrücklich bemerkt habe: „Auf die
Auswertung der Versuche hat die Wahl der Formel für die Berechnung des
Achsdruckes nicht den geringsten Einfluß, weil die aus den Versuchen gewonnenen
Werte nicht aus dem gerechneten sondern unmittelbar aus dem gemessenen Achsdruck
berechnet werden.“ Herr Skutsch hätte also diesen
Irrtum leicht vermeiden können.
2. Die Behauptung des Herrn Skutsch
„es war ein verhängnisvoller Fehler, die Achsdruckmessungen bei Leerlauf statt
bei Belastung vorzunehmen“ ist völlig aus der Luft gegriffen, denn
tatsächlich sind alle Achsdruckmessungen bei Belastung
vorgenommen worden.
3. Herr Skutsch nennt „das Kapitel über die Eichung der
Meßdosen beunruhigend“. Er beruft sich dabei auf eine Bemerkung des Herrn
Stephan auf S. 403 dieser Zeitschrift, die lautet:
„Die gemessenen Achsdrücke sind mit sehr bedeutenden Unsicherheiten behaftet;
die nach zwei verschiedenen Methoden in 1 ¾ Jahren Zeitabstand gefundenen
Eichungskurven der benutzten hydraulischen Meßdosen unterscheiden sich in dem
Intervall des vorstehenden Beispiels im Verhältnis 3,2 : 5,5. Es haben mithin in
der Zwischenzeit so erhebliche Veränderungen stattgefunden, über die nichts
näheres bekannt ist, daß die ermittelten Zahlen aus dem Grunde nicht verwendbar
sind.
„Diese Bemerkung beruht auf einem Irrtum. Ein Blick auf die Eichkurve (Abb. 53 S.
33 des Heftes 56 der M. über F.) zeigt, daß das Intervall von 0 bis 500 kg
unbrauchbar ist, während in dem Intervall 500 bis 2500 kg Proportionalität
zwischen Belastung und Manometerablesung herrscht. Es wäre also selbstredend
verkehrt, das Intervall zwischen 0 und 500 kg zu benutzen; dies läßt sich durch
eine Zusatzbelastung mittels Federn leicht erreichen. Die
in einem Zeitabstand von 1 ¾ Jahren aufgenommenen
Eichkurven zeigen gerade, daß in dem benutzten Intervall von 500 bis 2500 kg keinerlei
Veränderungen aufgetreten sind.
Die von Herrn Skutsch bemängelte Anwendung einer
Zusatzbelastung „die natürlich gegen alle meßtechnischen Grundsätze geht“
war demnach im Gegenteil ein wirksames Mittel zur Erzielung von genauen
Messungen. Herr Skutsch hat also hier kritiklos
die Bemerkung des Herrn Stephan abgeschrieben, deren
Unrichtigkeit er ohne Mühe hätte feststellen können.
Herr Skutsch stellt es ferner irreführend so dar, als ob zur
Eichung der Meßdosen das Grashofsche Gesetz verwendet
worden wäre. Auf S. 30 und 31 des Heftes 56 der M. über F. ist ausführlich
dargestellt, daß die Eichung nach zwei verschiedenen Verfahren – mittels
Dehnungsstab und mittels Stahlband – durchgeführt wurde, die übereinstimmende
Ergebnisse lieferten. Das Grashofsche Gesetz hat mit dieser Eichung gar nichts zu tun.
4. Herr Skutsch bemängelt schließlich, daß die in Abb. 194
des Heftes 56 dargestellte Riemenbelastung nicht mit der in Abb. 19 des Heftes 132
der M. über F. dargestellten übereinstimmt. Es ist
für v = 20 m/Sek.: in Abb. 194
kn = 9 kg/cm;
in Abb. 19 kn = 15 kg/cm;
für v = 40 m/Sek.: in Abb. 194
kn= 11 kg/cm;
in Abb. 19 kn = 13,5 kg/cm.
Diese zwei Abbildungen können gar nicht übereinstimmen, denn
einmal gelten sie für verschiedene Riemen und außerdem sind die in Abb. 194
zusammengestellten Versuche, wie unterhalb der Abb. 194 ausdrücklich bemerkt „mit
großer Vorsicht angestellt worden“ also nicht bis zur Fließgrenze ausgedehnt
worden, es müssen also die erzielten Nutzspannungen notgedrungen kleiner sein als
die bis zur Fließgrenze ausgedehnten Versuche der Abb. 19. Es ist schwer
begreiflich, daß so einfache Dinge mißverstanden werden können.
Das also sind die Beweise – „die wissenschaftliche Klarstellung“ – des Herrn
Skutsch: zwei Irrtümer und zwei beweislose
Behauptungen. Aus diesen dürftigen Meinungen zieht er den Schluß, daß das
Charlottenburger Versuchsmaterial „zahllose Fehler“ enthält. In der Tat eine
Schlußfolgerung von erstaunlicher Kühnheit!
Charlottenburg, 20. September 1913
Kammerer.
Herrn Kammerers Bemerkungen vom 20. v. M. fördern in
einigen Punkten die Klarstellung ganz wesentlich. Ich habe meinerseits nur wenig
hinzuzufügen.
Zu 1 und 2. Ich habe nie gemeint oder angedeutet, daß Herrn Kammerers Achsdrucke berechnet seien. Wohl aber hatte ich (siehe meinen
dritten Absatz) zu seinen Gunsten angenommen, daß es
Leerlaufmessungen waren. Mit dieser Annahme fällt natürlich mein fünfter Absatz,
aber es tritt gleichzeitig der für Herrn Kammerer viel
ungünstigere Eventualfall des „unüberbrückbaren Widerspruchs“ ein, den ich in
meinem vierten Absatz vorgesehen hatte. Denn die Boesnersche Statistik hat aufgedeckt, daß die 84 Schaulinien des
Hauptberichtes 1908 noch keine Spur der „Ueberschußspannung“ aufweisen, die
doch nach Herrn Kammerers Behauptung in Heft 31 d. Z.
„durchweg erheblich“ gewesen sein sollte. Daß dabei Herr Kammerer durch seine Erklärung nicht einmal seine μ-Kurven retten kann, geht aus meinem zweiten Absatz
deutlich hervor.
Zu 3. Meinem Hinweis auf Herrn Stephans Bemerkung setzt
Herr Kammerer die Erklärung entgegen, er habe kleine Achsdrucke stets unter
Zusatzbelastung gemessen. Wenn er also z.B. 1908 in seinen Figuren 122 oder 124
(beide tragen die Inschrift μ = ∞ !) einen Achsdruck
von 21 kg zu Protokoll nahm, so hatte er 6 . 350 + 21=2121 kg abgelesen und die 21
kg durch Abzug 2121 – 2100 = 21 erhalten. Wahrlich „ein wirksames Mittel zur
Erzielung genauer Messungen“!
Die „Darstellung, als ob zur Eichung der Meßdosen das Grashofsche Gesetz verwendet worden wäre“, stammt von Herrn Kammerer selbst; jeder kann in dem Bericht von 1908 S.
32, Z. 16 bis 21 und S. 45, Z. 26 bis 31 nachlesen, daß nach der Eichung mit
Dehnungsstab und Stahlband die Gleichung
Abetr
= 2 b (ky – kl)
zur Prüfung der Meßdosen und zur Vervollkommnung der
Achsdruckmessungen benutzt worden ist. Warum Herr Kammerer diese seine eigene Darstellung jetzt als irreführend bezeichnet,
entzieht sich meiner Kenntnis.
Zu 4. Bei den Versuchen von 1908 fehlte jeglicher Anhaltspunkt, wie weit der einzelne
Belastungsfall noch von der Fließgrenze entfernt oder mit anderen Worten, wie hoch die Sicherheit
dabei war. Solche Werte zu einer Kurve zusammenzufassen, hat keinen Sinn, da man ihr
durch willkürliche Verfügung über die Sicherheit bei den einzelnen Versuchen jede
gewünschte Lage und Gestalt geben kann. Daß „Dauerversuche“ eine
„Höherlegung“ der Belastungen gestatten würden, sah Herr Kammerer 1908 selbst vor (S. 127 Z. 7 v. u.); offenbar
können sie aber ebensogut den Charakter der Schaulinie ändern und aus einer
steigenden eine fallende machen. Und da die Ergebnisse der Dauerversuche von 1912
nicht für die Riemen von 1908 gelten sollen, so ermangelt Figur 194, die ich
als die Quintessenz des Versuchsberichtes von 1908 bezeichnen durfte, noch immer
jeglicher festen Grundlage.
Daß übrigens diese „Schaulinie“, die auch in das Taschenbuch der Hütte Eingang
gefunden hat, schon wegen der Konfundierung der verschiedenen Einflüsse wertlos ist,
habe ich in meinem zwölften Absatz gezeigt.
Dortmund, den 7. Oktober 1913.
Rudolf Skutsch.