Titel: | Die Katastrophe des Marineluftschiffes „L. 2“. |
Autor: | Paul Béjeuhr |
Fundstelle: | Band 328, Jahrgang 1913, S. 689 |
Download: | XML |
Die Katastrophe des Marineluftschiffes „L.
2“.
Von Paul Béjeuhr in
Berlin.
[BEJEUHR: Die Katastrophe des Marineluftschiffes „L.
2“.]
Nachdem die ersten Schrecken des furchtbaren Unglücksfalles überwunden sind, der
unserer deutschen Kriegsmarine ihr stolzes zweites Luftschiff entrissen hat, ist es
die Pflicht der vorwärtsstrebenden Technik, nach Möglichkeit die Ursachen der
Katastrophe festzustellen, um daraus Erfahrungen zu sammeln für Vorkehrungen, die in
Zukunft derartige Unfälle vermeiden sollen. Gerade in diesem Punkt liegt ja die
außerordentliche Härte des schweren Schlages, daß mit den beiden Schiffen zugleich
fast die gesamte Luftschiff- und Konstruktions-Abteilung des Reichsmarineamtes den
Tod gefunden hat. Alle Erfahrungen und Verbesserungsvorschläge sind mit der braven
Besatzung ins Grab gesunken und uns auf immerdar verloren!
Vergegenwärtigen wir uns schnell noch einmal aus dem amtlichen Bericht die
Katastrophe selbst: Das Schiff stieg um 10 Uhr 15 Minuten mit 28 Mann Besatzung zu
einer Abnahmefahrt, die als Höhenfahrt gedacht war, auf und verließ nach einer
kurzen Schleife in steil ansteigendem Fluge in westlicher Richtung den Flugplatz
Johannisthal. Kaum hatte er diesen in der Gegend der Rudower Chaussee verlassen, als
aus der vorderen Maschinengondel eine Flamme hervorschoß, die das Vorderteil des
Luftschiffes schnell in Flammen hüllte, wobei eine leichte Detonation erfolgte. Das
Schiff senkte sich hierauf mit der Spitze und geriet zunächst in langsames, dann in
schnelles Fallen. Es wurde hierauf eine zweite Explosion gehört, worauf das Schiff
rapid abstürzte, um beim Aufschlagen auf dem Boden nochmals eine allerdings leichte
Detonation folgen zu lassen, die mit erheblicher Rauchentwicklung vor sich ging. Daß
es sich also um Explosionen gehandelt hat, steht außer
Frage. Als Ursachen kommen theoretisch drei Möglichkeiten in Betracht:
1. Ein Benzin- oder Oelbrand, der in der Maschinengondel
ausgebrochen ist und sich auf die Gasräume übertragen hat.
2. Das Auftreten irgendwelcher atmosphärischer oder
Reibungs-Elektrizität, durch die Funken entstanden.
3. Die sogen. Fritterwirkung durch die an Bord befindliche
Sendestation für drahtlose Telegraphie.
Der dritte Punkt kann gleich vorweg genommen werden, er erledigt sich dadurch, daß
der Sendeapparat sich (wie inzwischen bekannt geworden) aus Gewichtsersparnissen bei
dieser Fahrt nicht an Bord befand. Außerdem gilt es als Kardinalregel, daß bei steigendem Schiff niemals gefunkt wird. Diese Möglichkeit
scheidet also ohne weiteres aus. Auch der zweite Punkt hat nicht viel
Wahrscheinlichkeit für sich, da die Höhendifferenz, die das Schiff zurückgelegt
hatte, noch zu gering war, um große Potential-Unterschiede zwischen Schiff und
Atmosphäre zu erzeugen.
Es bleibt demnach eigentlich nur der erste Punkt übrig und für diesen sprechen in der
Tat eine ganze Reihe Umstände. Es scheint sich aus den Aussagen der Augenzeugen und
auch durch die Besichtigung der wenigen Ueberbleibsel klar zu ergeben, daß ein
sogen. Vergaserbrand stattgefunden hat, dessen
Stichflamme das Gemisch aus Luft und Gas über der vorderen Maschinengondel zündete.
Dieser Gasbrand zog dann die Explosion des vorderen Ballonets nach sich (die erste
leichte Detonation), ihr folgten der große Teil der hinteren Ballonets (die zweite
starke Detonation) und erst beim Aufstoßen auf dem Erdboden explodierten und
verbrannten unter großer Rauchentwicklung die Benzinbehälter (dritte
Detonation).
Können wir uns nun vor derartigen Katastrophen schützen?
Die Frage kann mit ziemlicher Bestimmtheit bejaht werden.
Ein Vergaserbrand wird sich allerdings niemals vermeiden lassen, er spielt jedoch
auch keine erhebliche Rolle, wenn nur verhütet wird, daß die austretende
Benzinflamme irgend wie mit dem brennbaren Wasserstoffgas und noch weniger mit einer
Mischung aus Wasserstoff und Luft, dem gefährlichen Knallgas, in Berührung kommt.
Bei der vorliegenden Katastrophe hat denn auch eigentlich mehr eine Verkettung
unglückseliger Zufälle zur Explosion geführt.
Obwohl eine Höhenfahrt in Aussicht genommen war, sollen dem Vernehmen nach
sämtliche Gaszellen voll gefüllt gewesen sein. Bei dem schnellen Anstieg mußte daher
Gas aus den Ballonets in den Zwischenraum zwischen innerer und äußerer Hülle treten,
der erfahrungsgemäß beim längeren Stehen des Luftschiffes in der Halle stets mit
einem Gemisch von Knallgas angefüllt ist, das sich erst beim längeren Fahren durch
die natürliche Ventilation aus diesem Zwischenraum entfernt. Weiter waren bei der
„L. 2“ die Gondeln wesentlich näher an den Rumpf des Schiffes
herangerückt als sonst üblich bei den Zeppelin-Schiffen; war doch sogar der
Verbindungsgang zwischen den Gondeln ganz in den Rumpf hineingelegt. Diese
Konstruktion war (soweit bekannt) auf Wunsch des Reichsmarineamtes zur Erzielung
größerer Geschwindigkeiten durchgeführt.
Weil nun der Vergaserbrand gerade beim steigenden Schiff entstand, und so schon in
den Gondeln ein Knallgasgemisch vorfand, ließ sich ein Lokalisieren des Brandherdes
wie sonst nicht mehr genügend schnell herbeiführen. Aber hiergegen lassen sich wohl
sichere Schutzmittel einführen: Einmal größere Entfernung der Maschinengondeln
vom Rumpf, ferner ein haubenartiges Gewölbe aus feinmaschigem Drahtnetz über
der ganzen Maschinengondel, um so ein Durchschlagen der Flamme auf jeden Fall zu
verhüten (Davysche Sicherheitslampe) und endlich
vielleicht noch gewisse Regeneinrichtungen oberhalb der Motorenanlage, die ohne
Gewichtserhöhung gewissermaßen als „eiserner Wasserballast“ immer mitgeführt
werden. Daß natürlich die Benzinlagerung und -Fortführung innerhalb des Schiffes nur
mit explosionssicheren Leitungen vor sich gehen darf (System Martini und Hünecke, Julius Pintsch u.a.) ist
selbstverständlich. Nach den guten Erfahrungen, welche die Luftfahrzeug-Gesellschaft
und die Siemens-Schuckertwerke damit gemacht haben, ist
anzunehmen, daß auch die „L. 2“ eine derartige Einrichtung besaß, obgleich
nichts Bestimmtes hierüber zu erfahren war.
Schon aus diesen wenigen Zeilen ergibt sich, daß der Luftschiff-Passagier- und
Verkehrsbetrieb sich durchaus so sicher gestalten läßt, wie wir es bei anderen
Verkehrsmitteln gewohnt sind, und daß wir uns Luftschiffen, die mit den nötigen
Vorkehrungen versehen sind, mit dem Gefühl völliger Sicherheit anvertrauen
können.