Titel: | Neuere Meßwerkzeuge und Meßverfahren im Maschinenbau. |
Autor: | Meyer |
Fundstelle: | Band 328, Jahrgang 1913, S. 694 |
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Neuere Meßwerkzeuge und Meßverfahren im
Maschinenbau.
Von Professor Dipl.-Ing. Meyer in
Magdeburg.
(Fortsetzung statt Schluß von S. 659 d.
Bd.)
MEYER: Neuere Meßwerkzeuge und Meßverfahren im
Maschinenbau.
Textabbildung Bd. 328, S. 694
Abb. 22.Grenzrachenlehre.
Eine Grenzlehre soll, wie der Name sagt, die Grenze festlegen, innerhalb derer das
Maß eines Werkstückes von dem zu erzielenden Maße abweichen darf, damit dies nicht
mehr in das Ermessen des Arbeiters gestellt wird wie bei den Normallehren. Sie ist
deshalb immer eine Vereinigung von zwei Meßwerkzeugen, von denen das eine ein um
einen geringen Bruchteil kleineres Maß aufweist als das zu erzeugende Maß, das
andere ein um einen geringen Bruchteil größeres. Abb.
22 zeigt z.B. eine Grenzrachenlehre zum Messen
eines Zapfens von 40 mm ⌀, der mit einer Genauigkeit von ± 0,02 mm hergestellt
werden soll. Die eine Seite, die Gutseite, ist um 0,01 mm
weiter, die andere, die Ausschußseite, um denselben
Betrag enger als 40 mm. Läßt sich die Gutseite nun eben über den Zapfen
hinüberschieben, die Ausschußseite dagegen nicht, so hat man die Gewißheit, daß der
Zapfendurchmesser nicht unter 39,99 und nicht über 40,01 mm beträgt.
Textabbildung Bd. 328, S. 694
Abb. 23.Grenzdornlehre.
Alle unter Benutzung derselben Grenzlehre gemessenen Zapfen
können deshalb im ungünstigsten Falle höchstens 0,02 mm verschieden große
Durchmesser haben. Abb. 23 zeigt, wie in derselben
Weise Bohrungen mit Grenzdornlehren gemessen werden. Hier
ist natürlich das größere Maß auf der Ausschußseite. Bei der Verwendung von
Grenzlehren gilt
als Vorschrift, daß die Gutseite ohne Gewalt, lediglich durch die Wirkung des
eigenen Gewichts der Lehre über das zu messende Werkstück gleiten muß, während die
Ausschußseite nur „anschnäbeln“ darf. Von der Zuverlässigkeit des Arbeiters
und der Feinheit seines Gefühls ist man dabei vollständig unabhängig,
Meinungsverschiedenheiten über die Maßhaltigkeit eines Werkstückes können nicht
entstehen. Die Werkstücke müssen so lange bearbeitet werden, bis die Gutseite der
Grenzlehre sich eben darüber schieben läßt, die Ausschußseite dagegen nicht. Der
Unterschied der Maße der Gut- und der Ausschußseite oder die Größe der Toleranz
richtet sich nach dem Verwendungszwecke des Werkstückes. Je enger die Grenzen
gezogen sind, um so mehr nähern sich die Abmessungen des Werkstückes den wirklichen
normalen Maßen, um so schwieriger und teurer gestaltet sich aber dann seine
Herstellung. Man sucht deshalb die Grenzen so weit wie irgend zulässig zu ziehen.
Auf Grund eingehender Versuche und langjähriger Erfahrungen sind von den Grenzlehren
fabrizierenden Firmen die für die verschiedenen Passungen praktischsten Toleranzen
festgestellt, um die Herstellungskosten der Werkstücke möglichst gering zu halten,
ohne daß ihre Genauigkeit und Austauschbarkeit darunter leiden.
Es war bereits erwähnt, daß eine Welle oder ein Zapfen niemals genau denselben
Durchmesser haben dürfen wie die zugehörige Bohrung, daß vielmehr die Bohrung immer
ein geringes Maß größer sein muß als die Welle, da diese sich sonst garnicht in die
Bohrung einführen läßt. Dies kann man nun auf zweierlei Weise erreichen. Entweder
gibt man den Bohrungen den genauen auf der Zeichnung angegebenen Durchmesser
und macht alle Wellen um das der vorliegenden Passung entsprechende geringe Maß
kleiner, oder man bearbeitet alle Wellen auf das genaue normale Maß und macht alle
Bohrungen je nach der verlangten Passung um ein ganz geringes Maß größer. Demnach
unterscheidet man bei der Verwendung von Grenzlehren das System der normalen Bohrung und das der normalen
Welle. Beim System der normalen Bohrung braucht
man für jede Bohrung nur einen Grenzkaliberdorn aber soviel Grenzrachenlehren, als
Passungen vorkommen können. Welche Passung anzuwenden ist, wird auf der Zeichnung
durch Zusatz der Buchstaben l (laufender Sitz), s (Schiebesitz), f (fester
Sitz), p (Preßsitz) zu den Maßzahlen angegeben. Danach
ist die zum Messen zu verwendende Rachenlehre auszusuchen. Beim System der normalen Welle braucht man für jede Welle nur
eine Rachenlehre, jedoch für jeden Lochdurchmesser soviel Grenzkaliberdorne als
Passungen vorkommen können. Ebensoviele Sätze Bohrwerkzeuge sind dann aber auch
nötig. Das System der normalen Bohrung hat den Vorteil, daß die Kosten der Werkzeuge
gering sind, denn die Grenzrachenlehren sind billiger als die Dornlehren, und
außerdem braucht man für jeden Lochdurchmesser nur einen Satz Bohrwerkzeuge. Die
Bearbeitung der Wellen und Zapfen ist jedoch umständlicher und teurer als beim
System der normalen Welle. Bei diesem braucht man aber mehr Bohrwerkzeuge und die
teueren Grenzkaliberdorne. Welchem von beiden Systemen der Vorzug zu geben ist, muß
von Fall zu Fall entschieden werden. Die beiden folgenden Tabellen enthalten
gebräuchliche Toleranzen für beide Systeme.
System der normalen Bohrung.
Durchmessermm
Bohrung. normal
Laufsitz
Schiebesitz
fester Sitz
Preßsitz
min.
max.
min.
max.
min.
max.
min.
max.
min.
max.
6 bis 10
– 0,01
+ 0,01
– 0,025
– 0,01
– 0,010
– 0,005
– 0,005
+ 0,01
+ 0,025
+ 0,04
11 bis 18
– 0,015
+ 0,01
– 0,03
– 0,015
– 0,015
– 0,005
– 0,01
+ 0,01
+ 0,03
+ 0,05
19 bis 30
– 0,015
+ 0,015
– 0,035
– 0,02
– 0,02
– 0,005
– 0,01
+ 001
+ 0,035
+ 0,065
31 bis 49
– 0,02
+ 0,015
– 0,045
– 0,025
– 0025
– 0,01
– 0,01
+ 0,01
+ 0,04
+ 0,08
50 bis 75
– 0,02
+ 0,02
– 0,06
– 0,03
– 0,03
– 0,01
– 0,01
+ 0,01
+ 0,05
+ 0,1
76 bis 120
– 0,025
+ 0,02
– 0,07
– 0,035
– 0,035
– 0,01
– 0,01
+ 0,01
+ 0,06
+ 0,12
121 bis 175
– 0,025
+ 0,025
– 0,09
– 0,45
– 0,04
– 0,015
– 0,01
+ 0,01
+ 0,08
+ 0,15
176 bis 250
– 0,03
+ 0,025
– 0,105
– 0,05
– 0,045
– 0015
– 0,01
+ 0,01
+ 0,1
+ 0,2
System der normalen Welle.
Durchmessermm
Welle, normal
Laufsitz
Schiebesitz
fester Sitz
Preßsitz
min.
max.
min.
max.
min.
max.
min.
max.
min.
max.
6 bis 10
– 0,005
+ 0,01
+ 0,01
+ 0,03
+ 0,005
+ 0,015
– 0,01
+ 0,01
– 0,04
+ 0,023
11 bis 18
– 0,005
+ 0,01
+ 0,01
+ 0,035
+ 0,005
+ 0,02
– 0,015
+ 0,01
– 0,05
+ 0,028
19 bis 30
– 0,01
+ 0,01
+ 0,015
+ 0,04
+ 0,005
+ 0,025
– 0,015
+ 0,015
– 0,065
+ 0,032
31 bis 49
– 0,01
+ 0,01
+ 0,015
+ 0,05
+ 0,005
+ 0,03
– 0,02
+ 0,015
– 0,075
– 0,035
50 bis 75
– 0,01
+ 0,015
+ 0,025
+ 0,065
+ 0,005
+ 0,04
– 0,02
+ 0,02
– 0,09
– 0,042
76 bis 120
– 0,01
+ 0,015
+ 0,025
+ 0,08
+ 0,005
+ 0,045
– 0,025
+ 0,02
– 0,11
– 0,055
121 bis 175
– 0,015
+ 0,015
+ 0,03
+ 0,1
+ 0,005
+ 0,05
– 0,025
+ 0,025
– 0,14
– 0,07
176 bis 250
– 0,015
+ 0,015
+ 0,04
+ 0,12
+ 0,005
+ 0,55
– 0,03
+ 0,025
0,18
– 0,085
(Schluß folgt.)