Titel: | Matthäus Hipp, der größte Erfinder auf dem Gebiet der Uhrmacherkunst in Verbindung mit der Elektrotechnik. |
Autor: | Karl Bauder |
Fundstelle: | Band 328, Jahrgang 1913, S. 724 |
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Matthäus Hipp, der größte Erfinder auf dem Gebiet
der Uhrmacherkunst in Verbindung mit der Elektrotechnik.
Ein Gedenkblatt auf seinen 100. Geburtstag am 25.
Oktober 1913.
Von Professor Karl Bauder in
Stuttgart.
BAUDER: Matthäus Hipp, der größte Erfinder auf dem Gebiet der
Uhrmacherkunst usw.
Auf dem Gebiet der angewandten Elektrizität ist neben Werner Siemens sein Zeitgenosse Matthäus Hipp einer der hervorragendsten
Erfinder des 19. Jahrhunderts. Zu seinen Erfolgen legte er den ersten Grund durch
die gründliche Ausbildung in der Uhrmacherkunst, die er
auch zeitlebens ausübte und zu deren Vervollkommnung er im höchsten Maße beitrug,
indem er, als zu Anfang der 1840er Jahre die Elektrizität von sich reden zu machen
begann, diese Wissenschaft sich aus eigener Kraft zu eigen machte und für seine
Erfindungen verwertete. Im Laufe von 40 Jahren brachte er mehr als 20 Erfindungen
zur vollständigen Reife, während beispielsweise Elias
Howe (1819 bis 1867) zu seiner Nähmaschine 14 Jahre und Joseph Jacquard (1752 bis 1834) zu seinem Webstuhle sogar
18 Jahre brauchte. Hipps Vorgehen war schon in den ersten
Anfängen ein synthetisches, d.h. er legte sich die Aufgabe klar, stellte alle
Bedingungen des Gelingens fest und erfüllte eine nach der andern mit ungeschwächter
Ausdauer, nichts dem Zufall überlassend. Seine Schöpfungen waren darum auch
Erfindungen im wahren Sinne des Wortes und nicht, wie es so oft der Fall ist, bloß
erfahrungsmäßige Ergebnisse einer langen Reihe von Fehlversuchen. Er schuf sich
seine Theorie selbst. Dabei wußte er aber auch die Forderungen der bequemen
Handhabung und billigen Herstellung zu erfüllen, und diesem Umstände ist es zu
verdanken, daß seine Erfindungen großen praktischen Nutzen hatten. Eine große Anzahl
wird heute noch in ausgedehntem Maße angewandt und industriell verwertet; auf die
wichtigsten von ihnen wollen wir in dieser Abhandlung näher eingehen.
Matthäus Hipp wurde am 25. Oktober 1813 in der
württembergischen Bezirksstadt Blaubeuren geboren. Des
Vaters Mahl-, Oel- und Sägemühle weckte in dem Knaben frühzeitig den Sinn für die
Mechanik. Im achten Jahre verletzte sich der lebhafte Junge durch einen Sturz bei
allzukühnem Klettern das linke Bein derart, daß es für immer verkürzt blieb, und der
Knabe vier Jahre lang am Schulbesuch gehindert war. Im Privatunterricht und in der
bis zum 16. Lebensjahre verlängerten Schulzeit erwarb er sich jedoch einen
Schulsack, der es ihm ermöglicht hätte, dem Wunsch der Eltern entsprechend Pfarrer
oder Kanzleibeamter zu werden. Aber die Bewegung, die Mechanik hatte ihn so erfaßt,
daß er schon im Alter von acht Jahren an Hand der Pläne, nach welchen sein Vater
eine neue Oelmühle bauen wollte, ein kleines Modell herstellte und nicht ruhte, bis er
den Handbetrieb durch die Wasserkraft eines gestauten Baches ersetzt hatte. Auch
machte er eines Tages einen Baumeister darauf aufmerksam, daß ein im Bau begriffenes
Haus keinen Eingang hatte. Ein solch praktischer, erfinderischer Kopf paßte weder
auf die Kanzel noch in die Schreibstube. Darum trat der 16 jährige Matthäus Hipp bei einem Uhrmacher seiner Vaterstadt in die Lehre. Nach Beendigung der Lehrzeit im
Jahre 1832 bildete er sich in Ulm, St. Gallen, St. Aubin (Kanton Neuchâtel) und
andern Orten der Schweiz sieben Jahre lang in seinem Handwerk gründlich aus, das
damals insofern größeres Geschick als heutzutage erforderte, als die Uhrmacher nur
die einzelnen Teile der Werke roh vorgearbeitet beziehen konnten, sie also vor der
Zusammenstellung vollends zurichten mußten.
Nach etwa einjährigem Aufenthalt in Blaubeuren ließ sich Hipp 1840 als Uhrmacher in Reutlingen (Württemberg) nieder, wo er im
gleichen Jahre mit der Lehrerstochter Johanna Plieninger
aus Massenbach o. A. Brackenheim sich verheiratete. In Reutlingen, wo er bis 1852
seinen Wohnsitz hatte, war es eine seiner ersten Beschäftigungen, die schon während
seiner Lehrzeit in der Theorie begonnene Erfindung einer Präzisionsuhr zur Reife zu
bringen. Hipp hatte nämlich beobachtet, daß ein schweres
Pendel ohne weiteren Antrieb mehrere Stunden lang schwingt. Hieraus folgerte er, daß
durch wenige schwache Antriebe eine dauernde Schwingung zu erreichen sei, und daß
die Wiederholungen des Antriebs erst erforderlich seien, wenn die Schwingungsweite
auf ein gewisses Mindestmaß zurückgegangen sei. Die Antriebe auf mechanischem Wege
herbeizuführen, das war sein Ziel. Jahre lang fand Hipp
keine Lösung. Mit dem Gedanken an seine Aufgabe schlief er ein und wachte er auf.
Endlich, im Jahre 1834, war dem Einundzwanzigjährigen in St. Gallen das Glück hold.
Als der Grübler eines Sonntags um 4 Uhr erwachte, sah er ohne weiteres Nachdenken
die Lösung urplötzlich vor sich. Hipp hatte aber als
Arbeiter keine Gelegenheit, sie praktisch auszuführen, er mußte bis zu seiner
Selbständigmachung warten. Der wichtigste Teil der Erfindung ist eine Palette, d.h.
ein schaufelartiges Stahlstückchen, welches an der Uhrpendellinse frei aufgehängt
ist und mit dem Uhrpendel schwingt. Unterhalb der Palette ist ein gerippter Kamm
angebracht. Solange die Schwingungsweiten des Uhrpendels groß genug sind, gleitet
die Palette über die Kammrippen weg; sobald aber die Schwingungsweiten auf ein
gewisses Mindestmaß zurückgegangen sind, so gleitet die Palette nur noch eine
gewisse Strecke weit über die Kammrippen hin und wird schließlich auf einem
Niedergang des Uhrpendels von einer Kammrippe aufgehalten. Dadurch wird der Kamm
hinabgedrückt, und diese Bewegung verursacht augenblicklich die Verbindung zu einem
neuen elektromagnetischen Antrieb des Pendels. Obwohl dieser Antrieb schwach ist, so
führt er doch eine Vergrößerung der Schwingungsweite herbei. So sinnreich und
zuverlässig die Erfindung war, so wurde sie im Jahre 1843 auf der Berliner
Ausstellung doch mit den geringschätzenden Worten abgetan: „Eine Uhr, welche
das Werk unten am Pendel hat“. Und doch war diese Erfindung die Grundlage
für ein neues System von Uhren, welches eine bisher unübertroffene Genauigkeit
gestattet. Das „Echappement électrique à palette“ von Hipp ist heute noch das Hauptorgan des am weitesten verbreiteten Typs der
elektrischen Pendeluhren, die in Neuchâtel in der von Hipp gegründeten Fabrik verfertigt werden.
Im Jahre 1845 erfand Hipp einen Buchstabenschreibtelegraph, der bedeutend einfacher konstruiert, leichter
zu handhaben und billiger war, sowie eine noch größere Geschwindigkeit gestattete
als der Typendrucktelegraph von Hughes. Hätte es Hipp nicht an den nötigen Geldmitteln gefehlt, so hätte
sein Schreibtelegraph ohne Zweifel den Typendrucktelegraph überflügelt und wäre
vielleicht der allein gebrauchte Telegraphenapparat geworden. War dies einerseits
nicht möglich, so führte Hipps Apparat andererseits zu
einem großen Erfolge. Hipp hatte nämlich bei seinem
Telegraphenapparat die Gleichzeitigkeit (den Synchronismus) zwischen dem Abgabe- und
dem Empfangsapparat durch eine vibrierende Stahlfeder hergestellt, die als Regulator
wirkte. Diesen Regulator bildete er 1850 zu einem besonderen Instrument aus, das
unter dem Namen Chronoskop (Vorrichtung für sehr genaue
Zeitbestimmungen) bekannt ist. Das Chronoskop besteht aus einem Räderwerk mit
vibrierender Stahlfeder, einem davon getrennten Zeigerwerk mit je einem Zeiger auf
zwei getrennten Zifferblättern, einem gemeinsamen Anker und zwei Elektromagneten.
Die Feder des Räderwerks macht 1000 Schwingungen in der Sekunde und läßt bei jeder
Schwingung einen Zahn des Steigrades passieren. Je nach der Lage des gemeinsamen
Ankers befinden sich die Zeiger im Ruhezustande oder sie nehmen an der Bewegung des
Räderwerks teil. Die verschiedenen Lagen des Ankers werden durch die Einwirkung der
Elektromagneten bedingt. Auf den Zifferblättern kann man Zehntel- und
Tausendstelsekunden ablesen. Von größter Bedeutung ist die Trennung der beiden
Werke. Sie ermöglicht es, daß das Räderwerk vor dem Beginn der Zeitmessung in Gang
gesetzt wird und seine anfängliche Trägheit überwindet. Das Zeigerwerk wird erst im
entscheidenden Augenblick auf elektrischem Wege sehr rasch mit dem Räderwerk
verkuppelt und auf gleichem Wege wieder zum Stehen gebracht. Erst seit der Erfindung
des Hippschen Chronoskops kann man bis zur
Tausendstelsekunde genau die Zeit beobachten, welche zwischen dem Oeffnen und
Wiederschließen eines elektrischen Stromes verfließt. Die Chronoskope leisten der
Artillerie große Dienste bei der Messung der Geschwindigkeit von Geschossen und der
Entzündungsschnelligkeit des Pulvers; in der Astronomie dienen sie zur
Zeitbestimmung, zur Aufstellung der Sternkataloge usw., in der Mechanik zum Studium
der Bewegung der Organe einer Maschine, in der Physik zur Veranschaulichung der
Gesetze vom Fall der Körper usw., beim Menschen zur Messung der Geschwindigkeit, mit
welcher nervöse Empfindungen sich übertragen und noch in einer Menge von Fällen, deren
Aufzählung hier zu weit führen würde.
Anfangs der 1850er Jahre erfuhr Hipp bei einem Besuche in
London, daß der dortige berühmte Physiker Wheatstone sich
vergeblich abmühe, bei einer Achse 1000 Umdrehungen in der Sekunde zu erreichen.
Nachdem Wheatstone aus einem Tachenuhrwerk Spindel und
Steigrad entfernt hatte, erreichte er beim Kronrad 300 Umdrehungen, und in Paris
hatte man es mit einem vierpferdigen Motor zu einer nur unerheblich größeren
Geschwindigkeit gebracht. Sogleich machte sich Hipp an
die Lösung dieser Aufgabe. Zuerst lagerte er Stahlzapfen in Messing, aber bei 300
bis 400 Umdrehungen schmolz das Messing; bei 500 Umdrehungen schmolz auch das
Stahllager. Er entdeckte bald, daß die Erhitzung der Lager durch die heftigen
Erschütterungen der Achse verursacht wurden. Er umgab deshalb die Achse mit einer
runden dicken Scheibe aus Sohlleder. Durch diese elastische Zwischengliederung wurde
die Erschütterung so gemildert, daß mit geringer Kraft und ohne Geräusch mehr als
2000 Umdrehungen in der Sekunde erzielt wurden.
Derartige Leistungen lenkten die Aufmerksamkeit weiter Kreise auf den talentvollen
Mann. Im Jahre 1852 wurde er zum Direktor der staatlichen Telegraphenwerkstätte in
Bern und des schweizerischen Telegraphenwesens ernannt. In Bern und von Bern aus
entfaltete er eine ausgedehnte Tätigkeit, von der wir nur einiges berichten
wollen:
Unter seiner Leitung wurden nicht nur sämtliche Telegraphen der Schweiz, sondern auch
weiter, am Mittelmeer liegender Gebiete verfertigt. Man verdankt ihm außer der
zweckmäßigen Einrichtung des technischen Betriebes im allgemeinen noch eine
wesentliche Vervollkommnung des Telegraphenapparats von Morse, indem er das Relais und die Lokalbatterie in Wegfall brachte und
dadurch eine große Vereinfachung, eine regelmäßigere Schrift, eine sicherere und
genauere Uebertragung in den Zwischenstationen und eine bedeutende Kostenersparnis
erreichte. Darum wurde der Apparat zu Tausenden eingeführt.
Schon 1853 beschäftigte sich Hipp mit einer elektrischen Signalvorrichtung für den Eisenbahnbetrieb,
Kontrolluhr genannt, welche es ermöglichte, den Gang, die etwaigen
Unregelmäßigkeiten und Unfälle eines Zuges von der Station aus genau zu
verfolgen.
Eine neue Anwendung der Elektrizität ersann Hipp im Jahre
1856. Er hatte nämlich ein 5400 m langes Eisendrahtkabel in den Vierwaldstättersee
versenkt. Den Draht hatte er mit Guttapercha isoliert, mit geteertem Hanf umwickelt
und mit zwei eisernen Bändern spiralförmig umbunden. Das Kabel funktionierte
ungenügend. Die Untersuchung eines Stücks zeigte, daß die Guttaperchahülle spröde
geworden war und Risse bekommen hatte. Das ganze Kabel zu heben, erschien untunlich,
weil es so tief im Schlamm eingebettet war, daß es gerissen wäre. Hipp beschloß nun, einen starken elektrischen Strom
durch das Kabel zu senden, in der Erwartung, daß der Strom das zum Draht dringende
Wasser in seine beiden Bestandteile, Sauerstoff und Wasserstoff, zerlegen, der
Sauerstoff den Draht oxydieren und die Rostschicht die Isolierung herbeiführen
würde. Der Erfolg bestätigte vollkommen die Richtigkeit von Hipps Theorie: am dritten Tage war die zuverlässige Benutzung des Kabels
gesichert.
Die erfolgreiche Tätigkeit Hipps als Direktor der
staatlichen Telegraphenwerkstätte in Bern führte mit der Zeit zu einer Mißstimmung
bei den Privatunternehmern. Darum erklärte die schweizerische Regierung im Jahre
1860, es sei unstatthaft, daß sie als Konkurrentin der Privatpraxis erscheine, und
reduzierte die Fabrik auf eine bloße Reparaturwerkstätte. Alsbald bildete sich eine
Gesellschaft von Kapitalisten in Neuchâtel und beschloß die Weiterführung des
Geschäfts, wenn Hipp die Direktion übernehme. Hipp sagte unter der Bedingung zu, daß der Fortsetzung
seiner Studien kein Hindernis in den Weg gelegt werde. Der Vertrag kam zustande, und
Hipp siedelte im Jahre 1860 nach Neuchâtel über.
Auf seiner neuen Wirkungsstätte nahmen seine Arbeiten einen noch mannigfaltigeren
Charakter an. Unter anderem wandte er den elektrischen
Uhren seine Aufmerksamkeit zu. Der englische Philosoph und Naturforscher
Alexander Bain (1819 bis 1877) scheint der erste
gewesen zu sein, der 1840 eine Uhr konstruierte, welche durch elektromagnetische
Wirkung in Gang gehalten wurde. Das Pendel dieser Uhr trug statt der Linse eine
wagerecht angebrachte elektromagnetische Spule. Rechts und links davon war je ein
stetig wirkender Magnet befestigt. Sobald der elektrische Strom durch die Spule
geleitet wurde, übten die Magnete nacheinander abstoßende und anziehende Wirkung auf
die Spule aus und brachten so das Pendel zum Schwingen. Diese Einrichtung hatte aber
den großen Uebelstand, daß die elektrische Batterie, mit welcher die Spule in
Verbindung stand, durch den dauernden Gebrauch rasch an Stärke verlor und daß
dadurch die Pendelschwingungen und der Gang der Uhr unregelmäßig wurden. Trotz aller
Anstrengungen gelang es nicht, diesen Uebelstand zu beseitigen. Da bemächtigte sich
Hipp der Angelegenheit und unter Mitbenutzung seiner schon 1834 erdachten und 1842
ausgeführten Erfindung gelang es ihm, die vollkommenste
elektrische Pendeluhr zu konstruieren. Die Palette sorgt dafür, daß die
elektrische Batterie nicht dauernd, sondern erst, wenn die Schwingungsweiten des
Pendels auf ein gewisses Mindestmaß zurückgegangen sind, dazu beansprucht wird, den
elektrischen Strom durch den Elektromagneten, zu führen und dadurch den letzteren zu
befähigen, dem Pendel einen neuen Antrieb zu geben. Der Verbrauch an Elektrizität
ist also der kleinstmögliche, d.h. es wird nur genau soviel Elektrizität verbraucht,
als zur Unterhaltung der Pendelschwingungen nötig ist. Die Sicherheit des Ganges ist
so groß, daß eine elektrische Pendeluhr, ohne stehen zu bleiben, zehnmal größere
Widerstände überwindet als andere Uhren. Das Mindestmaß und das Höchstmaß der
Schwingungsweiten liegen einander stets sehr nahe und das Zeigerwerk wird nicht
durch Räder, sondern durch das Pendel getrieben. Dadurch wird eine große
Gleichförmigkeit des Ganges geschaffen. So schuf Hipp
eine Präzisionsuhr, die in der Messung mikroskopisch
kleiner Zeiten das höchste leistet, was von einem astronomischen Regulator bis jetzt
geleistet worden ist. Die tägliche Abweichung des Regulators auf der Sternwarte zu
Neuchâtel beträgt nur 0,04 Sekunden. Die ausgezeichnete Erfindung trug Hipp auf der Pariser Elektrizitätsausstellung im Jahre
1881 die goldene Medaille ein.
Die Erfindung der elektrischen Pendeluhr führte noch zu einem weiteren großen
Erfolge, zur Vereinheitlichung der Zeit durch die
Elektrizität, das heißt mehrere Uhren in übereinstimmendem Gang zu
erhalten. Schon 1864 erhielt Neuchâtel sein Uhrnetz. Hipps Mutteruhren und seine Gangwerke für Sekundäruhren sind über die
ganze Erde verbreitet.
Vorzugsweise beschäftigte sich Hipp mit der Aufgabe, einen
Chronographen zu schaffen. Dieser ist ein
elektrischer Registrierapparat, ein Selbstaufzeichner von Zeitpunkten und
Zeitabschnitten, in welchem äußerst schnelle natürliche oder mechanische Vorgänge
stattgefunden haben. Die Chronographen dienen also dem gleichen Zweck wie die
Chronoskope. Die Chronographen werden in allen jenen Fällen benutzt, wo eine
Aufzeichnung erforderlich ist, die Chronoskope genügen da, wo eine Aufzeichnung
unterbleiben kann. Hipp erstellte zwei Typen von
Chronographen, der eine macht die Aufzeichnungen auf einem Zylinder, der andere auf
einem Papierband. Die aufgezeichneten Zeitmomente können mit besonderem, bequemem
Meßapparate bis auf eine Zehntausendstelsekunde abgelesen werden.
Dauernde Aufmerksamkeit wandte Hipp den elektrischen Eisenbahnsignalen zu, die neben seinen Uhren seinen Ruf
am meisten begründet haben. Er konstruierte Entfernungssignale, Anmeldungssignale,
Läutewerke, Hilfssignale, Weichenkontrollen, Blocksignale und
Zuggeschwindigkeitsmesser. An den Signalscheiben beseitigte er einen großen
Uebelstand auf ebenso einfache als geistreiche Weise. Die um eine senkrechte Achse
drehbaren Scheiben waren bei ruhiger Luft auf rein mechanischem Wege sehr leicht
einzustellen. Störungen in der Leitung und Stürme verursachten häufig die Umstellung
der Scheibe. Auf die Behebung des Mangels war schon viel Geist, Zeit und Geld
vergeblich verwendet worden. Hipp wußte Rat. Er verband
eine mechanische Einstellung mit elektrischer Auslösung: er befestigte an der Achse
zwei gleiche Scheiben, die zueinander senkrecht stehen, und legte zwei elektrische
Leitungen an, die nur durch einen Arm an der Scheibe
verbunden sind. Die eine derselben ist mit der Batterie, die andere mit der
Signalscheibe und mit dem Elektromagnet verbunden. Ist die Scheibe in Ruhe, so sind
die Leitungen nicht verbunden und es kann sie kein Gewitterstrom durchlaufen;
schließt man aber die Leitung in der Station durch einen Umschalter, so wendet sich
die Scheibe und der Verbindungsarm; die Leitung ist also wieder offen und die
Scheibe in Ruhe.
Zu erwähnen sind noch Hipps selbsttätige Flutmesser, selbstaufzeichnende Thermometer, Barometer, Wasserstandanzeiger und
Wächterkontrolluhren.
Außerdem machte Hipp noch einige Erfindungen, die zwar
sehr geistreich waren, aber zu keiner industriellen Verwendung führten: 1855 den
elektrischen Webstuhl, 1867 das elektrische Klavier. Die Beobachtungen über
Störungen der elektrischen Telegraphie während des Nordlichts sind 1860 wohl zuerst
von Hipp gemacht worden, im Jahre 1862/63 beschäftigte er
sich mit der Aufgabe, die menschliche Stimme durch den elektrischen Telegraphen zu
übertragen, er fand aber die Schwierigkeiten noch unüberwindlich, ohne sie jedoch
als unüberwindlich zu erklären.
Geschwächte Gesundheit zwang Hipp, 1889 sich ins
Privatleben zurückzuziehen. Er nahm mit seiner Familie in Zürich-Fluntern seinen
Wohnsitz. Am 3. Mai 1893 unterlag der geistreiche Erfinder, der gewaltige Arbeiter,
der edle Mensch seiner langen schweren Krankheit.
Hipp hatte oft mit großen Schwierigkeiten aller Art zu
kämpfen, aber die Früchte seiner Arbeiten blieben nicht aus. Auf allen großen
Ausstellungen errang er sich die ersten Preise. Im Jahre 1873 wurde Hipp anläßlich der Wiener Weltausstellung mit dem Franz Joseph-Orden ausgezeichnet; die Universität Zürich
verlieh ihm 1875 das Doktordiplom honoris causa. Sein Andenken wird geehrt sein und
bleiben, nicht zum mindesten im Schwabenlande, wo seine Wiege stand, wo er den Grund
zu seinen Erfolgen legte und seine ersten bedeutungsvollen Erfindungen machte.