Titel: | Betrachtungen zum Neuentwurf des Patentgesetzes. |
Autor: | Gerhard Zeyen |
Fundstelle: | Band 329, Jahrgang 1914, S. 129 |
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Betrachtungen zum Neuentwurf des
Patentgesetzes.
Von Ingenieur Gerhard Zeyen in
Duisburg-Ruhrort.
ZEYEN: Betrachtungen zum Neuentwurf des Patentgesetzes.
In Nr. 33 und 34 des vorigen Jahrganges unterzieht Patentanwalt Bierreht den von der Regierung veröffentlichten
Neuentwurf des Patentgesetzes einer Kritik. Bei der Stellungnahme, die die
Patentanwaltschaft bei den vorbereitenden Verhandlungen zu den verschiedenen Fragen
einnahm, ist es nicht verwunderlich, wenn die beabsichtigten Aenderungen ihm
teilweise nicht radikal genug ausgefallen sind. Es kann niemandem verdacht werden,
wenn er bei einer Gesetzesänderung seine Interessen wahrnimmt. Es muß aber
widersprochen werden, wenn das unter Betonung des sozialen Gefühls geschieht, indem
man dem Gegner, der anderen Sinnes ist, derartige Gefühle abspricht. Dadurch, daß
man die soziale Frage auch bei diesem Gesetz in den Vordergrund geschoben hat, hat
man es verstanden, vermeintliche Interessengegensätze zwischen Unternehmern und
Angestellten gegeneinander auszuspielen. Es erscheint daher berechtigt, den
unverhältnismäßig großen Einfluß, den der kleine Kreis der Anwälte – klein im
Gegensatz zu den unmittelbar Interessierten, den Erfindern – in dieser Frage erlangt
hat, auf das richtige Maß zurückzuführen und die Dinge nüchtern zu betrachten.
Es sei mir gestattet, vom Standpunkt des praktischen Erfinders, des Technikers aus,
die beabsichtigen Neuerungen zu würdigen, wobei ich einen Unterschied zwischen
Angestellten und Unternehmer nicht zu erkennen vermag, da sich deren Interessen mehr
decken, als es nach außen scheinen möchte. Wird nämlich der Entwurf Gesetz, so wird
nicht nur Bresche gelegt in das gute Verhältnis zwischen Unternehmer und
Angestellten, zwischen Vorgesetzten und Untergebenen, auch das kollegiale Vertrauen
zwischen Gleichgestellten wird schwinden, wenn jeder in seinem Nachbarn einen
Wettbewerber zu erblicken hat, mit dem er bisher einen befruchtenden
Gedankenaustausch gepflogen hat. Von diesem Standpunkt aus ist die Forderung nach
einer gesetzlich zuzuerkennenden Entschädigung des Erfinders und die dadurch
bedingte Nennung dieses selbst aufs tiefste zu bedauern. Das Billigkeitsgefühl
und das eigene Interesse wird den Unternehmer außerordentliche Leistungen besser
vergüten lassen, als gesetzlicher Zwang. Die Reichstagsabgeordneten Potthoff und Dr. Nacken sind
jedenfalls bis heute den Beweis für ihre Behauptungen schuldig geblieben, als sie
unter Hinweis auf die Ausbeutung des Erfinderangestellten ein neues, dem heutigen
sozialen Empfinden angemessenes Patentgesetz forderten. Die technischen Angestellten
aber sollten bedenken, daß ihre wirtschaftliche Stellung aufs engste mit der
weltwirtschaftlichen Stellung der deutschen Industrie verquickt ist, die unter der
Herrschaft des bestehenden Patentgesetzes erworben wurde, das nun Neuerungen welchen
soll, deren Folgen unabsehbare sind. Es ist schwer zu verstehen, daß lediglich
theoretische und akademische Erörterungen in Kreisen, die dem Stoff des Gesetzes
fremd gegenüberstehen, die Regierung zu dem vorliegenden Entwurf bestimmt hat.
Obwohl die Industrie sich mit aller Energie gegen die Aenderungen in der
veröffentlichten Form ausgesprochen hat – man lese darüber das Verhandlungsprotokoll
des Vereins deutscher Maschinenbauanstalten, wo auch die Vertreter der verwandten
mechanischen Industrien, der elektrischen und chemischen Industrien zu Worte kommen
– und obwohl bei dieser Verhandlung selbst jene, die bei der Stettiner Tagung des
Vereins zum Schutz des gewerblichen Eigentums ihre Zustimmung bedingungsweise
gegeben hatten, diese, erschreckt durch die maßlosen Forderungen einiger
Angestelltenverbände, zurückzogen, ist man über die gewiß sachlichen Einwendungen
zur Tagesordnung übergegangen. Selbst die bürgerlichen Parteien des Reichstags
hatten trotz Einladung keine Vertreter entsandt. In dieser Versammlung der deutschen
Industrievertreter waren ungefähr 70 bis 80 v. H. aller Patentnehmer vertreten, vor
allen Dingen alle die, die wirtschaftlich wertvolle Patente nehmen. Ich führe das an
gegenüber der Behauptung des Patentanwalts B., die Aenderungen würden allgemein als
ein Fortschritt auf dem Gebiet des gewerblichen Rechtsschutzes begrüßt, sie entsprängen
einem lang gehegten Bedürfnis. Die Stellung der Patentanwälte wird unter dem neuen
Gesetz eine wesentliche Stärkung erfahren, und ihre Stellungnahme ist deshalb sehr
verständlich: wichtiger scheinen mir indessen die Interessen der Patentnehmer, die
unter der Herrschaft des alten Gesetzes sehr gut gefahren sind, die aber vor den
unabsehbaren Folgen der beabsichtigten Aenderung begründete Furcht haben.
Da ist zunächst die Gebührenfrage. Die dazu geäußerten Wünsche gingen einmal auf die
Herabsetzung der Gebühren überhaupt, während von anderer Seite die Zahlung einer
einmaligen Pauschalsumme nach amerikanischem Muster vorgeschlagen wurde. Die
letztere Lösung kann nicht als geeignet bezeichnet werden, man würde jedem Patent
selbsttätig eine vollfristige Dauer verschaffen. Bei den rund 50000 jährlichen
Anmeldungen würde man sich nach 15 Jahren dauernd durch einen Wust von 750000
Patenten durchzufinden haben. Das mag in Amerika, wo die Kostspieligkeit des
Zivilprozesses jegliche Verletzungsprozesse ausschließt, angängig erscheinen, doch
würde das weder zur Hebung des sachlichen noch des ideellen Wertes der bestehenden
Patente beitragen. Die Herabsetzung der Gebühren wird mit Rücksicht auf den
wirtschaftlich Schwachen gefordert. Ein großer Teil der Patente werde mangels
Zahlung der Gebühren vorzeitig gelöscht, wodurch ungeheure wirtschaftliche Werte
verloren gingen. Demgegenüber kann wohl mit Recht behauptet werden, daß ein Patent,
das in 15 Jahren nicht die Gebühren von 5300 M abwirft, überhaupt keinen
wirtschaftlichen Wert hat. Bei einem Vergleich mit niedrigeren Gebühren des
Auslandes ist zu berücksichtigen, daß das deutsche Patent dem ausländischen
gegenüber sowohl höhere innere als auch äußere Werte besitzt, bei sorgfältiger
Prüfung einen billigen Rechtsschutz (man berücksichtige demgegenüber die
Kostspieligkeit des Zivilprozesses in anderen Staaten, die den Patentschutz fast
illusorisch machen) und eine hochentwickelte kaufkräftige Bevölkerung von 65
Millionen Menschen. Gerade hohe Gebühren, die den Anmelder zwingen, sich zunächst
von der Verwertbarkeit und dem zu erwartenden Erträgnis der Erfindung zu überzeugen,
wird die Ueberschwemmung des Patentamtes mit unreifen und minderwertigen Anmeldungen
verhindern, wodurch am besten der Geschäftsverzögerung im Anmeldeverfahren
vorgebeugt wird. Daß die Patentanwälte trotzdem für Gebührenherabsetzung eintreten,
hat darin seinen Grund, daß gerade die kleinen Erfinder sich der Hilfe der
Patentanwälte zu bedienen pflegen. Sie würden in verminderten Gebühren einen
weiteren Ansporn zur Offenbarung erfinderischer Tätigkeit empfinden. Werden aber gar
von den hohen Gebühren wirtschaftlich wertlose, sogenannte Sperr- oder
Wegelagererpatente betroffen, so schadet es nichts, wenn ihre Inhaber die Knebelung
des Wettbewerbes durch Leistungen an den Reichssäckel erkaufen müssen. Die
Behauptung, daß in Deutschland mehr Patente frühzeitig verfielen, weil die Gebühren
unerschwinglich seien, wird durch eine Zusammenstellung widerlegt, die der Verein
deutscher Maschinenbauanstalten in seinem Verhandlungsprotokoll veröffentlicht
hat. Danach liegen die Verhältnisse im allgemeinen günstiger als in Staaten mit
wesentlich geringeren Gebühren. Es erreichten ein
Alter von
7
8
9
10
12
14 Jahren in
Schweden
25,5
21
19
16
11
8
Deutschland
20
16,5
14
11,5
8
6,5
England
18
15
12
10
8
5
Schweiz
14
12
10
9
7
5
Italien
12
11
10
7
6
3 v. H. aller
erteilten Patente, so daß sich Deutschland durch die
Lebensdauer seiner Patente auszeichnet. Jedenfalls sollte man die erhöhte
Anmeldegebühr zu erreichen suchen, da bei dem gesunkenen Geldwert die bisherige
Gebühr von 20 M keine Gegenleistung für die Arbeit des Amtes ist, das vielfach nur
durch eine Anmeldung zu einer gutachtlichen Aeußerung über einen Gegenstand
angegangen wird. Man sollte doch endlich mit der Vorstellung vom dürftigen Erfinder
in ungeheizter Dachstube bei Wasser und Brot aufräumen. Bei der heutigen Entwicklung
der Technik, des Verkehrs und des Nachrichtenwesens ist die intuitive Erfindung
gleichsam aus dem nichts heraus in gewerblich verwendbarer Gestalt, fertig wie
Athene aus Zeus' Haupt unmöglich geworden. Die der Anmeldung voraufgehenden
Versuche, Erprobungen und Veränderungen werden derartige Mittel in Anspruch nehmen,
daß die Frage, ob 20 oder 30 M Anmeldegebühr dahinter zurücktritt. Die Anmeldung
müßte ja dann vielmehr an den Anwaltskosten scheitern, die gewöhnlich ein Vielfaches
davon betragen. Im Zusammenhang mit der Gebührenfrage sowohl im Anmelde- als auch im
Berufungsverfahren sei hier auch gleich auf die Vorprüfung eingegangen. Wird nämlich
der Einzelprüfer Gesetz, so wird das heute schon bestehende Bestreben, mündlich zu
verhandeln, einen weiteren Anstoß erfahren, und dadurch wird selbst derjenige, der
die Reise nach Berlin nicht scheuen würde, gegen den durch den Patentanwalt
vertretenen Gegner den kürzeren ziehen. Es wird sich daraus ein faktischer
Anwaltszwang entwickeln. Die Vertreter der Industrie haben ausnahmslos die Güte des
bestehenden Prüfungsverfahrens anerkannt, und das Ansehen, das das deutsche Patent
im Ausland genießt, wird darauf zurückgeführt. Die Wertschätzung geht so weit, daß
ausländische Erfinder zunächst das deutsche Patent nachsuchen, um mit diesem Beweis
der Neuheit ihrer Sache ausgerüstet erst das Patent ihres Heimatslandes
nachzusuchen. Als Grund für die Aenderung wird die zu erwartende Beschleunigung des
Anmeldeverfahrens angegeben, die dadurch erreicht wird, daß dem einzelnen Vorprüfer
an Stelle des bisherigen dreigliedrigen Kollegiums die Befugnis zur Auslegung
erteilt wird. Weist der Vorprüfer die Anmeldung zurück, so hat der Anmelder das
Recht der Beschwerde, die zunächst einem Senat von drei Mitgliedern, endlich zur
endgültigen Entscheidung einem solchen von fünf Mitgliedern unterbreitet wird. Wir
hätten also für die Folge drei Instanzen, die wohl regelmäßig in Anspruch genommen
würden, denn jeder Erfinder ist derart von der Güte seiner Erfindung überzeugt, daß
er sicher bei einem ungünstigen Ausfall des zweitinstanzlichen Bescheides auch die dritte Instanz
anrufen wird. Es ist also anstatt einer Beschleunigung eine weitere Verzögerung zu
gewärtigen. Deshalb ist auch die Industrie ausnahmslos gegen die beabsichtigte
Aenderung. Sie, die ihre Patentangelegenheiten meist durch eigene Angestellte
besorgt, hat doch jedenfalls das dringendste Interesse an der schleunigen Erledigung
ihrer Anmeldungen, sie ist mit den bestehenden Zuständen zufrieden. Kann das Amt
nicht mehr den Ansprüchen folgen, so erhöhe man die Beamtenzahl, obwohl es nicht
unbedenklich erscheint, vorübergehend ihre Zahl in einer Klasse zu erhöhen, die
durch die Entwicklung der Technik in einer besonderen Richtung (zurzeit das
Flugwesen) in erhöhtem Maße in Anspruch genommen wird. Zweifellos wird die Erhöhung
der Anmeldegebühren ebenfalls dafür sorgen, daß die Belästigung mit unreifen und
gewerblich nicht verwendbaren Erfindungen vermindert wird, so daß den Beamten die
nötige Zeit bleibt, sich mit den wirtschaftlichen wertvollen zu befassen. Man hat
die Berechtigung zur Forderung von Einzelprüfern damit begründet, daß im Zivilprozeß
in erster Instanz auch der einzelne Richter das Urteil fälle. Jener spricht aber
objektives Recht an Hand feststehender Gesetze und des Tatbestandes, die Tätigkeit
des Vorprüfers ist jedoch in seiner rein subjektiven Auffassung der ihm vorliegenden
Erfindung begründet. Im Zweifelsfalle bedarf sein Urteil der Berichtigung, die im
Wesen der kollegialen Beratung liegt. Was uns Techniker ohne Unterschied gegen die
beabsichtigte Aenderung auf den Plan rufen sollte, ist etwas anderes, das meines
Wissens noch von keiner Seite betont wurde. Wir wollen und brauchen keinen
privilegierten Vermittler zwischen uns und dem Patentamt! Wir wollen nicht dereinst
unter Weltfremdheit der Patentrichter zu leiden haben, wir wollen in deren und
unserm Interesse, daß ihnen durch die unmittelbaren wechselseitigen Beziehungen zu
dem schaffenden Techniker der klare Blick für technische Leistungen und
wirtschaftliche Werte erhalten bleibe, ungetrübt durch formalistisch-juristische
Spitzfindigkeiten, wie sie leider begonnen haben, sich auch im Patentwesen breit zu
machen. Dieser Entwicklung würde durch Anwaltszwang, wie er durch den Entwurf
praktisch einträte, weiterer Vorschub geleistet. Berücksichtigt man das kleine Feld,
welches infolge des ungeahnten technischen Aufschwungs der heutige Techniker
übersehen kann, will er auf ihm wirklich zu Hause sein, so wird man mit Recht
behaupten können, daß er auf diesem Gebiet unbedingt dem Patentrichter ebenbürtig
sein kann, der auch nur ein kleines Feld beackert. Demgegenüber muß der Patentanwalt
schon ein Universalgenie sein, der doch wahllos in allen Gebieten tätig sein
muß.
Aus allen genannten Gründen kann es nur erwünscht sein, daß es bei der bewährten Art
der Vorprüfung bleibe, daß man einer Belastung des Amtes lieber durch Vermehrung des
Personals und durch Beibehaltung der Patentgebühren oder auch Erhöhung der
Anmeldegebühren entgegenwirken sollte. Rechtfertigen ließe sich dagegen eine
Herabsetzung der Gebühren bei Nichtigkeitsklagen vor dem Reichsgericht. Hier
sorgt schon die Natur des Prozesses dafür, daß solche nicht leichtfertig eingeleitet
werden. Dagegen kann es sich hier tatsächlich um eine in seinen finanziellen
Grundlagen durch das anzufechtende Patent erschütterte Existenz handeln. Es handelt
sich also um einen im Wesen des Patentgesetzes begründeten Notstand, dessen
Beseitigung man dem schon wirtschaftlich Geschwächten nicht unnötig erschweren
sollte.
Wir kommen nun zum umstrittensten Punkt des ganzen Entwurfs, der
Erfinderentschädigung, die aufs engste mit der Erfinderehre verknüpft ist. Was ist
Erfindung, wer ist Erfinder, und was ist angemessene Entschädigung? Hierzu ein
praktisches Beispiel. Ein Konstrukteur einer Maschinenfabrik hat durch seine
Tätigkeit die Idee zu einem Achsregler bekommen. Der Chef gestattet die Ausarbeitung
und nach der Zeichnung wird in der Werkstatt der Regler angefertigt. Nach vielen
Werkstattsversuchen ist die Erfindung patentreif, sie wird angemeldet und gelangt
bei normalen Maschinen zur Anwendung. Als nun auch eine Maschine von besonders hoher
Empfindlichkeit damit ausgerüstet wird, versagt er, und erst nach langen Versuchen,
wodurch Kosten und Verzugsstrafen entstehen, ersetzt der Werkstattingenieur die
Schwunggewichte durch Federn, wodurch der Regler jeglichen Anforderungen genügt.
Durch Zusatzpatent wird nun auch diese Ausführung gesichert. Jeder, der den
Werdegang einer Erfindung kennt, wird mir zugeben, daß das die alltägliche
Entwicklung einer solchen ist. Wer ist nun der Erfinder, und was hat er angemessen
zu beanspruchen? Der Konstrukteur würde ohne die Möglichkeiten seiner Stellung
schwerlich die Idee haben entwickeln, ohne die Mittel seines Chefs jedenfalls aber
nicht die notwendigen Versuche haben anstellen können. Der Betriebsingenieur ohne
jene Idee hätte schwerlich die Verbesserung gefunden. Und endlich, hat der Fabrikant
durch den Regler einen nachweislichen Nutzen? Denn nur dann könnte doch von einer
Entschädigung die Rede sein. Wer die Verhältnisse kennt, wird mir zugeben, daß er
des Reglers wegen keine Maschine mehr verkaufen wird, ebensowenig, daß er heute wo
jeder sein Reklamepatent hat, deswegen höhere Preise erzielt. Es bliebe ihm nach dem
neuen Gesetz der Vorteil, für seinen Angestellten Reklame zu machen, damit er ihm
von der Konkurrenz möglichst bald wegengagiert wird, sowie die weitere
Annehmlichkeit, seine intimsten Geschäftsgeheimnisse preiszugeben, um den Nachweis
zu erbringen, daß er keine, oder welche Mehreinnahmen er durch das Patent gehabt
hat, die eine angemessene Entschädigung rechtfertigen. Der Unternehmer hat schon
heute ein genügendes Interesse, sich tüchtige Angestellte zu erhalten, wird man ihn
aber zwingen wollen, gesetzlich Leistungen zu vergüten, von denen ihm allein das
Risiko bleibt, so wird er überhaupt nicht mehr dafür zu haben sein, Angestellten die
Mittel zur Erprobung und Vervollkommnung von Erfindungen zur Verfügung zu stellen.
Der Angestellte, dem dadurch die Möglichkeit schürfender Geistestätigkeit, die
Möglichkeit, durch besondere Leistungen die Aufmerksamkeit seines Vorgesetzten oder
seines Chefs auf sich zu lenken, genommen ist, wird den Schaden haben. Man hat vielfach auf das
Urheberrecht als analogen Vorgang in der Gesetzgebung hingewiesen, wo ebenfalls das
persönliche Recht an der geistigen Arbeit anerkannt sei. Dort handelt es sich aber
um Sicherung der individuellen geistigen Tätigkeit, um den Schutz der Person. Das
Patent dient aber zum Schutz einer Sache, als Belohnung für deren Preisgabe an die
Allgemeinheit, denn die Erfindungen liegen im Zuge der Zeit, es bedarf zu ihrer
Verwirklichung nur der praktischen Unterlagen, wie sie Erfahrung und Erprobung
bieten. Dadurch wird sie gewerblich verwendbar. Daher auch die häufige Duplizität
der Erfindung. Gußstahl würden wir heute auch ohne Krupp
haben, wie die Dampfmaschine ohne Watt und den Oelmotor
ohne Diesel, es gäbe aber ohne Schiller keinen „Wilhelm Teil“, ohne Wagner keinen „Tannhäuser“. Aber selbst dort wird der Schutz des
Urheberrechts nur denen zu Teil, die nicht auf den Verleger angewiesen sind,
andernfalls ist der Verleger derjenige, den das Gesetz schützt. Insofern besteht
sogar eine gewisse Aehnlichkeit zwischen dem vom Verleger abhängigen Künstler und
dem erfindenden Angestellten. In beiden Fällen trägt, dort der Verleger, hier der
Arbeitgeber Kosten und Risiko, sie ermöglichen erst die Verwirklichung, wobei die
Stellung des Künstlers insofern noch eine andere ist, als er etwas Fertiges zu
bieten hat.
Was ist überhaupt Erfindung? Wo beginnt der Begriff Erfindung, d.h. wo erlaubt die
konstruktive Tätigkeit des am Zeichenbrett oder die beobachtende des Ingenieurs auf
dem Probierstande die Anwendung der Bezeichnung erfinderische Tätigkeit. Jede
geschickt angeordnete Verstärkungsrippe an einem Maschinenelement, die Material und
Arbeitsersparnis bedeutet, entspringt erfinderischer Tätigkeit. Ist wirklich die
Ehre so groß, Patentinhaber zu sein, daß die beteiligten Technikerkreise ihr das
Vertrauensverhältnis zum Arbeitgeber opfern wollen? Wie verzwickt die ganze Sachlage
ist, geht schon daraus hervor, daß das Patentamt gar nicht im Gesetz die Mittel und
Wege findet, dem Erfinder zu seinem Ehrenrecht zu verhelfen. § 6 sagt, daß der
Erfinder ein Recht darauf habe, als solcher genannt zu sein, doch müsse der Erfinder
bzw. der Patentinhaber dazu sein Einverständnis geben. Da dem Patentamt nun der
Anmelder als berechtigter gilt, so ist der Erfinder auf den Weg des Zivilprozesses
verwiesen. Dann lasse man aber doch lieber überhaupt diese Frage aus dem
Patentgesetz heraus, denn gegen die widerrechtliche Aneignung des Erfindergedankens
oder Erfindung bietet das bürgerliche Recht und seine Handhabung durch die Gerichte
genügende Handhaben. Sagt doch z.B. das Reichsgericht in seinem Urteil vom 28. Mai
1902, daß der wirkliche Erfinder gegenüber dem Anmelder nicht nur auf die
Nichtigkeitsklage beschränkt sei, sondern alle weitergehenden Ansprüche habe, die
sich nach bürgerlichem Recht aus der widerrechtlichen Benutzung der Erfindung
ergeben. Man schaffe lieber klares Recht, indem man von vornherein dem Anmelder
auferlegt, durch seine Unterschrift zu erklären, daß er der Erfinder sei, oder
dessen Rechte auf Grund eines in Abschrift beizufügenden Vertrags erworben
habe, wodurch auch das Recht des erfindenden Angestellten gewahrt wird. Daß sich ein
Unternehmer finden wird, der nur das Risiko der Erfindung trägt, ist schwer
anzunehmen. Lieber verzichtet er überhaupt. Man muß staunen, mit welcher
Leichtigkeit man sich über die Wünsche der Industrie hinweggesetzt hat. Die
Erläuterungen zu §§ 6 und 10, Abs. 1, sagen, die neue Fassung entspräche den
Wünschen von Rechtstheoretikern und Angestelltenvertretern, die Industrie, der
Dienstgeber wird damit getröstet, daß die Prozeßkosten den Angestellten abhalten
würden, „vermeintliche“ Rechte zu verfechten. Für die Prozeßkosten werden
bereitwilligst jene Verbände aufkommen, deren Weizen am besten durch Uneinigkeit
gedeiht. Wahrscheinlich wird aber Rücksichtslosigkeit des Unternehmers die Antwort
sein, und der Angestellte wird sich zu fragen haben, ob er für die Behauptung seiner
Forderung die Entlassung in den Kauf nehmen will. Er wird selbst unter Hinweis auf
seine erfinderischen Leistungen sobald keinen Ersatz finden, denn jeder wird sich
für einen prozeßlustigen Angestellten bedanken. Uebrigens sagt der Entwurf selbst in
seinen Erläuterungen, gegen wucherische Ausbeutung seiner Arbeitskraft sei der
Angestellte nicht nur durch das allgemeine bürgerliche Recht, sondern vor allen
Dingen durch die eigenen Interessen der Arbeitgeber geschützt, deren Verhalten in
diesem Punkte durch eigene und gegnerische Organisationen überwacht werde und in der
öffentlichen Meinung einen empfindlichen Regler besitze. Deshalb fort mit den
Paragraphen gegen die Vertragsfreiheit.
Von den sonstigen sachlichen Aenderungen, die das neue Gesetz bringt, sei nur noch
auf den Ausführungszwang eingegangen, der trotz der sachlichen Einwände, die die
Industrie gegen jede Schwächung erhoben hat, dennoch in weniger scharfe Form gefaßt
ist als das früher der Fall war. Man begibt sich dadurch unnötiger Weise einer
Waffe, die entgegen dem rigorosen Vorgehen des Auslandes namentlich Englands
durchaus nötig ist. Ist es doch heute fast zur Unmöglichkeit geworden, in England
Lizenzen zu verkaufen, da nach zwei Jahren jedes Patent dem Wettbewerb als
kostenlose Beute in den Schoß fällt.
Eins aber verabsäumt der Neuentwurf gänzlich, eine den vielfach geäußerten Wünschen
der Industrie entsprechende Patentgerichtsbarkeit als organischer Bestandteil des
Patentgesetzes. Leider hat hier wieder der doktrinäre Jurist gesiegt, dem alle
„Sondergerichte“ ein Einbruch in seine geheiligten Sphären bedeutet.
Tatsächlich hat die Industrie gar keine Wünsche nach Sondergerichten geäußert, sie
hat an den bestehenden genug, man hat nur nach Art der Zivilkammern für
Handelssachen, solche für Patentsachen und technische Streitigkeiten überhaupt im
Rahmen des Bestehenden verlangt, d.h. Senate mit technischen Mitgliedern. Nachdem
die Justizverwaltung bereits in einigen wenigen Gerichtsbezirken solche Senate,
allerdings aus Juristen bestehend, gebildet hat, wäre dieser weitere Schritt einfach
folgerichtig gewesen. Denn, ob auch die dauernde Tätigkeit in derartigen Prozessen
jenen Richtern
eine gewisse Sicherheit in der Rechtsfindung verleihen wird, so wird doch das
tiefere technische Verständnis dadurch niemals erworben werden können. Mit
Sachverständigen vor der Barre allein ist der Technik nicht geholfen. Schon zur
Befragung dieser bedarf es technischen Verständnisses. Ohne dieses wird es in den
seltensten Fällen gelingen, den Kernpunkt zu erfassen. Das Gebiet der Technik ist
heute so umfangreich, daß der Techniker selbst nur auf Einzelgebieten zu Hause sein
kann, und da glaubt die Justizverwaltung, ihre Referendare zu fachkundigen Richtern
durch einen mehrwöchentlichen Kursus machen zu können, denen die Entscheidung
in den wichtigsten Fragen unserer technischen Entwicklung anvertraut ist. Mit
mindestens demselben Recht, mit dem im Patentamt Juristen sitzen, gehören in die
Gerichte, die über die Handhabung des Patentgesetzes urteilen, Techniker.
Ziehen wir das Fazit, so sehen wir, daß alle berechtigten Wünsche der deutschen
Technik in den Wind geschlagen worden sind, daß Massensuggestion durch soziale
Schlagwörter über sachliche Gründe den Sieg davon tragen werden, da selbst der
Reichstag in ihrem Nebel befangen ist.