Titel: | Lokomobil-elektrische Zentralen. |
Autor: | H. Sch. |
Fundstelle: | Band 329, Jahrgang 1914, S. 133 |
Download: | XML |
Lokomobil-elektrische Zentralen.
Von Ingenieur H. Sch.
H. SCH.: Lokomobil-elektrische Zentralen.
Textabbildung Bd. 329, S. 133
Abb. 1. Elektrische Zentrale der Spateisengrube Merény (Ungarn) mit zwei je
240 PS max, Lanzschen Heißdampf-Verbund-Lokomobilen, direkt gekuppelt mit
Drehstromgeneratoren.
Als Betriebskraft für elektrische Zentralen wird nach wie vor die altbewährte
Dampfkraft als wirtschaftlich und betriebstechnisch unersetzbar angesehen und
geschätzt. Sind doch ihre Vorteile zu bedeutend und einschneidend für die
Aufrechterhaltung eines rentablen und insbesondere unter allen Umständen
zuverlässigen Betriebes. War früher die stationäre Dampfmaschine die allein in
Betracht kommende Betriebsmaschine für elektrische Zentralen aller Art, so hat die
neuzeitliche Entwicklung des Kraftmaschinenbaues zu zwei typischen
Betriebskraftformen geführt: Der Dampfturbine für große Zentralen mit
Leistungen von mehreren Tausend Pferdekräften und der Heißdampflokomobile für kleine
und mittlere elektrische Zentralen mit Einzelleistungen bis zu 1000 PS bzw. mit
Gesamtzentralenleistungen bis zu 4000 bis 5000 PS. Daß für diese kleinen und
mittleren Zentralen die Lokomobile ein so ausgedehntes Anwendungsfeld gefunden hat,
ist vor allem durch ihre außerordentliche Wirtschaftlichkeit infolge des Wegfalls
der Rohrleitungs-Wärmeverluste zwischen Kessel und Maschine begründet. Weiterhin
spielen jedoch auch
die Einfachheit und Uebersichtlichkeit der ganzen Anlage bei Zusammenhang von Kessel
und Maschine, sowie die Verringerung der Anlage-, der Be-dienungs- und der
Betriebskosten eine nicht unwesentliche Rolle bei der Wahl der Lokomobile als
Betriebskraft für elektrische Zentralen.
Textabbildung Bd. 329, S. 134
Abb. 2. Grundriß der Zentrale Merény.
Der moderne Kraftzentralenbau geht immer mehr dazu über, an Stelle des
Riemenantriebes elektrische und Antriebsmaschine direkt zu kuppeln, womit zweifellos
die Betriebssicherheit des elektrischen Betriebes und – neben weiterer
Platzersparnis – auch die Wirtschaftlichkeit (durch den Wegfall der Riemenverluste)
erhöht wird.
Es darf als ein wertvoller Vorzug der Lanzschen
Heißdampf-Verbund-Lokomobilen angesprochen werden, daß die spezielle Art ihrer
Kurbelwellenlagerung auf besonderen Lagerstützen bzw. bei Maschinen von 400 PS
Leistung an auf eigenen Lagerständern ohne weiteres die direkte, starre Kupplung von
Maschine und Generator gestattet.
Nachfolgend seien drei verschiedene Arten elektrischer Zentralen mit
Lokomobilenantrieb beschrieben, und zwar zunächst ein mittleres Elektrizitätswerk
für Kraft- und Lichtstrom, ein elektrisches Bahnkraftwerk und schließlich eine
elektrische Fabrikzentrale.
Zur Erzeugung der für den Grubenbetrieb der Spateisensteingrube Merény (Ungarn) der
Oberschles. Eisenindustrie A.-G. für Bergbau und
Hüttenbetrieb, Gleiwitz, erforderlichen elektrischen Energie wurde eine
Zentrale erbaut, als deren Betriebsmaschinen Lanzsche
Heißdampf-Verbund-Lokomobilen mit Ventilsteuerung, System Lentz, gewählt wurden. Wie die Abb. 1 bis
4 erkennen lassen, enthält das Maschinenhaus (17
m lang, 8 m breit mit gewölbter Eisenbetondecke) zwei je direkt gekuppelte
Lokomobil-elektrische Aggregate. Die allgemeine Anordnung ist aus den Abbildungen
ersichtlich. Hervorgehoben sei die besondere Art der Kohlenzufuhr. Durch sich
selbsttätig entleerende Hängebahnwagen wird die Heizkohle den zu beiden Seiten
des Maschinenhauses angeordneten Kohlenbunkern zugebracht. Aus diesen Bunkern wird
die Kohle nach Bedarf durch je eine wagerechte geschlossene Transportschnecke dem
eigentlichen Fülltrichter der selbsttätigen Wurffeuerung zugeführt. Ueber dem
Fülltrichter befindet sich ein Reflexspiegel, der den Stand der Kohle vom
Heizerstand aus erkennen läßt, so daß die Transportschnecke bei genügend gefülltem
Trichter abgestellt werden kann. In gleicher Weise selbsttätig erfolgt die
Entfernung der Heizrückstände durch eine unter Flur liegende wagerechte
Transportschnecke. Der Antrieb beider Schnecken erfolgt durch Elektromotoren und
Kettentrieb. Die Betriebsmaschinen sind wie bemerkt, Lanzsche Heißdampf-Verbund-Lokomobilen normaler Bauart. Jede Lokomobile
leistet normal 175 PS bei 187½ Umdr./Min., maximal 240 PS, bei Betrieb mit
Einspritzkondensation.
Textabbildung Bd. 329, S. 134
Abb. 3. 175 PS Lokomobil-elektrisches Aggregat der Zentrale Merény von oben
gesehen.
Mit jeder Lokomobile ist ein Drehstromgenerator (erbaut von den Ung. Siemens-Schuckertwerken) von
200 KVA normaler Leistung (bei 230 V) direkt gekuppelt. Da der Generator für sich in
zwei Lagern gelagert ist. befindet sich zwischen Generator und Lokomobilenwelle eine
flexible Bandkupplung eingeschaltet. Die Erregermaschine sitzt fliegend auf der
verlängerten Generatorwelle. Der erzeugte Drehstrom von 230 Volt Spannung wird zum
Teil in dem am Maschinenhaus angebauten Schaltraum durch Oeltransformatoren auf
5000 Volt herauftransformiert und dann den entfernt liegenden Punkten der
Spateisensteingrube zum Betrieb von elektrischen und pneumatischen
Gesteinbohr-maschinen, Schmiedemaschinen usw. zugeführt.
Textabbildung Bd. 329, S. 135
Abb. 4. Querschnitt der Zentrale Merény.
Der nicht transformierte Niederspannungs-Drehstrom dient zum
direkten Antrieb von Wasserpumpen, Grubenventilatoren, einer Erzwäsche und
Erzseparation, eines Aufzuges, der gesamten Werkstätte mit Schmiede und Gießerei,
zum Antrieb einer 4,5 km langen Drahtseilbahn für den Erztransport von der Grube,
ferner zur Beleuchtung der Grubenanlage. Ein weiterer Teil des Drehstroms wird zwei
zwischen den beiden Maschinen aufgestellten Umformergruppen zugeführt, die den
Drehstrom in Gleichstrom von 250 Volt, wie er zum Betrieb der elektrischen
Grubenlokomotiven erforderlich ist, umwandeln.
Die betriebstechnischen Vorzüge der Heißdampf-Verbundlokomobile machen sich noch in
besonderem Maße für elektrische Bahnzentralen geltend. Denn diese verlangen durch
die Besonderheit ihres Betriebes eine unter allen Umständen betriebssichere
Kraftmaschine, die weiterhin in der Lage ist, die großen Belastungsstöße des
Bahnbetriebes anstandslos aufzunehmen, die also eine hohe Ueberlastbarkeit aufweisen
muß. Ueber eine neuere derartige Bahnzentrale mit Lokomobilbetrieb seien im
folgenden einige Angaben mitgeteilt.
(Schluß folgt.)