Titel: | Neuere doppeltwirkende Zweitakt-Dieselmotoren. |
Autor: | Wilhelm Kreul |
Fundstelle: | Band 329, Jahrgang 1914, S. 177 |
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Neuere doppeltwirkende
Zweitakt-Dieselmotoren.
Von Ingenieur Wilhelm Kreul,
Elbing.
KREUL: Neuere doppeltwirkende Zweitakt-Dieselmotoren.
Inhaltsübersicht.
Es werden die hauptsächlichsten Vorteile der doppeltwirkenden
Zweitakt-Dieselmotoren (Spülventilmotoren) gegenüber den einfachwirkenden Motoren
derselben Art erwähnt und auf die Schwierigkeiten hingewiesen, die die allgemeine
Einführung dieser Motoren (besonders der stehenden Bauart) verzögern. Unter
Berücksichtigung einiger in der einschlägigen Literatur in letzter Zeit erwähnten
Motorkonstruktionen werden die Mittel besprochen, die zur Erzielung einfacherer
Konstruktionen führen könnten. Im Anschluß daran wird eine Neukonstruktion eines
derartigen Motors beschrieben, wobei besonders die Zylinder-, Ständer- und
Deckelkonstruktion, Steuervorrichtung, Ventilkonstruktionen, Kühlvorrichtung und
unter Berücksichtigung der direkt umsteuerbaren Motoren auch eine Anlaß- und
Umsteuervorrichtung erwähnt werden. Zum Schluß wird auf die Verwendungsmöglichkeit
dieser Konstruktionen an liegenden, doppeltwirkenden
Zweitaktmotoren und doppeltwirkenden Viertaktmotoren
hingewiesen.
In dieser Zeitschrift und in der sonstigen einschlägigen Literatur wurde bereits
mehrfach die Verwendungsmöglichkeit doppeltwirkender Zweitakt-Dieselmotoren
besprochen, und man erwähnte zum Teil in den sonst allgemein gehaltenen Ausführungen
die auf dem Versuchsstande namhafter Firmen befindlichen Motoren dieser Art, unter
Benutzung von Skizzen und Photos der betreffenden Motoren. Eine eingehende
Beschreibung und Darstellung eines doppeltwirkenden Zweitakt-Dieselmotors
(Spülventilmotors) ist bis jetzt so gut wie nicht erfolgt, und es soll der Zweck
dieser Zeilen sein, eine Neukonstruktion eines solchen
Motors, dessen wesentliche Teile durch D. R. P. und D. R. G. M. geschützt sind,
weiteren Kreisen bekannt zu geben.
Die Vorteile dieser Motoren gegenüber einfachwirkenden Zweitaktmotoren bestehen
hauptsächlich in der geringeren Raumbeanspruchung und dem geringeren Gewichte pro
PS, der geringeren Beanspruchung der Grundplatten (Fundamente) und Kurbellager, dem
besseren Gleichgange (wodurch geringeres Schwungradgewicht erforderlich) und bei
umsteuerbaren Fahrzeugmotoren (besonders Lokomotiv- und Schiffsmotoren) die größere
Manöverierfähigkeit und weitgehende Verringerung der Drehzahl.
Gerade wegen dieser großen Vorzüge erscheint es auf den ersten Blick
verwunderlich, daß nicht schon früher und von mehr Firmen der Bau dieser Motoren
betrieben wurde. Die Schwierigkeiten in der Herstellung doppeltwirkender
Zweitaktmotoren, die beim Viertaktverfahren zum Teil schon behoben sind, sind durch
das Zweitaktverfahren (während jeder Umdrehung erfolgt
zwischen Arbeits- und Verdichtungshub der Spül- bzw. Ladevorgang) und durch die
Eigenart des Dieselmotors (hoher Anfangsdruck von etwa 35 bis 40 at mit hoher
Temperatur von etwa 2000° C) begründet und machen Konstruktionen erforderlich, die
wesentlich von den bisherigen abweichen.
Will man nämlich nicht wichtige, wärmetechnische Vorteile preisgeben, so hat nach dem
Arbeitshube die Versorgung des Zylinders mit frischer Luft möglichst von den
Zylinderenden aus zu erfolgen. Aber schon bei den einfachwirkenden Zweitaktmotoren
macht sich bemerkbar, daß die Unterbringung der Spülventile, des Brennstoffventils
und des Anlaßventils in dem beschränkten Raume des Zylinderdeckels komplizierte
Gußstücke mit ungleichmäßiger Materialverteilung und wenigen engen Kühlräumen
ergibtCassiers Magazine, März 1913, S. 161, Abb. 14..
Bei der Doppelwirkung, wo der Zylinderdeckel der Kurbelseite schon wegen der
notwendigen Verbindung mit dem Gestellbalken wenig Platz übrig last, kommt hinzu,
daß außer den erwähnten Ventilen noch die Stopfbüchse für die Kolbenstange
erforderlich ist.
Man hat deshalb versucht, dem unteren Zylinderdeckel eine andere Gestalt zu geben und
brachte die Spülventile in seitlichen Taschen des Deckels
unter. Hierdurch entstand aber eine weitgehende Zerklüftung des Verbrennungsraumes
und man gab somit einen wichtigen verbrennungstechnischen Vorteil preis, ohne indes
eine einfachere Deckelkonstruktion erhalten zu haben. Aber auch die Steuerung der
Ventile am unteren Zylinderdeckel wurde kompliziert, waren doch zur Betätigung der
Ventile eines Dreizylindermotors drei Steuerwellen und zwei Zwischenwellen
erforderlich, nämlich auf jeder Seite des unteren Zylinderdeckels
eine Steuerwelle, für den oberen Zylinderdeckel eine Steuerwelle und für die
Uebertragung der Bewegung von der Kurbelwelle zu den Steuerwellen zwei
ZwischenwellenTechnische Rundschau
Nr. 47, November 1912, S. 620, Abb. 20–22 und Cassiers Magazine, März 1913, S. 215, Abb. 18..
Die Konstruktionen der liegenden doppeltwirkenden Viertakt-Dieselmotoren, bei denen
die Ventile teilweise liegend und stehend in der
Zylinderwandung angeordnet sind und der Zylinder, obwohl die Zylinderwand
mit dem Kühlwassermantel aus einem Stück besteht, sich als betriebssicher erwiesen
hat, weisen einen Weg, einfachere und betriebssichere Zylinderdeckel für
doppeltwirkende Zweitaktmotoren zu erhalten.Z. d.
V. d. I. Nr. 32, August 1911, S. 1329, Abb. 29–30.Es sei gleich
hier bemerkt, daß bereits mehrfach die Zylinder stehender und liegender
einfachwirkender Zweitaktmotoren ebenfalls als ein
Gußstück ausgeführt worden sind.Cassiers Magazine, März 1913, S. 216, Abb. 21 und
Z. d. V. d. I. Nr. 32, August 1911, S. 1327, Abb. 21.Bei der
Anordnung der Ventile in der Zylinderwand ist es aber
erforderlich, daß eine möglichst gleichmäßige Materialverteilung in der
Querschnittsebene des Zylinders und allseitige Kühlung der Wandungen erzielt wird,
und daß Durchdringungen benachbarter Ventilstutzen vermieden werden. Versuche, die
in neuerer Zeit an stehenden Motoren mit in der Zylinderwandung angeordneten
Ventilen gemacht wurden, haben ergeben, daß derartige Zylinder wohl als
betriebssicher bezeichnet werden können. Bei den erwähnten Versuchen in dieser
Richtung war man sogar noch einen Schritt weiter gegangen, indem man nicht allein
die Spülventile, sondern auch die Brennstoffventile und das Anlaßventil in der
Zylinderwand teilweise sogar tangential anordnete, was allerdings die Zylinderform
schon wesentlich komplizierter gestaltet und auch die Materialverteilung ungünstiger
beeinflußt.Cassiers Magazine, März 1913, S 214, Abb. 15.Ordnet man
dagegen nur die Spülventile gleichmäßig verteilt radial in der Zylinderwand an, so
entsteht außer der vollständig gleichmäßigen Materialverteilung noch der Vorteil,
daß der zur Verfügung stehende große Raum (der ganze Umfang des Zylinders) die
Unterbringung einer größeren Anzahl Spülventile gestattet, deren Durchmesser man im
Interesse einer geringen Ventilmasse und kleinen Oeffnung in der Zylinderwand
möglichst klein wählen kann.
Die Anordnung der Spülventile in der Zylinderwand würden beim stehenden Motor
liegende Ventile erfordern, was aber keine bemerkenswerten Mängel ergibt, wie die
ausgeführten Konstruktionen vieler Motoren bewiesen haben, wo nicht allein die
Brennstoff- und Anlaßventile, sondern auch die Einlaß- und Anlaßventile liegend
angeordnet sind.Z. d. V. d. I. Nr.
32, August 1911, S. 1335, Abb. 58–59.Bei den doppeltwirkenden
Zweitaktmotoren, insbesondere bei dem stehenden Mehrzylindermotor (Reihenmotor),
sind aber bei einer derartigen Anordnung der Ventile für die Betätigung der
Ventile die üblichen Ventilsteuerungen nicht zu gebrauchen, will man nicht zu der
bereits erwähnten komplizierten Ventilsteuerung gelangen. Auch für direkt
umsteuerbare Motoren und für Schnelläufer ist es erforderlich, möglichst wenig
Steuerungsteile zu benötigen, und es ist danach zu streben, beim doppeltwirkenden
Mehrzylindermotor mit einer Steuerwelle für beide
Zylinderseiten auszukommen.
Die Schwierigkeit in der Wahl der Steuerungen für diese Motorbauart hat dazu geführt,
die früher schon mehrfach versuchte Steuerung der Ventile mittels eines besonderen
Kraftmittels (Druckluft, Oel usw.) wieder aufleben zu lassen. Sollte sich aber ein
einfacher, direkter, mechanischer Steuermechanismus für die Betätigung der Ventile
doppeltwirkender Zweitaktmotoren ermöglichen lassen, so wäre dieses im Interesse der
Betriebssicherheit wohl als eine gute Lösung zu bezeichnen.
Der Bau doppeltwirkender Motoren brachte es auch mit sich, daß die übliche, zentrisch
im Verbrennungsräume angeordnete Brennstoffeinführung ersetzt werden mußte. Man fand
den Ausweg, daß der durch die Kolbenstange entstehende, kreisringartige
Verbrennungsraum mit zwei Brennstoffventilen versehen
wurde. Um nun den Brennstoff möglichst in den Kern der verdichteten Luft einspritzen
zu können, teilte man den einen großen Verbrennungsraum in zwei kleinere
Verbrennungsräume, die in Aussparungen des Zylinderdeckels so untergebracht wurden,
daß je eines der Brennstoffventile am Umfange des Zylinders bzw. unteren Deckels in
den betreffenden Verbrennungsraum mündete. Auch setzte man die Brennstoffventile
annähernd tangential in die Zylinderwandung, ähnlich, wie sie bei Ausführungen der
Doppelkolben (gegenläufige Kolben) -Motoren angewandt sindZ. d. V. d. I. Nr. 32, August 1911, S. 1328–29,
Abb. 30 und Cassiers Magazine, März 1913, S. 215,
Abb. 18 und S. 214, Abb. 15.. Im übrigen zeigen letztere
Anordnungen, daß eine Unterteilung oder Teilung des Verbrennungsraumes nicht
unbedingt erforderlich ist.
Die Anordnung zweier Brennstoffventile vergrößert aber die Kompliziertheit der
Ventilsteuerung doppeltwirkender Motoren nicht unwesentlich und die Verteilung einer
an sich schon geringen Brennstoffmenge (besonders bei mittlerer Zylindergröße) auf
zwei Ventile bringt mit sich, daß eine größere Menge Einblaseluft eingeführt wird,
wie bei einem Ventil zur Zerstäubung einer bestimmten
Brennstoffmenge erforderlich ist. Hierdurch und durch die Unterteilung (Zerklüftung)
des Verbrennungsraumes wird bekanntlich die Zündung ungünstig beeinflußt, was
besonders bei Fahrzeugmotoren ins Gewicht fällt. Die Schwierigkeiten, den Brennstoff
in geeigneter Weise vom Zylinderumfange aus in den Verbrennungsraum einzuführen,
veranlaßte wohl auch, besondere Zündvorrichtungen vorzusehen. Bei den erwähnten
stehenden, doppeltwirkenden Zweitaktmotoren suchte man die Schwierigkeiten dadurch
zu verringern, daß man für den oberen Zylinderteil den bei einfachwirkenden Motoren
erprobten,
zylindrischen Verbrennungsraum und die bewährte zentrische Brennstoffeinführung
beibehielt. Bestände die Möglichkeit, mittels eines
Ventils eine der zentrischen gleiche Brennstoffeinführung zu erzielen und die
zylindrische Form des Verbrennungsraumes beizubehalten, so wäre ein weiterer
Uebelstand im Bau doppeltwirkender Dieselmotoren beseitigt.
Eine bemerkenswerte Aenderung erfuhr durch den Bau doppeltwirkender Motoren die
Kühlung der Maschinenteile, da außer Zylinderwand und Zylinderdeckel noch der Kolben
und die Kolbenstange gekühlt werden müssen. Bei den liegenden Motoren, insbesondere
bei den Großmotoren, ist nun die Kühlung der beweglichen Maschinenteile
(Kolbenstange, Kolben) leichter durchzuführen, wie bei den stehenden Motoren, da man
zur Zu- und Abführung des Kühlwassers den vorderen und hinteren und bei der
Tandemanordnung sogar noch den mittleren Kreuzkopf benutzen kann. Bei der üblichen
Kühlvorrichtung stehender, doppeltwirkender Motoren hat derselbe Teil der
Kolbenstange die Kanäle für die Kühlwasser-Zu- und Abführung aufzunehmen. Da
nun die Kolbenstange noch eine genügende Widerstandsfähigkeit gegen den bei
Dieselmotor hohen Verbrennungsdruck aufweisen muß, so wird ihr Durchmesser ein ganz
beträchtlicher, was das untere Hubvolumen des Zylinders, besonders bei Motoren
mittlerer Größe, nicht unwesentlich verringert und große Stopfbüchsen erfordert.
Ferner sind bei dieser Vorrichtung die für die Kühlwasserzuführung erforderlichen
Posaunenrohre oder Gelenke vermöge ihrer vielen beweglichen Teile und schwierigen
Anordnung sehr umständlicher Art.
Die sonstigen Vorrichtungen und Maschinenteile doppeltwirkender Zweitaktmotoren, wie
die Schmiervorrichtung und die Stopfbüchse, unterscheiden sich nicht wesentlich von
den gleichen Teilen der doppeltwirkenden Viertakt-Dieselmotoren, so daß sie ohne
Bedenken auf die Zweitaktmotoren übertragen werden können, zumal sie sich bereits
seit längerer Zeit bewährt haben.
(Fortsetzung folgt.)