Titel: | Die 5. Internationale Luftfahrzeug-Ausstellung in Paris. |
Autor: | Paul Béjeuhr |
Fundstelle: | Band 329, Jahrgang 1914, S. 181 |
Download: | XML |
Die 5. Internationale Luftfahrzeug-Ausstellung in
Paris.
Von Paul Béjeuhr in
Berlin.
BEJEUHR: Die 5. Internationale Luftfahrzeug-Ausstellung in
Paris.
In gewohnter prächtiger Aufmachung hat im vergangenen Dezember die
Luftfahrzeug-Ausstellung in Paris allen Interessenten einmal wieder einen Einblick
in den gegenwärtigen Stand französischer Flugtechnik gegeben. Es handelte sich in
der Tat eigentlich nur um die französische Industrie, denn das Ausland war lediglich
durch die Bristol-Werke und die Franco-British-Aviation Co. vertreten, von welchen die letztere Firma
nichts anderes als eine Gründung für den französischen Donnet-Lèvêque-Apparat bedeutet. Gibt die Ausstellung nun wirklich einen
Einblick in den gegenwärtigen Stand der Technik? Ich glaube nicht. Bei einer ganzen
Reihe Maschinen hatte man entschieden den Eindruck, daß es sich um Ausstellungsfabrikate handelte, die doch wohl etwas
anders aussahen, als die Maschinen, die wir auf den Flugplätzen zu sehen gewohnt
sind. Während noch im Vorjahre 78 Flugzeuge ausgestellt wurden, waren diesmal nur 40
Flugzeuge von 19 Firmen vertreten, die allerdings in außerordentlich übersichtlicher
Weise ein schnelles Studium der Einzelteile ermöglichten. Die Anordnung der
Ausstellung kann in jeder Weise als mustergültig bezeichnet werden, wie überhaupt
wir Deutsche von der Ausstattung derartiger technischer Ausstellungen sehr viel
lernen können.
Was dem Salon seinen Stempel aufdrückte, war, daß eigentlich keine großen
sinnfälligen Neuerungen vertreten waren, sondern lediglich Konstruktionen von
Einzelteilen, was uns immer mehr zu der Auffassung berechtigt, daß wir uns der
Einbürgerung von Standardtypen gewaltig nähern. Auf die Gleitboote bin ich an
anderer Stelle zurückgekommen; es seien daher hier nur kurz die prägnantesten
Neuerungen der Flugzeuge und Luftschiffe erwähnt:
Die Luftschiffe sind nur durch die üondel des Astra-Torres-Schiffes und durch einige Modelle von Clément-Bayard sowie Zeichnungen von Spiess vertreten. Die Astra-Torres-Gondel (Abb. 1) ist in
Stahlrohrkonstruktion durchgeführt, die Gondelwand aus Holzfurnier, das mit Blech
beschlagen ist. Die Wandung ist so hoch geführt, daß die Insassen vollständig
geschützt untergebracht sind. Der Antrieb geschieht durch zwei ziemlich nach außen
verlegte und in starken Stahlrohrböcken gelagerte, zweiflügelige Schrauben. An den
Schraubenböcken sind gleichzeitig zwei schmale Kühler für die Motoren angeordnet, um
so möglichst wenig zusätzlichen Luftwiderstand zu geben. Das Luftschiff soll 23000
m3 Gasfassung erhalten und durch vier Chenu-Motoren von je 250 PS, also zusammen 1000 PS,
angetrieben werden. Es sollen damit ungefähr 90 km/std. Geschwindigkeit erreicht
werden. Das Spiess-Schiff war schon nach seinem letzten
Umbau photographiert, so daß man die Einzelteile ganz gut erkennen konnte. Das
Traggerüst ist aus Holzträgern hergestellt, die aus viereckigen Streben bestehen,
die wiederum aus leichten Holzbrettern stumpf zusammengefügt sind und mit doppelten
Leinewandstreifen umwickelt werden. Die Stärke der kleinen Bretter schwankt zwischen
6 und 12 mm; trotzdem sollen 8 m lange Träger, die nur 19 kg wiegen, mit 7 t
Belastung geprüft sein. Das Schiff ist um drei Bahnen verlängert; es besteht jetzt
aus 17 einzelnen Zellen und faßt 16400 m3 Gas. Der
Antrieb geschieht in jeder Gondel durch einen 175 PS-Motor, der zwei zweiflügelige
Luftschrauben von 4 m ⌀ antreibt.
Die französische Militärbehörde, die im vorigen Jahre auf
20 Ständen 25 Flugzeuge ausgestellt hatte, war diesmal nur mit fünf kleinen
Abteilungen vertreten. In der ersten Abteilung für wissenschaftliche
Versuchsapparate war u.a. der Luftschrauben-Versuchswagen, der seit dem Jahre 1908
im Aeronautischen Laboratorium in Chalais verwendet wird, ausgestellt. Die Aerologie
war durch ein Spezialauto vertreten, das einen 20 m langen Teleskopmast mit
selbstschreibender Windfahne und Anemometer enthält. Weiter wurde ein Drachenwagen
mit einem Drachenzug vorgeführt, der einen Beobachterkorb trägt. Endlich folgten
noch besondere Mannschaftautos, Werkstattautos usw., die für den Zeltbau wie
für die schnelle Montierung von Flugzeugen und dergleichen mit allem Wesentlichen
ausgerüstet sind.
Unter den Motoren nimmt das Hauptinteresse der neue
Einventilmotor Gnôme ein, der in der Tat dazu berufen
scheint, gewisse Umwälzungen auf dem Gebiete des Motorenbaues herbeizuführen. Den
anerkannt großen Vorzügen der Umlaufmotoren (kurze Baulänge, guter Massenausgleich,
leichtes Einheitsgewicht) stand bisher als Hauptnachteil der außerordentlich hohe
Benzin- und Oelverbrauch entgegen; dem soll die neue Ausführung der bekannten Firma
abhelfen. Wie schon der Name sagt, wird der Motor lediglich durch ein, und zwar das
Auspuffventil gesteuert. Das Einlaßventil ist ganz fortgefallen, und zwar gibt der
Kolben selbst die Schlitze der Gaszuführungskanäle frei. Der Motor soll auch mit
sehr geringem Oelverbrauch arbeiten, da das Innere des Kurbelgehäuses von dem
Zylinderinnern vollständig getrennt ist und daher kein Oel aus jenem in dieses
eintreten kann.
Textabbildung Bd. 329, S. 181
Abb. 1. Gondel des Astra-Torres-Luftschiffes.
Die weitere Neuerung bei dieser Ausführung besteht in der Regulierbarkeit der
Tourenzahl, die von angeblich 400 bis 1400 Umdrehungen in der Minute ziemlich exakt
durchgeführt werden soll, und zwar durch ein auf der Mittelachse des Motors
sitzendes Handrad, das entsprechende Einstellungen der Schlitzöffnungen
vornimmt.
Eine weitere bemerkenswerte Konstruktion war der 7-zylindrige Dhenain-Umlaufmotor, bei welchem Zylinder- und Kurbelgehäuse aus einem
Stück gegossen waren und auch die Gaseinlaßkanäle im Gußstück mit enthalten sind.
Das setzt natürlich einen außerordentlich exakten Guß und tadellose
Gießereieinrichtungen voraus, wobei der Motor natürlich viel billiger wird, als der
mit aus einem Block herausgedrehten Zylindern. Es erscheint jedoch fraglich, ob die
gegossenen Zylinder den auftretenden Beanspruchungen gewachsen sind.
Textabbildung Bd. 329, S. 182
Abb. 2.
Als weitere Motoren sind noch zu nennen der Edelweiß-Motor, bei welchem die mit Kühlrippen versehenen Zylinder mit den
Pleuelstangen verbunden sind und umlaufen, während die Kolben in einem großen Ring
feststehen. Wassergekühlte Motoren waren von Clément-Bayard und Lawrance-Moulton
ausgestellt, von denen der letztere deswegen bemerkenswert war, daß der Kühler
zwischen Propeller und Motor angeordnet und aus Spiralrohren gebildet wurde. Es soll
auf diese Weise eine wesentlich bessere Ausnutzung des Wasserinhalts möglich
geworden sein. Weiter ist der Fuß des Kurbelgehäuses aus vielen kleinen Röhrchen
gebildet, in welchem das Oel aufbewahrt wird, das hierdurch ebenfalls eine intensive
Kühlung erfährt.
Die Flugzeuge zeigen im wesentlichen die Bauart, die wir
schon im vorigen Jahre kennen gelernt haben. Die Gitterkonstruktion zwischen Haupt-
und Schwanztragflächen verschwindet auch bei Doppeldeckern immer mehr zu Gunsten des
geschlossenen Flugzeugrumpfes. Als besonders bemerkenswert muß hervorgehoben werden,
daß kein Flugzeug mehr mit einem vorderen Höhensteuer
ausgerüstet ist, so daß jetzt in dieser Beziehung wirklich Einheitlichkeit herrscht.
Die Quersteuerung wird bei 25 der 40 Flugzeugtypen durch Verwindung, beim Rest durch
Klappensteuerung betätigt. Interessant ist die Quersteuerung des de Beerschen Apparates (Abb.
2 und 3), die dadurch hervorgerufen
wird, daß der Einfallwinkel der beiden Tragflügel gegeneinander verändert wird.
Zu diesem Zweck stehen die inneren Enden der hinteren Tragflächen unter
Zwischenschaltung von Gelenkstangen mit dem hinteren Hebelarm zweier Doppelhebel in
Verbindung, während der vordere Arm derselben Hebel mit einer Gelenkstange an je
einem Eckpunkt einer trapezförmigen Traverse angreift, die an den unteren Teil des
allseitig drehbaren Steuerhebels zwangläufig angelenkt ist. Auf diese Weise kann
durch seitliches Neigen des Steuerhebels der eine Doppelhebel heruntergedrückt, der
andere gehoben werden, woraus der verschieden große Einfallwinkel der beiden
Tragflügel resultiert. Sollen dagegen beide Seiten gleichmäßig gehoben oder gesenkt
werden, so geschieht dies durch einen Kurbeltrieb in der Steuersäule, der mittels
einer Traverse, die auf einer Schnecke auf- und niedergleitet, beide Hebel
verstellt. Die Vorrichtung ist recht ingeniös ausgedacht und soll sich auch bei
einigen Probeflügen durchaus bewährt haben.
Textabbildung Bd. 329, S. 182
Abb. 3.
Auch bei dieser Ausstellung finden wir wieder in einem Eindecker-Flugzeug einen
Vertreter des achtern angeordneten Druckpropellers, jedoch ist die Ausführung
wesentlich geschickter als in den Vorjahren. Bei dem Borel-Flugzeug ist nach dem Beispiel von Paulhan-Tatin und d'Artois die Luftschraube am
hinteren Teil des besonders konstruierten Schwanzes angeordnet. Der Motor sitzt
nicht am Kopf, sondern mitten im Rumpf und zwar zwischen den Sitzen des Fliegers und
des Passagiers. Es ist ein 50 PS-Gnôme-Motor vorgesehen,
der mittels einer nur 8 kg schweren Stahlrohrwelle mit Kardangelenken den Propeller
antreibt. Der Beobachter sitzt an der vorderen Spitze des Rumpfes, genießt also
völlig freien Ausblick und hat ein ungehindertes Schußfeld für die vor ihm
aufgebaute Maschinenpistole. Das Flugzeug soll bei 15 m2 Tragfläche (10 m Spannweite, 7 m Länge) 250 kg Gewicht und 200 kg
Eigenlast eine Stundengeschwindigkeit von 150 km erreichen. Das erscheint mir
einigermaßen ausgeschlossen. Der Propeller hat zwar wegen des ungehinderten
Luftabstromes einen
ausgezeichneten Wirkungsgrad, aber die Steuerung eines von hinten geschobenen
Flugzeuges ist erfahrungsgemäß eine wesentlich schwierigere und infolgedessen auch
größere Kraft erfordernde als jene eines Flugapparates, der gewissermaßen durch
seine vorn gelagerte Saugschraube durch die Luft gezogen wird.
Leider liegen über den Unterschied zweier Flugzeuge mit nach obigen Grundsätzen
verschieden gebauten Maschinenanlagen so gut wie gar keine Erfahrungsmaterialien
vor. Es wäre sehr zu wünschen, daß grundsätzlich einmal Feststellungen daraus
vorgenommen würden, damit die alte Streitfrage „wohin gehört der Propeller beim
Flugzeug“ einmal geklärt würde.
Die Anordnung des Motors beim Borel-Eindecker muß als
recht geschickt bezeichnet werden. Die nötige Kühlluft wird ihm durch in der Seite
des Rumpfes angebrachte Schlitze zu- und abgeführt, so daß weder der Beobachter noch
der Führer durch den zur Kühlung nötigen Luftzug des Motors behelligt wird.
Interessant ist, wie sehr man jetzt bedacht ist, den Fliegern gute
Ausblickmöglichkeit zu geben. So sind beim Moräne-Eindecker die Tragflügel (ähnlich
wie bei Dorner) etwas über dem Rumpf angeordnet, so daß der Flieger unter den
Flächen hindurch sehen kann. Den Uebergang zum Eindecker zeigt die letzte Farman-Konstruktion mit dem sogenannten Anderthalbdecker.
Die Konstruktion gibt den Fliegern ausgezeichnete Aussichtmöglichkeit; das untere
Tragdeck, das etwa in Höhe des Fahrgestells angebracht ist, wird jedoch so leicht
Beschädigungen ausgesetzt sein, (man denke nur an die Landung in hohem Grasbestand
und dergleichen) daß man von derartigen Konstruktionen wohl bald wieder abkommen
wird.
Die Flügelkonstruktion hat sich im allgemeinen gegen das Vorjahr nicht verändert,
jedoch macht sich auch hier eine bestimmte Richtung bemerkbar, die wohl viel
Aussicht auf Erfolg hat, nämlich die Verstellbarkeit der Flügel vom Führersitz aus,
d.h. die Möglichkeit, den Einstellwinkel des Tragflügels während des Fluges so zu
verändern, daß entweder die normale Reisegeschwindigkeit, oder ein schnelles Fliegen
oder ein leichtes Landen ermöglicht wird. Zwei Konstruktionen waren hier besonders
gut durchgeführt, die erste von de Beer ermöglicht,
wie in den Abbildungen angegeben, entweder lediglich die Verstellung der Tragflügel
oder die gleichzeitige Mitbenutzung des Höhensteuers. Mit der zweiten Ausführung von
Paul Schmitt (verstellbarer Doppeldecker) ist jetzt
von Garaix der Höhenrekord mit sechs Fluggästen gebrochen
worden.
Zum Schluß möge noch der Moreau-Eindecker mit seiner
Einrichtung zur selbsttätigen Längsstabilität erwähnt werden. Der Eindecker war mit
durchsichtigen Emaillitplatten bespannt, so daß man die Einrichtung von allen Seiten
genau betrachten konnte. Sie besteht darin, daß die Gondel mit den Führersitzen um
eine wagerechte, quer zur Flugrichtung liegende Achse in der Flugrichtung frei
pendeln kann, so daß sie bei allen plötzlichen Neigungen, die infolge Böen usw.
hervorgerufen werden, das direkt mit ihr verbundene Höhensteuer zum Ausschlag bringt
und dadurch den Apparat wieder aufrichtet. Damit nun bei Motorstörungen und
dergleichen nicht unrichtige Bewegungen durch die pendelnde Gondel eingeleitet
werden, ist eine besondere Verblockungseinrichtung geschaffen, derart, daß auf einem
dreiarmigen Winkelhebel ein schweres Gewicht und eine Fühlfläche angebracht ist, die
bei derartigen Fällen durch einen Sperrriegel die Gondel verblocken, d.h. ihr die
Beweglichkeit relativ zum Flugapparat nehmen. Die Einrichtung soll sich durchaus
bewährt haben. Moreau hat auch den ausgeschriebenen
Sicherheitspreis von Bonnet erhalten, es muß jedoch
beachtet werden, daß auf die Stabilität in der Flugrichtung heutzutage kein allzu
großer Wert mehr gelegt wird, weil sie vom Flieger mit geringer Schwierigkeit selbst
aufrecht erhalten werden kann. Einen wesentlich größeren Wert würde die Einrichtung
haben, wenn sie zur selbsttätigen Querstabilität dienen würde.
Wie schon aus diesen wenigen Zeilen hervorgeht, hat der Salon wesentlich sein Gesicht
verändert; statt vieler besonders sensationeller Apparate sind eine Reihe
Konstruktionsänderungen ausgestellt, im übrigen jedoch nur gut durchgearbeitete,
bewährte Konstruktionen. Der Fachmann wird diese Aenderung des Salons nur als
Fortschritt bezeichnen können.