Titel: | Der selbsttätige Wright-Stabilisator für Flugzeuge. |
Autor: | Paul Béjeuhr |
Fundstelle: | Band 329, Jahrgang 1914, S. 214 |
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Der selbsttätige Wright-Stabilisator für
Flugzeuge.
Von Paul Béjeuhr in
Berlin.
BEJEUHR: Der selbsttätige Wright-Stabilisator für
Flugzeuge.
Wenn auch im allgemeinen den amerikanischen Pressemeldungen mit einer gewissen
Skepsis gegenübergetreten werden muß, so scheint doch die neueste Wright-Erfindung
gewisse Befähigungsnachweise erbracht zu haben, so daß sie jetzt von der Nieuport-Gesellschaft als Nachfolgerin der Astra-Compagnie in Paris für das französische
Absatzgebiet erworben ist. (Gerüchte, nach welchen Blèriot die Lizenz erworben haben soll, haben sich nicht
bewahrheitet.)
Textabbildung Bd. 329, S. 214
Allerdings ist die Erfindung als solche nicht neu; sie besteht aus zwei getrennt
voneinander arbeitenden Einrichtungen: Dem Quer- und dem
Längs-Stabilisator.
Die Einrichtung zur Erhaltung der Querstabilität beruht im
Prinzip auf der Wirkungsweise eines Stabilisierungspendels. Das Pendel A, das zwischen den Anschlägen H quer zur Flugrichtung frei ausschlagen kann, steht mit dem Dreiwegehahn
B in Verbindung und läßt bei seinen Schwingungen je
nach der Stellung Druckluft aus einem Druckluftbehälter C nach dem Servomotor D strömen. Der
Servomotor arbeitet unter Zwischenschaltung einer kleinen Trommel J mit seinem Kolben E
unter Vermittlung der Drahtseile G auf die Verwindung
und das Seitensteuer. Durch die Anschläge H, welche
die Ausschläge des Pendels begrenzen, werden regellose Schwingungen vermieden,
die sich sonst gegebenenfalls störend bemerkbar machen könnten.
Als Längsstabilisator ist eine Fühlfläche 5 vorgesehen, die mittels eines Rahmens vor den
Tragflächen etwa in halber Höhe derselben eine Vertikalbewegung ausführen kann, bei
welcher sie sich selbst parallel bleibt. Aber hier treibt wieder ein Servomotor I von gleicher Konstruktion wie der oben unter D erwähnte, je nach der Richtung der zugeleiteten
Druckluft unter Vermittlung eines Anschlußgestänges 2
eine Windentrommel 3, die ihrerseits direkt mittels
Schnurzug das Höhensteuer einstellt. Die Steuerung der Luft geschieht dadurch, daß
die Fühlfläche, deren Einfallwinkel zur Luft ein anderer ist als der der Tragfläche,
eine Vertikalbewegung ausführt, je nachdem sie einen Ueberdruck von oben oder unten
erfährt. Durch das Parallelgestänge 6 werden diese
Bewegungen durch die Stange 7 auf den Dreiwegehahn 4 übertragen, der dann wiederum die verschiedenen
Druckleitungen zum Servomotor freigibt. Auch hier sind wiederum Anschläge 9 vorgesehen, um zu große Ausschläge der Fühlfläche zu
verhindern. Das Parallelgestänge und das Gewicht der Fühlfläche ist durch ein
Gegengewicht 8 ausgeglichen, so daß auch die feinsten
Ueber- und Unterdrucke sich bei der Platte bemerkbar machen. Unter Berücksichtigung
dessen, daß mit einer bestimmten Tragfläche nur dann verschieden große Lasten in die
Luft gehoben werden können (bei gleichbleibender Motorstärke), wenn der Tragfläche
ein verschieden großer Einfallwinkel gegen den Windstrom gegeben wird, weil leichte
Lasten einen kleinen Einfallwinkel, schwere Lasten einen größeren erfordern, wobei
allerdings ein Apparat bei gleicher Motorleistung mit dem kleineren Einfallwinkel
und der leichteren Last entsprechend schneller fliegt, ist für die Verwendung des
selbsttätigen Wright-Stabilisators folgendes vorgesehen:
Um verschieden große Belastungen tragen zu können, muß die Möglichkeit vorhanden
sein, den Einfallwinkel der Tragflächen zu ändern; weiter muß aber auch die Fühlfläche einen andern
Einfallwinkel haben als die Tragfläche, also muß der Winkel der Fühlfläche gegen den
der Tragfläche eingestellt werden können. Dies geschieht dadurch, daß das ganze
Rahmengestänge der Fühlfläche 5 an einer Achse quer zur
Flugrichtung aufgehangen ist, so daß es um den oberen Drehpunkt willkürlich mittels
des Hebels 11 eingestellt werden kann. Den einmal
eingestellten Winkel hält das Rahmengestänge durch Reibung des Hebels 11 an einer Leiste von selbst aufrecht.
Wie wirken nun beide Einrichtungen, besonders die zur Erhaltung der Querstabilität?
Auf das im Luftfahrzeuge eingehängte Pendel wirken außer der Schwerkraft nur die
Luftkräfte, d.h. das Pendel wird sich, solange keine Beschleunigungen und
Verzögerungen auftreten, entgegengesetzt der Richtung des Gesamtwiderstandes
einstellen. Das ist schon von Prof. Prandtl vor einigen
Jahren ausführlich bewiesen, so daß es hier nur kurz angeführt zu werden braucht.
Pendel sind daher eigentlich in ihrer Wirkung nichts anderes als Windfahnen, so daß
es in vielen Fällen sehr viel zweckmäßiger ist, lieber eine Windfahne für die
gleichen Ziele zu verwenden, weil sie ungleich empfindlicher gebaut werden kann. Nun
wirkt bei dem flächenförmigen Gebilde der Flugzeuge der Gesamtwiderstand annähernd
senkrecht von unten gegen die Tragflächen, d.h., das Pendel wird eine Lage senkrecht
zu den Tragflächen einnehmen. Wird nun der Apparat durch eine Böe oder dergleichen
seitlich geneigt, so behält die Widerstandskraft ihre ursprüngliche Richtung solange
bei, bis das Flugzeug seitlich abrutscht; bis also dieser Moment eintritt, ändert
auch das Pendel seine ursprüngliche Lage nicht, tut daher garnichts, um den Apparat
wieder aufzurichten. Ist das Abrutschen einmal eingeleitet, so stellt sich das
Pendel wieder, wie wir eben gesehen haben, der Widerstandsrichtung entgegen, d.h. es
schlägt, wenn der Apparat, in Flugrichtung gesehen, mit dem linken Flügel links
seitlich abrutscht, nach rechts seitlich aus. Ob die jetzt einsetzende Betätigung
von Verwindung und Seitensteuer noch rechtzeitig genug erfolgt, um den Apparat aus
seiner gefährlichen Lage zu befreien, das müssen Versuche ergeben. Die Vermutung
liegt jedoch nahe, daß das Pendel anstatt aufrichtend zu wirken, bei Böen das
Gefahrmoment des abrutschenden Apparates noch erhöht.
Nun sind zwar bei der jetzt von Orville Wright verwandten
Ausführung des beschriebenen Stabilisators bedeutende Abweichungen von der
patentierten Anordnung getroffen; so sollen z.B. die dem Pendelsystem
anhängenden Fehler durch eine Korrekturvorrichtung zum Teil aufgehoben sein, deren
Prinzipien völlig neu sind. Auch sind unter Verwendung elektrischer Kontakte eine
Reihe Zwischenstufen beim Querstabilisator geschaffen, so daß bei geringfügigen
Schwankungen auch nur entsprechend schwächere Ausschläge der Steuerung erfolgen als
bei starkem Zurseitelegen des Apparates. Eine Reihe Aenderungen waren ja auch schon
daher nötig, weil das moderne Wright-Flugzeug ebenfalls
mit einem hinten liegenden Höhensteuer ausgerüstet ist.
Auch die Einrichtung zur Erhaltung der Längsstabilität wird wohl im allgemeinen gut
arbeiten, denn sie beruht ja nur auf dem Prinzip, den Einfallswinkel der Tragflächen
selbsttätig zwischen zwei Grenzen zu halten, die für den sicheren Flug als notwendig
erachtet werden. Diese Stabilisatoren sollen sowohl unerwünschte Neigungsänderungen
der Flugzeugachse korrigieren als auch die gleiche Korrektur eintreten lassen, wenn
das Flugzeug nur seine Relativgeschwindigkeit gegen die Luft plötzlich ändert, sei
es durch Auftreten von Böen, sei es durch Aussetzen des Motors. Für diesen Fall
helfen nur Apparate, die auf Aenderung der Geschwindigkeit und der Beschleunigung gleichzeitig reagieren. Am besten hat sich hier
immer noch der französische Stabilisator von Doutre
erwiesen, der, wenn auch in etwas primitiver Form, doch befriedigend im Flugzeug
gearbeitet hat, und dessen Prinzip darauf beruht, daß eine Widerstandsplatte, durch
Federn in einer bestimmten Gleichgewichtslage gehalten wird. Aendert sich der
Luftdruck infolge Aenderung der Geschwindigkeit, so wird ähnlich wie bei Wright ein Servomotor mit Druckluft betätigt. Für
besondere Fälle relativer Beschleunigung, plötzliche kurze Windstöße usw., die eine
falsche Wirkung des Anemometers zur Folge haben, wird dieses ausgeschaltet, und es
tritt ein Beschleunigungsmesser in Tätigkeit, der aus zwei senkrecht beweglichen,
ebenfalls durch Federn im Gleichgewicht erhaltenen Massen besteht, die dann durch
ihre Bewegung wieder ein pneumatisches Relais einschalten, um die Steuerorgane in
Funktion zu setzen.
Nach alledem wird der Wrightsche Stabilisator daher wohl
mehr als ein Apparat aufzufassen sein, der den Flieger beim steten Fluge in
verhältnismäßig ruhiger Luft in seiner Tätigkeit entlastet. Wenn dagegen turbulente
Luftströmungen auftreten, so muß der Flieger unbedingt die Steuer selbst in die Hand
nehmen und die selbsttätigen Einrichtungen ausschalten.