Titel: | Der Kabelkran bei dem Neubau der Camsdorfer Brücke. |
Autor: | Hans Schäfer |
Fundstelle: | Band 329, Jahrgang 1914, S. 248 |
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Der Kabelkran bei dem Neubau der Camsdorfer
Brücke.
Von Oberingenieur Hans Schäfer,
Darmstadt.
SCHAEFER: Der Kabelkran bei dem Neubau der Camsdorfer
Brücke
Verkehrsrücksichten mußte die alte steinerne Camsdorfer Brücke, das siebente
Weltwunder der Jenaer Studenten, weichen. Eine 16 m breite moderne Brücke aus
Stampfbeton mit Dreigelenkbogen von 2 mal 30 m und i mal 33 m Spannweite nimmt den
Platz der alten Brücke ein. Die Ansicht der Brücke wurde mit Muschelkalk verkleidet
und nach dem Entwurf des Architekten Professor Theodor
Fischer in München ausgeführt.
Bei der gleichzeitig erfolgten Regulierung der Saale mit Uferbefestigung durch eine
10 m hohen Kaimauer mußte auch das alte „Geleitshaus“, ein historischer Bau,
fallen. Glücklicherweise blieb jedoch die „grüne Tanne“ erhalten, die Wiege
der deutschen Burschenschaft und damit ein in der allgemeinen deutschen
Studentengeschichte bedeutsamer Ort, in deren Räumen am 12. Juni 1815 die aus den
Freiheitskriegen heimgekehrten Jenaer Studenten unter Führung von alten Lützowern
die „Jenaische Burschenschaft“ gründeten (Abb.
2 rechts).
Die Ausführung der neuen Brücke oblag der Firma Rudolf
Wolle in Leipzig. Der Abbruch der alten Brücke (ungefähr 9000 m3 Steinquader und Füllmaterial) begann im Juli
1912.
Die Saale zeigt außerordentlich stark wechselnde Wasserstände. Bei hereinbrechenden
Wassermassen sind auch die stärksten Gerüste schwer gefährdet, nur eine
unwirtschaftlich starke Konstruktion dieser Gerüste könnte hier Sicherheit schaffen.
Aus diesen Erwägungen heraus entrückte man die Förderung der Baustoffe allen diesen
Gefahren, indem man sich eines Kabelkranes bediente, der hoch in der Luft die
Lasten fördert und der auch die Möglichkeit bietet, an den Lehrgerüsten
gegebenenfalls erforderlich werdende Ausbesserungsarbeiten rasch und billig
auszuführen.
Zur Verwendung gelangte ein Baukabelkran der Firma Adolf
Bleichert & Co. in Leipzig-Gohlis. Bei der kurzen zur Verfügung
stehenden Arbeitszeit war es wesentlich, daß dieses Kransystem in den einzelnen
Stücken normalisiert ist und daher rasch geliefert werden kann. Zwischen den Türmen
des Krans und dem Flußufer wurden auf beiden Seiten Betonmischmaschinen aufgestellt;
demgemäß wurde dann die Spannweite des Kabelkrans auf 155 m festgelegt.
Die aus kräftiger Holzkonstruktion bestehenden Türme (Abb.
1 und 2) wurden nach den Zeichnungen der
Maschinenfabrik von dem Unternehmer selbst hergestellt. Als Laufbahn dienten
Eisenbahnschienen auf Betonlängsschwellen; die innere der Schienen wurde als
Druckschiene geneigt, die äußere senkrecht gestellt. Wegen der geringen Breite des
Bauwerks von 16 m genügten bewegliche Türme mit Handantrieb; von dem elektrischen
Fahrantriebe konnte hier abgesehen werden. Als mittlere Stundenleistung wurden 12
m3 festgesetzt, als Hubgeschwindigkeit bei der
Höchstlast etwa 30 m/Min., als Katzenfahrgeschwindigkeit 90 m/Min. Die Tragfähigkeit
betrug 2,0 t am Haken.
Zwischen den beiden Türmen ist, wie die Abbildungen zeigen, ein kräftiges Stahlkabel
als Drahtseil gespannt, auf dem die Katze läuft. Ein vorn und hinten an der Katze
befestigtes
Seil ohne Ende dient als Zugorgan. Auf einer Uferseite geht das Hubseil über eine
Windentrommel; es trägt eine Flasche mit Sicherheitshaken, an dem die Loren samt
Untergestell angehängt werden können. Zwischen den Türmen wurde ein besonderes
Knotenseil vorgesehen, das Reiter zur Hubseilunterstützung aussetzt, damit die
Flasche auch in unbelastetem, losem Zustande bequem abgesenkt werden kann. Der auf
der Camsdorf er Seite gelegene Turm trägt lediglich das Gegengewicht zur
Spannung des Drahtseiles und- zum Ausgleich des Kippmomentes (Abb. 2).
Textabbildung Bd. 329, S. 248
Abb. 1. Verwendung des Kabelkrans beim Bau der neuen Brücke. Errichtung der
Pfeiler. Links der stadtseitige Turm mit Antrieb und Steuerung
Textabbildung Bd. 329, S. 248
Abb. 2. Verwendung des Kabelkrans beim Bau der neuen Brücke. Erstellung der
Lehrgerüste, Förderung der Hölzer hierzu. Rechts der Turm auf der Camsdorfer
Seite
Der Antrieb befindet sich auf dem stadtseitigen Turm. Auf Abb. 1 ist auch die Steuerung ersichtlich, welche von
einer hoch gelegenen Plattform, von der aus man die ganze Baustelle überblicken
kann, bedient wird. Eine Indikatorvorrichtung erleichterte dem Führer die schnelle
Bedienung bei den Arbeitsvorgängen, Dem Führer wurde der Platz, an dem Material
benötigt wurde, zum ersten Male durch ein Flaggensignal angedeutet, wenn die Katze
an der betreffenden Stelle angekommen war. Die Stellung der Katze war nun am
Indikator zu ersehen und der Führer konnte die weitere Förderung des Materials zu
der gleichen Stelle rasch und sicher besorgen, wobei er lediglich auf die Stellung
des Indikators zu achten hatte.
Der Antrieb bestand in einer elektrisch betätigten Zweitrommelwinde. Die maschinellen
Teile des Kranes sind einfach und kräftig durchgebildet, um die Bruchgefahr zu
verringern und den Verschleiß zu vermindern. Die Rücksicht auf die Genauigkeit der
Verschiebungen des belasteten Kranhakens und auf die Erleichterung der Bedienung
veranlaßte besondere Sorgfalt bei der Ausbildung der Kupplungen und Bremsen. Durch
geringen Handdruck wird ein- und ausgeschaltet; die Arbeit ist rein mechanisch; so
kann der Kranführer während einer zehnstündigen Schicht allein den ganzen Dienst
versehen. Auch der Bauführer und seine Leute waren mit dem Fördermittel schon nach
wenigen Tagen eng vertraut.
Textabbildung Bd. 329, S. 249
Abb. 3. Verwendung des Kabelkrans beim Abbruch der alten Camsdorfer
Brücke
Die Abb. 3 zeigt die Verwendung des Krans bei dem
Abbruch der alten Brücke. Bemerkenswert sind die Beobachtungen über die bei den
Abbrucharbeiten zutage getretene Beschaffenheit des alten Mörtels. Dieser war
außerordentlich verschieden. Er war zum Teil steinhart, an anderen Stellen war er
wieder vollkommen verfault. Lediglich das sehr große Eigengewicht und die
Stichbogenkonstruktion dürften der alten Brücke die Widerstandsfähigkeit gegeben
haben, so lange zu halten.
Die Pfeiler der neuen Brücke wurden unter Benutzung von Spundwänden gebaut. Für
die dann aufgestellten Lehrgerüste wurden sämtliche Rüsthölzer von dem Kabelkran
befördert. Die Abb. 1 und 2 zeigen uns die Brücke zu verschiedenen Zeitpunkten des Baues. Zweimal
trat während des Baues Hochwasser ein und riß die Gerüste zum Teil weg; diese
konnten aber durch den Kran rasch und leicht wieder in Ordnung gebracht werden. So
konnte der geforderte Zeitpunkt der Fertigstellung eingehalten und im Herbst 1913
die Brücke dem Verkehr übergeben werden.
Der Kabelkran hat wesentliche Vorteile. Gegenüber den alten Laufkränen ist vor allem
zu beachten, daß diese schwere Transportgerüste benötigen. Gegenüber dem Derrick-Kran besteht der Vorteil, daß die ganze Baustelle
ungehindert durch seitliche Kranteile frei bestrichen und jeder Punkt einer ganz
beliebigen Baufläche ohne Umladung erreicht werden kann. Die Betriebsicherheit und
die geringen Betriebskosten sind weitere wesentliche Vorteile des Kabelkranes.
Bei größeren Bauwerken macht sich die Anschaffung eines solchen Kranes schon beim
ersten Bau durch Lohnersparnis bezahlt. Der Kran kann aber mit geringen Kosten für
Abbruch und Montage auch wieder bei anderen Bauten Verwendung finden, wie es z.B.
mit dem bei der Camsdorfer Brücke verwendeten Kran der Fall ist, der jetzt in
Leipzig für die Ausschachtungs-, Auffüllungs- und Betonierungsarbeiten für einen neu
anzulegenden Stadtteil auf den „Frankfurter Wiesen“ im Westen der Stadt
benutzt wird.