Titel: | Erfinderrecht und Volkswirtschaft. |
Autor: | G. W. Häberlein |
Fundstelle: | Band 329, Jahrgang 1914, S. 257 |
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Erfinderrecht und Volkswirtschaft.
Von Dr. phil., Dr. jur. G. W. Häberlein in
Berlin-Grunewald.
HAEBERLEIN: Erfinderrecht und Volkswirtschaft
Um die Mitte vorigen Jahres wurden die seit Jahren im Schoß der Reichsregierung
bearbeiteten Entwürfe für ein neues Patentgesetz und ein neues Gebrauchsmustergesetz
zur Aeußerung der beteiligten Kreise veröffentlicht, bevor sie den gesetzgebenden
Organen zur Beratung zugehen sollen. Mit beiden Entwürfen ist unter ganz grober
Verkennung der volkswirtschaftlichen Seite des Patentwesens ein übertriebenes
Erfinderrecht zur Einführung vorgeschlagen worden. Bei vorurteilsloser Prüfung
ergibt sich die den Eingeweihten garnicht besonders überraschende Tatsache, daß eine
verständige Abänderung der geltenden Gesetze leichter und auch aussichtsvoller ist,
als die ganz unerläßliche Umgestaltung der Entwürfe derart, daß der heimische
Gewerbfleiß und mit ihm das Gesamtwohl vor einer schweren Prüfung bewahrt bleibe.
Den Entwürfen fehlt die im wohlverstandenen Interesse der nationalen Industrie zu
fordernde Harmonie von Rechtswissenschaft, Technologie und vaterländischer
Volkswirtschaftslehre. Die in der historischen Schule unter der bewährten Führung
von Roscher, Schmoller, Wagner u.a. entwickelten
Grundsätze sind zugunsten einer juristischen Konstruktion des Erfinderrechts ganz
mißachtet worden. Man hat einfach den Erfinder in den Mittelpunkt des Interesses
gestellt. Das Patentrecht soll als privates Urheberrecht nach Art des Autorrechts
auf literarischem oder künstlerischem Gebiet ausgebaut werden und das öffentliche
Interesse dem Privatinteresse des Erfinders weichen. Die an der Ausarbeitung der
Entwürfe hervorragend beteiligten Juristen haben nicht den rechten Blick für den
Zusammenhang der Kräfte des wirtschaftlichen Daseins gehabt und für ein Privatrecht
des Erfinders mehr beansprucht, als der das Ganze überschauende Volkswirt zugestehen
kann. Die höchsten Ziele des Patentwesens sind nicht privatrechtlicher, sondern
öffentlich-rechtlicher Art. Weil der Autorschutz auf dem Individualismus, der
Patentschutz aber auf der kollektivistischen Idee unserer nationalen
Wirtschaftseinheit beruht, muß der Patentschutz anderen Spuren folgen, wie der
Schutz des Autors bei Schrift- oder Kunstwerken. Beim Patentwesen handelt es sich um
Maßnahmen zur Förderung des mit einem Blühen und Gedeihen vaterländischen
Gewerbfleißes innig verbundenen Gemeinwohls. Große Verwirrung ist in der deutschen
Patentrechtslehre schon entstanden, weil man die geistige Urheberschaft bei der
technischen Erfindung gar zu sehr überschätzt hat. Der Erfinder steht mit beiden
Füßen auf den Schultern seiner Vorgänger, und vom Erfindungsgedanken bis zur
praktisch brauchbaren Erfindung ist ein weiter Weg. Insbesondere hat man den realen
Gegensatz zwischen der Erfindungstat, dem lichtvollen Gedankenblitz, und der
patentfähigen Erfindung mißachtet. Die volkswirtschaftlich so bedeutsame praktische
Ausgestaltung des Erfindungsgedankens oder dessen Wandlung zu einer technischen
Erfindung ist schon unter dem herrschenden Patentgesetz immer weiter zurückgetreten
gegen eine unheilvolle Ueberschätzung der geistigen Urheberschaft. Anstatt nun aber
bei solcher für das Blühen und Gedeihen der heimischen Industrie sehr bedenklichen
Entwicklung noch rechtzeitig einzulenken, ist man in den Erläuterungen zum Entwurf
eines neuen Patentgesetzes so weit gegangen, daß man sagt:
„Wer die entscheidende Gedankenverbindung in seiner Phantasie vollzieht, macht
mit Fug das Recht geltend, über seine Erfindung zu verfügen und durch ihre
Kundgabe den Patentschutz zu erlangen.“
„Die Tatsache der geistigen Urheberschaft an der Erfindung sollte an sich
genügen, um das Recht auf das Patent zu begründen.“
Um die Erfahrungstatsache, daß die geistige Urheberschaft an der Erfindung von
derjenigen des Autors grundsätzlich verschieden ist, gehen die Erläuterungen einfach
herum und reden von einem natürlichen Anspruch des Erfinders auf
Anerkennung seiner Urheberschaft, sowie von einem als richtig erkannten Prinzip,
nach welchem das Patent demjenigen gebühren solle, der die Erfindung hervorgebracht
habe.
Das aber bedeutet einen jähen Bruch mit dem altbewährten Geist, mit Sinn und Zweck
der deutschen Reichspatent-Gesetzgebung. Die Einführung des übertriebenen
Erfinderrechts in das deutsche Patentrecht ist ein juristisches Experiment auf
Kosten und Gefahr der heimischen Industrie, welche auf solche Weise in ihrer
Entwicklung behindert und in eine Unzahl nichtsnutziger Prozesse gestürzt werden
wird. Das aber kann leicht zu dem Zusammenbruch des volkswirtschaftlich wertvollen
Patentwesens überhaupt führen. Die großen Gefahren der Entwürfe eines neuen
Patentgesetzes und Gebrauchsmustergesetzes liegen vor aller Augen da und so haben
denn auch die von der Reichsregierung zur Aeußerung vorgelegten Entwürfe – abgesehen
von einigen Juristen und Angestellten-Vereinen – keinerlei Gegenliebe gefunden. Sie
sind vielmehr bereits von den verschiedensten Seiten sehr abfällig beurteilt worden.
Insbesondere haben die deutschen Chemiker in Breslau und Hamburg auf ihren
Kongressen die Entwürfe scharf abgelehnt. Ihnen sind die Aeltesten der
Kaufmannschaft von Berlin wie auch der deutsche Handelstag gefolgt. Selbst der
deutsche Verein zum Schutz des gewerblichen Eigentums, der sich noch auf dem
Stettiner Kongreß im Jahre 1909 für ein weitergehendes Erfinderrecht erklärt hatte,
sprach sich mit großer Majorität gegen das übertriebene Erfinderrecht der Entwürfe
aus.
Auch sonst sind diese noch von verschiedenen Vereinigungen und Einzelpersonen als
grundsätzlich verfehlt bezeichnet worden. Die wirksamste und nachhaltigste
Kundgebung erfolgte aber seitens der an einem brauchbaren Patentschutz doch in
erster Linie interessierten Industrie. Zu diesem Zweck fand am 16. Januar d. J. in
Berlin eine Versammlung statt, welche vom Verein deutscher Maschinenbauanstalten,
vom Verein zur Wahrung der Interessen der chemischen Industrie, vom Verein zur
Wahrung gemeinsamer Wirtschaftsinteressen der deutschen Elektrotechnik, vom Bunde
der Industriellen und vom Zentralverbande deutscher Industrieller gemeinsam
veranstaltet worden war.
Erster Redner war Justizrat Dr. Waldschmidt, Direktor der
Ludwig Loewe & Co. A.-G. Er bekämpfte
insbesondere das übertriebene Erfinderrecht und verurteilte es auch vom Standpunkt
der deutschen Volkswirtschaft. Die Patenterteilung bezeichnete er als Opfer der
Gesamtheit, welchem der wirtschaftspolitische Gedanke zugrunde liege, daß die
rückhaltlose Offenbarung der Erfindung zur Befruchtung und Entwicklung der
heimischen Industrie führen solle. Er tadelte den Entwurf, weil dieser das erprobte
bisherige System des deutschen Patentgesetzes lediglich doktrinären Prinzipien
zuliebe verlasse und das Patentrecht als Urheberrecht ausbauen wolle, wobei das
Gesamtwohl hinter das private Interesse des Erfinders zurückgedrängt werde. Den
Uebergang vom bisherigen öffentlichen Patentrecht zu einem Privat-Urheberrecht
lehnte er als unnötig, grundsätzlich verfehlt und für die deutsche
Volkswirtschaft gefährlich, glatt ab.
Kommerzienrat Dr. Goldschmidt, Essen, sprach sodann über
die von vielen Seiten betonte und auch bereits im Reichstage wohlwollend erörterte
Angestellten-Erfindung. Die den Angestellten eine besondere Vergütung für ihre
erfinderischen Leistungen sichernden Bestimmungen nannte er ungerechtfertigt und
undurchführbar. Die Erfindung stelle erst dann einen Vermögenswert dar, wenn die
regelmäßig unter Aufwendung recht erheblicher Mittel erfolgende praktische
Durchführung vorliege. Er betonte die Gefahr einer Prozeßhäufung und Störung des
guten Verhältnisses zwischen Angestellten und Dienstherren. Der Rechtsanspruch des
angestellten Erfinders müsse das Zusammenarbeiten der einzelnen Erfinder in größeren
Unternehmungen außerordentlich erschweren und werde zahllose Streitigkeiten mit sich
bringen. Die Behandlung einer solchen Sonderfrage des Dienstvertrages gehöre
überhaupt nicht in ein Patentgesetz. Außerdem aber beruhe sie auf einer falschen
Auffassung sozialer Pflichten der Gesetzgebung zum Schaden der Angestellten wie der
Unternehmer und des gesamten Wirtschaftslebens.
Fabrikbesitzer Clauß in Plane bei Flöha i. S. sprach über
die sogenannte Erfinderehre. Er bezeichnete das Zugeständnis der Namensnennung von
Angestellten bei ihren Erfindungen als ein Opfer der Industriebetriebe, um den
Angestellten zu ermöglichen, leichter vorwärts zu kommen. Er faßte seine Ansicht
dahin zusammen, daß die Namensnennung des Erfinders zwar gewisse Bedenken biete,
aber doch immerhin durchführbar erscheine. Bedingung dafür sei aber, daß nur das
Recht, selbst genannt zu werden, nicht aber ein Recht auf Nichtnennung anderer
gewährt werde. Ausdrücklich verwahrte er sich aber noch dagegen, daß aus der
lediglich mit Rücksicht auf ein besseres Vorwärtskommen des angestellten Erfinders
zugestandene Namensnennung irgend welche Anerkennung des Erfinderrechts zu folgern
sei.
Kommerzienrat Dr. Guggenheimer, Direktor der
Maschinenfabrik Augsburg, trat für Beibehaltung der fünfjährigen Ausschlußfrist im
Nichtigkeitsverfahren ein. Er bezeichnete diese als im Interesse der
Rechtssicherheit geboten, forderte aber, daß ihrem Mißbrauch wirksam
entgegengetreten werde.
Hofrat Professor Dr. Bernthsen von der Badischen Anilin-
und Sodafabrik sprach über die Verfassung des Patentamtes. Als höchst erfreulich
bezeichnete er, daß der Entwurf an dem bewährten Vorprüfungssystem überhaupt
festhalte, machte aber bezüglich der Art der Vorprüfung wie gewisser einschneidender
Aenderungen stärke Bedenken geltend. Beim System der Einzelprüfer befürchtete er
eine Einbuße in der straffen Einheitlichkeit der für die Erteilung von Patenten
maßgebenden Grundsätze und forderte als notwendiges Gegengewicht die Schaffung einer
selbständigen dritten Instanz.
Zum Schluß sprach Dipl.-Ing. Vogelsang von der Voigt & Haeffner A.-G., Frankfurt a. M., über die
Bedeutung des Patentanspruchs. Er erörterte die große Rechtsunsicherheit bei
Feststellung der Tragweite eines Patents und wies besonders auf die recht
bedenklichen Fehlerquellen hin, die bei einer Beurteilung des Standes der Technik
zur Zeit der Patentnahme den ordentlichen Gerichten erwachsen. Die Industrie könne
nur mit einer schlichten Auslegung des Patentspruches arbeiten; denn der technische
Leiter eines Fabrikbetriebes müsse doch stets in der Lage bleiben, die an ihn
herantretende Entscheidung zu treffen, was fabriziert werden dürfe und was nicht. Es
sei sehr zu bedauern, daß der Entwurf so gar keinen Versuch erkennen lasse, für die
Zukunft größere Klarheit zu schaffen. Der durch die neuere Rechtsprechung
herbeigeführten Rechtsunsicherheit bei der Auslegung von Patenten bzw. Feststellung
von deren Schutzumfang müßte im neuen Patentgesetz durch einwandfreie Normen
entgegengewirkt werden. Für Inhalt und Umfang des Schutzrechtes sollte der
Patentanspruch unter angemessener Berücksichtigung der Beschreibung und der
Erteilungsakten sowie der patentrechtlichen Gleichwerte maßgebend sein.
Sämtliche Referate wurden mit allseitiger Zustimmung und lebhaftem Beifall
aufgenommen. Der von jedem einzelnen Redner im Sinne obiger Ausführungen gefaßten
Resolution wurde einmütig zugestimmt. Diese gewaltige Kundgebung so hervorragender
Vertreter deutschen Gewerbfleißes wird hoffentlich ihren Eindruck auf Bundesrat und
Reichstag nicht verfehlen. Sie erscheint als Morgenröte einer neuen Zeit, wo die
Reichsregierung das wohlverstandene Interesse des heimischen Gewerbfleißes als eines
gar gewichtigen Faktors nationaler Wohlfahrt gebührend berücksichtigen wird. Auf
alle Fälle aber ist diese Kundgebung auch ein höchst erfreuliches Anzeichen dafür,
daß die deutsche Industrie sich ihrer Intelligenz und Kraft zur Schaffung eines
brauchbaren Patentschutzes noch rechtzeitig bewußt geworden ist. Zugleich liefert
sie den Beweis, daß ich in meinen diesbezüglichen Schriften das wirkliche Bedürfnis
der deutschen Industrie zutreffend beurteilt habe. In meiner SchriftBei Julius Springer, Berlin 1913.
„Der Anspruch auf ein Patent und das Recht an der Erfindung“, insbesondere
aber in der neuesten SchriftBei Julius Springer,
Berlin 1913.
„Erfinderrecht und Volkswirtschaft, Mahnworte für die deutsche Industrie“
sind gerade die oben dargelegten Gesichtspunkte betont und die volkswirtschaftliche
Seite des Patentschutzes wie dessen hohe Bedeutung für die Förderung der Industrie
in ihrer Gesamtheit beleuchtet worden.
Mit solcher Auffassung ist das übertriebene Erfinderrecht des Entwurfs und eine
Ausgestaltung des Patentrechts nach Art des Autorschutzes auf literarischem oder
künstlerischem Gebiet ganz unvereinbar. Es hat sich schwer gerächt, daß nicht längst
schon eine harmonische Verbindung echter Rechtswissenschaft mit den ihr in bezug auf
den Patentschutz durchaus ebenbürtigen Faktoren der Technologie und der
Nationalökonomie angebahnt worden ist. Unter dem Einfluß juristischer Konstruktionen
war schon fast in Vergessenheit geraten, daß die letzten Ziele des Patentschutzes
nicht privatrechtlicher, sondern öffentlich-rechtlicher Natur sind. Das Patentwesen
steht in allerengster Beziehung zur Volkswirtschaftslehre und zum Gesamtwohl
der heimischen Industrie. Wird der Patentschutz dem realen Ziele einer gesunden
Entwicklung des heimischen Gewerbfleißes angepaßt, so ergibt sich ganz von selbst
auch die Erfüllung der idealen Zwecke der deutschen Volkswirtschaftslehre, wie sie
in der historischen Schule vertreten sind.
Auf alle Fälle steht der Volkswirt den aus den Patentschutz erwachsenden Aufgaben
unbefangener gegenüber, wie die Juristen mit ihrer Vorliebe für juristische
Konstruktionen. Der Punkt, um den sich in der Volkswirtschaft alles dreht, ist, wie
Adolf Wagner sagt, die alte Frage nach der Stellung
des Einzelnen in seinem Verhältnis zur Gesamtheit. Wer mit der alten Staatsund
Rechtsphilosophie den Einzelnen in den Mittelpunkt des Interesses stellt, gelangt
notwendig zu den unhaltbaren Zuständen, wie sie auf wirtschaftlichem Gebiet die
physiokratische Schule und diejenige des freien Wettbewerbes gezeitigt haben. Einen
verständigen Ausweg bildet nur die wissenschaftliche Soziologie mit ihren sittlichen
Ideen, in erster Linie mit dem Begriff einer gesellschaftlichen Pflicht. So ist auch
die Stellung des Erfinders nicht aus dessen Privatinteresse an möglichst hoher
Ausbeute seiner geistigen Arbeit, sondern nach den Bedingungen des Wirtschaftslebens
der Gemeinschaft zu bestimmen, von der er selbst doch nur ein recht untergeordnetes
Glied bildet. Die historische Schule der Volkswirtschaft lehrt, daß das Wohlergehen
der Nation die erste Bedingung für den Fortschritt, die Sicherheit und das
Wohlergehen des Einzelnen bildet. Das gilt auch vom Erfinder, der regelmäßig und
dauernd doch nur auf Erfolg rechnen darf, wenn der Patentschutz nicht zu einer
Schädigung der Industrie führt. Für das Blühen und Gedeihen der heimischen Industrie
ist aber ein wohlgeordnetes dem höheren Gesichtspunkt nationaler Gewerbepolitik
gebührend Rechnung tragendes Patentwesen unmittelbare Lebensfrage. Ein nach Ansicht
der modernen Erfinderrechtsschwärmer idealer Patentschutz würde leicht die Industrie
so sehr schädigen, daß dann auch der Erfinder selbst nichts mehr verdienen
könnte.
Die von Grund aus verfehlte Anschauung, daß mit dem Zustandekommen des
Erfindungsgedankens in der Phantasie schon ein wirtschaftlich brauchbares Rechtsgut
zustande gekommen sei, hat bereits große Verwirrung in die deutsche
Patentrechtslehre hineingetragen und auch in der Praxis Unheil gestiftet. Erfinder,
welche wie viele Juristen und Laien den Erfindungsgedanken schon für etwas halten,
was seinem gottbegnadeten Urheber einen verhältnismäßig mühelosen Gewinn in den
Schoß werfen soll, gehen noch gar bitteren Lebenserfahrungen entgegen. Der
Erfindungsgedanke an sich ist wirtschaftlich noch ziemlich wertlos, jedenfalls hat
er in der realen Wirklichkeit eine noch recht untergeordnete Bedeutung. Wie oft
werden schon bei der Verkörperung der Idee in einem kleinen Modell alle stolzen
Hoffnungen geknickt und kühne Träume von Gold und Ruhm grausam zerstört. Oft genug
aber versagt bei der praktischen Ausgestaltung und Einführung der Erfindung in die
Welt noch ganz und gar, was beim Modell durchaus in Ordnung zu sein schien. Das kam aber
lediglich daher, daß das Modell mit den realen Lebens- und Wirtschaftsbedingungen
noch nichts zu tun hatte. Welche dunkle Flut von getäuschten Hoffnungen neben
Unwissenheit und Irrtümern bergen schon die mehr als 270000 deutschen
Reichs-Patentschriften. Wieviel Intelligenz, zähe Energie und schöpferische Kraft
ist aber auch schon auf der Strecke geblieben, weil so mancher Erfinder mit Ideen
allein wirtschaften zu können glaubte. Schier endlos ist die vor dem Einlaufen in
den sicheren Hafen der Patentverwertung noch zu umschiffende Klippenreihe. Ohne
einen großen Bestand an Geld- und anderen Mitteln bezw. ohne einen kapitalkräftigen
und auch opferfreudigen Unternehmer, dem oft genug nur das Nachsehen bleibt, läßt
sich eine noch so vortreffliche Erfindung nur selten einführen.
Tatsächlich sind die der praktischen Ausgestaltung einer Erfindung oder der Wandlung
des Erfindungsgedankens in eine brauchbare technische Erfindung entgegenstehenden
Schwierigkeiten riesengroß. Rudolf Diesel nannte die Zeit
der schöpferischen Gedankenarbeit eine freudige Zeit, wo alles möglich erscheine,
weil es eben noch nichts mit der rauhen Wirklichkeit zu tun habe. Die Einführung der
Erfindung in die Praxis dagegen nannte er eine Zeit des Kampfes mit Dummheit und
Neid, Trägheit und Bosheit, heimlichem Widerstand und offenem Kampf der Interessen,
die entsetzliche Zeit des Kampfes mit Menschen, ein Martyrium, auch wenn man Erfolg
habe. Er hat eben erlebt, was es heißt, den
Erfindungsgedanken zur technischen Erfindung zu wandeln. Er hat seinen Zeitgenossen
verkündet: Erfinden heißt, einen aus einer großen Reihe von Irrtümern
herausgeschälten Grundgedanken durch zahlreiche Mißerfolge und Kompromisse hindurch
zum praktischen Erfolge führen. Nie und nimmer kann eine Idee allein als Erfindung
bezeichnet werden, immer gilt als Erfindung nur die ausgeführte Idee. Der ebenfalls sach- und fachverständige Max Eyth sagte: Erfinden ist keine Hexerei und ein großes
Vergnügen, Erfindungen ins praktische Leben einführen aber eine bitterböse Aufgabe. Alles, was wir über den Jammer und
die Not, über Aufopferung und Mißhandlung der Erfinder hören und lesen, rührt
zumeist daher, daß diese mit dem Gedanken allein wirtschaften zu können glauben und
oft in kindlicher Naivität an die Arbeit gehen.
Bei der bevorstehenden Revision der Patentgesetzgebung darf auf keinen Fall außer
Acht bleiben, daß die Erfindungstat oder die geistige Urheberschaft an sich noch
keine ausreichende Gegenleistung für das mit der Patenterteilung gewährte
Ausschlußrecht bedeutet. Nach Geist, Sinn und Zweck des Patentgesetzes kommt als
notwendige Gegenleistung die Offenbarung einer praktisch brauchbaren Erfindung in
Betracht. Die Pflicht zur rückhaltlosen, vollständigen Beschreibung der Erfindung
soll zur Befruchtung und Weiterentwicklung der heimischen Industrie führen, um die
der Gesamtheit zugunsten des einzelnen Erfinders auferlegte Beschränkung und die
Durchbrechung der allgemeinen Gewerbefreiheit einigermaßen auszugleichen. Leider
aber stößt man in den Patentschriften nur zu oft auf das Bestreben, die wahre
Bedeutung der Erfindung zu verschleiern und die beteiligten Kreise über das Wesen
der Erfindung irrezuführen, statt sie zu belehren. Solcher offenbare Mißbrauch wird
sich kaum anders beseitigen lassen, als daß das neue Patentgesetz eine zuverlässige
Handhabe bietet, um ein Patent auch dann für nichtig zu erklären, wenn die Erfindung
nicht so beschrieben ist, daß andere Sachverständige sie ohne weitere erfinderische
Tätigkeit benutzen können.
Von allergrößter Wichtigkeit für das neue Patentgesetz ist aber unbedingte Klarheit
über die wahre Bedeutung des Patentanspruchs, damit der bisherigen Zerfahrenheit und
Verworrenheit in der Auslegung von Patenten ein Ende bereitet werde. Die Industrie
hat das wohlbegründete Interesse, von vornherein zu wissen, was sie bei ihrer
fruchtbringenden und der Gesamtheit nützlichen Tätigkeit tun darf oder zu lassen
hat, wenn sie nicht in die Fußangeln höchst unliebsamer, zeitraubender und
kostspieliger Patentprozesse geraten will. Unzweideutige Normen über den Gegenstand
des Patentschutzes, insbesondere auch über einen Teilschutz und unvollkommene
Erfindungen sind für das Gedeihen, des vaterländischen Gewerbfleißes unerläßlich.
Ganz besondere Aufmerksamkeit ist dabei der von den früheren Gesetzgebern nicht
hinreichend gewürdigten Schädigung des deutschen Gewerbslebens durch Sperr- und
Wegelagererpatente zu widmen.
Wie in meiner SchriftBei Julius Springer,
Berlin 1913.
„Bedeutung und Wesen des Patentanspruchs“ näher ausgeführt worden ist, wird
ja vor der Erteilung des Patents in recht mühevollem und zeitraubendem Verfahren der
unter Schutz zu stellende Gegenstand der Erfindung sorgfältig herausgeschält und in
die vom Gesetz vorgeschriebene Form des Patentanspruchs gebracht. Dieser
Patentanspruch sollte dann aber auch soweit als irgend möglich die unerschütterliche
Grundlage für die Beantwortung der Frage nach dem Schutzbereich bilden. Er
bezeichnet doch die Grenzen, innerhalb deren das Patent erteilt worden ist, und
sollte daher für die Abgrenzung des Schutzbereichs in bezug auf die gegenständliche
Tragweite unbedingt maßgebend sein. Der Patentschutz ist nicht eine von selbst
eintretende Rechtsfolge der Erfindung. Er geht nicht einfach aus der geistigen
Urheberschaft der Erfindung hervor, wie der Autorschutz aus der literarischen oder
künstlerischen Schöpfung. Er ist erst die gesetzliche Folge der Patenterteilung in
den vom Patentamt sorgfältig zu prüfenden und nach pflichtmäßigem Ermessen möglichst
unzweideutig abzusteckenden Grenzen des Patentanspruchs. Dem geradezu
gemeingefährlichen Bestreben, durch eine unklare Fassung des Anspruchs dem redlichen
Gewerbtreibenden eine Falle zu stellen, ist unter allen Umständen und mit schärfstem
Nachdruck entgegenzutreten. Einen Erfindungsgedanken zum Patent anzumelden und sich
dann auf die Lauer zu legen, bis andere denselben praktisch ausgestaltet und zum
wirtschaftlichen Erfolge geführt haben, ist zwar recht modern, aber ein großer
Krebsschaden für die natürliche Entwicklung der heimischen Industrie geworden. Auf
solche Weise wird derjenige, welcher sich um das Gemeinwohl ein großes Verdienst
erwirbt, wenn er den in einem solchen Wegelagererpatent niedergelegten Gedanken in
die Tat umsetzt, für seine Mühen, Opfer und Arbeiten dem untätig gebliebenen
Patentinhaber tributpflichtig gemacht.
Selbstverständlich darf der Patentanspruch auch nicht einfach nach seinem Wortlaut
ausgelegt werden, selbst wenn er im Sinne Hartigs
begrifflich gefaßt ist. Für die Auslegung ist in erster Linie die
Beschreibung maßgebend. Daneben kommen auch die Patenterteilungsakten, insbesondere
aber die richtig verstandene Lehre von den patentrechtlichen Gleichwerten in
Betracht. Im übrigen aber ist stets zu berücksichtigen, daß der Patentinhaber
mit einem gewissen Schutz auf den Gegenstand der Erfindung regelmäßig schon
völlig ausreichend belohnt ist, und daß gar kein Anlaß besteht, der natürlichen
Entwicklung der Technik Fesseln anzulegen, die zu dem der Gesamtheit durch
rückhaltlose Offenbarung der Erfindung geleisteten Dienst nicht in verständigem
Einklänge stehen. Auf alle Fälle fordert das wohlverstandene Interesse des
vaterländischen Gewerbfleißes ganz gebieterisch, daß nicht nachträglich durch
übertriebene Klageansprüche Verwirrung und Schrecken in die friedlichen Stätten
heimischen Gewerbfleißes getragen werden. Diese sind vielmehr unbedingt gegen eine
Ueberflutung mit Patentprozessen zu schützen, an denen weder die Parteien noch die
Gerichte ihre Freude haben können.