Titel: | Die Londoner Olympia-Ausstellung, |
Autor: | Paul Béjeuhr |
Fundstelle: | Band 329, Jahrgang 1914, S. 353 |
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Die Londoner Olympia-Ausstellung,
Von Paul Béjeuhr in
Berlin.
BEJEUHR: Die Londoner Olympia-Ausstellung.
Die unter dem Protektorat der Society of Motor-Manufacturers and Traders, sowie des Royal Aero-Club eröffnete Ausstellung nahm insofern das
Interesse der Fachwelt für sich in Anspruch, als sie unter dem Zeichen des Wasserflugbootes stand. Von den 24 ausgestellten Flugmaschinen
waren 9 Wasserflugzeuge, von denen ein großer Teil in England selbst hergestellt
war. Ueberhaupt hatte die Landesindustrie einen großen Teil der Ausstellungsobjekte
selbst gefertigt, nämlich 17 von 24 Maschinen. Allerdings kann England auf die
ausgestellten Flugzeuge nicht besonders stolz sein. Es befanden sich
Konstruktionseinzelheiten an den Maschinen, die in gar keiner Weise dem heutigen
Stand der Flugzeugindustrie entsprechen. Wenn auch als Entschuldigung gelten mag,
daß die englische Industrie mit Aufträgen seitens der Marine überhäuft war, so muß
es doch sehr verwundern, daß selbst große und bekannte Firmen von Weltruf, wie z.B.
Vickers & Sons
Doppeldecker ausgestellt haben, die nur eine ganz schlechte Nachahmung französischer
Apparate darstellten. Daß außerdem verhältnismäßig unbekannte Firmen wie die Humble-River-Luke Co. unter stolzem Phantasienamen
Flugzeuge zur Ausstellung gebracht haben, die in keiner Weise als flugfähig
anzusprechen waren, ist eine Erscheinung, die man schließlich auf jeder
Ausstellung bemerken kann.
Wir Deutsche können mit Rücksicht hierauf es nur sehr bedauern, daß unsere deutsche
Industrie garnicht auf der Ausstellung vertreten war. Sie hätte ohne besondere
Anstrengungen, lediglich durch das Uebersenden fertiger Serienmaschinen, den
englischen Produkten gegenüber einen außerordentlich großen Erfolg erzielen können.
Bei dem großen Besuch, den internationale Ausstellungen durch Vertreter und
Delegierte von Behörden erhalten, muß es immer wieder als außerordentlich wichtig
bezeichnet werden, daß auch unsere deutsche Industrie ihr Können auf diesen
Ausstellungen in der richtigen Weise zur Geltung bringt.
Textabbildung Bd. 329, S. 353
Abb. 1. Pemberton-Billing-Flugboot Type PB 1.
Wenden wir uns nun dem Hauptteil der Ausstellung, den Wasserflugzeugen zu, die in der einheitlich weiß und hellgrün dekorierten
prächtigen Ausstellungshalle, inmitten des reichen Blumenschmuckes sehr hübsch zur
Geltung kamen, so sind besonders die Flugboote Pemberton-Billing, Perry-Beedle und Sopwith zu
erwähnen. Das Pemberton-Billing-Flugboot war in zwei Ausführungen auf der
Ausstellung vertreten. Die Supermarine PB 1 ist
ausgerüstet mit einem 50 PS-Gnome-Motor in einem ganz eingekapselten Behälter unterhalb des
oberen Tragdecks (Abb. 1). Das Boot ist als Sporttyp
gedacht; der Propeller ist mit schräg aufwärts stehender Achse angeordnet, so daß
eine Berührung der Flügel durch Wasser ziemlich ausgeschlossen ist. Das Boot ist
ebenso wie der oben erwähnte Schutzbehälter für den Motor nach den Stromlinien
geringsten Widerstandes geformt und besitzt an seiner vorderen Spitze einen
eingebauten Anker (Abb. 2), der durch Federdruck
etwa 20 m voraus geschleudert werden kann, um einen kurzen Auslauf nach dem
Niedergehen herbeizuführen. Der Rumpf ist mit einer Haut aus drei Lagen Silberspruce
bedeckt, die dann mit doppelter wasserdichter Leinwand überzogen werden, über welche
wieder diagonal zwei Lagen Mahagoniholz gelegt sind. Die Gitterträger des Rumpfes
sind in Esche und Ulme ausgebildet, während die innere Auskleidung des Bootes mit
Silberspruce und präparierter Leinwand ausgeführt ist.
Textabbildung Bd. 329, S. 354
Abb. 2. Im Bug eingebauter Anker des Pemberton-Billing-Flugbootes PB 1
Textabbildung Bd. 329, S. 354
Abb. 3. Pemberton-Billing-Flugboot Typ PB 2
Der Bootskörper stellt sich als ein außerordentlich sauber und
exakt ausgeführtes Erzeugnis der Bootsbauindustrie dar. Nach ähnlichen Prinzipien
war das „PB 2“ (Abb. 3) ausgeführt, das als
Eindecker mit einem 120 PS-Austro-Daimler-Motor und ebenfalls schräg ansteigender Schraube
ausgebildet war. Die innere Ausführung und die Bootskonstruktion ist genau wie bei
„PB 1“, Tragdeckenstreben und Träger sind dagegen in Stahlrohr
ausgeführt. Eine ganz originelle Instrumentierung zeigte der sogenannte Supermeter, ein Apparat, der den Zweck hat, bei
unsichtigem Wetter dem Flieger die Entfernung des Flugzeugs vom Wasserspiegel
anzuzeigen. Er besteht aus einer leeren Kugel aus Kupferblech, die an einem feinen
Kabel auf das Wasser herabgelassen wird. Das Kabel hat eine bestimmte Länge von etwa
10 bis 15 m; es bildet sich nun zwischen einem Normalstrich und dem Kabel, das durch
die auf dem Wasser schleifende Kugel etwas zurückgehalten wird, ein Winkel, der
nach empirischen Eichungen die vorerwähnte Höhe anzeigt. Außerdem wird von dem
Instrument eine Glocke und eine rote Lampe in geeigneter Weise betätigt.
Der nächste interessante Apparat war das Original-Flugboot von Perry & Beadle (Abb. 4). Es hatte
einen 7 m langen Bootsrumpf (Abb. 5), dessen
Bespannung aus drei Lagen Mahagoniholz nach einem neuen patentierten Verfahren mit
Kupferdraht genäht war. Dem Bootskörper war organisch das untere ziemlich kleine
Tragdeck angefügt, das ebenfalls mit zwei Lagen Mahagoniholz überzogen war, um es
gegen überkommendes Wasser unempfindlich zu machen. In ähnlicher Weise war die
Schwanzzelle geschützt. Das obere Tragdeck war in üblicher Weise mit Stoffbespannung
versehen und zeigte weiter keine Besonderheiten.
Ein Hochsee-Wasserflugzeug stellte die Sopwith-Flugmaschinenfabrik in Kingston aus, das in den bekannten
Formen der Sopwith - Boote gebaut war, d.h. ein vorn
kielförmig gebauter Bootskörper geht in ein Prahmboot über, das außerdem noch mit
einer Stufe. ausgerüstet ist. An der Stufe ist eine Luftabführung mittels eines
Messingkanales vorgesehen, um das Nachsaugen von Wasser zu verhüten. Die Maschine
war mit einem 200 PS-Salmson - Motor ausgerüstet, der
direkt auf eine 3,5 m Druckschraube arbeitete. Außerdem befand sich eine
vollständige Einrichtung für drahtlose Telegraphie in dem großen Apparat, der in
seiner Ausrüstung überhaupt in jeder Weise den Eindruck eines Hochseeflugbootes
machte.
Textabbildung Bd. 329, S. 354
Abb. 4. Perry-Beadle-Flugboot.
Von den übrigen englischen Firmen war nicht viel besonderes zu bemerken. Die Bristol - Co. hatte
verhältnismäßig veraltete Apparate ausgestellt. Die Graham-White-Co. zeigte Apparate, die lediglich an die Farman-Konstruktion erinnerten, und die Samuel-White-Maschine war im Vorjahre in derselben
Ausfährung auf der
Ausstellung. Eigentlich zum erstenmal waren in diesem Jahre Motoren englischer
Konstruktion vorgeführt, die allerdings mit Ausnahme des Green-Motors den Nachweis ihrer Zuverlässigkeit erst erbringen müssen. Der
Argyll-Motor ähnelt den deutschen stehenden Typen;
ebenfalls der Curtiß-Motor mit seiner V-förmigen
Zylinderanordnung. Die Isaacson-200 PS-18 zylindrige
Maschine, der Sunbeam- und der Wolseley-Motor waren eben fertig gewordene Werkstattprodukte, die kaum
irgendwelche Besonderheiten zeigten, die aber vor allem erst einmal in der Praxis
sich bewähren müssen.
Textabbildung Bd. 329, S. 355
Abb. 5. Bootskörper des Perry-Beadle-Flugbootes
Sehr interessant war dagegen der Statax-Motor ein Rotationsmotor mit parallel zur Propellerwelle gelagerten
Zylindern. Aus der Zeichnung läßt sich die Wirkung des Motors sehr schnell
erklären. Der im Schnitt gezeichnete obere Zylinder steht mit seinem Kolben gerade
auf Explosion; der Kolben wird also nach links bewegt, er greift aber mit seiner
Pleuelstange nicht an einer Kurbelwelle an, sondern an einer Scheibe, die unter 45°
Neigung mit beiderseitiger Kugellagerung wiederum auf einem kleinen Ansatz der
feststehenden Gehäusewelle läuft. Die Scheibe kann sich also in ihrer schrägen Lage
nur drehen; jede andere Bewegungsmöglichkeit ist ihr genommen. Der Kolben, in dem
Bestreben, sich von rechts nach links zu bewegen, muß die Scheibe nach unten
mitnehmen, bis er seine äußerste Stellung im Zylinder einnimmt. Dreht sich jetzt die
Scheibe infolge der Wirkung anderer Kolben weiter, so kommt der von uns betrachtete
Kolben wieder in seine Anfangslage, hat also bei dieser einen Umdrehung ein
Kolbenspiel völlig erledigt. Der Erfinder hat durch diese Anordnung eine Rotation
der Zylindergehäuse gegen die feststehende Gehäusewelle erzwungen, ohne daß auf die
Zylinder und Kolben Zentrifugalkräfte in Richtung der Kolbenbewegung wirken. Die
Bedienung der einzelnen Ventile wird räumlich zusammengerückt und vereinfacht. Ob
sich der Motor im Dauerbetriebe bewährt, muß die Praxis ergeben.