Titel: | Streuströme elektrischer Gleichstrombahnen. |
Autor: | K. Michalke |
Fundstelle: | Band 329, Jahrgang 1914, S. 423 |
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Streuströme elektrischer
Gleichstrombahnen.
Von Dr. K. Michalke.
(Schluß von S. 407 d. Bd.)
MICHALKE: Streuströme elektrischer Gleichstrombahnen
Es läßt sich die Forderung, daß der Spannungsverlust in den Gleisen 2,5 Volt
nicht übersteigen darf, auch bei Wahl eines starken Schienenprofils und durch
bestleitende Stoßverbindungen mit einer einzigen Schienenspeisung nicht erfüllen,
wenn das Gleisnetz in verkehrsreichem Ort weit ausgedehnt ist. Es muß der Strom an
verschiedenen Stellen des Netzes den Gleisen zugeführt werden. Am günstigsten liegen
hierbei die Verhältnisse, wenn der Strom den einzelnen Schienenspeisesteilen von
getrennten Maschinen oder Kraftwerken zugeführt wird, weil in diesem Falle die
gespeisten Bezirke unabhängig voneinander sind, und die Streuströme nur aus kurzen
Strecken austreten, und auch keine besonderen Ausgleichwiderstände in den
Schienenspeiseleitungen erforderlich sind. Werden die Gleise an verschiedenen
Stellen von gemeinsamer Sammelschiene aus gespeist, so müssen die
Schienenspeiseleitungen durch Widerstände so abgeglichen sein, daß zwischen den
einzelnen Speisepunkten keine Spannung auftritt. Die größten Widerstände liegen
hierbei in den kürzesten Kabeln, die zu den dem Kraftwerk nächsten Speisepunkten
führen. Statt der Widerstände können mit Vorteil in den Speiseleitungen kleine
Generatoren, Saugdynamos, verwandt werden. Die Maschinen mit den höchsten
Saugspannungen werden in die Kabelstrecken für die entferntesten Speisepunkte
geschaltet. Die Gleise können in einer für die Verminderung der Streuströme
vorteilhaften Weise von Strom entlastet werden, wenn das Dreileitersystem verwandt
wird, wobei die Gleise den (geerdeten) Mittelleiter bilden. Auf einzelnen Strecken
wird hierbei die Oberleitung mit dem positiven Pol des einen Maschinensatzes, auf
anderen Strecken wird die Oberleitung mit dem negativen Pol eines zweiten
Maschinensatzes verbunden. Der Betrieb wird hierbei weniger einfach, da zwei
Maschinensätze und nötigenfalls auch zwei Pufferbatterien im Betrieb sein müssen,
was diesen verteuert. Obwohl durch das Dreileitersystem die Gleisströme und daher
auch die Streuströme vermindert werden, wird das Dreileitersystem wenig
angewandt.
Die verschiedenen Arten der Schienenspeisung sind um so wirksamer, je weniger Strom
die Gleise führen, je geringer daher der Spannungsverlust ist, der in den Gleisen
auftritt. Je weniger aber die Gleise zur Stromleitung herangezogen werden, um so
mehr und um so stärker isolierte Schienenspeiseleitungen, Kabel oder oberirdisch
verlegte Leitungen oder sonstige Einrichtungen sind erforderlich, die den Betrieb
teuer und unwirtschaftlich machen können. Es muß daher schon beim Entwurf der Bahn
ein Mittelweg eingeschlagen werden, um einerseits einen wirtschaftlichen Betrieb zu
ermöglichen, andererseits die Rohrleitungen in der Erde nicht zu gefährden.
Schutzmaßnahmen an den Rohren werden im allgemeinen nur angewandt, um auf kurzen
Strecken, z.B. an Kreuzungen, örtliche Gefährdungen zu beseitigen. Isolierende
Verbindungsstücke zwischen den einzelnen Rohrstücken können zwar die Rohrströme fast
völlig beseitigen, es ist jedoch schwierig, diese Isolierungen dauernd brauchbar
herzustellen, sie sind auch nur genügend wirksam, wenn sie in nicht zu weiten
Abständen wiederholt angebracht werden. Isolierender Anstrich der Röhren schützt
nicht genügend, Hülsenrohre aus Steinzeug und ähnliche Hilfsmittel haben nur
örtliche Bedeutung.
Da die in Röhren eingedrungenen Ströme nur dort die Röhren anfressen, wo die Ströme
aus den Röhren ins Erdreich austreten, wurde versucht, die in Röhren eingedrungenen
Ströme gefahrlos wieder abzuführen. Es wurde versucht, die Rohrströme durch
Hilfspannungen, die z.B. durch Akkumulatoren erzeugt werden, abzusaugen und sie
entweder in die Gleise oder in den Erdboden oder unmittelbar zum negativen Pol der
Schaltanlage des Kraftwerkes zu führen. Sieht man auch von der Schwierigkeit ab, die
dauernd sich ändernden Spannungen zwischen Rohr und Gleis durch konstante Spannungen
zu beheben, so haben die Absaugevorrichtungen nur Erfolg, wenn die Hilfspannungen so
gewählt werden, daß in der Nähe des Schienenspeisepunktes die Spannung zwischen Rohr
und Gleis zum Verschwinden gebracht wird. Diese Erniedrigung des Rohrpotentials hat
aber infolge verstärkter Saugwirkung eine unerwünschte Vermehrung der Rohrströme zur
Folge. Diese Ströme können Anfressungen an andern benachbarten Metallmassen
herbeiführen.
Auch in einem ordnungsmäßig ausgebauten Gleisnetz sollte die Gleisanlage dauernd
instand gehalten werden. Sind Prüfdrähte vom Kraftwerk nach den
Schienenspeisepunkten und auch nach einzelnen Gleisstellen zwischen den
Schienenspeisepunkten gelegt, so kann während des Betriebes überwacht werden, ob die
höchstzulässige Spannung in den Gleisen unterschritten bleibt. Durch geeignete
Messungen kann der Zustand der Gleisanlage untersucht und festgestellt werden,
inwieweit die Rohranlage gefährdet ist. Die Firma Siemens
& Halske A.-G. hat unter Mitwirkung von Reg.-Baumeister Buschbaum für
alle einschlägigen Messungen eine Reihe von besonders geeigneten Meßgeräten auf den
Markt gebracht.
Wichtig ist die Kontrolle der Schienenstoßverbindungen, die mit dem Schienenstoßmeßapparat gemessen werden. Es wird hiermit
der Widerstand der Stoßverbindung mit dem Widerstand eines stoßfreien Schienenstücks
nach der bekannten Brückenmethode verglichen, wobei während des Betriebes der in den
Gleisen fließende Betriebstrom als Stromquelle benutzt werden kann (Abb. 4). Ein Schienenstoß ist fehlerhaft, wenn sein
Widerstand größer als der von 10 m stoßfreier Schiene ist. Grobe Fehler in den
Schienenverbindungen, die z. B. durch Bruch der Verbindungsleitungen oder bei
Diebstahl des für
die Verbindungen verwandten Kupfers auftreten, können meist schon durch einfache
Spannungsmessungen oder Untersuchen mit einem Telephon erkannt werden.
Textabbildung Bd. 329, S. 424
Abb. 4.
Wichtig ist auch die Kenntnis der Spannungen, die im Gleisnetz während des Betriebes
auftreten, da die Gefährdung durch Streuströme mit zunehmender Spannung in den
Gleisen wächst. Diese Spannungen rühren von den Spannungsverlusten durch die
Gleisströme her. Sie werden noch erhöht, wenn die Widerstände in den
Schienenspeiseleitungen nicht abgeglichen sind, wenn also die Schienenspeisepunkte
nicht gleiches Potential haben. Infolge der dauernd wechselnden Belastung der Gleise
durch Anfahren und Halten der Wagen schwankt die Belastung stark. Die zu
verwendenden Spannungsmesser sind daher überaperiodisch
gedämpft. Die gleichen Meßgeräte dienen zum Messen der Spannung zwischen Gleisen und
Röhren und der Spannungen, die durch in den Rohrleitungen durch die eingedrungenen
Ströme auftreten. Es muß dabei dafür gesorgt sein, daß der Widerstand an den
Anschlußstellen der Meßdrähte die Meßergebnisse nicht beeinträchtigt. Durch großen
Eigenwiderstand der Meßgeräte wird der Einfluß solcher Uebergangswiderstände
vermindert. Wenn diese Messungen für sich auch keinen vollkommen sicheren Schluß auf
Gefährdung durch Streuströme gestatten, so sind sie doch für die Beurteilung der
Rohrgefährdung von großem Wert. Die Spannungen in den Rohren sind, wenn sie von
Bahnströmen herrühren, den Spannungen in den Gleisen proportional. Ob die zwischen
Rohr und Gleis gemessenen Spannungen von Bahnströmen herkommen und nicht etwa
Polarisationsspannungen sind, kann außer an den dauernden Schwankungen noch daran
erkannt werden, daß sie nach Betriebsschluß verschwinden.
Die Stärke der Gleisströme wird am einfachsten durch
Messen der Ströme in den Schienenspeiseleitungen und aus der Stellung der einzelnen
Wagen zu bestimmten Zeiten festgestellt.
Der an unverzweigtem Rohrstück in der Erde meist geringe Rohrstrom kann unter anderm derart bestimmt werden, daß in eine
Rohrstrecke von einer Hilfsstromquelle ein Strom von entgegengesetzter Richtung
gesandt und so geregelt wird, daß der Rohrstrom aufgehoben wird. Der stromlose
Zustand des für die Messung benutzten Rohrstücks wird hierbei durch
Spannungsmessungen festgestellt. Der Strom im Hilfsstromkreis ist alsdann gleich dem
zu messenden Rohrstrom. Wenn auch die Stärke des Rohrstromes kein unmittelbares Maß
für die Gefährdung ist, da die Ströme ungefährlich sind, so lange sie nur im Rohr
verlaufen, so kann man unter Berücksichtigung der örtlichen Verhältnisse oft
wertvolle Schlusse auf die Größe der Stromdichten an den Röhren ziehen.
Die Spannungen zwischen Gleisen und Röhren stehen mit den Spannungen in den Gleisen und in den Röhren im
Zusammenhang. Je größer die Rohrwiderstände sind, um so größer sind unter sonst
gleichen Verhältnissen die Spannungen, die zwischen beliebigen Stellen in der
Rohrleitung auftreten, und um so kleiner sind daher die Spannungen zwischen Gleisen
und Röhren, d.h. um so schwächer ist der Stromübergang von dem Gleise zu den Rohren.
Wenn auch aus der Größe dieser Spannungen noch kein sicherer Schluß auf die
Erdstromdichte, also die Stromstärke, die durch die Flächeneinheit hindurchgeht,
gezogen werden kann, so gibt die Kenntnis dieser Spannungen doch einen Anhalt zur
Beurteilung der Gefährdung. Aus den gemessenen Spannungen kann die mutmaßliche
Stromdichte an den Röhren ermittelt werden, wenn die Entfernung der Röhren von den
Schienen deren Abmessungen und die Leitfähigkeit des Erdbodens
bekannt sind.Vgl. Archiv der
Mathematik und Physik III, Reihe XII, Heft 1, S. 66.Die Leitfähigkeit des Bodens kann aus einer Erdprobe mit
einer Telephonmeßbrücke in bekannter Weise bestimmt und etwa auf den Widerstand
eines Würfels von 1 m Kantenlänge umgerechnet werden. Die Leitfähigkeit des
Erdbodens ist je nach dem Prozentsatz der gelösten Salze verschieden. Im Mittel kann
etwa mit 300 Ohm für 1 m3 Erde gerechnet
werden.
Textabbildung Bd. 329, S. 424
Abb. 5.
Schwieriger als die erwähnten Messungen sind Strom- und Spannungsmessungen in der
Erde, da durch Polarisationsspannungen die Messungen beeinträchtigt werden.
Geeignete Meßgeräte mit unpolarisierbaren Elektroden sind von Haber angegeben worden. Die Ströme treten aus den Röhren den Kirchhoff sehen Gesetzen entsprechend senkrecht aus, sie
verlaufen auf Kreisbahnen von den Röhren nach den Gleisen. Sie kommen scheinbar von
einer Achse, die exzentrisch innerhalb der Röhre liegt. Das Spannungsgefälle ist
unmittelbar am Rohr oder an den Schienen am größten, weil da die Stromdichte am
stärksten ist. Das Spannungsgefälle an den Röhren ist unter sonst gleichen
Verhältnissen an dünnen Röhren größer als an dicken. Der Spannungsverlauf in der
Erde kann mit Haber sehen Tastelektroden (Abb. 5) verfolgt werden.
Eine solche besteht aus einem Glaszylinder, der am untern Ende durch eine poröse
Tonplatte abgeschlossen ist. Die obere Oeffnung der Glasröhre wird durch einen
Gummistopfen verschlossen, durch den ein Zinkstab geführt ist. Der Zinkstab taucht
im Glasrohr in gesättigte Zinksulfatlösung. Zum Messen werden die Tastelektroden an
den Meßstellen in den Erdboden eingeführt. Nach der Nullmethode wird gemessen, indem
die zu ermittelnde Spannung durch die Teilspannung einer Hilfsbatterie aufgehoben
wird. Die Spannung zwischen zwei Meßstellen in der Erde kann an der Schieberstellung
am Meßdraht unmittelbar abgelesen werden. Bei Messungen zwischen Rohr und Erde muß die
Eigenspannung der Tastelektrode berücksichtigt werden.
Für das Messen der Stromdichte an den Röhren, der
sogenannten Freßdichte, von der unmittelbar die
Gefährdung der Röhren abhängt, hat Haber
Erdamperemeterrahmen hergestellt. Solche werden von Siemens
& Halske A. G. in zwei Größen von 100 und 10 cm2 wirksamer Fläche geliefert. Die größeren werden
vorteilhaft bei tiefliegenden Röhren oder bei großem Rohrdurchmesser, die kleineren
bei Röhren, die nahe an den Schienen liegen oder bei kleinerem Rohrdurchmesser
gebraucht. Der Erdamperemeterrahmen (Abb. 6) enthält
zwei in einen Holzrahmen eingespannte Kupferplatten, die durch eine
Weichgummischeibe voneinander isoliert sind. Um Polarisationsspannungen bei der
Messung auszuschließen, werden die Kupferplatten auf den Außenseiten mit einer
Kupfersulfatpaste bestrichen. Auf die Paste wird ein in Glaubersalzlösung getränktes
Pergamentpapier gelegt, hierüber wird Erde gestrichen. An die Kupferplatten sind
Meßdrähte angelötet, zwischen die ein Milliamperemeter geschaltet wird. Der so
hergerichtete Rahmen wird dicht am Rohr zwischen diesem und Gleis eingegraben. Das
Amperemeter gibt den den Rahmen durchsetzenden Strom, also die Stromdichte für die
wirksame Rahmenfläche an. Unter Berücksichtigung des Verlaufs der Strombahnen wird,
da der Rahmen eben ist, die Röhren aber gekrümmt sind, bei genauen Messungen noch
eine Korrektion (nach Besig) vorgenommen. Im Sinne der
Verbandsvorschriften gilt ein Rohr gefährdet, wenn der Strom für 1 dm2 Austrittsdichte 0,75 Milliampere
überschreitet.
Textabbildung Bd. 329, S. 425
Abb. 6.
Ob und in welchem Maße Strom aus den Röhren tritt, kann auch durch Eisenplatten von
gemessener Oberfläche, die an die Röhren von diesen isoliert angelegt werden, die
sich möglichst der Krümmung der Röhren anschmiegen, gemessen werden. An Rohr und an
Eisenteil werden Meßdrähte angelötet, die durch einen empfindlichen Stromzeiger
verbunden werden. Die Eisenteile können im Gegensatz zu den Erdampererahmen nach
Zuschütten der Meßgrube dauernd in der Erde bleiben, so daß die Messungen nicht
durch den Zutritt von Luftsauerstrom beeinträchtigt werden. Bei dieser Anordnung
strahlt das mit dem Rohr metallisch verbundene Eisenstück in gleicher Weise wie das
Rohr Strom aus. Der gesamte Strom, der von der eisernen Meßplatte ausgestrahlt wird,
wird durch den Stromzeiger angegeben. Da die Abmessungen der Meßplatte bekannt sind,
kann die Freßdichte, d. i. der Strahlungsstrom für 1 dm2 Oberfläche bestimmt werden. Angenähert kann die Gefährdung eines Rohres
bestimmt werden, wenn neben dieses Rohr von diesem getrennt ein Rohrstück in der
Erde verlegt und durch ein zwischen Rohrleitung und Rohrstück geschaltetes
Amperemeter der Strom gemessen wird, der aus dem eingelegten Rohrstück ausgestrahlt
wird.
Es sind sonach viele und sorgfältige Messungen und Untersuchungen nötig, um die nicht
leicht zu übersehenden Vorgänge bei Vorhandensein von Streuströmen aufzuklären und
die Streuströme und deren Wirkung nachzuweisen. Nur von geübter sachverständiger
Seite kann unter Verwendung zweckentsprechend ausgebildeter Meßgeräte einwandfrei
nachgewiesen werden, daß Schäden durch Streuströme elektrischer Bahnen veranlaßt
sind. Es ist dies wohl auch der Grund, daß so sehr häufig Anfressungen von Rohren
oder sonstigen Metallmassen in der Erde den Streuströmen zur Last gelegt werden,
während diese garnicht oder nur zum kleinsten Teile schuld waren. Tatsächlich sind
in Deutschland bei zweckmäßig angelegten Gleisanlagen nur wenig Schäden von Belang
durch Streuströme einwandfrei nachgewiesen worden. Bei den strengen deutschen
Vorschriften sind auch bei vorschriftsmäßig gebauten und überwachten Gleisanlagen
solche Schäden kaum zu befürchten, falls nicht besonders ungünstige örtliche
Verhältnisse vorliegen. Die durch säurehaltigen Boden oder das natürliche Rosten der
Röhren in der Erde herbeigeführten Schäden spielen häufig eine bedeutend größere
Rolle, so daß die Zusatzschäden durch die Streuströme meist nicht die Bedeutung
haben, die ihnen zuweilen zugeschrieben wird. Die Lebensdauer der Röhren in der
Erde, die durch das natürliche Rosten und andere Einflüsse beschränkt ist, wird in
den meisten Fällen durch die Streuströme nicht wesentlich verkürzt. In Amerika, wo
man durch die ersten Mißerfolge bei ganz unsachgemäß angelegten Gleisanlagen
besonders gewarnt wurde, glaubt man mit bedeutend milderen Vorschriften noch
auskommen zu können.