Titel: | Steinkohlen an Bord. |
Autor: | Schoeneich |
Fundstelle: | Band 329, Jahrgang 1914, S. 449 |
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Steinkohlen an Bord.
Von Dr.-Ing. Schoeneich in
Kiel
SCHOENEICH: Steinkohlen an Bord.
Grubengas in der Kohle. In jeder Steinkohle sind
durch die allmähliche Zersetzung von Pflanzenstoffen bei Druck und ungenügendem
Luftzutritt brennbare Grubengase vorhanden, deren Ansammlung im Luftgemisch sowohl
für den Abbau der Kohle in den Gruben als auch für die Lagerung großer Vorräte in
geschlossenen Räumen wie an Bord eine Gefahr bildet. Grubengas oder Methan ist
wahrscheinlich nur mechanisch im Kohlengelüge eingeschlossen, da die verschiedenen
Verfahren zum Austreiben von Gasen Druckverminderung, Temperaturerhöhung und
Auslaugen erfolgreich bei Ermittlung des Grubengasgehaltes von Steinkohlen angewandt
werden und die Beseitigung des Gases um so schneller erfolgt, je kleiner die
Kohlenstückchen zur Untersuchung gelangen. Die Zersetzung des Zellenbaus von
Pflanzenstoffen ist in den verschiedenen Kohlensorten verschieden weit
vorgeschritten, der Gasgehalt einer Kohle nimmt mit der fortschreitenden Zersetzung
ab, er wird daher in einer jüngeren Kohle größer sein als in einer älteren;
Anthrazit als älteste Kohle steht beispielsweise dem reinen Kohlenstoff schon recht
nahe und enthält am wenigsten Grubengas. Die jüngeren fetten Kohlen enthalten noch
halbzersetzte organische Substanzen, sie sind weniger fest und dicht als Anthrazit
und die Entlastung vorn Gesteinsdruck beim Abbau in den Gruben läßt das komprimierte
eingeschlossene Gas aus diesen Kohlensorten teilweise austreten, da der Widerstand
gegen Expansion von der Dichte des Materials abhängt.
Das Grubengas CH4
liefert bei der Verbrennung unter erheblicher Wärmeabgabe Kohlensäure CO2 und Wasser H2O. Die größte
Wärmeentwicklung ergibt sich bei vollständiger Verbrennung mit Sauerstoff O2 nach der Gleichung:
CH4 + 2 O2 = CO2 + 2 H2O; da atmosphärische Luft nur zu ~ ⅕ aus Sauerstoff
besteht, ist die Verbrennung demnach bei 10 v. H. Grubengas in der Luft am
lebhaftesten. Wird das Gas in diesem Verhältnis mit Luft gemischt und das
Gemisch an offener Flamme entzündet, so erfolgt die Verbrennung unter
Explosionserscheinungen, deren verheerende Folgen in den „schlagenden
Wettern“ der Kohlengruben bekannt sind. Zur Zündung ist die Einwirkung einer
Temperatur von 650 °C während 10 Sekunden erforderlich, wie die Untersuchungen der
Schlagwetterkommission ergeben, und explosionsfähig sind Mischungen von 6 v. H. bis
13 v. H. Methan und Luft. Das Gas ist nur wenig in Wasser löslich und hat das
geringe spezifische Gewicht von 0,559 bei 0 °C und 760 mm Barometerstand.
Die Verhältnisse an Bord. In den Laderäumen und Bunkern
ist an Bord nach der Kohlennahme das Luftvolumen nicht groß, da Kohle
verhältnismäßig leichte Schüttladung ist und den Raum gut füllt. Nach den
Vorschriften der Seeberufsgenossenschaft für die Schotteneinteilung sind bei
Kohleladung 60 v. H. des Raumgehalts in der Leckrechnung abzugsfähig, danach ist das
Luftvolumen mit 40 v. H. des Raumgehalts oder mit ½ l Luft auf 1 kg Kohle
anzunehmen, deren Hauptmenge sich über der Kohle, zwischen Kohlen und Deckbalken,
befindet. Bunker als kleinere Räume können noch besser gefüllt werden, so daß für
diese Gebrauchsräume mit ~ ¼ l Luft auf 1 kg Kohle zu rechnen ist. Diese Luftmengen
können bei Beurteilung der Explosionsgefahr und bei Berechnung der Gasmenge für das
selbsthätige Feuerlöschverfahren mit Kohlensäure als Anhalt dienen. Das Grubengas
steigt aus dem Kohlenhaufen empor und sammelt sich unter Deck, wenn keine
Absaugelüftung vorgesehen ist. Je größer der Gasgehalt einer Steinkohlensorte an
Grubengas und je leichter die Gasabgabe bei Temperaturerhöhung, Verringerung des
Luftdruckes und Raumfeuchtigkeit erfolgt, um so schneller entstehen im Laderaum und
Bunker in dem Luftraum zwischen den Decksbalken explosible Gasgemische, die bei
unvorsichtiger Handhabung von Licht explosiv verbrennen und je nach der Schlagwetterdichte und
Schlagwetterausdehnung Verpuffungen oder zerstörende Explosionen zur Folge haben. In
den meisten Fällen werden nur die Luken abgeschleudert und der Explosionsdruck
expandiert durch diese Oeffnungen, ohne das Schiff weiter zu beschädigen.
Begünstigt wird die Bildung von Explosionsgemischen durch die Neigung mancher
Kohlensorten zur Erwärmung beim Lagern in hohen Haufen. Diese Selbsterwärmung führt
zum Beginn der Verkokung und damit zur Zersetzung der Kohle, die aufsteigenden
brennbaren Gase bilden im Luftgemisch Explosionsherde, deren Zündung durch
aufgewirbelte Funken das Vordringen bei Löscharbeiten in den Kohlenvorräten
erschwert.
Die Eignung der Kohle für den Seetransport.
Erfahrungsgemäß ist die Gefahr der Schlagwetterbildung bei einer festen, trockenen
und ausgelagerten Kohle wesentlich geringer als bei einer bröckligen, feuchten und
frisch gebrochenen Gruskohle, doch sind einheitliche Beobachtungen über die Neigung
der einzelnen Kohlensorten zur Gasabgabe und zur Selbsterwärmung noch nicht in dem
Umfang vorhanden, daß danach eine Klassifizierung der Kohle für den Seetransport
möglich wird. Nach Ermittlung der Grubengasmenge, die etwa von 1 kg lufttrockenen
Kohlenstaubes in bestimmter Zeit und Temperatur abgegeben wird, läßt sich mittels
der erwähnten Verhältniszahlen zwischen Kohlenmenge und Luftmenge ein
Mischungsverhältnis als Grenzwert festlegen, doch muß zur Wahrung der Sicherheit der
Grenzwert wesentlich kleiner als 6 v. H. werden. Empirisch läßt sich die
Sicherheitsgrenze am schnellsten so finden, daß bei der Unfallstatistik über
Kohlenexplosionen und Kohlenbrände die Herkunft der Kohle angegeben wird und dann
für diese Zechen der Kohlengasgehalt bestimmt wird.
Bestimmung des Gasgehaltes. Versuche zur Ermittlung des
Gasgehaltes in Kohlen nach Art und Menge liegen nur in beschränkter Zahl vor. E. v.
Meyer stellte die Gasabsonderung fest, indem er aus
Kohle von Nußgröße das Gas mit Wasser auskochte. Die Gasmengen und die Gasarten
waren je nach der Herkunft der Kohlen verschieden; er fand durchweg Methan und
Stickstoff, in den meisten Proben auch Kohlensäure und Sauerstoff, vereinzelt noch
Aethan. Aus je 1 kg Kohle gewann er Gasmengen von 136 bis 2380 cm3, doch sind diese Zahlen nicht bindend, da aus
groben Stückkohlen im gleichen Verfahren erheblich weniger Gas, aus Kohlenstaub
dagegen mehr Grubengas in der gleichen Zeit ausgetrieben wird.
J. W. Thomas erweiterte das Verfahren durch Untersuchung
gepulverter Kohle und durch Kombination der gasaustreibenden Wirkung erhöhter
Temperatur mit Druckverminderung. Die von ihm ermittelten Gasarten sind im
wesentlichen die gleichen wie bei v. Meyers Versuchen,
die Gasmengen sind größer, bei 100 °C erhielt er auf 1 kg Kohle 157 bis 4213 cm3 Gas.
Eingehender und unter besonderer Berücksichtigung der Bordverhältnisse sind die
Untersuchungen von Dennstedt und Hassler im chemischen Staatslaboratorium Hamburg fortgeführt worden. Sie
begnügten sich mit Temperaturen von 40 bis 50 °C, wie sie etwa in der
Nachbarschaft der Kesselräume und in den Tropen vorkommen. An brennbaren Gasen
fanden sie bei dieser niederen Versuchstemperatur hauptsächlich Methan, vereinzelt
Aethan, aber kein Kohlenoxyd. Die Feststellung ist wichtig, weil beim Kohlennehmen
verschiedentlich Gasvergiftungen in Kohlenbunkern beobachtet sind, die auf Einatmung
von Kohlenoxyd deuten. Die aus fünf verschiedenen Kohlensorten unter sonst gleichen
Verhältnissen erzielten Gasmengen welchen erheblich voneinander ab, wobei die
ausgelagerte Kohle weniger Gas lieferte als frische Kohlen. Der Einfluß der
Kohlenstückgröße auf die Verminderung der Gasabgabe wurde im Vergleich derselben
Kohlensorte als Nußkohle und als Kohlenstaub festgestellt; aus der zu Nußgröße
zerkleinerten Kohle konnte bei gewöhnlicher Temperatur durch Evakuieren nur 2 v. H.
der Gesamtgasmenge ausgesogen werden und bei Unterstützung der Saugewirkung durch
Temperaturerhöhung auf 50 °C und Zuhilfenahme von Wasser gelang es, etwa 15 v. H.
der Gesamtgasmenge auszutreiben. Bei Untersuchung gepulverter Kohle dagegen wurden
durch Druckverminderung bei normaler Temperatur aus trockner Kohle 6 v. H. des
Gasgehalts ausgesogen, in feuchtem Zustande 25 v. H. und beim Zusammenwirken von
Evakuierung, Feuchtigkeit und Temperaturerhöhung auf 50 °C wurde in zehn Stunden der
gesamte Gasvorrat ausgetrieben. Der Erklärungsversuch für diese Erscheinungen ist
bereits durch die Entstehung der Steinkohlen beschrieben.
Kohlenstaub. Die Folgerungen aus diesen Versuchszahlen für
die Kohlenaufspeicherung in den Laderäumen und Bunkern verlangen kühle, trockene
Räume und eine feste, staubarme Kohle; Schwankungen im Luftdruck sind als wenig
einflußreich erkannt. Die Entstehung des Kohlenstaubs läßt sich bei Gewinnung,
Verfrachtung und Transport der Kohle nicht vermeiden, nur die Menge läßt sich bei
gleicher Behandlung einschränken, wenn die Druckfestigkeit bei Bestellung der
Schiffskohlen mitberücksichtigt wird und mehr als bisher mit Kohlengreifern
gearbeitet wird, die gleichzeitig größere Mengen fassen. Die Sammlung des
Kohlenstaubs unter den Füllöffnungen, Luken und Kohlenschütten ist nicht nur als
Quelle beschleunigter Gasabscheidung bedenklich, sie bildet auch dadurch eine
Gefahr, daß Kohlenstaub in der Luft schwebend selbst explosionsfähig ist. Versuche
der preußischen Schlagwetterkommission haben gezeigt, daß abgelagerter Kohlenstaub
bei Grubengasexplosionen durch den Explosionsstoß aufgewirbelt und durch die
nachfolgende Stichflamme selbst zur Explosion gebracht wird; durch diese Eigenschaft
des Kohlenstaubes kann eine Schlagwetterexplosion sich auch auf schlagwetterfreie
Strecken fortpflanzen, wenn etwa 70 g Kohlenstaub im Raummeter Luft vorhanden sind.
Aber auch in schlagwetterfreiem Gebiet, wie in Oberschlesien sind Explosionen
beobachtet, die nur als reine Kohlenstaubexplosionen erklärt werden können, und
experimentell ist es dann auch gelungen, bei einem Gehalt der Raumluft von etwa 120
g feinstem Fettkohlenstaub im Raummeter Luft, Kohlenstaubexplosionen allein hervorzurufen. Ein
derartiger Staubgehalt wird an Bord nur beim Nehmen und Löschen der Kohle auftreten,
es ist daher gerade in dieser Periode größte Vorsicht geboten, und der Konstrukteur
hat bei der Disposition der Kohlenräume und der Kohlennahmevorrichtungen die
Einschränkung der Staubgefahr zu berücksichtigen. Rechnungsbeispiel. Im chemischen
Staatslaboratorium Hamburg wurde zur Untersuchung eine Kohlenprobe der englischen
Zeche Nixon Navigation eingeliefert, die nach dem Kohlen eine Bunkerexplosion
verursacht hatte. Die Kohle war frisch gefördert, war aber sonst schon wiederholt
auf dem Seeweg befördert worden ohne Unfälle, obwohl die Kohle leicht zerbröckelte.
Aus 1 kg Kohlenstaub ließen sich beim Durchleiten von Luft bei 50 °C etwa 123 cm3 Grubengas in zwei Stunden austreiben, im Vakuum
bei normaler Temperatur dagegen nur 22 cm3; der
gesamte Gasgehalt betrug 1386 cm3 Methan mit
Spuren von Aethan, er konnte bei 50 °C unter vermindertem Druck und bei Befeuchtung
in etwa zehn Stunden ausgezogen werden. Da es sich um eine Bunkerexplosion handelte,
bei der wie erwähnt, etwa ¼ l Luft auf 1 kg Kohle kommen, sind zur Erreichung
der Explosionsgrenze von 6 v. H. Methan in Luft etwa 15 cm3 Methan auf 1 kg Bunkerkohle zu bilden. Die
Gruppierung der Bunker um die Kessel zur Vereinfachung des Kohlentransports bedingt
warme Bunker und, da die Zeitdauer für die Gasabgabe bei liegendem Schiff mit
unwirksamer natürlicher Lüftung die Versuchsdauer von zwei Stunden meist
überschreitet, ist es berechtigt, als Gasabgabe mit 123 cm3 zu rechnen, obwohl die durchschnittliche
Bunkertemperatur 50 °C nicht erreicht. 123 cm3 Gas
entsprechen bei der Nixon Navigation Kohle 1 kg Kohlenstaub, 15 cm3 Gas daher etwa 122 g Kohlenstaub auf 1 kg fester
Kohle. Bei einem derartigen Verhältnis von Kohlenstaub zu fester Kohle würde die
gesamte Raumluft im Bunker explosionsfähig werden, doch ist selbst bei einer
klüftigen Kohle das Verhältnis unwahrscheinlich groß und wird höchstens unter den
Füllöffnungen vorkommen, so daß auch bei dieser Kohlensorte nur Teilschlagwetter im
Bunker entstehen und die oberste Luftschicht im Bunker explosionsfähig wird.
(Schluß folgt.)