Titel: | Moderne Fernsprechleitungen. |
Autor: | A. Ebeling |
Fundstelle: | Band 329, Jahrgang 1914, S. 497 |
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Moderne Fernsprechleitungen.
Von Oberingenieur Dr. A. Ebeling in
Berlin-Charlottenburg.
EBELING: Moderne Fernsprechleitungen
Wenn sich auf irgend einem Gebiete der Technik der gunstige Einfluß
wissenschaftlichen Forschens in hellem Lichte gezeigt hat, so ist es das Gebiet der
Fernleitung von Sprechströmen. Die Apparate zum Senden
und Empfangen telephonischer Wechselströme, Mikrophon und Fernhörer, sind fast
ausschließlich in der Praxis durchgebildet worden und unterscheiden sich im Wesen
heute noch nur wenig von den ältesten Typen. Erst in neuester Zeit sind Schritte
unternommen worden, die Sonde wissenschaftlicher Messung an diese Glieder des
Fernsprechmechanismus zu legen, um ihre verbesserungsfähigen Stellen von Grund auf
kennen zu lernen.K.W.Wagner, Ueber die Verbesserung des Telephons,
E.T.Z. 1911, S.83. F. Breisig, Ueber die
Energieverteilung in Fernsprechkreisen. E. T. Z. 1911, S. 558.Im
Gegensatz hierzu hat sich mit den Leitungen für
elektrische Nachrichtenübermittlung die Wissenschaft von vornherein rege beschäftigt
und dabei schließlich um die Jahrhundertwende einen Erfolg gezeitigt, der die andern
bisherigen Erfolge der Fernsprechtechnik weit in den Schatten stellt.
Dieser Erfolg geht aus von der Erfindung des amerikanischen Professors Pupin, welche zwar in den Arbeiten einiger Forscher vor
ihm wurzelt, aber doch erst den entscheidenden Schritt enthält, der die vorliegenden
Ergebnisse der Praxis nutzbar machte.
Ein kurzer Rückblick auf die Entwicklung der Theorie der Fernsprechleitungen wird am
deutlichsten Pupins Verdienst erkennen lassen.
Im Beginn des Entstehens der Fernsprechtechnik, als man noch vollkommen am Bilde des
gewöhnlichen Stromkreises haftete, zog man naturgemäß nur den Leitungswiderstand,
und zwar den Gleichstromwiderstand der Leitung, als maßgebend für die
Energieübertragung in Betracht. Für Stromunterbrechungen und Stromschluß,
insbesondere in der Form, wie sie beim Telegraphieren vorkommen, traten dann
allmählich auch die Begriffe Selbstinduktion und Kapazität in den. Gesichtskreis.
Das weitere Studium der Wechselströme führte zur Erkenntnis, daß der
Leitungswiderstand für Wechselstrom größer ist als für Gleichstrom, und zwar infolge
der Verluste, die auf Vorgänge wie Skineffekt, Hysteresis, Wirbelströme
zurückzuführen sind. Schließlich gelang es noch nachzuweisen, daß die scheinbare
Isolation für Wechselstrom ein wesentlich anderer Begriff als die
Gleichstromisolation, gleichwohl aber der exakten Messung zugänglich ist. Damit
waren die heute als bestimmend für die Fernleitung elektrischer Wechselströme
geltenden Begriffe: Leitungswiderstand, Kapazität, Selbstinduktion und Ableitung
(der reziproke Wert der scheinbaren Wechselstromisolation) festgelegt.
Die wichtigste Erkenntnis aber war schon ziemlich früh gewonnen: daß die
Fortpflanzung der Fernsprechströme in Form von elektrischen Wellen längs der Leitung
erfolgt, deren Fortpflanzungsgeschwindigkeit der Lichtgeschwindigkeit mehr oder
weniger nahekommt, und deren Länge bei gewöhnlichen Leitungen hunderte von
Kilometern beträgt.
Gemäß der verschiedenen Klangfarbe der einzelnen Laute setzen sich die Sprechwellen
aus einzelnen Frequenzen zusammen. Man hat gefunden, daß unter normalen
Verhältnissen die Frequenzen von ω = 3000 Schwingungen
in 2 π Sekunden bis ω =
7000 Schwingungen in 2 π Sekunden für die Güte der
Sprechübertragung ausschlaggebend sind, d.h. daß man eine gute Uebereinstimmung
bekommt zwischen Sprechversuchen und Messungen, die mit sinusförmigem Wechselstrom
mit Frequenzen aus dem Gebiete zwischen ω = 3000 und
ω = 7000 ausgeführt sind.
Auf die Fortpflanzung dieser verschieden langen Wellen wirken nun die oben erwähnten
Eigenschaften der Leitung: Widerstand, Kapazität, Ableitung und Selbstinduktion,
deren kilometrische Werte man mit R, C, A und L bezeichnet, in bestimmter Weise ein.
Am meisten interessiert die „Dämpfung“, d.h. das Maß, in welchem die Energie
vom Anfang der Leitung bis zum Ende geschwächt wird. Man bezeichnet sie mit dem
Produkt β l, wo l die
Länge der Leitung und β der Dämpfungskoeffizient ist.
Er drückt sich durch die Eigenschaften der Leitung aus in der Form
\beta=\sqrt{^1/_2\,[\sqrt{(A^2+\omega^2\,C^2)\,(R^2+\omega^2\,L^2)}+(A\,R-\omega^2\,C\,L)]}
Die Bedeutung der Größe β für die Sprechübertragung
erkennt man am leichtesten aus der Beziehung
\frac{J_{\mbox{a}}}{J_{\mbox{e}}}=1/2\,e^{\beta\,l},
wo Ja und Je den
Anfangs- und Endstrom einer einigermaßen langen Leitung bezeichnen.
Nach dem Werte von β l kann man die Güte der
Sprechverständigung beurteilen. Folgende Tabelles.u.a.
F. B reisig, E. T. Z. 1914, S. 649. gibt einige β l-Werte und den zu ihnen gehörigen Grad der
Verständigung an:
ß l
Verständigung
3,0
gut
3,8
ausreichend
4,3
dürftig
4,8
kaum möglich
Der Einfluß der vier Leitungskonstanten zeigt sich in folgender Weise:
Der Widerstand R wirkt der Uebertragung durch den
Spannungsabfall entgegen, den er veranlaßt. Dieser Spannungsabfall wird
hervorgerufen durch die Verwandlung von elektrischer Energie in Joulesche Wärme,
sowie durch die Verluste infolge von Skineffekt, Wirbelströmen und Hysterese, Die
Gesamtheit dieser Verlustquellen läßt sich als Ohm scher Widerstand darstellen und
wird unter der Bezeichnung R zusammengefaßt.
Als Kapazität C ist diejenige aufzufassen, welche das
elektrische Feld zwischen der Hin- und der Rückleitung bestimmt. Sie setzt sich
zusammen aus der Teilkapazität zwischen den beiden Leitern und den Teilkapazitäten
der einzelnen Leiter gegen Erde bzw. gegen die Umgebung. Ihren Einfluß kann man sich
aus der Ueberlegung klar machen, daß die Kapazität für den Fernsprechwechselstrom
endliche Widerstände darstellt, welche zu den Sende- und Empfangsapparaten im
Nebenschluß liegen und ihnen so Energie entziehen.
Die Ableitung setzt sich aus zwei Teilen zusammen, von denen der eine der stets, wenn
auch nur in geringem Grade, vorhandenen Leitfähigkeit des Dielektrikums
zuzuschreiben ist, während der andere von Hystereseerscheinungen im Dielektrikum
herrührt.
Im Gegensatz zu diesen drei Größen R, C und A wirkt die Selbstinduktion auf die Uebertragung der
Sprechströme im allgemeinen nicht schwächend ein, da sie, wie auch schon aus ihrem
Verhalten in Wechselstromkreisen bekannt, die Wirkung der Kapazität mehr oder
weniger aufheben kann. Allerdings führte erst die Erkenntnis, daß man es bei
Fernsprechleitungen mit wellenförmiger Ausbreitung der Energie zu tun hatte, zu der
richtigen Beurteilung ihres fördernden Einflusses auf die Fortpflanzung von
Sprechströmen.
Nachdem man erkannt hatte, daß eine Erhöhung der Selbstinduktion die
Sprachübertragung verbessern konnte, versuchte man auf verschiedenen Wegen diese
Erkenntnis in die Praxis umzusetzen. Zwei von diesen Methoden sind nur zur
Bedeutung gelangt, das System nach BreisigE. T. Z. 1899, 842; 1901, 1046; 1902,
223. und KrarupE. T. Z. 1902, 344. und das Pupin-SystemPupin, Trans. Inst. El. Eng. 1899, 111 und 1900,
245. Dolezalek und Ebeling, E. T. Z. 1902, S. 1059..
Nach dem Breisig-Krarup-SystemVgl. auch F. Dolezalek und A. Ebeling, Ueber die
Leistungsfähigkeit von Fernsprechkabeln mit stetig verteilter
Selbstinduktion. E. T. Z. 1903 Heft 38., welches nur bei Kabeln
anwendbar ist, wird der Kupferleiter mit einer oder mehreren Lagen von dünnem
Weicheisendraht besponnen. Die Selbstinduktion wird also längs der ganzen Länge der
Leitung erhöht. Der Erfolg dieser Methode ist immerhin achtenswert, wenn man auch
mit der Höhe der eingefügten Selbstinduktion beschränkt ist, da mit dem Aufbringen
der Eisenhülle auch die Kapazität C wächst. Dazu kommt,
daß durch die Eisenbespinnung die Leiter und damit das Kabel sehr dick und teuer
werden.
Die zweite Methode, die Pupin angegeben hat, unterscheidet
sich grundsätzlich dadurch von der Breisig-Krarupschen, daß nach ihr die
Selbstinduktion punktförmig in die Leitung eingefügt wird. Schon HeavisideHeaviside, Electromagnetic Theorie, vol. I, S.
409 bis 453, 1893. und S. P. ThompsonEngl. Patente Nr.
22304/1891, 13064 und 15217/1893, 13581/1894. hatten Vorschläge
in dieser Richtung gemacht, aber erst Pupin erkannte, daß
die Induktionsspulen in gleichen Abständen in die Leitung eingeschaltet werden
müssen, deren Größe von der Wellenlänge der Sprechströme abhängt. Hiermit erst war
der Schritt getan, der zu wirklichen Erfolgen in der Praxis führte und für das
Fernsprechwesen von größter Bedeutung geworden ist.
Allerdings waren bei der Nutzbarmachung der Erfindung für die Praxis noch viele
Schwierigkeiten zu überwinden. Diese Arbeit ist für das Gebiet, welches in der
Hauptsache die europäischen Staaten umfaßt, von der Siemens
& Halske A.-G., für Nordamerika von der Western
Electric Co. übernommen und durchgeführt worden.
Zunächst ging man daran, die oberirdischen Freileitungen zu pupinisierenVgl. A. Ebeling,
Ueber Fernsprech-Freileitungslinien Pupinschen
Systems, E. T. Z. 1910.. Als Abstand für die Pupin-Spulen wählte
man etwa 10 km. Natürlich mußten die Spulen in Gehäuse eingebaut werden, um sie
gegen die Unbilden der Witterung zu schützen. Aber gerade solche
Freileitungsapparate, wie die für oberirdische Leitungen in Gehäuse eingebauten
Spulen heißen, herzustellen, erwies sich als ziemlich schwierig, da die Apparate
vielen Anforderungen gerecht werden mußten: Sie sollten leicht sein, damit sie die
Gestänge nicht zu stark belasteten; sie sollten den starken Temperaturschwankungen
Widerstand leisten, gegen Gewitter unempfindlich sein und sollten die Isolation der
Leitung nicht beeinträchtigen.
Nach mehreren fehlgeschlagenen Versuchen, bei denen man noch zudem allein auf
die Erfahrungen aus dem Betriebe angewiesen war, entwickelte sich die jetzige Form
der Freileitungsapparate, wie sie aus der Abb. 1 zu
ersehen ist.
Textabbildung Bd. 329, S. 499
Abb. 1. Pupinfreileitungsapparat am Gestänge
Die im Innern eingebaute Spule besteht aus einem ringförmigen Kern aus möglichst
verlustfreiem Eisen, auf welchen die beiden Wicklungen für die Hinleitung sowohl wie
für die Rückleitung aufgebracht sind. Die Wicklungen, deren jede durch einen
zwischen ihren Enden liegenden Luftleerblitzableiter geschützt ist, sind mittels
Porzellanisolatoren aus dem Metallgehäuse, in welchem die Spule mit allem Zubehör
untergebracht ist, ausgeführt. Der Apparat selbst ist gegen das Gestänge noch durch
einen Isolator aus Spezialhartgummimasse isoliert.
Nachdem die mechanischen Unvollkommenheiten beseitigt waren, hat das Pupin-System für Freileitungen weitgehende Anwendung
gefunden.
Die längste Linie, die in Europa gebaut worden ist, ist die 2000 km lange Linie
Berlin-Mailand-Rom, welche zwischen Berlin und Mailand bereits dem Betriebe
übergeben ist. Versuchsgespräche und Messungen an der ganzen Linie Berlin-Rom haben,
wie in allen bisherigen Fällen, gezeigt, daß die gemessenen Eigenschaften der Linie,
insbesondere die Dämpfung, vorzüglich mit den vorher berechneten Werten
übereinstimmen.
Wesentlich anderer Natur waren die Schwierigkeiten, welche die Anwendung des Pupin-Systems bei Kabeln bot. Hier hatte man zuerst in
Anlehnung an die Pupinschen Berechnungen angenommen, daß die Ableitung, der
reziproke Wert der Isolation, zu vernachlässigen sei, da ja gut gebaute Kabel sehr
hohe Isolationswerte haben. Im Jahre 1891 zeigte jedoch A. FrankeA. Franke, Die elektrischen Vorgänge in
Fernsprechleitungen und -Apparaten. E. T. Z. 1891 Heft 13., daß
die mit Wechselstrom gemessene Ableitung einen wesentlich höheren Wert hatte, als
sich aus den Isolationsmessungen mit Gleichspannung schließen ließ. Zu demselben
Ergebnis führten Messungen, die Béla GatiBéla Gati, Die
Messung dielektrischer Widerstände mittels des Baretters. Elektrotechnik und
Maschinenbau 1908, Heft 13. anstellte. Der höhere Wert der
Ableitung für Wechselstrom rührt daher, daß der dielektrische Verschiebungsstrom im
Isolationsmaterial Verlusten unterworfen ist, welche dem zu übertragenden Strom
Energie entziehen und so die Dämpfung erhöhen.
Der Ausdruck für die Dämpfung (s. o.) nimmt für Leitungen mit erhöhter
Selbstinduktion die Form an:
\beta=\frac{R}{2}\,\sqrt{\frac{C}{L}}+\frac{A}{2}\,\sqrt{\frac{L}{C}}.
Bei den vorgenannten Untersuchungen stellte sich nun heraus,
daß das zweite Glied auch bei Kabeln keineswegs zu vernachlässigen sei, insbesondere
bei Kabeln mit größeren Leiterstärken, wie sie für den Verkehr zwischen entfernten
Städten in Frage kommen. Neben der Aufgabe, die Pupinisierung entsprechend
vorzusehen, daß der Wert von \frac{A}{2}\,\sqrt{\frac{L}{C}}
nicht durch die Selbstinduktion zu groß würde, ergab sich die neue Aufgabe, die
Kabel so zu bauen, daß sie eine möglichst kleine Ableitung haben.
Daß man Kabel herstellen kann, welche diesen Bedingungen genügen, habe ich in einer
früheren ArbeitA. Ebeling, Lange interurbane Fernsprechkabel Pupinschen Systems. E. T. Z. 1910, Heft
17. gezeigt. Die Aufgabe der Unterbringung der Spulen wurde
gleichfalls befriedigend gelöst. Man baut sie in sogenannte Spulenmuffen oder
Spulenkästen ein, welche im wesentlichen aus einem Zinkkasten bestehen, in welchem
die Pupin-Spulen in geeigneter Weise montiert sind. Der
Kasten ist verlötet und mit Vergußmasse ausgegossen. Zum Schutz gegen mechanische
Beschädigungen ist das Zinkgehäuse von einem gußeisernen Kasten umgeben. Der
Zwischenraum zwischen beiden ist mit einer Füllmasse ausgegossen. Auf den Zinkkasten
ist die mit einem Hals versehene Zinkmuffe aufgelötet; auch diese wird durch eine an
den Eisenkasten angeschraubte gußeiserne Muffe gegen äußere Beschädigungen
geschützt. Abb. 2 zeigt einen Spulenkasten für 52
Spulen in das Kabel eingebaut.
Textabbildung Bd. 329, S. 499
Abb. 2. Pupinspulenkasten in ein Röhrenkabel eingebaut (Fernkabel
Berlin-Magdeburg)
Man konnte somit daran gehen, Kabel für die Entfernungen zu bauen, die die
Berechnungen als möglich in Aussicht stellten. Zunächst wurden einige Vorversuche
angestellt, indem die Reichspost eine Reihe von kürzeren Kabeln verlegte, die aber
eine möglichst geringe Dämpfung aufweisen mußten, da sie zur Einführung von
Freileitungen in die größeren Städte wie Berlin, Hamburg, Frankfurt a. M. dienen
sollten. Die Leiter in diesen Kabeln hatten den bis dahin größten Durchmesser von 2
mm.
Nachdem die Messungen ergeben hatten, daß die elektrischen Größen dieser Leitungen
den berechneten Werten entsprachen, ging die Reichspost daran, das erste große
Fernkabel zu verlegen. Es soll eine Verbindung zwischen Berlin und dem Rheinland
herstellen und wird eine Gesamtlänge von über 600 km erreichen. Zurzeit ist die
Strecke von Berlin nach MagdeburgF. Breisig, Fernsprechkabel großer Reichweite,
insbesondere das Kabel „Berlin-Rheinland“. E. T. Z. 1914 Heft 23. A.
Ebeling, Erfahrungen bei der Fabrikation und
Verlegung des Fernkabels auf der Strecke Berlin-Magdeburg. E. T. Z. 1914
Heft 25. fertiggestellt, die Strecke von Magdeburg nach Hannover
im Bau. Der wesentlichste Fortschritt, den dieses Kabel den früheren gegenüber
aufweist, liegt darin, daß es auch 3 mm Leiter enthält, über deren elektrisches
Verhalten man vorher noch keine Erfahrungen hatte. Daß auch mit ihnen ein voller
Erfolg errungen worden ist, geht aus den beiden oben genannten ausführlichen
Arbeiten hervor. Hier sei nur erwähnt, daß unter normalen Betriebsbedingungen
ausgeführte Sprechversuche gezeigt haben, daß über 1000 km Entfernung mit einer 3 mm
starken Leitung eine durchaus brauchbare Sprechverständigung erzielt wird.
Das Kabel setzt sich aus 28 Doppelleitungen von 2 mm und 24 Doppelleitungen von 3 mm
Leiterstärke zusammen, welche derartig verseilt sind, daß man aus je zwei
Doppelleitungen einen kombinierten Sprechkreis herstellen kann. In die
Doppelleitungen sind in Abständen von 1,7 km (der gewöhnliche Spulenabstand bei
Kabeln beträgt etwa 1,5 bis 3,5 km) die Pupinspulen eingeschaltet.
Von ähnlichen Fernkabeln im Auslande sind das etwa 700 km lange Kabel zwischen
Washington und Boston und ein etwa halbsolanges Kabel in England zu erwähnen, welche
auch noch im Bau begriffen sind.
Auf größere Schwierigkeiten, besonders was die Unterbringung der Spulen anbetrifft,
stieß man bei Seekabeln, da die Spulen hierbei unter die Armierung gebracht werden
mußten und den Durchmesser des Kabels doch nicht so sehr vergrößern durften, daß das
Kabel nicht über die Trommel der Verlegungsmaschine laufen konnte.
Ein einziges Papierluftraumkabel mit Bleimantel, nach dem Pupinsystem ausgerüstet,
ist unter Wasser verlegt worden. Es ist dies das im Jahre 1906 von der Siemens & Halske A.-G. im Bodensee zwischen
Friedrichshafen und Romanshorn verlegte Kabel. Es enthält 7 Doppelleitungen,
ist etwa 12 km lang und liegt in Tiefen bis zu 250 m.A. Ebeling, Ueber
das im Bodensee verlegte Fernsprechkabel mit Selbstinduktionsspulen nach dem
Pupinschen System. E. T. Z.
1907.Bei den andern Pupinseekabeln, welche sämtlich von der Londoner
Firma Siemens Bros, verlegt worden sind, hielt man sich
an das gewohnte Isolationsmaterial für Seekabel, die Guttapercha. Ein Beispiel dafür
ist das zweipaarige Kabel zwischen Frankreich und England. Es ist im Jahre 1910
verlegt worden und etwa 38 km lang. Abb. 3 zeigt die
Unterbringung der Spulen in diesem Kabel.
Da jedoch die Guttapercha einen für Fernsprechkabel sehr ungünstigen Wert der
Ableitung besitzt, wurden Versuche gemacht, welche zur Auffindung einer
Spezial-guttapercha mit niedriger Ableitung führten. Mit ihr sind die weiteren
Pupinseekabel isoliert, das 1911 verlegte Kabel zwischen England und Belgien (88 km
lang)Electrical Review,
London, 6. Oktober 1911, S. 539., das 1913 verlegte Kabel
zwischen England und IrlandThe Post Office
Electr. Eng. Journal, Januar 1914, S. 381, April 1914, S. 1.
(118,6 km lang) und das demnächst zur Verlegung kommende Kabel zwischen England und
Holland (etwa 150 km lang).Ueber Seekabel siehe
ferner: J. G. Hill, The Loading of Submarine
Telephone Cables. The Electrical Review London 1912 und F. Lüschen, Ueber Fernsprech-Unterwasserkabel,
Archiv für Elektrotechnik Bd. 1912, Heft 7.
Textabbildung Bd. 329, S. 500
Abb. 3. Pupinspulenstück für Seekabel, Außenansicht und Querschnitt
Wie schon oben erwähnt, haben die Versuche und Messungen an den fertiggestellten
Pupinleitungen stets den gehegten Erwartungen entsprochen. Das ist ein Beweis dafür,
daß man die Faktoren, welche auf die Energieübertragung Einfluß haben, zur Genüge in
ihrer Wirkungsweise erkannt hat. Es gehört aber auch dazu, daß man in der Lage ist,
die elektrischen Eigenschaften von Fernsprechleitungen durch Messung
festzustellen.
Hier zeigt sich ein sekundär günstiger Einfluß der Pupinschen Erfindung. Denn bei der Lösung der vielen Aufgaben, welche die
Einführung des Pupinsystems stellte, entstanden eine große Anzahl neuer Meßmethoden
und Meßinstrumente. Erwähnt seien besonders die Arbeiten von F. Breisig, deren Ergebnisse er zum großen Teil in seinem
Buch „Theoretische Telegraphie“Fr. Vieweg & Sohn, Braunschweig 1910.
niedergelegt hat, ferner die Arbeiten von K. W. Wagner
und F. Lüschen, welche fast durchweg in der
Elektrotechnischen Zeitschrift erschienen sind.
Von Meßinstrumenten sei besonders hingewiesen auf die Frankesche Maschinevgl.
Elektrotechn. Zeitschrift 1913, Heft 16 S. 433., welche zwei
sinusförmige Wechselströme gleicher Periode liefert, die man in Amplitude und
gegenseitiger Phase stetig und ablesbar ändern kann. Diese Maschine eignet sich
außer zur Messung komplexer Widerstände bei Sprechfrequenzen insbesondere zur
Bestimmung der Dämpfung von Fernsprechleitungen. Dem gleichen Zwecke dient der
Kompensator von L. Larsen,Larsen, Elektrot.
Zeitschr. 13. Oktober 1910, S. 1039. und der Kompensationsapparat
von K. Erlang.Erlang, Journal of the Institution Electrical
Engineers 1913, Part 222, vol. 51. Zu einer Reihe von Messungen
eignet sich allerdings die Frankesche Maschine besonders
gut.
Aus der großen Anzahl weiterer Apparate sei noch eine Anordnung herausgegriffen,
welche es ermöglicht, sich ein Bild von der Sprechverständigung zu machen, die mit
einer in Aussicht genommenen Linie erreichbar ist. Nach den Angaben von BreisigVerhandlungen der deutschen physikal. Gesellschaft 1910, S.
184. kann man sich eine „Eichleitung“, welche den
für die Sprachgüte einer Fernsprechleitung maßgebenden Größen vollkommen entspricht,
aus fünf Widerständen und einer Kapazität wie in Abb.
4 zusammensetzen.
Die Anordnung hat den Vorteil, daß man die in der Praxis vorkommenden Dämpfungen
durch ein einziges solches Element darstellen kann, welches sehr kleine Abmessungen
hat, während eine künstliche Leitung, bei der die Linie kilometerweise aus Elementen
in Widerstand und Kapazität nachgebildet ist, schon bei kurzen Linien sehr viel Raum
beansprucht.
Diese Eichleitungen, welche auch stufenförmig veränderlich hergestellt werden, haben
einen großen praktischen Wert deshalb, weil die Dämpfung, das β l, heute fast durchweg als Maß für die Güte der
Sprechverständigung gebraucht wird (vgl. die Tabelle auf S. 498). Man kann somit
sagen, daß man sich heute bereits vor der Ausführung einer Fernsprechleitung im
klaren ist, welches Ergebnis man erzielen wird, und das ist bei den großen Aufgaben,
an welche die Fernsprechtechnik dank der Pupinschen
Erfindung jetzt herangeht, natürlich von großer Wichtigkeit; denn Anlagen, wie die
rd. 2000 km lange Pupin-Freileitung Berlin-Rom und das
über 600 km lange Pupin-Kabel von Berlin nach dem
Rheinland sind bedeutende Objekte. Und doch ist man mit diesen Linien noch nicht an
die Grenze dessen gelangt, was mit den zurzeit zu Gebote stehenden Hilfsmitteln
geleistet werden kann. Denn auf Grund der bisher angestellten Versuche kann man
sagen, daß oberirdische Leitungen erst bei 3000 km, Kabel bei 1000 km an der Grenze
ihrer Leistungsfähigkeit angelangt sind. Damit dürfte den Ansprüchen der Gegenwart
Genüge geschehen. Eine wesentliche Erweiterung des Fernsprechbereichs wird
vermutlich mit Hilfe des Fernsprechrelais gelingen, wenn dasselbe auch heute noch
nicht einen solchen Grad der Vollendung erreicht hat, daß man von einer ausgedehnten
praktischen Anwendbarkeit sprechen kann.
Textabbildung Bd. 329, S. 501
Abb. 4.